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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001124014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112401
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-11
- Tag 1900-11-24
-
Monat
1900-11
-
Jahr
1900
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Sonnabend den 24. November 1900. Auzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SS Reclamen unter dem Rrdactionsstrich (4 gespalten) 7b H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) SV S». Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Bebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (rxcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbefürderung ^l 70. . Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» IO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen and Annahmestelle» je «iv halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richt«». Dir Expedition ist Wochentag» uauuterbroche» geöffnet von früh 8 bi- Abentt 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. 8L Jahrgang. Die Rechtspflege vor dem Parlamente. 2S Die Socialdemokratie giebt sich bekanntlich jahr aus, jahrein dem Sport hin, im Reichstage die Heeresverwaltung auf das Gehässigste anzugreifen. Man wird aber die Beobachtung gemacht haben, daß diese Angriffe in den letzten Jahren immer schwächlicher geworden sind. Nicht als ob der Hatz der socialistischen Parlamentarier gegen das Heer und insbesondere das Ofsiciercorps geringer geworden wäre; aber man hat sich — insbesondere Herr Bebel — durch die sehr oft unterlaufenden, milde ausgedructt irrthüm- lichen Behauptungen derart blosgcstellt, daß man doch schließlich ein wenig vorsichtiger geworden ist. Um nun kein Deficit in der Hetzerei eintreten zu lassen, hat man jetzt ein neues Hetzobject hervorgesucht: die Justiz. Die „Sachs. Arbeiterztg." kündigt diese Absicht feierlich an, indem sie erklärt: „Wir meinen, datz an die Stelle der mittel alterlichen Warnungen durch Gerechtigkeitsbilder eine schärfere kontrole der Gerichte durch die Presse und die Parlamente ein treten und besonders in den parlamentarischen Verhandlungen die Kritik der Justiz einen weit größeren Raum einnehmen muß als bisher." Nun hat es schon bisher an der parlamen tarischen Ausschlachtung gerichtlicher Urtheile durch die Social demokratie nicht gefehlt; es sei nur an den Essener Meineids- procetz und an den Proceß in Löbtau erinnert. Die Neuerung aber soll offenbar darin bestehen, daß die Socialdemokratie Methode in die Kritik hineinbringt, d. h. daß die Angriffe gegen die „Klassenjustiz" ebenso zwei bis drei Tage der parlamen tarischen Verhandlungen in Anspruch nehmen sollen, wie bisher die Anklagen wegen angeblicher Solvatenmißhandlungen. Um die socialdemokratische Absicht ganz würdigen zu können, muß man nur daran denken, ein wie schiefes Bild von dem that- sächlichen Hergänge eines Processes die Öffentlichkeit in der Regel erhält. Man ist angewiesen entweder auf die Berichte in der Presse oder auf mündliche Erzählungen von Zeugen oder Angeklagten. Die Preßberichte können, selbst lvenn sie steno graphisch wortgetreu sind — was aber wegen des Raummangels taum jemals möglich ist —, doch immer nur ein unvollkommenes Bild geben, weil, wenn irgendwo, so in den Strafverhandlungen, das Wort zutrifft: „O'esr lo tou, gui t'ait n musigue''; d. h. cs kommt ganz und gar nicht allein darauf an, was der An geklagte und die Zeugen sagen, sondern es lommt auch sehr darauf an, wie es gesagt wird