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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188409108
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840910
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840910
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-09
- Tag 1884-09-10
-
Monat
1884-09
-
Jahr
1884
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1884
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Erscheint täglich früh S'/.UHr. Letsriion v»d LrprdUtoa Ivhanue-gaff« 33. Lprrchftlludku der Kedaction: vormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 5—6 Uhr. tziidu ms»»»« et»«kt»ndler vlaimlcrtft« »acht sich »ü N»«cüo» »ich» »«»iatltch. >»»<ch«e der f»r die »tchftfelge»»« R>««er deftt»«te« Inserate an wachentage« dt» 8 Ntzr Rach«ttta»a, «n Lean- »nd Festtagen früh dt» '/,9 Uhr. 2u de« Filialen für 3ns.-Änaahme: vtt» Kke«», Universitätsstraße 21. r««t» Lösche, Katharinenstraße 18, p, ^ «nr dt» '/.» Uhr. tMger und Tagctilaü Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ^S 254. Mittwoch den 10. September 1884. Amtlicher Theil. Velilmntmalljung, die Etnrtchtnng bertrk-weiser Räum««- der «borlgrube» v»d die SrhShuna de» Kosteataris» ftlr-tüiaaoaag der Sraden mit Okloset-Eiartchtaag betreffe«». Bei der lm«,r mehr wachsenden Ausdehnung unserer Stadt haben wir un» nach Gehör der Herren StadiverorV» tteten »ur Ersvanmg unnvthiger Wege für die RäumungS- und Avfuhrgcspanne bei den durch unser Regulativ vom 8. Januar 1882 und unsere Bekanntmachung vom lS. Februar 1883 neugeregelten Grubenräumunaen einerseits, sowie auch gur Erleichterung der AufsichtSsüyrung über die letzteren andererseits bestimmt gesunden, die Stadt in verschiedene Bezirke zu theilen und in jedem dieser Bezirke die Gruben» rntleerungen »ar a> einem bestimmte« Wochentage Vornehmen zu lassen, jedoch unter Vorbehalt auch anderzettiger Räumung einzelne, Gruben ans behSrdltche «aordnvag. Wir bestimmen daher, daß die innere Stadt, d. h. alte innerhalb de» Promenadenrings gelegenen Plätze und Straßen, an denen die Grubenentleerungen regulativmäßig nur in den Stunden von 8 Uhr Abends bi» 8 Uhr Morgen- gestattet sind, in folgende zwei Bezirke zu theilen ist. in deren erstem die Räumungen in den Nachtstunden vom Montag za« Dirv»tag «nd in deren zweitem dir Räumungen in den Rachtstundm vom Arettag zum Sonnabend stattfinden dürfen: .. 1- Bezirk: die westliche Hälft« zwischen Promenade «nd Petersstraße (einschließlich), Markt (einschließlich) und Katharinenstraße, pez. Planenscher Straße (ausschließlich), II. Bezirk: die östliche Hälfte der inneren Stadl, alle dem I. Bezirk nicht zugetheilten Plätze «nd Straße» innerhalb des Promenadeu- ringS umfassend. . Weiter bestimmen wir, daß die äußere Stadt, d. h all« außerhalb de» Promenadenring- gelegenen Straßen. Plätze und emzelnen Häuser, an denen die gewöhnlichen Gruben entleerungen regulativmäßig einer Beschränkung in Bezug aus die Tageszeit nicht unterliegen, in folgende sechs Bezirke zerfällt, in denen die Grubenräumungrn je an einem anderen Wochentage, und zwar in dem risten mit dem Montag beginnend, unv dann der Reihe nach in jedem weiteren Bezirk mit dem nächsten Wochentage nachfolgend, stattfinde« dürsent I. Bezirk: Rvrdvorstadt, von der Jacodsiraße (einschließlich) bi- zum Blücherplatz (einschließlich^, Ostvorstadt, von Tscharmann'S Hau» in der Bahnhofstraße bl» zur ÄohaaueSgassc, der. HoSpilalstraße (einschließlich), HI. Bezirk: Ost- bei. Südvorstadt, alle südlich der JohanneSgosse und HoSpitalstraße gelegenen Straßentracte bi» zur Windmühlen