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Gegen wärtig ist wieder ein solcher Moment, in dem alle Eifer süchten sich ausgerüstet haben, um, wenn nicht zu siegen, so doch h« Gegner auch keinen Sieg zu gönnen. Bekanntlich ist die jetzige Verfassung Frankreichs in den Mi Grundgesetzen festgestellt worden, die nach jahrelangem Kampf endlich am 25. Februar d. I angenommen wurden und welche Frankreich für eine Republik unter einem Prä sidenten zunächst bis zum Jahre 1880 erklären, sowie eine in zwei Kammern zerfallende GesetzgebungSkvrperschaft -ein- setzen. Es gab in dieser Verfassung indessen noch Lücken und Hen jetzt soll eine der bedeutendsten davon durch das Gesetz über die Grenzen der Souveränetät der Kammern wie de» Präsidenten ausgefüllt werden. Eine der wichtigsten Errungenschaften der repMWuüfch« Partei in dem langen Verfassungskampfe war die, daß die Volksvertretung die oberste Souveränin in Frankreich sei und der Präsident der Republik in der That nichts als der Vollstrecker ihres Willens. Run ist es aber praktisch unmöglich und unzuträglich, daß die Volksvertretung — Senat und Kammer — immer tagen und derart als oberste Kontrolle des Präsidenten und seiner Minister an wesend sind. Man ist deshalb über eine Gesetzgebungs- Session von fünf Monaten übereingekommen, vom 2. Januar an bis etwa gegen Pfingsten, und während der übrigen Zeit des Jahres würde also — wenn nicht eine außer gewöhnliche Session beschlossen wär« — die Regierung sich selbst überlassen sein. Mit gerechtem Mißtrauen hat man ihr diese zu große Zeit zur Ausübung ihrer eigenen Sou veränetät nicht gewähren wollen und deshalb eine permanente Kommission des Parlaments zur Kontrolle eingesetzt, die während der Vertagung alle Rechte desselben ausübt. Auch in diesem Mittel konnte die Praxis keine Genug- thuung finden, und so ist man denn jetzt bei dem Gesetzt angekommen, welches den Mitgliedern beider Kammern das Recht ertheilen soll, jeder Zeit während der Vertagung, in lichen «nd städtischen Behörden Sonnt--, dm 4. J-li. Fällen der Noth und Gefahr, die Einberufung einer außer ordentlichen Session zu fordern und möglich zu machen. Damit wird dem Präsidenten der Republik allerdings jedes Gelüst nach Ueberschreitung seiner Macht verwehrt und er steht immerfort unter der Bedrohung, daß das Parlament ich auf eigene Hand zusammenberuft, um seine Minister ur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie etwa krumme Wege gehen wollten. Mac Mahon ist gewiß «in ehrlicher Mann, >er keine bösen Staatsstreichgelüste hegen mag; aber leicht macht Gelegenheit Diebe und sodann, sowohl Herr als noch mehr Frau Mac Mahon möchten ihre Macht nicht so stark unter das SouveränetätSrecht der Nation gebeugt wissen. Daher legte die Regierung jetzt ein« Gesetzentwurf vor, wonach nur die Majorität jeder der beiden Kammern berechtigt sein solle, eine außerordentliche Einberufung zu fordern. Eine Majorität in jeder der beiden Kammern ist aber nur sehr schwer, namentlich währeiü» der Vertagung, für einen solchen Beschluß zusammenzubrtngen, abgesehen davon, daß die Regierung im Senat vielleicht immer eine ihr ergebene Majorität besitzt und damit ein» jede Möglich keit zur Ausführung dieses wichtigen Kontrollgesetzes aus geschlossen sein würde. Die Parlamentskommisston hat denn auch in Erwägung dieser Umstände beschlossen, daß schon ein Drittel der Mitglieder jeder der beiden Kammern genügen soll, um Ale Einberufung nothfiMWg Zu machen. Darüber wird also nun von Neuem Kkd«WWftcher Kumpf stattfinden, der möglicherweise noch einEvie ganz« Bi» fassung der französischen Noth-Republik in Frage stellt, j Zunächst trieb die Uneinigkeit der beiden republikanischen Parteien zur Krisis. Louis Blanc hat die ganze Ver fassung , wie sie bisher zu Stande gekommen, heftig ange griffen und verworfen. Damit stellte er Gambetta, den Führer der zum Kompromiß geneigten Republikaner, in rücksichtsloser Weise blos. Die reaktionäre Rechte benutzte diese schöne Gelegenheit, ebenfalls ihren Widerwillen gegen diesen Aufbau der Republik auszudrücken «nd so zeigte sich in Radikalen und Reaktionären plötzlich wieder eine