und welchen Eindruck es da durch auf die Richter macht. Die „Sachs. Arbeiterztg." nennt freilich das gegenwärtige Beweisverfahren und die richterliche Befugniß, nach dem Eindrücke zu urtheilen, eine „unerträgliche und schreckliche Gefährdung des Eigenthums, der Freiheit und des Lebens." Mit der freien Beweiswürdigung aber steht und fällt jeder Fortschritt in der Justiz, und wer sie beseitigen will, ist ein Reactionär im schlimmsten Sinne des Wortes. Auf die mündlichen Erzählungen von Zeugen und An geklagten sich zu verlassen, ist noch bedenklicher, als die Preß berichte zur alleinigen Grundlage zu machen. Denn die Zeugen wohnen nur einem Theile der Verhandlung bei und können des halb ein volles und richtiges Bild von dem Gange der Ver handlung nicht geben; daß aber der Angeklagte im Falle seiner Verurtheilung fast immer geneigt sein wird, zu glauben oder zum Mindesten zu behaupten, daß ihm bitteres Unrecht ge schehen sei, liegt in der menschlichen Natur nur zu tief begründet. Und dank der Lectüre der socialdemokratischen Blätter wird ins besondere ein dieser Partei anhehörender Angeklagter immer ge neigt sein, anzunehmen, daß erne Strafe streng ausgefallen sei, nicht um des Maßes seiner Schuld, sondern um seiner sociali stischen Gesinnung willen. Mit einem aus so trüben Quellen gesammelten Material würde also Herr Bebel — oder vielmehr nicht Herr Bebel, denn dieser hat ja nur das Ressort der Militärstrafsachen, sondern Herr Stadthagen — vor den Reichstag treten und die schwersten Beschuldigungen erheben, die auch kaum widerlegt werden könnten, denn es kommt eben bei einem Urtheile auf die Ueberzeugung der Richter an, die es gefällt haben, und auch der Justizminister kann nur aus dem Actenmaterial seine Schlüffe ziehen, also in einer höchst unvollkommenen Weise, denn es be steht ein unendlicher Unterschied zwischen dem lebendigen Ein drücke aus einer mündlichen Verhandlung und dem papiernen Actenmaterial. Ein objektives Ergcbniß also kann eine parlamentarische Redeschlacht über einen Proceß nicht haben. Darauf aber kommt es auch der Socialdemokratie nicht an. Sie will nicht die Wahrheit ermitteln und dem Rechte zu seinem Rechte verhelfen, sondern sie will eine der festesten Säulen des bestehenden Staats erschüttern, das Vertrauen in die Rechtspflege. Die Socialdemokratie geht mit dem Versuche, alle Pfeiler des StaatS- gebäudes ins Wanken zu bringen, vollkommen systematisch vor, und sie beweist damit, wie verkehrt die Auffassung von der „Mauserung" der socialistischen Partei ist. Die Wirren in China. Die Aorderungeu der Mächte. Der „Morning Post" wird aus Peking, IS. November, gemeldet: Die Gesandten einigten sich in der heutigen Kon ferenz über die Mehrzahl der zu besprechenden Puncte. Die Hauptschwierigkeit bot die Frage der Entschädigung. Diese Frage ist den Regierungen zur Entscheidung vorgelegt worden mit der Anfrage, ob die zur Entschädigung dienenden Ein künfte durch Chinesen oder durch Ausländer eingezogen werden sollen, ob die Finanzen Chinas völlig unter Controle einer inter nationalen Commission kommen sollen, und ob die Zölle in die Entschädigung eingeschlosien oder davon gesondert bleiben sollen. Es ist wahrscheinlich, daß der Hof, den die Verbündeten nicht erreichen können, die Forderungen der Gesandten ablehnen wird. Die chinesischen Beamten in Peking haben eine neue Aufforderung erhalten, dem Hofe zu folgen, was beweist, daß der Hof nicht an Rückkehr denkt. Es heißt auch wieder, der Hof bereitete sich darauf vor, wenn er