gasse, WmdmUhlenstraße und zum Dösener Wege (einschließlich), IV. Bezirk: Südvorstadt, alle südwestlich der zuletzt genannten Straßen bi» an die Pleiße gelegenen Straßentracte, V. Bezirk: Destvorstadt, die link- der Pleiße bi» an die Dorotheen-, Colonnaden- und brz. Weststraße (einschließlich) gelegenen Grundstücke, VI. Bezirk: Westvorstadt, und zwar der Tbeil zwischen den zuletzt ge nannten Straßen und der Jacobstraße (ausschließlich). Di« Hau-besitzer haben sich also mit der Bestellung nvthiger Grubeneutleerungeu bei der von ihnen gewählten Absuhr- austalt dergestalt einzurichten, daß dieselbe spätesten« einige Tage vor demjenigen Wochentage erfolgt, an welchem die Trub« de» betreffenden Bezirk« geräumt werden dürfen, da sonst Verzögerungen bi» zu einer Woche eintrcten würden. Abfuhranstalten, welche zu einer für den betreffenden Bezirk nicht bestimmten Zeit Grubenräumungen in demselben vornehmen, unterliegen den in ß. 13 de» Düngerexport-Re- aulativ» für Zuwiderhandlungen gegm letztere» angedrohten Strafen. Hiernächst haben wir ferner im Einverständniß der Herren Stadtverordneten im Hinblick auf die erst nach längeren Zeit» räumen eintretende Nothwendigkeit der Entleerung ver Water- ckosetgruben, sowie auf die Wcrthlosiakeit de« au» denselben ru entnehmenden Inhalt« »och beschlossen, den Laris für die Kosten de» DüngerexportS unter 1,4 insofern abzuändern, als für die Räumung von Gruben mit Clofet-Btnrichtaag künftighin rin Zuschlag von L«0 Proeent (statt der bis herigen 20 Procen») erhoben werden Vars, während in allen übrigen Stücken der bisherige Tarif unverändert bleibt. Wir bringen die« mit dem Bemerken zur öffentlichen Krnntniß, daß sowohl die bezirksweise Grnbenräumung, al» auch die Erhöhung de» Zuschlag» auf die RäumungSkosten für Waterclosetarriben vom I. Oktober diese» H«hre- an einzutrrten haben. Leipzig, den 29. August 1884. ., Der Nath der Stadt Leipzig. Kretschmer. vr. Georgi. Auction. vo» dem Unterzeichneten «rmenamte sollen t« Stadthaus« allhirr («iugaug Mühlgoste Nr. 7) Donnerstag, »,n 11. Septe«»er ». », vormittags »an » Utzr an eine P«rtie getragene Klei»«ng»ftücke, einige MsbrI, Hau», und Küchenqeräihe, Taschenuhren, Betten u. bergt. «. meistbietend gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 6. September 1884. Da» Armenamt. Ludwig-Nols. gungdähnel. Versteigerung. Donnerstag, den II. Gepte«öer V L. vormittag« 10 Uhr soll t» Hose »es diesigen Poftgrun»stück«. Hospiialstraße 4/8. et« außer »cdran« gesetzter Sariol-Posttoagen nnter den unmittelbar vor der Versteigerung bekannt zu machenden Bedingungen öffeotlich versteigert werden. Leipzig, de» 4. September 1684. Raiserl. Postamt 1». »reßner. Wegen Reinigung der Expevilionsräume der Stadt» »afferknnst bleiben dieselben Montag, den LA. lausenden Monat» für da» Publicum geschloffen. Leipzig, am 8. September l884. Der Skattz der Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Cicdoriu». Auf Antrag der Erben de» verstorbenen Hausbesitzers «nd Handels manne« Friedrich Wilhelm Nonnicktz in Reudnitz soll da- in Reudnitz tu der Rlrbeckstraß« unter Nr. 18 gelegene Hausgrundstück nebst Zubehsr Fo>- 618 det Grund« und HvpothckenbuchS sür Sieuduitz, welch«» am 23. Juni d. I. ort-gerichtlich aus 12.600 gewürdcrt worden ist, freiwillig versteigert werden. Hier.