Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020509023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902050902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902050902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-05
- Tag 1902-05-09
-
Monat
1902-05
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
cn l's 'ri lle 't- er uf )ec. !pt. ow ern ehl >ice 30. e L mer 12. 12. 63. SO. 35, im in iS en I- -c er ni Heu ng» 3er. er de« hme md« mra lmg ,OS, uar ,50, ,10, -en tzea zL n- !gc icl n- 00. ort pen 95, igS ot, ic- en. lis at »- w en en en >n S, ): en en t- L- >o <!' er 0. !r iS n Bezugs-Preis N h« Hauptexpedttion oder den im Gtadb- dezlrk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich ü, für di« übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. Ae-aclion und Expedition: Jvhannisgaffe 8. Fernsprecher 1S3 und 222. Filiatevpeditione»: Alfred Hahn, Buchhandlg., UnivrrsitätSstr.S, 8. Lösche, Kathattnenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. -s»i» - Haupt-Filiale Serlin: Küniggrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Abend-Ausgabe. WpMtrTllgcblatt Anzeiger. Ämtslisati des Königkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Aintes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 73 vor den Familiennach richten («gespalten) 60 H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfcrtenannahme 25 H (excl. Porto). El»'»- - Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung X 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr, Anzeigen sind stets an die Spedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochea geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Nr. 233. Freitag den 9. Mai 1902. 96. Jahrgang. Amtlicher Theil. bat sich unsere Bekanntmachung vom 7. ds. Mts. — vSsrrvtfzz Ar, I. B, 112g — das vermißte Schulmädchen Minna Frieda Munkelt betreffend. Leipzig, am 9. Mat 1902. Das Palizeiamt der Stadt Leiprig. Ar.I.B. 1126. Brrtschnetder. 1)r. Aincke. Versteigerung. Sonnabend, den 10. Mai >902, Vormittags 10 Uhr sollen im VersteigerungSraume des Kgl. Amtsgerichts hier 1 Faß Weißwein, 20 Flaschen Roth«, 20 Flaschen Weißwein, 2 Fahrräder, I Rüstwagru, 1 Rollwagen, 2 Pianinos, 1 Zither, 1 Geige, 1 Näh. maichine, 3 Regale, sowie 1 Partie besserer Möbel u. a. G. m. meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, am 8. Mai 1902. Der Gerichtsvollzieher des Agl. Amtsgerichts hier. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. Mai. Der Tod deü CentrumSfübrerS vr. Lieber bat die Folge gehabt, die wir voraussaben: zwischen dem ikentrum und ven Polen ist es zu einer Versöhnung gekommen, die den Kampfes- muth der Polen neu belebt. Die letzten SitzungStage der beiden Häuser des preußischen Landtags beweisen, wie sehr den Polen seit Lieber'« Tode der Muth gewachsen ist. Fürst Radziwill verlangte am Dienstag im Herrenhause nichts weniger als die Polonisirung der Volksschulen im Osten des preußischen Staates und die Pflege der polnischen Cultur auf Kosten deS DeutschtbumS. Und im Abgeordneten haus« waren die von den polnischen Rednern auf gestellten, vom Centrum unterstützten Forderungen nicht geringer. Solchem Auftreten gegenüber blieb der Regierung nichts Anderes übrig, als die Erklärung, daß sie ihrer seits mit »och größerer Entschiedenheit als früher der polnischen Agitation entgegentreten müsse. Minister Frei herr v. Hammerstein theilte mit, daß das Oberver- waltungSgericht noch einmal zur Entscheidung der Frage berufen worden sei, ob in rein deutschen Gegenden von Personen, welche sämmtlich deutsch sprechen, Verhandlungen in fremder Sprache abgehalten werden dürfen, ohne daß die Auflösung ausgesprochen werde, und fügte hinzu, daß es von dem Ausfall der Entscheidung abbängen werde, ob der Weg der Gesetzgebung zu beschreiten sei, um zu bestimmen, ob in öffentlichen Versammlungen Verhandlungen in deutschen Landen in nichtdeutscher Sprache geführt werden dürfen. Bemerkt sei übrigens, daß dem Fürsten Radziwill, der dieser Tage lebhaft die Behauptung bestritt, daß katholische Geistliche im Dienste der polnischen Propaganda ständen, von verschiedenen Seiten Beweise für diese Behauptung ent gegen gehalten werden. So citirt die „Tägl. Rndsch." aus Nr. 50 der .Gazeta GrudzionSka" folgende „fröhliche Neuigkeit*: „Wir haben al» Mitarbeiter für Eure Zeitung einige ehr würdige Geistliche gewonnen, die einer Gemeinschaft angehören, welche wegen ihrer großen Sorge um das Wohl unserer hl. römisch- katholischen Kirche berühmt ist. Bon ihnen erhalten und werden wir erhalten Rathschlägr und Weisungen und Artikel, die sich auf kirchliche und religiöse Angelegenheiten beziehen. Ihr seht also