bedrängt wird, sich nach der Hauptstadt von Szetschwan zurückzuzirhen. I-. Lantza«, 23. November. (Privattel« aramm.) „Daily Telegraph" erfährt au» Washington: Präsident Mac Kinley und Staatssekretär Hay verhehlen nickt ihre Mißstimmung über den Bericht de» Gesandten Conger, in dem di« Ansicht «»»gedrückt wird, daß die verhängten Stjrafen ungenügend seien. Wenn Conger nicht so stark von Missionarkreisen gestützt würde, heißt eS in der Nachricht de» genannten Blattes, wäre er schon durch eine andere Persönlichkeit ersetzt worden. * Berlin, 23. November. (Telegramm.) DaS Ober kommando in Peking meldet: Die Co tonne Jork erreichte am 17. d. M. Hsün-Hwa, 25 lcm südöstlich von Kalgan. Die dort zurückgebliebene schwache Be satzung legte die Waffen nieder. Die Colon ne Mühlenfels setzte am 20. d. M. ihren Marsch von San-kia-tben auf An-kia-tsckwan fort. Der Gesund- hcitSzustand des Expeditionscorps ist gut. Der Typhus und die Ruhr haben abgcnommen. — „W. T. B." berichtet aus Shanghai: Die Reise von Seymour undWarrcn den Jangtse auswärts bezweckt einen Besuch in Hankau. Der neue Taotai für Sbangbai, der für unannehmbar erklärt wird, ist in Kiangtu Commissar für die Salzsteuer geworden. Der bisherige hiesige Taotal amtirt noch, seine Ernennung zum Schatzmeister der Provinz Hunan ist aber schon erfolgt. Ter Gesuiidbcitsznstaud i» Peking. Ein Telegramm des Reuter'schen Bureaus aus Peking vom 16. November sagt, daß die sanitären Verhältnisse der chinesischen Hauptstadt zu ernsten Bedenken Anlaß geben. Seit der Besetzung der Stadt seien eine Menge Chinesen an Pocken und anderen ansteckenden Krankheiten gestorben, und da die Leute trotz aller entgegengesetzten Erklärungen fürchten, daß die Frem den die Begräbnisse zerstören würden, blieben die Leichen in Särgen in den Häusern und auf den Höfen derselben stehen. Die Engländer seien die Einzigen, die in ihrem Quartier für die Be seitigung des Unraths sorgten. Den Eingeborenen sei verboten worden, Abfälle auf die Straße zu werfen, und so hätten sich ungeheure Mengen davon in den Häusern und Höfen ange- ammelt. Wenn das so bliebe, sei die größte Gefahr einer schreck lichen Epidemie nahe. Im Winter seien stets Vie Pocken in Peking häufig, bei der großen Anzahl der fremden Truppen würde also eine Epidemie furchtbare Verheerungen anrichten. Wer hat angefangen t Ausländische Stimmen lieben es, Deutschland als den Störenfried in Ostasien hinzustellen, und auch innerhalb Deutschlands hört mau hier und dort, daß Deutschland durch seine Erwerbung von Kiautschau das Signal für die Wirren im fernen Osten gegeben habe. Diese Behauptungen nach sprechen, beweist geringe Kenntniß der Geschichte unseres Jahr hunderts. Die Erwerbung von Kiautschau durch einen, aller dings von feiten Chinas mit geringem Vergnügen geschlossenen Pachtvertrag, ist nur ein kleines Glied in einer langen Kette. In dem II. Heft der „Zeitschrift für Socialwissenschaft" zählt M. v. Brandt in seinem Aufsatz „Die chinesische Frage vom deutschen wirthschaftlichen Standpunkt aus" die Zugeständnisse auf, die China seit 1842 an fremde Staaten zu machen ge zwungen war. 1842. England erwirbt durch den Vertrag von Nanking Hongkong. 1845. Rußland erwirbt durch den Vertrag von Aigun das ganze rechte Ufer des Amur. 1860. England erwirbt durch den Vertrag von Peking einen Theil des Hongkong gegenüberliegenden Distrikts von Kaulun. 1860. Rußland erwirbt durch den Vertrag von Peking das zwischen dem Ussuri, dem Songatscha, dem Hinkai-See und dem Tumenkiang einerseits und dem Meer anderer seits gelegene, bisher ihm und China gemeinsame Gebiet. 