« ist der 27. September p. I., vormittags II Nhr al» BietungStermin, der an hiesiger Amtsgerichtsstelle, PeterSsteln- weg Nr. 56 parterre, Bureau Nr. 103, abgehalten werden soll, an- drraumt »orden, was unter Bezugnahme aus den am Gerichtsbrette und im Schloßkrller zu Reudnitz auShängcnden Anschlag hiermit bekannt gemacht wird. Leipzig, deu 5. September 1854. stöiiigl. Amtsgericht. «öt». V. Schenkel.' Ntchtamtttcher Theil. tlltramontane Wünsche. * Die in Amberg abgehaltrn« Katholikenversammlung hat natürlich nicht verfehlt, auch in deu ultramontanen Kreisen außerhalb Deutschland» zu allerlei Betrachtungen und Aeuße- rungen Veranlassung zu geben, aus denen wieder einmal der ganze unversöhnliche Haß der Römlinge gegen da« wieder erstandene deutsche Reich und seine staatlichen Lenker zu ent nehmen ist. Bekanntlich ist für die grsammte ultramontane Partei die Entwickelung der Dinge in Deutschland seit 1870 der größt» Stein des Anstoßes, ein Stein, den mau im Lause der Zeit sicher zu beseitigen hofft. In diesem Sinn« sprechen sich nlle nltramontanen Organe an«, zumal aber diejenigen, welche außerhalb Deutschlands erscheinen, weil diese bezüglich ihrer gehässigen Aenßcrungen und maßlosen Angriffe an keinerlei Rücksichten gebunden find. Da- thun sie auch jetzt wieder, gelegentlich der Amberger Katholikrnvcrsammlung. welche in sämmtlicken nltramontanen Blättern als rin „bekeutsanicS Zeichen der Zeit" und de» „Umschwünge» der öffentlichen Meinung in Deutschland" geschildert wird. Diese Versicherung ist freilich nicht ernst z» nehmen, aber e» dürste dennoch am Platze sein, sich mit lenen Auslassungen etwa» näher zu beschäftigen, weil diese über die eigentlichen Absichten und Pläne der Römlinge Deutschland gegenüber keine» Augenblick zweifeln lasten. Da wird vor Allem zu behaupten versucht, daß in dem katho lischen Bayern unter seinem kräftigen Volke sich eine Be wegung gegen die „protestantische Usurpation" vorbereite, welche nicht allein den bayerischen, sondern sSmmtliche» deutschen Katholiken unerträglich sei. An» diesem Grunde dürfe man die Macht und Dauer de» „preußischen" Kaiser reiche» keinen Augenblick überschätzen. Dasselbe sei durchaus nicht so stark, al» e» den Anschein habe, ja gerade deshalb sei man m Berlin bemüht, den europäischen Frieden aufrecht zu erhalten; man wisse dort sehr wohl, daß in dem nächsten europäischen Eonflicte Preußen, trotz seiner Bündnisse, allein stehen werde. In solcher oder ähnlicher Weise äußern sich gegenwärtig di« nltramontanen Blätter» zumal da« in Wien erscheinende aristokratisch-reactionäre „Vaterland", welche» Bayern ge legentlich der Katholikenversammlung in Amberg geradezu aufsordert, in srinem Widerstande gegen die „Vergewaltigung" der katholischen Kirche zu beharren, aus deren Ausrottung der Protestantismus unausgesetzt sinne. „Schon seit längerer Zeit", heißt e» dann in dem genannten feudalen Blatte weiter, „richten die deutschen Katholiken ihr Blicke hoffnungs voll nach Bayern, wo gegen die „Berliner Diktatur" eine Bewegung im Zuge ist, welche, wie cS alle einsichtigen Politiker und Krnner der deutschen Verhältnisse vorauSgesehen, nicht auSbleiben konnte. Zwischen de» süddeutschen Katho liken und den nur auf materielle Macht pochenden nordische« Protestanten ist nun einmal ein geschichtlich-staatliche» Zu sammengehen unmöglich und deshalb könne von einem deutschen Nationalstaat« mit einer die Katholiken bedrohenden protestantischen Spitze nicht die Rede sein". — Nach der Ansicht der Ultramontanrn dieser Schlages wäre die deutsche Einheit nur ein rcvolutionaireS Scklngwort, dessen sich die preußischen SlaakSmänner im egoistischen Interesse bemächtigt hätten, wie die« au» Allem hervorgrhe, wa- seit 1870 m Deutschland geschehen sei. Auch wird in jenen dem neuen deutschen Kaiserreiche feind lichen Conventikrln mit sichtlichem Behagen auf den „großen