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Erscheint jeden Wochentag Abends '/,7 Mir für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich I M. 50 Pf. und einmonatlich 75 Pf. MkWrWyeiaer ) und TagMatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg nnd Brand. VeraÄwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. > ' > 38. Jnhraaua. ' ' > > > . - - . ... - s Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom- Sonntag, den 14. Juni, jundb°M^Pr«s^^ IMS. Die Woche. Seit der Reichskanzler seine Badekur in Kissingen be gonnen hat, scheint für die deutsche Politik eine Ruhe pause eingetreten zu sein. Der Stillstand ist jedoch nur ein scheinbarer, denn das auswärtige Amt, welches in der Zanzibar-Angelegenheit und bei dem Schutz der Nordsee fischerei England gegenüber einen sehr entschiedenen Ton angenommen hat, sieht sich gezwungen, dem sich auf der britischen Insel vorbereitenden Systemwechsel die gespann teste Aufmerksamkeit zu schenken. Der deutsche Bundesrath arbeitet ebenfalls unablässig weiter und hat gerade in den letzten Tagen wichtigen Fragen wie der Doppelwährung gegenüber Stellung genommen. Ferner beschäftigt sich diese Körper schaft eifrig mit der Auffindung einer glücklichen Lösung für die braunschweigische Erbfolge, bei der Preußen weder die Legitimitätsbegriffe der einzelnen Bundesfürsten ver letzen, noch den nationalen Einheitsdrang eindämmen möchte. Ebenso eifrig bemüht sich das Reichsschatzamt, den Ab schluß des Etatsjahres 1884/85 fertig zu stellen. Derselbe soll sich insofern überraschend günstig gestalten, als der Fehlbetrag weit geringer ist, als erwartet wurde. Auf Perminderung der Matrikularbeiträge oder Stillstand der Zollgesetzgebung ist deshalb doch nicht zu rechnen, da die Absicht, das deutsche Heer entsprechend dem Zuwachs der Bevölkerung ansehnlich zu vermehren, ohne bedeutende Geld mittel unausführbar ist. Im nächsten deutschen Reichstage dürfte bei der Feststellung der Heeresstärke auf abermals sieben Jahre die in Aussicht stehende Erhöhung der Aus gaben für das Heer einen der wichtigsten Verhandlungs gegenstände bilden. Die Nolhwendigkeit, gegen den Sultan von Zanzibar energisch vorzugehen, wird von der deutschen Reichsregic- rung peinlich empfunden, nicht etwa weil damit besondere Schwierigkeiten verbunden sind, sondern weil der davon mit- detroffene deutsche Handel in Zanzibar werthvvller erscheint als die von dem Sultan angeblich verletzten Gebiete der ostafrikanischen Kvlonialgescllschast und das Stückchen Küsten land des unter deutschem Schutz stehenden Häuptlings von Witu. Dabei legt man in England der Sache eine so große Bedeutung bei, daß die liberale „Pall-Mall-Gazette" ihren Gesinnungsgenossen einschärst, für den Fall eines konservativen Mmisterkabinets in der Zanzibar-Frage fest zur Regierung zu stehen. Auch der jetzt von deut schen Kriegsdampfern der deutschen Nordseefischerei ge währte Schutz gegen die Räubereien englischer Fischerboote wirkt in London sehr verstimmend. Der deutsche Aviso dampfer „Pommerania"j fing bereits zwei englische Kutter „Scheine" und „Pel" bei verbotener Fischerei ab und schleppte sie nach Wilhelmshaven, wo den Kapitänen der Prozeß gemacht wird. Alles dies ist zunächst wenig geeignet, das gespannte Verhältniß zwischen Deutschland und Eng land zu verbessern, doch steht zu hoffen, daß wenn Lord Salisbury, der unter Beaconsfield auf dem Berliner Kon greß sich sehr freundlich zu