1864. Rußland erwirbt durch das Protokoll von Chuguchak chinesisches Gebiet im Westen. 1878. Japan annectirt gewaltsam Liukiu. 1880. Rußland versucht, durch den Vertrag von Livadia ganz Jli zu gewinnen. 1881. Rußland erwirbt durch den Vertrag von Petersburg den westlichen Theil von Jli. 1888. Frankreich erwirbt durch den Vertrag von Tientsin das tributäre Anam von China. 1886. England erwirbt durch die Convention von Peking das tributpflichtiae Burma von China. 1887. Frankreich sichert sich durch den Vertrag von Peking das Recht auf die zwischen Tonking und dem Mekong ge legenen, zum Theil China tributpflichtigen Gebiete. 1888. Portugal erlangt die Cession Macaos. 1803. Rußland beseht größere Theile des chinesischen Gebietes auf dem Pamir. 18S4. England erwirbt einen Theil der China tributpflichtigen Schanstaaten. 1895. Japan gewinnt durch den Vertrag von Simonoseki For mosa, die Pescadores, Liaotung und einen Theil der südlichen Mandschurei, welche beiden letzteren es China gegen eine Entschädigung von 30 Millionen Taels zu rückgeben muß. Gleichzeitig hört Korea auf, China tributpflichtig zu sein. 1898. Rußland erlangt den Abschluß einer russisch-französisch« chinesischen Anleihe. 1898. Frankreich erlangt commercielle und industrielle Vor theile in Südckina und die Abtretung eines Theiles deS Schanstaates Kiang-Hung. 1896. England erlangt eine neue Grenzlinie in Hinterindien, commercielle Zugeständnisse in Westchina und die theil- wrise Eröffnung de» Westflusse». 1896. Frankreich erlangt neue Eisenbahn- und andere Con- cessionen in Südchina. 1896. Frankreich erlangt die Wiederübergabe deS Arsenals in Futschou an französische Officiere und Ingenieure. 1896. Rußland erlangt den Abschluß des Vertrages, der den Bau der östlichen Strecke der transsibirischen Bahn durch die Mandschurei gestattet. 1896. Die russische Flotte überwintert kn der Kiautschaubai. 1897. Frankreich und England erlangen weitere Concessionen in Süd- und Westchina. 1897. England verhandelt über die Abtretung des Distriktes von Kaulun. 1898. Deutschland erwirbt durch die Convention von Peking Tsingtau und eine Interessensphäre in Sckantung (Kiautschau). In dieser langen Reihe erscheint Deutschland nur einmal, und wie man auch über di« Vorzüge oder Nachthrile der Pachtung von Kiautschau denken mag, man wird den Ausspruch nicht be gründen können, daß durch Deutschlands Politik eine neue Sach lage geschaffen wurde, die allein oie Chinesen zum Fremden mord und die chinesische Regierung zum Bruch der Verträge zwingen mußte. Der Krieg in Südafrika. Paul Krüger in Frankreich * Aus Marseille, 23. November, wird uns depcschirt: Nach Empfang des Telegramms, das Präsident Krüger nach seiner Ankunft in Frankreich an den Präsidenten Laubet gesandt bat, ersuchte dieser den Präfecten Grimanelli, Krüger feinen Dank zu übermitteln und ibn gleichzeitig im persönlichen Namen deS Präsidenten der Republik will kommen zu heißen. Da Präsivcnt Krüger sich zu ab gespannt fühlte, um den Präfecten Grimanelli empfangen zu können, machte vr. Leyd's Krüger diese Mitlheilung. Bormittag 9 Ubr verließ Präsident Krüger das Hotel und fuhr nach dem Bahnbofe, auf dem ganzen Wege mit begeisterten Zurufen begrüßt. In Begleitung Krüger'S be fanden sich der Gesandte I)r. Leyds, die Mitglieder der Boerenmission, Frau Elofs mit Kindern u. A. Bor Ab gang des ZugeS trat Präsident Krüger an die Wagentbür und hielt eine Ansprache, in der er