Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Reilhenvmnd, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. M 14. Sonnabend, den 6. Dezember 1902. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichenbrand, Pelzmühlcnstraße 47 v), sowie von den Herren Barbier Bast in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegcngenommcn und pro Ispaltige Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Nach § 10 des Regulativs vom 9. September 1887, die Ordnung, Reinhaltung und den Verkehr auf den Straßen in der Gemeinde Reichenbrand betr., ist jeder Haus- und Grundstücksbesitzer, oder deren Stellvertreter verpflichtet, bei Schneefall die Fußwege bahnmäßig vom Schnee zu befreien und bei ein tretender Glätte mit Asche oder Sand so oft zu bestreuen, als es zur Sicher heit der Fußgänger erforderlich ist. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 30 Mk. geahndet. Reichenbrand, am 5. Dezember 1902. Der Gememdevorstand. Wogel. Gemeindeabgaben. Am 1. Dezember dieses Jahres wird der 4. Termin der Gemeinde abgaben und des Schulgeldes auf 1902 fällig und ist spätestens bis zum LS. dieses Monats an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Nach Ablauf dieser Frist wird gegen Säumige das Mahn- bez. Pfändungs verfahren eingeleitet werden. Reichenbrand, am 29. November 1902. Der Gemeindevorstaud. Vogel. Bekanntmachung. Die durch Fortzug der jetzigen Inhaberin erledigte Stelle einer Stell vertreterin für die in den Gemeinden Reichenbrand und Siegmar angestellte Leichenfrau soll anderweit besetzt werden. Geeignete Bewerberinnen wollen schriftliche Gesuche bis zum 1». Dezember 1SVS beim unterzeichneten Gemeindevorstand einreichen. Reichenbrand, am 3. Dezember 1902. Der Gemeindevorstand. Woget. Bekanntmachung. Am 16. Dezember d. I. wird der 4. Termin der diesjährigen Reute fällig und ist spätestens bis zum 31. Dezember d. I. an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Reichenbrand, am 29. November 1902. Der Gemeindevorstand. Woget. Bekanntmachung. Den 1. Dezember 1902 wird der 4. Termin der diesjährigen Gemeindeanlagen fällig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß diese Anlagen zur Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens bis zum LS. Dezember a. e. an die hiesige Gemeindekaffe abzuführen sind. Rabenstein, den 20. November 1902. Der Gemeinderath. Witsdorf, Gemeindevorstand. Bekanntmachung. Den L«. Dezember LSOS wird der 4. Termin der diesjährigen Rente fällig. Es wird hiermit darauf aufmerksam gemacht und aufgefordert, diese Steuer bis spätestens am 31. Dezember a. e. an die hiesige Ortssteuer-Einnahme abzuentrichten. Nach Ablauf der gedachten Frist wird das Zwangsvollstreckungsverfahren eingclcitet werden. Rabenstein, am 6. Dezember 1902. Der Gememdevorstand. Witsdorf. Vertliches. Weichenkrand, am 1. Dezember 1902. Bei der hiesigen Gemeindesparkasse erfolgten im Monate November dss. Js. 71 Einzahlungen im Betrage von 12982 Mk. 50 Pf. und 16 Rückzahlungen im Betrage von 4 645 Mk. 48 Pf. Der baare Kassenbestand am Schluffe des Monats betrug 12 790 Mk. 99 Pf. Die Sparkasse ist an jedem Wochentage Vor mittags von 8 bis 12 Uhr und Nachmittags von 2 bis 6 Uhr geöffnet und cxpedirt auch schriftlich. Alle Einlagen werden mit 3>/sO/» und solche, welche bis zum 3. eines Monats erfolgen, noch für den vollen Monat verzinst. Original-Roman von Irene v. Hellmuth« <11. Fortsetzung.) „Kind, Kind, du weißt nicht, was du von mir verlangst, es ist fast zu viel." „Ich werde es dir danken, Vater, so lange ich lebe." „Und wenn jener nun nicht will, was dann?" entgegnete er, schon halb besiegt. „O, er wird gewiß wollen, Väterchen," erwiderte Lori zuversichtlich, „ein gutes Wort findet einen guten Ort, sagt das Sprichwort." „Laß mir Zeit einige Tage, damit ich mir alles überlegen kann." „Und dann, — dann wirst du gehen, nicht wahr?" jubelte Lori, „o, du bist der beste Vater, den es geben kann, das