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Nummer 69 — 26. Zayrgan§ «mul Ivöch. D«rug»pr«is für März 3.00 Mk. elnschl gestrllgels «nzeig«npreis,:Die Igesp. Petltzelle »0-3 Stellengesuch« SO L. Die Petitrrklamezelle. 89 «iM nrter breit, 1 ^t, Offertcngebllhren für Selbstabholo W bei Uebersendung durch bi« Post außecken Portozuschlag, Linzel-Nr. 10 L. Sonntags.Nr. 18 ^ Beschästlicher Teil: Artur Lenz in Dresden. SBckMVe Donnersmq, veu ^4. März 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt sebe Verpflichtun, auf Lieferung sowie Erfüllung v Anzeigcnaufträger u. Leistung v Schadenersatz, Für unöeutl, u. d. Ferm ruf Ubermitt, Anzeigen übernehmen wir keine Per. antwortung. Unverlangt eingesanbte u, m, Rückport« nicht versehene Manuskripte werd, nicht aufbewahrt Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschrtft'--.: Dr. Joseph «ld«rt. Dr««««i voirsmiung <S«schäft-ft«lle, Droit nud Verla«: Tueouia- vuchdruckere» GmbH., DreSden-A, >. Polle,jlxitze 17. gernruf 21012. Postscheckkonto LreSbe» 11787. Bankkonto: Dresdner Vank, Dresden. Für christliche Politik und Kullur Nedaltto» der «Schstsche» Le«rden.«Itftadl 1. PoUei,trabe und »1011. Va»«,ettu»« 17. Semrus «71» Zusammenhänge Von außenpolitischer Seite wird uns geschrieben: Die gegenwärtigen Vorgänge aus dem Balkan nötigen zu einer nachdrücklichen Betrachtung der augen blicklichen weltpolitischen Zusammenhänge. Es darf wohl ausgesprochen werden, daß es Binsenwahr heit ist. daß die englische Politik hinter Ita - l i e n st e h t. Es kann weiter ausgesprochen werden, daß England die zentraleuropäischen Machtaspirationen Frankreichs durch den Locarno-Pakt abriegelte, wel cher durch die von England garantierte, neutrale Zone einen uniibersteigbaren Wall für Frankreich bildet, ohne das Deutsche Reich militärisch aufzurüsten. Eine weitere Annäherung zwischen dem Deutschen Reich und Frank reich ist jedoch England »ich! genehm, weil diese vielleicht einmal gegen England ausschlagen könnte (Konstellation: Frankreich-Deutschland-Rußland-West- und Südslawen). Daher findet die das D e u t s ch e R e i ch so verstimmende P o bt t i k P o i n c a r e s d i e v o l l e U n t e r st ü ß u n g England s. Fm Mittelmeer wird das traditionelle Streben Frankreichs im Sinne der Vorherrschaft durch Italien abgeriegelt: daher fördert England die italienischen Aspirationen in jeder Weise. Andererseits weiß Eng land ganz genau, daß Italien der schwächere Teil der beiden Rivalen ist: daher muß Italiens Machtposition mit allen Mitteln gestärkt werden. Da Jugoslawien jene Macht darstellt, welche im Rücke» Italiens mit einer der besten Ar meen Europas steht, liegt die Entscheidung, ob Italien als bemerkenswerter Gegner Frankreichs in Be tracht zu ziehen ist, in erster Linie in der Entscheidung Jugoslawiens, ob es Italien durch den Abschluß eines un bedingten Neutralitätspaktes die RUckensicherung für Italiens Betätigung im Westen gewähren will oder ob es im Bündnis mit Frankreich jede Aktionsmöglichkeit Italiens von Haus aus abdrosselt. „Verständigung mit Italien" — das ist „englische Orientierung" Jugoslawiens, der der formelle Abschluß eines sranko jugoslawischen Bündnisses diamentral ent gegenstünde. Um die Stellungnahme Jugoslawiens geht sonach das europäische Drahtziehen: bisher hat Italien seine Geschäfte allein diesbe züglich zu machen versucht: England hielt sich im Hin tergrund! Die italienischen Versuche blieben erfolglos, weil sie unpsgchologisch aufgezäumt und unreal gedacht waren; unpsuchologisch deshalb, weil man das National, gefühl der Jugoslawen mit Druckversuchen in keiner Weise unterbekommen kann — die Geschichte der letzten 2ä Jahre beweist die ungeheure Zähigkeit der jugosla- wischen Mentalität, für die das Wort gilt: „Dangemachen gilt nicht!" Unreal waren aber die Druckversuche Ita liens, weil man durch Albanien. Bulgarien, Un garn, evtl. Griechenland Jugoslawien wohl am Papier, nicht aber in achtpolitisch ein Kreisen kann. Eine derartige Machtkonstellation würde — wäre sie auf sich allein gestellt — dem jugoslawischen Heer un terliegen: Rumänien könnte sich niemals dieser Kon stellation anschließen, weil in demselben Augenblick ein , u g o s l a w i sch - r u s s i s ch e r Vertrag perfekt wäre, der Rumänien sodann vom Norden her erdrücken würde, während der französische Einfluß in Warschau stark ge nug wäre. Polen an der Unterstützung Rumäniens zu rückzuhalten. sonach Rumänien und Rußland allein ließe. Schließlich ist es für Moskau ganz gleichgültig, ob es zu erst Rumänien und später Polen, oder zuerst Polen und später Rumänien „sozialisiert": das richtet sich nach der außenpolitischen Konjunktur und hat der Erstübersallene eben das Bad auszugießen, dem der inzwischen gesicherte Teil vielleicht mit der Zeit ganz entgeht. Italien aber könnte sich dem Einkreisungsblock nicht anschließen, weil dies dann eine wirklich tödliche Um klammerung Jugoslawiens bedeuten würde, der F r a n k- reich nicht zusehe n könnte, nachdem es die im perialistischen Aspirationen Italiens ganz klar erkannt hat. Ein italienisch-französischer Krieg würde damit für Italien als Zweifrontenkrieg beginnen, sonach in jener Lage, die Italien unbedingt vermeiden will und vermei den muß. England müßte einspringen, weil England wiederum seinerseits nicht teilnahmslos einem Sieg Frankreichs und damit dem französischen Vormachtstre- oen im Mittelmeer zusehen könnte; England aber will nur die anderen für seinen Vorteil Kämpfen lassen — ein neuerliches „Hineinstolpern" in einen europäischen Großkrieg lehnt Engsand unbedingt ab. Im übrigen kann inan sich nur dann über eine Wirk samkeit einer antijugoslawischen Einkreisungskooperation durch Albanien-Griechenland-Bulgarien und Ungarn ein richtiges Bild machen, wenn man nicht nur die Ueber- legenheit des jugoslawischen Heeres kennt, sondern auch die Verschlagenheit all dieser Staaten, die keineswegs Majoritäten aufweisen, deren Gemeinsamkeit antijugo« tlawisch wäre: siede den Saloniki-Pakt, die bulgarisch« Berlin, 23, März. Bo» unserem «xirlamentarische» Vertreter: Im Zeichen starker europäischer Spannungen hatte sich diesmal die deutsche Volksvertretung mit den Fragen der Anken. Politik zu beschäftigen. Vielmehr als das nach aukenhin in die Ersäseinnng tritt, wird dabei die Haltung Deutschlands im internationalen diplomatischen Krästespiel Beachtung finden. Darum mußte der N e ch c » s cha f l s b e r i ch t. deu der Reichsautzenminister Stresemann nach der Rückkehr van Genf dem Reichstage a'olegte, besonderem Interesse begegnen. Das kam zum Ausdruck in der Besetzung des Hauses, ebenfalls der Diplomatenloge, in welcher sich Vertreter einer ganzen Reihe auswärtiger Missionen, nich! zuletzt auch di« Vertreter der süd östlichen Staaten eingesundeu hatten. Der Reichskanzler selbst wohnte den Ausführungen des Außenministers bei, an seiner Seit« der Reichsinnenminister Hergt, Stresemann .zerlegte in wenigen, nur etwa eine Bier, telstnnde in Anspruch nehmende» Darlegungen die Grundzüge der Außenpolitik, Sie sind unverändert dieselben geblieben mi« seither. Das stellt Stresemann ausdrücklich sest. Er erklärte, daß sich an ocr grundsätzliä)e» Einstellung unserer Politik nichts geändert hat. Ausdrücklich berief er sich dabei ans die Rechts, gültigkeit der Verträge von Locarno, auf die Richtigkeit und Wichtigkeit des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund, und er glaubte, gerade auch aus dem Verlauf oer letzten Ratstagung den Beweis für die Zweckmäßigkeit dieses deutschen Entschlusses herleiten zu können. Die deutsche Außenpolitik bleibt also in denjenigen Bahnen, die von den vorangegangenen Regierungen gezcgen worden sind. Diese Außenpolitik kann nur die Politik der Verständigung und des Ausgleiches sein. Auch das hat Stresemann ausdrücklich festgestellt. Damit ist aber auch schon die Haltung Deutschlands zu den gegenwärtigen bedenklichen Vorgängen aus dem Balkan ge geben. Di« Politik der Verständigung und des Ausgleichs ver steht sich ja nicht nur im Verhältnis zwischen Deutschlano und Frankreich, sondern iw Verhältnis Deutschlands zu