nochmals für den ihm gewordenen Empfang dankte und die Erwartung aussprach, überall denselben Sympathien zu begegnen, denen dann hoffentlich Handlungen folgen würden, die die Sache der Boercn unterstützen und ihr schließlich dienen würde. In Dijon bringt Präsident Krüger die Nacht zu. Die gejammte Pariser Presse bespricht die Ankunft deS Präsidenten Krüger in langen Artikeln. Die republikanischen Blätter drücken ihre Freude darüber aus, daß die begeisterten Kundgebungen für den Präsidenten Krüger so würdig ver laufen seien. „Figaro" meint, man werde vielleicht finden, daß die dem Präsidenten zu Theil gewordenen Kunvzebungen ein wenig im Mißverhältnisse stehen zu der wirklichen Hilfe, die die Franzosen mit wenigen Ausnahmen den Boeren geleistet hätten. „Radical" schreibt, Frankreich werde für die Boercn nichts thun können. „Wir bewundern den Präsidenten Krüger und begrüßen ihn mit Achtung und Trauer, wir halten cs aber für würdiger, uns nicht denen anzuschließen, die den Präsidenten mit leeren Worten zu täuschen suchen. „Siücle" meint, die Nationalisten hofften, durch Demonstrationen für den Präsidenten Krüger irgend einen Zwischenfall berbeizusübren. Es sei kein bloßer Zufall, daß die Campagne für den Prinzen Louis Napoleon mit der Ankunft Krüger'S Zusammenfalle. Mehrere ministerielle Blätter hoffen, daß Krüger sich nicht hergeben Wirde, die Geschäfte der Nationalisten zu besorgen, und weise mit Befriedigung darauf hin, daß er die ihm zuzevachte Ehrung in dem Pariser Rathhause noch nicht endgiltig an genommen habe. Alle Londoner Blätter besprechen den Empfang Krüger'S in Marseilles. „Times" giebt Krüger zu bedenken, daß er eS der Duldung England zu verdanken habe, daß er überhaupt in Europa sei. Bis jetzt, sagt daS Blatt, feien noch keine Anzeichen dafür vorhanden, daß die Regierungen Europas geneigt seien, der Führung der Demonstranten von Marseille zu folgen und einen allgemeinen Krieg anzufachen auS Zuneigung für zwei kleine südafrikanische «tasten, die dem britische» Reiche vorsätzlich Trotz boten. „Morning Post" sagt, die Besitzergreifung Transvaals sei von der britischen Regierung verkündigt worden und der Act habe die Zustimmung der Nation erhalten, die durch daS Ergebniß der jüngsten Wahlen den entsprechenden Ausdruck gefunden habe. Eine fremde Regierung, die die Oberherrlichkeit der Königin von England über Transvaal in Frage ziehen wollte, würde sofort über die der Diplomatie gezogenen Grenzen hinauSgehen. „Standard" und die meisten übrigen Blätter drücken ihren Zweifel aus, ob die FestlandS- mächte geneigt seien, sich Krüger'S wegen mit England zu entzweien, und urtheilen sehr abfällig über die Haltung und Sprache des gewesenen Präsidenten. Ter Alldeutsche Verband. Der geschäft-führende Ausschuß deS Alldeutschen Ver bandes bat beschlossen, eine Abordnung aus seiner Mitte zum Präsidenten Krüger zu entsenden, die ihm in feierlicher Weise im Namen dcS Verbandes eine Adresse überreichen wird. Soweit sich die Reiseanordnungen de» Präsiventen bis jetzt übersehen lassen, dürft« die Abordnung im Haag vom Präsidenten empfangen werden. Ter Verein der TranSvaal-AuSaewiesenen in Berlin erläßt folgende Erklärung: „Der „Alldeutsche Ver band" hat sich auf unser Ersuchen unserer Sache angenommen und Herrn Iustizrath vr. Koffka damit betraut. Um rin geschlossene» Zusammengehen zu ermöglichen, bitten wir alle Au»gewiesenen, ihre Beschwerden nebst den detaillirten Ansprüchen auf Schadenersatz an den „All deutschen Verband", Berlin W., Lützowstraße 