Deutschland stellte, die Leitung des englischen auswärtigen Amtes übernimmt, sich ein Aus gleich ermöglichen lassen wird. Die in der verflossenen Woche vollzogenen öster reichischen Reichsrathswahlen erfüllten die hochfliegenden Erwartungen nicht, welche vorher dre slavisch-klerikale Re gierungsmehrheit hegte. Ein Gewinn von etwa fünfzehn Mandaten und die größere Zersplitterung der deutschliberalen Opposition kann um so weniger als ein glänzendes Resul tat angesehen werden, als die auch auf der rechten Seite in Aussicht stehende mannigfache Klubbildung keine be sondere Einigkeit verspricht. Die besonders m Böhmen zahlreich durchgedrungenen deutjchnationalen Männer der schärferen Tonart werden im Reichstag nicht wie bei den Wahlen den Deutjchliberalen entgegenstehen, sondern sich denselben als äußerster linker Flügel anschließen. Sehr viel wird künftig davon abhängen, wie sich die jetzt in Kraft tretende neue Arbeiterordnung in der Praxis bewährt und ob der Normalarbeilstag und die strengere Sonntagsruhe die arbeitende Bevölkerung zur Dankbarkeit gegen das jetzt in Oesterreich herrschende System veranlaßt. Bei der Berathung des Arbeiterunfallgesetzes in der italienischen Kammer zeigte die winzige Mehrheit von drei Stimmen, mit welcher der erste Artikel angenommen wurde, auf wie schwankenden Füßen das jetzige Kabinet steht. Für den Minister des Auswärtigen, Mancini, dessen Kolonialpolitik sich bisher so kläglich gestaltete, ist der Rück tritt des englischen liberalen Kabinets ein herber Schlag von unberechenbarer Tragweite. Dabei nimmt die Körper schwäche des leitenden italienischen Staatsmannes Depretis täglich in besorgnißerregender Weise zu und macht es dem greisen Ministerpräsidenten unmöglich, seine Kollegen in wirksamer Weise gegen die Angriffe der Kammeropposition zu Vertheidigen. Die von den Organen Mancini's ver breitete Nachricht, daß der italienische Sendling Ferrari den König von Abhssinien zu Gunsten Italiens umgcstimmt habe und daß bereits ein Zusammenwirken des abyssinischen Feld herrn Rasalula mit der von dem Oberst Saletta befehligten italienischen Expedition gegen die Anhänger des Mahdi stattfinde, stößt auf entschiedenen Unglauben. Ein langgehegter Wunsch der belgischen Klerikalen, die Wiedereinführung eines päpstlichen Nuntius in Brüssel, ist endlich in Erfüllung gegangm. Monsignore Ferrata ist von dem König Leopold II. in Audienz empfangen und dann von sämmtlichen belgischen Ministern besucht worden. Bei der jetzigen Sachlage wird es demselben leicht werden, sich zum Mittelpunkt der ganzen klerikalen Bewegung zu machen und auf das ganze Regierungssystem einen ent scheidenden Einfluß auszuüben. Die Stimmung in Brüssel und anderen großen belgischen Städten ist aber eine dem klerikalen Kabinet so feindselige, daß sich an eine lange Am- tirung desselben kaum glauben läßt. Auf die Franzosen hat die freudige Botschaft, daß am Montag Nachmittag in Tientsin der französisch-chinesische Friedensvertrag unterzeichnet worden, deshalb keinen be sonderen Eindruck gemacht, weil man längst nicht mehr an einem friedlichen Ausgang zweifelte. Nachdem ein Theil der französischen Truppen aus dem Tonkingebiet in die Heimath zurückgckehrt sein wird, will die französische Re gierung den Kampf mit Madagaskar energischer aufnehmen. Nach einer Aeußerunq des Ministers Brisson erwartet der selbe dazu die volle Zustimmung der nächsten Deputirten- kammer, die nach dem neuen System