allen Mäch- len. Und so kann man dem Außenminister unbedingt zustimmen. daß wir nichts gewinnen können durch Irgendmelcl^ Verwick lungen. und daß wir uns von jeder Einmischung deshalb fern- halten mrisscn. Diese absolut korrekte und loyale Haltung der deutschen Außen politik miro sicherlich ihren Eindruck nicht verfehlen. Ganz im Gegensatz zu frühere» Reden des Außenministers wurden »ach Klärung oder vielmehr Bestätigung dieser grund sätzliche» Fragen die Einzelheiten der Beratungen von Genf, wie überhaupt die Ein.zelfrag-en, die die deutsche Außenpolitische Leitung he-ute in Anspruch nehmen, kurz, sehr kurz, gestreift, Furchtbares Autounglück Kudowa (Schles.s, den 23, März. (Drahiber.) Ein Lastauto, das 7 N Arbeiter von der Arbeitsstätte nach Hause beförderte, stürzte heute früh aus der Chaussee zwi schen Kudowa (Schles.) und Gelcnau in eine Schlucht und begrub sämtlich« Insassen unter sich Bis zur Stunde sind 7 Tote und 13 Schwerverletzte geborgen worden. - Die in Gellena» beheimatete» Arbeiter der Mechanischen Weberei Dierrig wurden seit etwa drei Tagen durch ein Lastauto von und nach ihrer Arbeitsstelle befördert. Heute früh benutzten etwa 70 von der Frühschicht kommende Arbeiter diese Fahr gelegenheit. In der Nähe des Sägewerkes steigt die Fahrstraße steil an. Außerdem Ist eine ziemlich scharfe Kurse zu über, winden. Ans bisher ungeklärten Gründen ritz plötzlich die Kup pelung. D>e Bremse versagte und das mit 70 Personen besetzte Lastauto sauste mit ständig wachsender Geschwindigkeit rückwärts vergab, r.ß an der Brücke das Getönter ein und stürzte in die Schlucht des Dorsbackes hinab, sämtliche Fahrgäste unter sich be grabend. Mehrere Äerzte, die Sanitätsk-Lonne und Feuerwebr- maiinschaflen ans der Umgebung trafen sofort sin. Sie sind bis zur Stunde noch mit Rettungsa'beiten beschäftigt. Die Kunde von dem furchtbaren Unglück verbreitete sich sehr schnell. Vo » diesseits und jenseits der Londesgrenze strömen große Menschen mengen zu der Unglücksstätte. Bisher konnten sechs Tote, darunter ein Vater nebst Tochter, sowie 18 Schwerverletzte gebor gen werden. Nach Lage der Dinge ist jedoch mit einer noch! größeren Zahl von Verunglückten zu rechnen. Der Lenker des Autos, Iaiisa ist verschwunden und soll über die Grenze ge- flüchtet sein. jugoslawischen Annäherungstendenzen und die ungarisch, jugoslawischen Annäherungsbestrebungen -- Dinge, die keineswegs so leicht unter einen antijugoslawisüien Hut zu bringen sind. — Die italienisch-englische Tendenz geht daher unbedingt dahin. Jugoslawien zuin Abschluß des Neutralitätspaktes mit Italien zu bringen, ohne welchen Frankreichs Machtstellung im Mittelmeer durch Italien gänzlich unbedrohbar ist. Jugoslawien iväre ja bereit, aber es verlangt große Konzessionen im Sinne des großsüdslawischen Gedankens, .die Lnoland Italien nur gegen einen prima Sicl-erheits- Hier zeigt« sich die Einwirkung der Tatsache, daß oi« Regierung von heute über eine kompakte Mehrheit verfügt, die Gelegen heit hatte, sich ausgiebig über alle diese Dinge im Auswärtigen Ausschuß selbst auszusprechen. Tatsächlich sind ja auch die meiste» dieser Einzeldinge noch zu sehr im Fluß, als daß sie zum Gegenstand öifentlicher parlamentarischer und politischer Debat ten gemacht werden müssen. Wir wecken dcsl)«lb all oas, was sich jetzt außenpolitisch vollzieht, unter dem Gesichtspunkt sehen und beurteilen müssen, daß es sich dabei um Entwicklun gen handelt, die noch nicht i-eif zu einem entscheidenden Akt der politischen Leiinng sind. Dennoch darf man nicht übersehen, daß in absehbarer Zeit oie Stunde kommen wird und kommen muß, in weicher dieser große politische Akt vollzogen werden muß. Und das Ziel dieser Aktion kann nur sein: Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands über alle seine Gebiete, Damit wird dann die Frage der Rheinlandräumung in den Bor- bergrund des innen, und außenpolitischen Interesses rücken * Die Debatte, die sich an die Rede Stresewanns an- schloß, die vielfach erivartete und von einem Teil der Presse bei den Genfer Beratungen