8Sd, ein- zureichrn. Selbstverständlich dürfen dann keine weiteren Schritte direkt beim Auswärtigen Amt unternommen werden, ohne daß der „Allveutsche Verband" benachrichtigt wird. Wir rathen, von allen Schriftstücken Abschrift zu nehmen und auch bei mündlichen Erhebungen Notizen zu machen — für spätere Verhandlungen. — Sämmtliche Kosten trägt der „Alldeutsche Verband". Auch ist er bereit, Stellung gesuche kostenfrei zu veröffentlichen. Solche Gesucht sind unter Angabe von Gehalt-ansprüchen rc. dem genannten Verbände einzureichen. Der Vorsitzende Petersen." Tas lkriegSrccht der ewtltsi rten Völker in Südafrika. Wir erhalten folgende Zuschrift: „Herr Redacteur, im Namen der Menschlichkeit und de- Krieg-Völkerrecht» gestattten Sie mir darauf hin- zuweisen, daß die Krieg-fiibrung de» britischen Heere» in Südafrika den ernstlichstea Widerspruch erheischt. Die Zeit drängt. Zu Anfang de» Kriege» macht« man wenigsten« einen Versuch, d«n Feldzug im Einv«rständniß mit den Bestim mungen deS civilisirtea KrieaSrecht- zu führe», die erst wenige Monate vorher im Haag wieder festgestellt und bestätigt waren. Jetzt, im zweiten Jahre de- unglück seligen Krieges, wird alle Rücksicht auf völkerrecht liche Vereinbarungen in den Wind geschlagen. Das Gebiet der beiden Freistaaten wird verwüstet. Die Brandfackel hat da» Schwert verdrängt. Brennende HauSstälten bezeichnen die Marschlinie der britischen Truppen. Plündern ist an der Tagesordnung, und die Soldaten, welche die unbezähmbaren Bürger in Waffen weder bezwingen, noch gefangen nehmen können, führen einen grausamen Krieg gegen die Frauen und Kinder. Obdachlos und nahrung-lo- irren diese auf dem Beldt umher, bis sie dem Hunger und der Kälte erliegen, oder — nm einen Preis — sich im Kafferkraal oder im britischen Lager Nahrung verschaffen. Im technischen Sinne mag man einwenden, daß die Bestimmungen deS CongresseS im Haag nicht anwendbar sind, weil die Regierung deS südafrikanischen Freistaats von der Conferenz ausgeschlossen war. Moralisch ist die britische Regierung, welche die Convention erst ratificirte, als der Krieg schon wogte, verpflichtet, der Kriegführung die Schranken aufzulegen, über welche die Mächte sich förmlich einigten. Wenn wir aberfinden, daß daS britische Heer allen Regeln Hohn bietet, welche die britische Regierung im Ein- verständniß mit den andern Mächten gewissenhaft zu be obachten sich feierlichft verpflichtet hatte, um dem Kriegs elend so weit als möglich zu steuern, dann ist eS an der Zeit, die Frage aufzuwerfen, ob diese Vergewaltigung aller Civilisation ohne Widerspruch geduldet werden und un gestraft fortdauern soll. Sollen diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit, diese Schandthalen, welche die eigene Regierung im Voraus verdammt hatte, etwa später als Präcedcnzfälle gelten? Soll der alte, grausame Kriegsbrauch, die gräßliche Ver heerung der Pfalz im siebzehnten Jahrhundert, wieder das daS Kriegsrecht des zwanzigsten Jahrhunderts werden? Gegen einen solchen Rückfall in daS Bardarentbum, gegen diesen verhängnißvollen Versuch, die Uhr de- mensch lichen Fortschritts wieder auf da- siebzehnte Jahrhundert zurückzustellen, muß und soll jedes civilisirte Volk protestiren. Die Thatsachen sind leider unbestreitbar und unbestritten. Das Zeugniß der britischen Officiere und Soldaten, die dort >m Felde stehen, ist klar und deutlich genug, und wer Bestätigung wünscht, wird sie in den officiellen Prokla mationen der Generale finden. Der beiliegende Bozen enthält sowohl den