des Listenskrutiniums gewählt wird. — Die Pariser Journale veröffentlichen das Gesetz über das Listenskrutinium und das Tableau der An zahl der Deputirten, welche jedes Departement zu wählen hat. Im Ganzen wird es 584 Deputirte geben. Paris wählt 38, das Nord-Departement 20, Pas de Calais und die Seine-Jnforieure je 12 Deputirte u. s. w. Die algeri schen Departements wählen je 2 und die sieben Kolonien 1 bis 2 Abgeordnete. — In Tunis hat es einen Konflikt zwischen Italienern und Franzosen gegeben, indem die Be hörden einen Italiener, der einen französischen Offizier im Theater beleidigt hatte, nur zu mehrtägiger Haft verur- theiltcn, worauf General Boulanger für künftige ähnliche Fälle seinen Offizieren Selbsthilfe zur Pflicht machte. Ob gleich dieser Konflikt keine ernsten Folgen zu haben scheint, beweist er doch, mit welcher Eifersucht Franzosen und Italiener einander im nördlichen Afrika noch immer gegen überstehen. Da das Auftreten der asiatischen Cholera in Spanien nicht länger geleugnet werden kann, geschieht alles Mögliche, nm den Charakter der Epidemie als recht ungefährlich dar zustellen. Von Valencia aus wurde die verheerende Krank heit nach Madrid verschleppt, wo sich die Behörden nach mehreren Choleratodesfällcn endlich zu energischem Handeln aufrafften. Hoffentlich breitet sich die Epidemie nicht weiter aus und wird überall den spanischen Provenienzen gegen über die größte Vorsicht geübt. Durch die zufällige Abwesenheit zahlreicher liberaler Parla mentsmitglieder hat das liberale englische Ministerium am Montag im Unterhause eine überraschende Niederlage erlitten, welche es zur Einreichung seines Entlassungsgesuches zwang. Daß der gegen die Einnahme-Budget-Bill des Schatzkanzlers Childers gerichtete Antrag des konservativen Deputirten Beach nach Bekämpfung durch den Minister Gladstone eine Mehrheit finden konnte, erklärt sich auch durch den Unmuth der Parnelliten, welche dem Premierminister wegen seiner Absicht grollten, das Verbrechenverhütungsgesetz in Irland aufrecht zu erhalten, und durch die Verstimmung vieler liberaler Deputirten über die Vorgänge an der Afghanen grenze. Diese Vorgänge sind von dem Augenzeugen Sir Peter Lumsden in einer Weise dargestellt worden, die Gladstone unendlich in der öffentlichen Meinung schadeten. Daß der General am letzten Sonntag bei seiner Ankunft in Charing Croß von einer großen Menschenmenge ent husiastisch begrüßt wurde, bekundete nach den letzten Kund gebungen des Genannten schon keine dem Kabinet günstige Stimmung unter den Massen. Das Entlassungsgesuch des liberalen Kabinets wurde von der Königin genehmigt, welche ihre weiteren Entscheidungen Salisbury persönlich in Bal moral mittheilen will. In Rußland hält man die Ausgleichsverhandlungen mit England für zu weit vorgeschritten, als daß ein Kabinet Northcote-Salisbury daran noch etwas ändern könnte, doch fehlt es in Petersburg nicht an einflußreichen Politikern, denen ein Abbruch der Verhandlungen recht gelegen käme. In Petersburg ist das Gerücht von dem bevorstehenden Besuch des österreichischen Kronprinzenpaares verbreitet. Im Laufe des Sommers erwartet man dort auch das Ein treffen einer abyssinischen Gesandtschaft, die vorher in Athen vorsprechen wird. Der Zweck derselben soll vornehmlich der sein, die Glaubenseinheit der abyssinischen Kirche mit den Orthodoxen weiterzuentwickeln. Hiernach wird auch russischerseits eine Gesandtschaft mit Geschenken nach