in Aussicht gestellte „Sensation". Mit der Rede des Außenministers hatte das Interesse im .Hause schon merklich nachgelassen. Die Reihe» der diplomatischen Vertreter in den Loge» lichteten sich, nur die russischen Vertreter unter oer Führung des Botschafters Kre stinski blieben noch anwesend, um die Rede Breltscheids zu hören. Breitscheid siel es trotz aller Dialektik sclpver, die Position der Opposition zu ver teidigen, Sein stärkster Trumpf war die Bemerkung, daß durch die Teilnahme oer Deutschnationalen für die Fortführung der Außenpolitik die stärksten Hemmungen eingetreten seien und daß die Nationalisten in Frankreich diese deutschnationale Be teiligung jedensalls als Vorwand für ihre Taktik nehmen. Uel>er die Stellungnahme der Sozialdemokraten zum Außenminister erklärte Breitscheid, daß dos von oen Sozialdemokraten früher entgegengebrachte Vertrauen „einstweilig ruhe". Als der deutschnationale Sprecher Dr. Spahn eine sortz- fällig vorbereitete Rede vom Matt ablas, lehrten sich schnell im Saale die Reihen, Als Regierungspartei wecken die. Deutsch, nationalen, nach den Erklär.ungen Dr, Spahns, ihre Außen politik auf der bisher gesck-affenen Grundlage führen. Für das Zentrum sprach Prälat K aas-Trier, der noch einmal die Noiwenoigkeit der Fortsetzung der bisherigen Außen politik betonte und deren Richtigkeit nachivies. Eine aus gesprochene Oppositionsstellung zur gegenwärtigen Außenpolitik nehmen lediglich die Kommunisten und die Völkischen ein, so daß es heute kaum einen anderen Teil der Geschäftsführung der Reichsregierung gibt, der über eine so breite parlamentarische Basis verfügt, wie die deutsche Außenpolitik, Wechsel geben wollle, um nicht zuerst zu geben und dann vor der Konstellation zu stehen, daß das geeinte Groß- südslawentüm an die Adria, also in den Rücken Italiens, dringt, ivv während eines italienisch-französischen Waf fengange erst recht die Entscheidung zugunsten Frank reichs spreche. Da bisher Italien gar nichts erreicht hak und auch — ans seine eigene Politik angewiesen — nie mals was erreichen würde, weil der Jugoslawe ganz ge nau sich bewußt ist, daß e i n Jugoslawe gegenüber drei Italienern stark genug ist, so springt England ein, um den Jugoslawen nunmehr zu zeigen, es müsse sich den englischen Konzeptionen fügen oder es steht gegen die englische Politik. Dafür hat England zwei Mittel: Die Peitsche der englischen Pressepolitilr und das Zucker brot englischer Anleihepoiitik, Erstere wird öffentlich geführt, letztere wird hinter den Kulissen dargeboten. So wird das Porspringen Englands seine Wirkung auf Jugo slawien nicht verfehlen: es wird in die englisch-italienische Laube gehen, d, h, es wird seinen unbedingten Neutrali tätsvertrag mit Italien abschließcn, wenn der Kaufpreis (großsüdslawischer Gedanke) bar bezahlt wird. Hierbei läßt sich Jugoslawien von dem Empfinden leiten, daß es einesteils den Anschluß nicht versäume» darf, andernteiis sich spröde zeigen muß. um den Kaufschilling zu erhöhen, England tritt nun sonach mit Zuckerbrot und Peitsche dafür ein, daß Italiens Rumenfreiheit durch den Abschluß des italienisch-jugoslawischen Neutralitätspaktes gesichert werde, — Wenn wiederholt dargetan wurde, daß es das englische Interesse erheischt, eine französisch-deutsche In timität zu verhindern, so liegt es ebenfalls ini englischen Interesse, eine deutsch-italienische Intimität abzuriegeln, weil die Folge daraus wäre, daß Deutschland sich wieder bewaffnete und Frankreich gegenüber einer deutsch-ita lienischen Kooperation von Hans aus zum Tod verurteilt ist. etwas, was Englands GleiäMwichtspolitik ebenfalls unerwünscht erscheint, Frankreich und das durch einige kleine Bundesgenossen verstärkte Italien, welches mit ganzer Kraft (also bei voller Nückensreiheit) sich mit Frankreich messen kann, stellen so ein „englisches Gleich gewicht" dar. das dann seine Angelegenheiten miteinan der ausmachen kann, bei denen England die Rolle des Kriegslieferanten und Schiedsrichters von selbst zulällt. Das ist di« englische Politik aus dem Bald-"'»