ge meinsame Abneigung gegen die Verfassungsgesetze, welche selbstverständlich der Regierung sehr gelegen kam. Die Uneinigkeiten der Parteien in der National - Versammlung und damit die Schwierigkeiten eines Kompromisses der liberalen Elemente ist ihr Vortheil. Sie benutzte denn auch sofort die Blöße, welche sich ihr darbot, und in der vollen Hochmüthigkeit seines Charakters erklärte der Minister Buffet, daß von weiteren Beschränkungen der dem Präsidenten zu Freiberg und Brand. L 1875. beigelegten Befugnisse nicht die Rede sein könne, da» Kontrollgesetz also nur mit Majorität, nicht mit einem Drittel der Mitglieder jeder Kammer annehmbar sei, womit die Einberufung aus dem Willen de» Parlament» — wie gesagt — so illusorisch wie ein Wechsel auf den Mond sein würde. Der Präsident Mac Mahon hat also mittelst feinßE^ Ministers der Kammer eine sehr selbstbewußte Entscheid»«« gestellt und gegen ihre Souveränetät Front gemacht. MH hofft, sie zu beugen und damit gut zu fahren. ES kam außerdem ein Umstand ihm zu Hilfe, den auSzubeuten er sich nicht entgehen ließ. Die furchtbare Ueberschwemmnng in SAdfrankreich hat nicht allein plötzlich das Interesse vor allen politischen Fragen erhalten, sondern sie veranlaßte auch Mac Mahon, einmal alleinigen Souverän zn spielen und sich wie LouiS Nopoleou nach den unglücklichen Lande»- theilen zu begeben, «« in dem republikanischen Süden durch eigene Inspektion sich .etwa» populär zu mach«. E» ist eben eine PräsidentschastSpvUtik im Werden, die nicht viel anders ist als eine dynastische ; mir «Kd noch ak^u- warten sein, ob Mac Mahon der Mann ist, auch außerhalb wohlfeiler Gelegenheit ein Ziel selbständig zu verfolgen. Lagesschau. Freiberg, den 3. Juli. Der Pulsschlag des politischen Lebens im lieben deutsch« Vaterlande wird matter und . matter. Nachdem auch der Bundesrath seine Sitzungen geschlossen, repräsentirt die Reichsjustizkommission noch den letzten Rest der gesew- geberischen Thätigkeit. Auch sie wird in nächster Zeit, wahrscheinlich in übernächster Woche, ihre Ferien beginn« und dann haben wir die „todte Jahreszeit" in aller Forni. Ueberall lagert sich sommerliche Ruhe über das öffentliche Leben, nur in Baiern steigen die Wogen der Wahlbewegung von Tag zu Tage. Ueber den voraussichtlichen Ausfall der Wahlen läßt sich jedoch noch gar nichts sagen. Neben den beiden Hauptparteien, die wir gestern bereits erwähnten, ist jetzt noch eine sogenannte „deutsche Volkspartei" auf dem Plan erschienen. Von ihrer Existenz im deutschen Vaterland erhält die Welt gewöhnlich nur Kunde durch die Anwesenheit des Herm Sonnemann im Reichstage. Sie ist übrigens so zerfahren, daß z. B. am vorigen Sonntage in demselben Augenblicke, während eine Versammlung derselben in München die Betheiligung an den Wahlen beschloß, der Nürnberger Zweigverein die Wahlenthaltung dekrettrte. Von solchen Leuten ist nicht zu befürchten, daß sie ein irgendwie beachtenswerthes Gewicht in die Waagschale werfen werden. Hand in Hand gehen die Liberalen; ihnen FeuiUetou. Am Abgründe. Roman von Ed Werner. (Fortsetzung) Seitdem war der Gutsherr von Brendlingen, damals noch jung und kaum verheirathet, Ludwigs Pflegevater. Der Knabe, dessen auf dem Blutgerüst gestorbener Vater einen Offizier aus der nahen Residenz ermordet und be raubt haben sollte, wurde von dem braven Weidenberg er zogen gleich einem eigenen Kinde und seit Jahresfrist be kleidete Steinbach nun die ihm gem übertragene Stelle eines Oekonomieverwalters des großen Brendlinger Gutes. Die auf dem Kirchhof so stürmisch erwachten Erinnerungen wurde er nicht so bald los. Er schritt auf dem Hügel rücken dahin, langsam und träumerisch — und manchmal schweifte sein Blick, wenn er stehen blieb und zurückschaute auf die fruchtbare Ebene, mit unverkennbarer Wehmuth über all die Lust und Pracht zu seinen Füßen. Dann ging er weiter und betrachtete die Berge — die nahen und noch niederen Ketten, und den nur um eine Meile zurück liegenden gewaltigen Zug der Gebirgsriesen, deren höchster dort hinten im Süden über alle anderen sein ge waltiges, oft von Wolken umhülltes Haupt erhob. Da mußte der junge Mann seufzen tief