Abyssinien entsendet werden. Die letzte egyptische Garnison im Sudan, welche Kassala fast ein und ein halb Jahre hindurch gegen die Truppen des Mahdi vertheidigte, hat sich nun auch ergeben müssen. Kassala, die Hauptstadt der an Abyssinien grenzen den Provinz Taka, zählt 8000 Einwohner und ist mit einer durch flankirende Thürme gekrönten Ziegelsteinmauer uingcben. Die Festung, welche erst nach der Annexion der Provinz Taka im Jahre 1845 durch die Egypter erbaut wurde, galt bei den Arabern für uneinnehmbar. Da man die Entfernung zwischen Kassala und Suakim auf Kameelen in 16 Tagen zurücklegen kann, ist die Gefahr für den letz teren Platz erheblich gewachsen. Tagesschau. Freiberg, den 13. Juni. Der deutsche Kaiser ist von seiner Krankheit bereits wieder so weit genesen, daß er vorgestern Abend wieder die Oper besuchen konnte. Die Besichtigung der Garde-Kavallerie regimenter mußte jedoch gestern dem deutschen Kronprinzen überlasten bleiben. Das Regiment Gardes du Corps hatte früh 7 Uhr auf dem Bornstedter Felde bei Potsdam Auf stellung genommen und exerzierte vor dem um 8 Uhr von dem neuen Palais aus eingetroffenen deutschen Kronprinzen mit einem Parademarsch in Zügen. Ein Gefecht gegen einen supponirten Feind bildete den Schluß, worauf der Kronprinz sich zum Garde-Husarenregiment begab, welches inzwischen Paradeaufstellung genommen hatte. — Die Vermählung des Enkels unseres Kaisers, des Erbgroßherzog von Baden mit der Prinzessin Hilda von Nassau wurde auf den 20. September festgesetzt. Die deutsche Kreuzerkorvette „Elisabeth", Kapitän Schering, ist vor Zanzibar eingetroffen, doch steht eine unmittelbare militärische Aktion mit Rücksicht auf die in Zanzibar vor handenen deutschen Handelsinteressen zunächst noch nicht zu erwarten. — Der deutsche Kolonialverein in Berlin beschloß die unverweilte Errichtung von Stationen in dem westafri- kanische» oberen Benuegebiet und ist zu den von den Afrika reisenden Flegel auf 150 000 M. veranschlagten Kosten ein Theil bereits durch Zeichnungen gedeckt. Das Unternehmen ist deshalb so wichtig, weil durch dasselbe ein für Kamerun werthvolles fruchtbares Hinterland erschlossen wird. Da die Artikel 26 bis 32 der Generalakte die freie Schifffahrt auf dem Niger und seinen Zuflüssen garantiren und England selbst jene werthvollen Wasserstraßen in das Innere unter seinen Schütz nehmen muß, so werden die nahen englischen Er werbungen mit Recht als eine Konsolidirung der Verhältnisse am Niger und unteren Benue angesehen, die der deutschen Kolonisationsarbeit die Konzentrirung nach Osten ohne jede Schädigung ermöglicht. Da das Flegel'sche Unternehmen nicht aus direkte wirthschaftliche Vortheile der einzelnen Betheiligten gerichtet ist, sondern die im oberen Benuegebiet anzulegenden Stationen als Basis und Sicherung für eine nachfolgende wirthschaftliche, dauernde Besitzergreifung dienen und jedem späteren kolonisatorischen Unternehmen Deutscher zu Gute kommen sollen, so ist das in Angriff genommene Werk der Unterstützung eines jeden nationalgesinnten Deutschen Werth. Zu dem am Montag in Berlin beginnenden deutschen Jnnungstage sind über 500 Delegirte angemeldet. Selbst der allgemeine Handwerkerbund in Köln, der sich bisher abseits hielt, wird durch seinen Generalsekretär vertreten sein; der bairische Handwerkerbund entsendet seinen Präsidenten. Die Jnnungsverbände und der Berliner Jnnungsausschuß repräscntiren allein 90000 Mitglieder. Das Reichsamt des