Wortlaut der Kriegsregeln, als auch die Aussagen von commandiren- den Officieren, Soldaten und Berichterstattern auf dem Kriegsschauplatz über die Art, auf welche jene Regeln, wohlbedacht und durchgängig, übertreten sind und noch übertreten werden. Ich fordere Sie daher auf, diese Thatsachen zur Kenntniß Ihrer Leser zu bringen und das Ihrige dazu beizutragen, daß der Krieg in Süd-Afrika künftig dem Kriegsvölkerrecht der civilisirten Staaten gemäß geführt wird. Mit Hochtung William T. Stead." Wir sehen davon ab, die in dem Schreiben erwähnten Urtheile von Officieren, Berichterstattern rc. wiederzugeben, da wir im Verlauf des Krieges, namentlich in der letzten Zeit, ein erdrückendes Material veröffentlicht haben, auf das wir unS hier beziehen können. Mit Vergnügen aber Heben wir der Zuschrift Stead'S, eine- englischen Gewährs mannes Raum, der sich als ein auch unseren Lesern nicht unbekannter, begabter, über die einschlägigen Verbältaiffe genau orientirter, charaktervoller und unabhängiger Schrift steller erwiesen hat. Deutsches Reich. -4- Leipzig, 23. November. (Socialdemokratie und Ethik.) Der bekannte englische Arbeiterführer William Sanders ist vor einiger Zeit aus der Arbeiterbewegung au»- geschieden nna in Vie ethische Bewegung übergetreten. Ein deutscher, dem Radikalismus sehr geneigter Ethiker, vr. W. Förster, hat sich bei Sanders nach den Gründen seine» Ver haltens erkundigt und eine sehr beachtenSwerthe Antwort re- hatten. Anknüpfend nämlich an die Thatsache, daß die englische Gewerkschaft der Kesselschmiede 600 000 in den Aktien eines Eisenwerkes anlegte, das „notorisch sein« Angestellten aukbeutet", erklärte Sanders, ein ganz neues Problem au» der neuesten wirthschaftlichen Entwickelung auftauchen zu sehen: das Problem, wie der gebildete und hochgelohnte Arbeiterstand, der au» der Mitte der industriellen Arbeiterschaft al» ein neuer Mittelstand sich erhebe, vor dem D « rsinken in Gewinn sucht und von satter Gleichgiltigkeit bewahrt wer den könne. Diesem «Grunde für sein Ausscheiden au» der Ar beiterbewegung fügte Sanders al» zweiten die Beobachtung hin zu, daß in der sich entwickelnden RegierungSgewalt der Massen die ersten Anfänge der demokratischen Eorruption sichtbar würden. Beobachtet hat Sander» derartige Er scheinungen in Battersea, wo die städtischen Angestellten ihren Einfluß al» Wähler dazu ausnützten, für sich au» dem Säckel der Gesammtheit weit höhere Löhne herau-zuschlagen, al» von den Gewerkvereinen der betreffenden Branchen festgesetzt waren und al» man jemals von dem anstänvigsten Unternehmer verlangen würde — mit einem Worte, man betrachte di« Commune al» eine Litrone zum Ausquetschen. — Die im Vorstehenden fkiz/irten Darlegungen Sander»' nimmt vr.Förster zum Anlaß, der deutschen Arbeiterbewegung ein warnende» „ I)v Io RLitur' zuzurufen. „Auch bei uns werden", sagt Förster, „einst Arbeiter majoritäten vor dem gleichen Abgrunde stehen, der sich jetzt vor den Repräsentanten der «nalischen Bewegung aukthut. Man sorge darum recht zeitig dafür, daß schon da« Aufsteigen de» Vierten 'Ttackdr» unter dem Zeichen derselben sittlichen Mächte steht, denen man die spätere praktische Entwickelung allein an- vertrauen kann." — Da» Organ der so ctaldrmokra- tischen Gewerkschaften »eist dies« wohlgemeint«, nur »u sehr berechtigte Warnung auf da» Lebhafteste zurück. E« meint, Vorhaltungen, wie die von Sander» und Förster ge machten, kämen wohl für di« Engländ«r in Frage, k,inr»w«g»
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