Umschwung" hingewiese». welcher sich seit einiger Zeit im deutschen Parteiwesen zu Nngunsten der bisherigen „absolut maßgebenden Politik" vollzogen habe. Dieser Hinweis be zieht sich selbstverständlich aus die Haltung der sogenannten Deutschfreisinnigru und der Hoch konservativen, die ja unter gewissen Umständen im ultramontanen Lager al» willkommene Verbündete betrachtet werden. Freilich wird dabei die eigentliche Ursache diese» sonderbaren Bündnisse» verschwiegen, eine» Bündnisse», dem man bekanntlich nur deshalb geneigt ist. weil di« Centrumspartei allein nicht» aaSzurichtrn vermag. Mit einem Worte» au» allen Arußerungen, welche in den in- uud ausländischen nltramontanen Blättern über di« Katbolikenversammlung in Amberg versiegen, geht Aar hervor, daß dir Bedeutung derselben weit überschätzt »orden ist. Das erhellt auch aü» einem längeren Münchner Tele« stramm, welches das päpstliche „Journal de Rome" über jene Versammlung bringt. Da heißt es unter Anderem, die katho lisch« Bewegung in Deutschland habe in letzter Zeit so große Fortschritte gemacht und so viele bisher unentschiedene Elemente angezogen, daß man sich darüber in den Berliner Reaierungskrrisen einigermaßen beunruhigt fühlt. Nun habe diese Bewegung in einer „wabrhast großartigen Kundgebung" in der gut katholischen Stadt Arnberg ihren ÄuSbruck gefnnden. worüber die Feinde der katholischen Kirche nicht wenig verblüfft seien. Die Versammlung in Amberg habe vor Allein gegen die staatliche Vergewaltigung der katholische» Gewisse» Auflage 18,«««. Ädonlikmrntsprns oiertelj. 4'/, Mk. tncl. Bringerlohn ö Mk„ durch die Post berogen 0 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren sür Extrabeilage« (in Tageblatt-Format gefalzt) ohne Postbesürderung 39 Mk. Mit Postbesürdcrung 48 Mk. Inserate 6gespalteiw Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Prcis- verzeichniß. Tabellarischer u. Ziffernsatz nach HSHcrm Tarif. Urclamen nnter dem Uedactionsstrich die Spaltzcilc bO Ps. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung xraenumerancko oder durch P-sl- nachnahme. 78. Jahrgang. Geiste und Glauben feindselige-scr. - i tw Rome" ,L S°"L- gewirkt hätte». Man habe zw ^ ^ Altkatkioliken" sammlung in Amberg «inen sogen-„Cg ^ kläglich ge- üLSWKUHNU Ns""? ÄrumV->>-»nd R«bkM> die Demagogie überhaupt, daß. wenn die Macht fehlt, cS zur Taktik der BolkSbeglückcr gehört, cen Mund recht voll zu nehmen. Leipzig, 10. September 1884. * Die übermächtige parlamentarische Stelluna de« CentrumS. die längst allen BaterlandSfreunden. auch dem Reichskanzler, als eine der hauptsäLllchsten Nrsachen unsercr unerfreuliche,. inneren Zustände erscheint, kann n'. lein- andcre Weise wirksam rrschi.ttcrt w«den. als wenn d,e mittleren Parteien wieder zu größerer Kraft gelangen, al» wenn der gemäßigte Liberalismus wieder em stärkere« Gewicht in die Wagschale zu legen bat und auf der anderen Seite die conscrvativen Richtungen sich ihrer früheren besseren Traditionen wieder mehr bewußt werden und d,e Verblendung erkennen, die in dem Streben liegt, mit dem Ultramontanl-mnS zusammen eine nationale Politik treiben zu wollen. Durch da» Zusammenwirken und die gegenseitige Verständigung «ine« gemäßigten ConservatiSmuS mit einem gemäßigten Liberalismus find alle großen nationalen Errungenschaften in Reich und Staat zu Stande gekommen, und ei» anderer Weg zu ruhiger positiver politischer Arbeit ist >» Deutschland überhaupt nicht möglich. ES fehlt nicht an Anzeicken. daß wir un» diesem Ziele, welche« in einer besseren Vergangenheit bis zu einem ßevissen Grad erreicht schien, wieder