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»0. Jahr,«,,. Sonntag, den AS. Mai Tagesschan. Freiberg, den 28. Mai Gestern Vormittag fuhr der deutsche Kaiser nach Pots dam, wo im Lustgarten eine große Parade der Gardetruppen stattfand. Bei der Ankunft deS Kaisers senkten sich die Fahnm und Standarten und die Truppen erwiesen ihrem obersten Kriegsherrn die Honneurs. Langsam wurde die Front ab gefahren; die ganze glänzende Suite folgte. Der hohe Herr trug große Generalsuniform mit dem Bande deS Schwarzen Adlerordens. Zuerst defilirte die 1. Garde-Jnsanterie-Brigade in Zügen mit ongefaßtem Gewehr. Unter dem Kommando des Generalmajors von Versen marschirte die Kavallerie heran. Die Damen des preußischen Königshauses sahen sich die Parade von den Paradegemächern des Schlosses an. An den Fenstern des etrurischen Gemaches bemerkte man die Groß herzogin von Baden, die Erbprinzessin Charlotte mit ihren Schwestern, Prinzessin Wilhelm mit ihrm drei ältesten Söhnen, Prinzessin Albrecht mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm, ihrem dritten Sohne, Erbprinzessin Reuß j. L-, Prinzessin Albert von Sachsen-Altenburg, Herzogin Johann Albrecht von Meck lenburg, Herzogin Wilhelm von Mecklenburg, Prin zessin Friedrich von Hohenzollern und Prinzessin Komatsu. Nach dem Schluß der Parade ließ der Kaiser die Generale und Stabsoffiziere zu sich entbieten und sprach seine volle Anerkennung über die Leistungen der Truppm aus. So dann fand im Stadtschlosse zu Potsdam ein Frühstück statt, an welchem die allerhöchsten und höchsten Herrschaften, die Generalität und viele andere hohe Offiziere theilnahmen. Nach der Aufhebung der Tafel kehrte der Kaiser nach Berlin zurück. — In der am 26. d. M. abgehaltenen Plenarsitzung des deutschen Bundesrathes legte der Staatssekretär von Bötticher die Mittheilungsschreiben des Präsidenten deS Reichstages vor über di« Beschlüsse deS letzteren zu den Gesetzentwürfen, betreffend die Feststellung von Nachträgen zum ReichShauShalts-Etat für 1887/88, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen deS Reichsheeres rc., betreffend die Fürsorge für die Witlwen und Waisen von Angehörigen deS ReichsheereS und der kaiserlichen Marine, und betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen. Seitens der Ausschüsse für Justizwesen und für Elsaß-Lothringen wurde über die durch den Landes-Aus schuß abgeänderten Gesetzentwürfe für Elsaß-Lothringen über die Errichtung öffentlicher Vorschußkassen, über die Feststellung der Entschädigungen im Falle der Zwangsenteignung und über die Vormundschaften Bericht erstattet. Ueber den Gesetzentwurf, betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen, soll in einer der nächsten Sitzungen Beschluß gefaßt werden. Den übrigen vom Reichstage und von dem Landesausschuß von Elsaß-Lothringen angenommenen Gesetzentwürfen wurde in den Fassungen, wie solche sich nach den Beschlüssen des Reichstages bezw. LandcsauSschusses gestaltet haben, die Zustimmung ertheilt. Genehmigt wurden ferner die Entwürfe eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen, betreffend die Ernennung und Besoldung der Bürgermeister und Beigeordneten, einer Verordnung über die Mittwoch stattgefundene Pariser Theaterbrand, von dem die gewiß große Zahl der Opfer noch nicht festgestellt ist, versetzte die Bevölkerung der französischen Hauptstadt in Entsetzen und tiefe Trauer. Beide Häuser des englischen Parlaments haben sich