und schwer. Jetzt hatte er den Fuß des zunächst an Brendlingen »egenden Berges erreicht, kaum eine halbe Stunde von E Herrenhause des Dorfes entkernt. Hier war der schönste Punkt um die Fernsicht noch ein Mal zu genießen g lchE sich an den Stamm einer Esche und Von dem Dorfe waren, so nahe es lag, Dächer, ein hoher Dampfschlot und der Kirch- thum sichtbar geblieben. „Was Hilst das Träumen?" flüsterte der Verwalter, als müsse er dem munteren, fast übermüthigen Murmeln des Quelles zu seinen Füßen antworten. „Ich bin ein Thor, von trüben Ahnungen mich beherrschen zu lassen I Selbst wenn die Ahnungen Recht hätten, müßte ich zeigen, daß ich ein Mann bin. — Aber nein, nein, sie lügen! Warum zitterte sie so heftig? Warum kam sie überhaupt auf meine Bitte in den Park? Wally liebt mich — und wenn dieses engelreine Herz nur mein ist, dann habe ich ja Alles, was ich wünschen kann!" Wieder schwieg er eine Weile — und wieder wurden seine Züge düsterer. „Wohlan wir werden sehen!" sagte er, langsam in den hier beginnenden Wald hineingehend. „Herr Werdenberg ist ein Ehrenmann und keine Miene von ihm erinnerte mich je an jene gräßliche Vergangenheit. Ich weiß, daß er grundsätzlich keinen Menschen für die Handlungen Anderer verantwortlich macht. Aber lieber wäre mir's, Wally möchte nicht sein einziges Kind — oder ihr Vater möchte nicht so übermäßig reich sein! Ich fühle es, daß mir leichter zu Sinne wäre, könnte ich in ihr die Tochter armer Eltern sehen." Der Weg, auf welchen» Ludwig dahin schritt, war ein einsamer, schattenreicher Waldweg, bald zwischen mächtigen Felsen, bald zwischen Laubbäumen und dann wieder zwischen Nadelhölzern in raschem Wechsel, dahinführend. Zur Rechten stieg der Berg höher und höher hinan, zur Linken senkte er sich in's Thal hinab und öfter gewann man durch die Stämme hindurch einen beschränkten Blick nach dem Lande — oder auf eine Bleiche, eine Schneidemühle, ein schmuckes Steigerhaus dicht unten am Fuße des Vorberges Dann plötzlich machte der Pfad eine Wendung nach rechts, stieg eine kurze Strecke steil hinan dnrch die Föhren — in den Fels gehauene Stufen und da lag vor dem Wanderer auf der Höhe oben, mit wenigen Schritten er reichbar, die aus rohen Pfosten erbaute, mit Brettern ver ¬ schlagene mit Schindeln gedeckte Hütte, die man das Gloriett nannte. Nach der Seite hin, von welcher Ludwig kam und von welcher das Gloriett allein erreicht werden konnte, war das selbe ganz zugebaut und nur eine Thür, durch einen Druck sich Jedermann leicht öffnend, führte in das Innere. Fenster fehlten gänzlich. Dafür ruhte die entgegengesetzte Seite frei auf zwei mächtigen, weit vortretenden, hölzernen Säulen, die auf den Felsen sich stützten, so daß das Ganze, wenn man von der Thalsole hinauf blickte, einem kleinen, säulen getragenen Tempel nicht unähnlich sah. Das Gloriett stand nämlich auf der äußersten Kante eines steil, fast senkrecht von hier in ein Querthal abstürzenden Felsens, and auf dieses Thal, welches von dem darin rauschenden Bache der Krebsgrund hieß, hatte man von hier oben, zumal durch die Ueberraschung, einen geradezu berauschend schön« Blick. Ein alter, ehrwürdiger Forst bedeckte so weit das Auge reichte die Höhen und die Wände des Grundes — dunste Tannen, Helle Birken, machtvolle Eichen, majestätische Buchen, dann eine Linde hie und da, und eine Esche — tief unten im Grunde der Helle Krebsbach, in dessen klarem Wasser man von hier oben die Kiesel meinte zählen zu können — links, dicht unter dem Gloriettfelsen das rothe Dach, eines muen Jägerhauses — rechts eine von dem Bache getriebene Sägemühle, deren Schneiden man hörte — in den Lüsten hoch, hoch ein Aar, der seine mächtigen Kreise zog — und außerdem nur Schweigen und Einsamkeit, nur das Pochen des eigenen, freudig oder schmerzhaft bewegten Herzens weit umher. Ludwig stand an der Brüstung, die am Rande des Felsens zwischen denbeiden, dasDach des Gloriettstragenden Säulen aus birkenen Pfählen, an denen noch die weiße Rinde saß, errichtet w .r. Mr auf dieser Stelle hatte er als Knabe so oft gestanden, trunkenen Blickes — und die Waldeinsamkeit hatte er oft übermüthig gebrochen durch