nähern. Da» Centrum spürt bereit» deutlich den neuen Luftzug, der seine Stellung zu erschüttern und die künstlichen Berechnungen des Herrn Winvt Horst über den Hausen z» werfe» droht. Nicht ohne Grund hat er in Amberg wieder die Parole au-gegebeii, de» Nationalliberalen Krieg bis aufs Messer! Der kluge Politiker de» CentrumS weiß, daß die Herrlichkeit seiner ' Partei mit jedem Mandat zurückgeht, welckeS die gemäßigten Parteien gewinnen. Sein Wunsch ist ein starker oppositioneller doktrinärer Liberalismus, mit dem weder der Reichskanzler, noch sonst eine Regierung etwa- an zufangen weiß, weil er zu positivem Arbeiten unfähig ist und überall versagt, wo seine Hilfe zur Lösung praktischer politischer Ausgaben angerufen wird. Da» Erstarken de» extremen Liberalismus hat da- Centrum groß gemacht, da» Erstarken eines gemäßigten, nach Verständigung mit der Regierung und den konservativen Richtungen strebenden Liberalismus wird auch dem UltramontaniSniiiS wieder diejenige Stellung anweisen, die ihm allein i» unserem Staatswesen grbnbrt, wenn dasselbe gedeihen soll. Die kon servativ-klerikale Mehrheit war eine schlechthin rückschrittliche, in allen großen nationalen Fragen versagende, der Be festigung de« Reichs naturgemäß widerstrebende Mehrheit. Eine solche ist zu einzelnen rückschrittlichen Maßregeln zu brauchen, dauernd aber und in entscheidenden Fragen kann sich daraus die Reich-Politik nicht stützen. Wir brauchen eine entschieden nationale, für die großen Resormaufgaben der Zeit empfängliche Mehrheit; eine solche kann weder au» dem fortschrittlichen Doktrinarismus, noch au» dem reactionärr» antinationalen Centrum ihre Kräfte ziehen, sondern nur au» den gemäßigten Parteien von recht» und links. Eine nationale Reform Mehrheit muß da» Ziel sei», nach dem alle Freunde einer gesunden parlamentarischen Entwicklung streben; damit werden wir die wirkliche „Re aktion" am sichersten abwehren und unser nationale- Reich am besten befestigen und ausbauen. Daß diese Anschauung sich in den weitesten Kreisen Bahn zu brechen beginnt, erfüllt un» mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. * Die neuerdings officiö» bestätigte Meldung, daß Fürst BiSmarck demnächst wegen de» zu eröffnenden preußischen StaatSrathS nach Berlin kommen werde, war in amt liche» Kreisen schon seit einiger Zeit verbreitet. Dem Ver nehnwn na» sind die sieben Abtheilungen der Körperschaft bereit» gebildet. DaS Material, welche« dem StaatSrath vorrulegen beabsichtigt wird, ist nach allen Angaben recht umfangreich. Neben der Organisation ständiger Geiverbe- »ammcrn wird auch die im tz. 100 s. der Gewerbe-Ordnung niedergelegte LchrltngSfrage zur Berathung komme», so daß der logenannte Antrag Ackermann wohl erst nach dem Be- schlusse de« StaatSrath« im BundeSrathe zur Entscheidung kommen wird. Wie seiner Zeit mitgetbeilt wurde? sollen nach dem vom Kaiser genehmigten Regulative die BerathunaS- gegensiänd« für gewöhnlich nicht dem Plenum de» Staat«, rathe«, sondern einer enneren Versammlung zur Begutachtung vorgelegt werden. Dieser engere StaatSrath setzt sich ,u- sammen au» dem Präsidenten (Kronprinzen), säinmtlichen Mitgliedern de» StaalSministerium«, dem StaatSsecretair und eine, der siebm «btheilunaen. in welche entsprechend den Hauptzweigen de« Staatsdienstes die Körperschaft ringe,heilt st. Dazu treten dann noch vier au« den anderen Äblhei- 0-nge« vom Kaiser zede» Mal zu berusende Mitglieder hinzu ^ dem zu berathen- den Gegenstände verschieden zusammengesetzt sein. *.dlu« den CtatSberathungrn sür da« Reich stellt ans ^«"forderungen für da« Reichsheer ? sich erhöhen werden und zwar sowohl sür da» preußische, al« sächsische und württembergisch« Eontingent in verschiedenartigem Maßstabe. D.e Mebrforterunae» im halten sich allerdings, wie die „Bolsische Zeitung- bescheideneren Grenzen und dürsten i», Ganzen ca" überschreiten. Dagegen dürste sich der Etat für außerordentliche Ausgaben, der im laufende» I Rechnungsjahre 6,592,272 Mark, für Preußen 5,878,272, sür Sachsen 360,650 und sür Württemberg 353,35V Mark beträgt, nicht unbedeutend steigern. * Erfreulicher Weise hält die Besserung in dem Befinden de» erkrankten preußischen Finanzministcr« von Scholz an; dieselbe schreitet zwar nur langsam, aber dock stetig vorwärts. Der StaatSsecretair im NeichSamt des Inner», SlaalS- ministcr von Bötticher, ist am Sonntag Abend um f,'i, Nhr auS Varzin in Berlin cingetrofsen und nach wenigen Stunden, welche er den bei ihm versammelte» Theil- ncbmern an dem AbschicdSdincr, das zu Ehrim des Biee- präsidentcn Geh. Rath Magdeburg stattfand, widmen konnte, nach Naumburg abgercist, woselbst die Investitur LeS Herrn von Bötticher als Domherr stattfand. — Auch der vicepräsident des preußischen StaatöininisteriumS, Slaats- ministcr von Puttkamer, hat sich auch nach Naumburg begeben. * AuS dem Wahlkreis Wirfitz-Schubin in der Provinz Posen, wo bei der letzten NeichStagSwahl infolge der Uneinigkeit der deutschen Wähler der polnische Gras SkorzewSki gewählt worden war, theilt man mit, daß die deulschen Wähler diesmal geeinigt Vorgehen Iwolle», um den Wahlkreis für «ine der Mittclparteien zu gewinnen. Man hat deutscherseits zwei Candidaten i» Vorschlag ge bracht, von liberaler Seile den nationalliberalen Ritter- m»tSbesitzer Ramm-Charlottenburg und von konservativer Seite den freiconservativen Regierungs-Präsidenten v. Ticde- mann in Bromberg. Demnächst soll eine allgemeine deutsche Wählerversammlung in Nakel stattfinden, m welcher sich beide Candidaten präsentiren werden. Für welchen der Candidaten sich die Majorität der Wähler entscheidet, der soll als gemeinsamer ReichStagScandidat aller Deutschen des Wahlkreise« ausgestellt werden. ES ist gute Aussicht vor handen, daß der Krei» den Polen wieder entrissen wird. * Die Nachricht eine» deutschen Blatte», daß die von der aroßherzoalick badischen Negierung für den Bahn- Hof Basel beabsichtigten Cbolera-Maßnahmen in Voll zug gesetzt seien, resp. ansrecht bestehen, beruht nach directen Berner Nachrichten auf Jrrthum. Gemäß den der schweize rischen BundeSbehörde zugekommenen Mitthcilungen sind sür keinen einzigen Punct der deutsch-schweizerischen Grenze der artige Maßnahmen anaevrdnet worden. Auch ist bisjctzt seiten» der badischen Regierung in der Baseler Bahnhof»- angelegcnheit dem Berner BundeSrathe noch keine Reklama tion irgend welcher Art zugekommen. » * » * Die nächste parlamentarische Session in den Niederlanden, welche in vierzehn Tagen stattfinden wird, verspricht, wie dem „Standard" aus Haag teleqraphirt wird, von großem Interesse zu werden, da die Revision der Verfassung und die Herstellung de- Gleichgewichts im Budget zur Verhandlung gelangen werden. DaS Budget für 1884/85 weise rin Deficit von nahezu 15 Millionen Gulden auf. UeberdicS werde da» im Lande circulirende Papiergeld uni 5 Millionen vermehrt werden müssen. Die Session werde nickt vom König eröffnet werden, aber die Mitglieder deS CabinctS würden al» königliche Commissare auftrctcn. * Die sanitären Zustände deS Apenninen- KönigrcicheS stellen sich auch heute als wenig erquickliche dar. König Humbcrt hat sich aufs Neue nach dein Hauptseuchenherde» nach Neapel begeben, um