am Montag bez. am Dienstag bis zu dem 6. bez. 9 Juni vertagt, nachdem im Unterhause die Einzelberathung der irischen Zwangsbill ziemlich weit vorgeschritten war und das Oberhaus Kenntmß von dem am Sonntag in Kon stantinopel erfolgten vortheilhaften Abschluß einer englisch türkischen Vereinbarung über Egypten erhalten hatte. Die russische Kaiserfamilie ist am letzten Sonntag wieder in Gatschina eingetroffen; seitdem verlauten wieder Gerüchte über den baldigen Rücktritt des Ministers von Giers und dessen Ersetzung durch den bisherigen russischen Botschafter in Berlin, Grafen Schuwalow. Ein am Dienstag veröffentlichter kaiserlicher Ukas an den russischen Smat enthält Bestimmungen über die Erwerbung und Benutzung von unbeweglichem Eigenthum durch Ausländer in einigen russischen Gouvernements, welche es deutschen Unternehmern ganz unmöglich machen, in Polen, Bessarabien, dem Wilna'schen, Witebski'schen,Wolhyni'schen,Grodno'schen, Kiew'schen und Kowno'schen Gouvernement, in Kurland, Livland, Minsk und Podolien gewerbliche Etablissements zu errichten oder zu unterhalten. und TLgMM. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden z» Freiberg nnd Brand. Senuttwortlicher Redakte«: Braun in Freiberg Die Woche Während der greise deutsche Kaiser sich in letzter Zeit so wohl fühlte, daß er fast täglich auf dem Tempel hofer Felde bei Berlm Truppenbesichtigungen vornehmen konnte, ließ das Befinden des deutschen Kronprinzen viel P.wünschen übrig. Die Kur in Ems war gegen das hartnäckige Kehlkopfleiden des Kronprinzen wirkungslos Mieden, weshalb ärztliche Autoritäten die Berufung des englischen Spezialisten Or. Morell Makenzie nach Berlin f onanlaßten. Nach wiederholter Untersuchung wurde aber eine Operation nicht für nöthig befunden und hoffen nun dieAerzte, bei Abstandnahme von jeder anstrengenden Thätig- keit und bei zweckentsprechender Behandlung, das Uebel in einigen Wochen gänzlich zu beseitigen. Der Kronprinz wird voraussichtlich in der Lage sein, die Vertretung des Kaisers bei dem im Juni stattfindenden Jubiläum der Königin Viktoria zu übernehmen und zu diesem Zweck nach England zu reisen; natürlich gedenkt er seine Theilnahme an den dort stattfindenden Festen möglichst einzuschränken. Das Verhältniß der deutschen Reichsregierung zu England ist jetzt ein um so freundschaftlicheres, als gerade in letzter Zeit eine ganze Reihe diplomatischer Enthüllungen zeigte, wie wenig' Freundliches Deutschland von seinen östlichen und westlichen Nachbarn zu gewärtigen hat. Ergab sich ans der langen Polemik der „Nordd. Allg. Ztg." mit ungarischen und russischen Blättern, daß die von Katkow in gehässigster Weise als ein Werk Deutschlands bezeichnete Okäpatton Bosniens nur das Ergebniß von Verhandlungen war, die vor dem russisch-türkischen Krieg ohne Wissen des deutschen Kanzlers zwischen Oesterreich und Rußland ge führt wurden, so bewiesen die im Pariser „Figaro" ver öffentlichten Bekenntnisse des Generals Leslü, daß schon im Jahre 1875 an einem russisch-französischen Schutz- und Trutzbündniß ernstlich gearbeitet worden ist. Die bestimmte Erklärung Deutschlands, daß es nicht daran denke, Frank reich anzugreifen, veranlaßte den damaligen Zaren Ale xander ll., ein solches Bündniß als überflüssig abzulehnen. Die „Köln. Ztg." machte darauf aufmerksam, daß eine Wiederholung jenes Spiels heute leicht ernstere Folgen haben könne, als vor zwölf Jahren. Die in dem veröffent lichten Briefwechsel