erfahre ich heute aufs neue." Noch längere Zeit saßen die beiden beisammen. Lori versuchte in ihrer heiteren Weise, den Vater aufzumuntern, doch er gab einsilbige Antworten. Endlich entschlüpfte sie auf ihr Zimmer. Draußen stieß sie mit Helene zusammen, die noch bleicher als gewöhnlich aussah, und Lori, in dem Glücksgefühl, das ihr ganzes Wesen durchströmte, streckte der Kou- sine die Hand entgegen und sagte freimütig: „Vergieb mir, wenn ich dich kränkte, — ich habe es nicht so böse gemeint, und du reiztest mich. O, Helene, mein Vater wird sich mit Lindemann anssöhnen. Wie bin ich glücklich, auch du wirst glücklich werden, wenn du wahrhaft lieben lernst." Helene erwiderte kein Wort. Lori fiel das gar nicht auf, auch sah sie das höhnische Lächeln nicht mehr, welches das Gesicht Helenens verzerrte, eben sowenig, wie die geballte Faust, die Helene drohend gegen das unschuldige Mädchen erhob. IV. Zwei Tage waren seitdem vergangen. Lori und Johannes halten sich nicht wieder gesehen, da der Vater Loris bestimmt gewünscht hatte, daß jede Zu sammenkunft bis zur Entscheidung unterbleibe, und da Lori einsah, daß er recht hatte. Sie wollte den gnten Vater nicht dnrch Ungehorsam erzürnen in dem Augenblick, wo er im Begriff stand, ihr das große Opfer zu bringen und die Versöhnung mit Lindemann herbeizuführen. Wohl äußerte Vcrneck verschiedene Bedenken, doch Lori wußte sie alle zu entkräften und zu zerstreuen. Das Herz that ihr wohl weh, wenn sie bedachte, daß Johannes nun schon seit zwei Tagen vergebens auf sie gewartet habe, allein das mußte überwunden werden. Sie malte sich dafür in lebhaften Farben die Freude aus, die auch er an den Tag legen würde, wenn sie in feine ausgebreiteten Arme fliegen und ihm sagen durfte: „Nun ist alles gut, Liebster, unsere Väter haben sich versöhnt, wir brauchen jetzt nicht mehr so heimlich zusammen zu kommen, nichts, nichts ist, das uns trennen kann." Wie würden da seine lieben Augen sie so freudig ausehen, wie wird er sie an sein treues Herz drücken, und ihr tausend Schmeichelnamen zuflüstern. Dann war sie Braut, — seine Braut — wie wird man sie beneiden um den schönen, stattlichen Mann. Die Mädchen alle drunten in der kleinen Stadt, — o sie hatte es wohl bemerkt, wie sie neulich bewundernd Blicke nach ihm geworfen hatten, ja, den edlen Johannes würde jede von ihnen ohne Bedenken nehmen, und er hatte sich die kleine, unbedeutende Lori erwählt. Auch an Helene dachte sie; das schöne, stolze Mädchen liebte Johannes; nun, Helene würde sich schon trösten, aber etwas wie Mitleid mit der Kousine quoll doch in dem weichen Herzen Loris empor, sie verziehe ihr gern alles, was sie ihr angethan. Lori saß am Fenster und schaute dem Vater nach, wie er langsam und bedächtig den stets vermiedenen Weg nach dem Lindemannshof einschlug. Sie ahnte, daß er ihr ein Opfer brachte, daß es ihm keineswegs leicht wurde, daß es ihm ein saurer Gang war, den er ihr zulieb unternahm, — aber sie wollte dem guten Vater auch durch doppelte Zärtlichkeit vergelten, was er für sie that. Jetzt war er ihren Blicken entschwunden, und Lori faltete unwillkürlich die Hände; eine Bitte um das gute Gelingen des Vorhabens rang sich aus ihrem Herzen. Da bemerkte sie einen kleinen barfüßigen Jungen, der um das Haus herumschlich, alle Fenster musterte und als er sie erblickte, zaghaft näher kam, und ihr zuwinkte. „Da," — sagte er, als Lori, aus dem Hause tretend, den Kleinen nach seinem Begehr fragte, und überreichte ihr ein weißes Couvert; dann lief er eiligst davon. Lori riß den Umschlag auf, das Briefchen war von Johannes und enthielt nur wenige Zeilen. „Meine liebe, kleine Lori! Ich verzehre mich in Sehnsucht nach dir, war um kommst du nicht mehr? Du bist doch nicht etwa krank? Ich befürchte es fast. Erwarte dich bestimmt morgen früh am alten Platz, sende mir unter allen Umständen Nachricht dahin. Sollte dein Vater bereit sein, den Versöhnungsversuch zu