durch seine Anwesenheit den moralischen Mulh der Bevölkerung zu stärken. DaS edle Beispiel selbstvergessener Aufopferung, welche» der König seinem Volke in schweren Tagen giebi, wird von dem intelligenteren Theile der Nation seiner vollen Tragweite nach gewürdigt, und selbst enragirte Republikaner leugnen nicht den mächtigen Eindruck, den das ebenso ritter liche wie inenschcnsreuiidliche Verhalten de» Königs aus die öffentliche Meinung hervorgebracht habe. * Wie verlautet, wird der französische Kammer- BudgetauSschuß früher zusammentretrn, als anfänglich beabsichtigt war. Der Plan, eine große Anleihe zu macken, um daS Deficit von 1884 und die übrigen außerordentlichen Ausgaben zu decken, sowie da« außerordentliche Budget, für da» man bisher durch die Ausgabe von dreiprocentiger tilg barer Rente auskam, abschaffen zu können, findet bei der Mehrheit LeS Au-schusseS Anklang. * lieber Gladstone'SRundreise schreibt ein deutscher Beobachter in der Berliner „Post": „Die agitatorische Rundreise de? Premier.Ministers durch Schottland würde ans dem Cmitiiicnt etwas Unmögliches sein oder rinstlmmtg verurtheilt werden. Auch in England wird sie alS bedenklich betrachtet. „Alle Blätter sind einig in der Anerkennung und Bewunderung über den großen rednerische» Erfolg, welchen der greise Premier- Minister bei seinem Anslrelen erzielt hat, über di« physische und geistige Energie, mit welcher derselbe drei Tage hinieremcinder i» Stunden langen Reden seine innere und äußere Politik von der besten Seile dargestellt hat; sic erkennen an, daß er seine Argumente In der glänzendsten, sür die Zuhörerschaft packendsten Weise grupp rc babe — allein über den Inhalt und Werih des Gesagten, über die Berechtigung der Art diese« Auftreten« werden doch auch ebenso vielt Bedenken offen und zwischen den Zeilen laut. „Am meisten frappirt den Ausländer, daß der höchste amtliche L«treter der Gewalt der Krone diese selbst uud die Person de« Souverän»» völlig als nicht vorhanden bei Seite setzt und sich in directen BerhaMuugen mit zusammenqelauscne» Bolksmassen und WLHIer-Bersammlunge» über die Gesch cke deS Lande- verständigt. „Rach den au jeder Eisenbahnstation wiederholten Anspruch » de- Premier- kommt eS nur daraus au. daß nur der Mob, der auf Ausdebiiung de» Wahlrechts begierige Arbeiter »nd Besitzlose, seine Schuldigkeit thiic, um die große Wahlresorm inö Lebe» zu rufe», lieber die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Maßregel, die isolirt von der Neuordnung der Wahlkreise gar nicht durchführbar ist und nur eine agitatorische Bedeutung hat, wird kein Wort ver- loren. ES wird einfach behauptet, die ganze Nation wolle sie und es sei der gegeulheilige» Behauptung der Conservativen tni Ober haus« uud ,m Hause der Gemeinen keine Argumentation, sondern Lachen entue^nzusetzen. „Der Peemter tritt hier als nackter Demagoge auf, welcher den Jnstineten der Masse in bequemer Weise schmeichelt, die übrigen F«etoren der Gesetzgebung bei Seite schiebt und den süßen Pöbcl zur Entscheidung über die Geschicke des Lande- anrust. „Der Radikale Boldwin Emiih macht in einem geistreichen Artikel der „Eoniemporary Review" auf die Bedenken aufmerksam, welche e« Hai, in der Weise Politik zu machen, daß man durch Siraßkndemonstraiionen die wirklichen oder vermeintlichen Bor- iiriheile der Tonservaliven zu bändigen suche. Eine Institution wie dis Hau» der Lords zur kUnasmezc (Nicht» thun können) z» ver- ur,yet.en, sei eine Vern-chtung der Beraniwortlichkeit desselben und eine Anreizung zur Revolution.
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