zwischen dem damaligen Botschafter Leflü und dem damaligen Minister Decazes enthaltene Be hauptung, daß Deutschland zu jener Zeit Rußland das Anerbieten machte, ihm in seiner Orientpolitik freie Hand zu lassen, soll durchaus unzutreffend sein. Das deutsche Auswärtige Amt hielt aber die gegenwärtige Stimmung in Paris zu einer Berichtigung der von Leflo verbreiteten Jrrthümer nicht für geeignet und unterließ deshalb jede Berichtigung. Die von dem französischen Ministerium des Auswärtigen dem General Leflü darüber ertheilte Rüge, daß er sich als pensionirter Agent das Recht angemaßt, einen amtlich geführten Briefwechsel zu veröffentlichen, dürfte kaum von Berlin aus veranlaßt worden sein. Ebenso wenig mischte sich die deutsche Reichsreaierung in die noch immer unbeendigte französische Ministerkrisis. Während der russische Botschaster in Paris, Baron Mohren heim, wiederholt äußerte, daß dem Zaren das Ver bleiben des Kriegsministers Boulanger erwünscht sei, unterließ der auch durch Unwohlsein an das Zimmer ge bannte deutsche Botschaster, Graf Münster, jede Auslassung, die für eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Frankreichs gehalten werden könnte. Von Berlin aus wurde sogar offiziös kundgegeben, daß es für Deutschland leichter sch mit einem offenkundigen Gegner zu verhandeln, als mit einem, der seine Gefühle unter guten Manieren zu verbergen wisse. In der inneren Politik des deutschen Reiches ver ursachte das Herannahen des Pfingstfestes einen kurzen Stillstand. Der deutsche Reichstag, der in den letzten Tagen schon bedenklich an Beschlußunfähigkeit litt, versagte noch m letzter Stunde die Genehmigung zur strafrechtlichen Ver salzung des reichsländischen Abgeordneten Charles Grad, überwies die Zuckersteuer-Vorlage nach der ersten Lesung einer Kommission und trat dann die Pfingstferien an, die bis zum 7. Juni dauern werden. Mitte nächsten Monats dürste die wichtigste Vorlage der Session, der in einer Kom mission gründlich vorberathene Branntweinsteuer-Gesetz entwurf, zur Erledigung kommen. So weit es die Geschäftsordnung gestattete, verhinderte die Linke des österreichischen Abgeordnetenhauses ein Ueberhasten der Budgetdebatte, die mit großer Mühe noch vor dem Eintritt der Pfingstfeiertage zum Abschluß gebracht wurde. Die Einzelberathung über den Voranschlag des Ackerbauministenums nahm zwei lange Sitzungen in Anspruch, weit herber noch war aber die Kritik, welche die Opposition an der Wirksamkeit des Ministers Or. Prazak bei der Ver handlung über den Justizetat übte. Wenn der Abg von Plener die Thätigkeit der Finanzverwaltung unter dem Kabinet Taaffe in das geflügelte Wort zusammenfaßte: „Petroleum und Schulden," so meinte der Wiener Ver treter Jaques, man könne die achtjährige Aktion der Justiz verwaltung nicht besser kennzeichnen als mit den Motten: „Ausnahmsgesetze und Fideikommisse." Der Rechten werden diese Angriffe wenig schaden, vielmehr dürfte einzelnen Mit gliedern dieser Partei, besonders dem czechischen Wortführer Mattusch, dem bekannten Bürgermeister von Jungbunzlau, der Schluß des österreichischen Reichsraths Auszeichnungen bringen. Der ungarische Reichsrath wurde bereits am Donnerstag in Pest durch den Kaiser selbst mit einer Thron rede geschlossen, welche der Freude über den Abschluß des Ausgleichs und über die von dem Parlament bewiesene Opferwilligkeit beredten Ausdruck lieh. In Italien ist fest den Festen in Florenz der Ge danke einer Aussöhnung zwischen dem Quirinal und dem Vatikan lebhaft ventilirt worden und behauptet man in Rom, daß besonders der deutsche Reichskanzler bemüht sei, einen Ausgleich zwischen dem Papstthum und dem italienischen Königsthum zn fördern. Bei dem am Montag abgehaltenen Konsistorium sprach der , Papst zunächst mit Befriedigung von dem religiösen Frieden in Preußen, für welchen er alle Bemühungen einsetzte und bei dem er alles minder Wichtige bei Seite ließ und drückte dann den Wunsch aus, daß auch Italien von seiner versöhnlichen Gesinnung Nutzen ziehen möge. Se. Heiligkeit soll auch die Absicht haben, den Bann der Gefangenschaft zu brechen und bei dem päpstlichen Jubiläum in der Petcrskirche wieder öffe ttlich die Messe zu lesen, vorausgesetzt, daß die italienische Regierung die Verhinderung etwaiger unliebsamer Kundgebungen verbürgt, wozu König Humbert sehr gern bereit sem wird. Die Arbeiterunruhen in Belgien haben einen sehr be denklichen Charakter angenommen. Im ganzen Borinage- Gebiete feiern die Arbeiter und sind Ausschreitungen mannig facher Art, bei denen das Dynamit die Hauptrolle spielt, zu verzeichnen. Einer der Haupthetzer, der nach Frankreich geflohene Sozialist Defuisseaux, der Verfasser des Arbeiter- Katechismus, ist zwar in Maubeuge festgenommen worden, eine vorher von ihm verbreitete Proklamation, welche die Arbeiter zu einer Pfingstfestkundgebung für das allgemeine Stimmrecht auffordert, ließ fick aber nicht unterdrücken. Die zahlreichen Sozialisten der Stadt Gent wurden bisher von ihrem vorsichtigen Führer Anseele verhindert, sich der Bewegung anzuschließen; ihre Betheiligung würde eineschlimme Katastrophe herbeiführen. Die jetzigen ultramontanen bel gischen Minister unterschätzen sichtlich die Gefahr, sonst hätten sie längst die ihnen von den Kammern zur Beseitigung des Arbeitsmangels bewilligten reichen Mittel verwendet, welche jetzt noch völlig brach liegen. Die klerikale Kammermehrheit ist den sozialen Reformen, welche in der Thronrede ver sprochen wurden und bei der jetzigen Lage des Landes un abweisbar scheinen, ebenso abgeneigt; eine Verblendung, deren Folgen sich gar nicht übersehen lassen. Bisher sind alle Bemühungen für die Neubildung des französischen Ministeriums vergeblich gewesen; so schwer ist noch keines der 21 Ministerien zu Stande ge kommen, welche Frankreich seit dem Sturze des Kaiser reichs besessen hat. Trotzdem der Präsident Gravy die Beseitigung des Kriegsministers Boulanger wünschte, ver zichtete er auf dieses Verlangen, als er am Dienstag dem Kammerpräsidenten Floquet den Auftrag zur Neubildung des Kabinets ertheilte. Floquet vermochte sich aber ebenso wenig mit den Opportunisten zu einigen, wie Duclerc, dem nach ihm die Premierschaft angeboten wurde, mit der Radikalen. Nachdem auch dieser Letztere die Unmöglichkeit eingesehen, die schwierige Aufgabe zu lösen, ließ sich Frey- cinet bereit finden, die Kabinetsbildung zu versuchen, trat aber nach einer am Donnerstag stattgefundenen längeren Konferenz mit den opportunistischen Führern ebenfalls da von wieder zurück, so daß noch immer Alles in Frage steht. Die Kammer vertagte sich deshalb abermals, nachdem sie 200 OM Franks zur Unterstütznng der bei dem Brande der Opöra comique Beschädigten und der Angehörigen der um's Leben gekommenen Personen bewilligt hatte. Der am Inserate »erde» bi» Bormittag 11 Uhr angerwm. I men und betagt ^der^Prei» für die ^spalten« Zell« ^OO