wiederum, Brüder und Glaubensgenossen, daß wir unausgesetzt mit allen Kräften bemüht bleiben, Eure Zeitung immer wirksamer für das Wohl Eurer Familien, Eurer unsterblichen Seelen, für das Wohl der ganzen polnischen Nation und zum Nutzen für unsere hl. katholische Kirche arbeiten zu lassen." Und aus der vorhergegangenen Nummer desselben Blattes die folgende Stelle, aus der deutlich hervorgeht, in welchem Sinne die „ehrwürdigen Geistlichen" für das Wohl der „ganzen polnischen Nation" wirken sollen: „Ueber 120 Jahre sind verflossen, seit man unser geliebtes Pol nisches Vaterland in drei Stücke gerissen hat und seit ein Theil des polnischen Volkes unter preußische Herrschaft gelangt ist. Diese 120 Jahre hindurch waren und sind die Preußen bestrebt, uns Polen den heiligen Glauben und unsere liebe polnische Sprache zu nehmen. Diese Arbeit, die darauf abzielt, uns zu protestantisiren, zu ver deutschen und zu verpreußen, ist besonders in den letzien Jahrzehnten ungeheuer fieberhaft geworden, weil die preußischen Polensresjer die polnische Nationalität durchaus zu Grunde richten wollen und es verstanden haben, die preußische Regierung zum Erlaß der ver schiedensten Gesetze zur Ausrottung der polnischen Nationalität zu bereden." Angesichts solcher Zeugnisse, die jedenfalls gerade von der Regierung noch vermehrt werden können, erwächst dieser die ernste Pflicht, es nicht bei energischen Reden im Landtage und eventueller gesetzlicher Lösung der Sprachcnfrage be wenden zu lassen, sondern mit allen ihr zu Gebote stehenden und nöthigenfalls zu verschärfenden Mitteln gegen jene geist lichen Schürer der Propaganda vorzugehcn, die weil mehr als die weltlichen Agitatoren den Traum nähren, es könne ein zweites Polen mitten in Deutschland aufgerichlet werden. Bei dem Einflüsse des Cenlrums ist freilich die Besorgniß nur zu begründet, daß die Negierung gerade da Halt mache, wo der Hauplsitz der Gefahr ist. Der internationale Bergarbeitercongretz wird am Pfingst montag im Gewcrkschastöhause in Düsseldorf eröffnet. Der Hauptgegenstauv der Berathung wird der Achtstundentag inclusive Em- und Ausfahrt bilden; die englischen, dm. fran zösischen und die belgischen Delegirten haben einen dahin zielenden Antrag eingebracht, dessen Annabme zweifellos ist. Die Franzosen haben feiner die Nationalisirung (Verstaat lichung) der Gruben beantragt; obgleich aber die Stimmung für diese Maßregel im Wachsen begriffen ist, wird der An trag doch schwerlich angenommen werden. Die deutschen Delegirten sind mit zwei größeren Anträgen erschienen; der eine bezweckt die Errichtung eines internationalen Bergarbeitersekretariats mit dem Sitz in Brüssel, der andere verlangt, daßbeiWahlen zu gesetzgebenden und Ver waltungs-Körperschaften die Bergarbeiter nur für solche Can- didaten stimmen sollen, die sich verpflichten, den Forderungen der Bergarbeiter gesetzliche Anerkennung zu verschaffen. Die Franzosen und die Engländer beantragen die Festsetzung von Minimallöhnen, die Franzosen allein eine Vereinbarung der Nationen über die Haltung bei ansprechenden Streiks, überhaupt eine festere internationale O rgani sation. Das Programm ist also nach jeder Richtung sehr reichhaltig und dieEntscheidungen inDüsselrorfkönnen von nichtunerheblichcr Bedeutung werden, denn daß gerade in den Bergarbeiterkreisen überall rege Streitlust herrscht, unterliegt keinem Zweifel. Eduard Bernstein hat sich bereit erklärt, auf dem deutschen Eon- greß der Bergleute in Essen, der dem internationalen voran geht, als Uebersetzer milzuwirkcn, denn auch in Essen werden fremde Delegirte anwesend sein. Jedenfalls werden der nationale Bergarbeiter-Congreß in Essen und der inter nationale in Düffeldorf die Bergarbeiterbewegung wieder in lebbaften Fluß bringen. Daß eö zu einem größeren -streik kommen werde, ist allerdings bei dem Mangel an zureichenden Mitteln nicht zu besorgen, aber auch vereinzelte kleinere Aus stände und Unruhen würden lebhaft zu beklagen sein. Darüber, wie in Frankreich Vaterlandsliebe gelehrt wird, schreibt man der „Voss. Ztg." aus Paris: In den französischen Volksschulen, die bekanntlich konfessionslos sind, wird statt der Religion „Sitten- und Staatsbürgerpflichtenlehre" vorgetragen. Es seien hier aus den verbreitetsten Lehrbüchern dieses Fachs einige Auszüge mitgetyeilt. Das „Lehrbuch der Sittlichkeit zum Gebrauche -er Schüler" von -em ehemaligen Minister präsidenten CH. Dupuy ist in Form eines Katechismus abgefaßt. Es heißt dort Seite 11: „Frage: Was mußt du thun, wenn die Dreifarbenfahne vorbeizieht? Ant wort: Wenn die Dreifarbenfahne vorbeizieht, so muß ich Spiel oder Arbeit unterbrechen, sie mit Andacht betrachten und verehrungsvoll grüßen. Hut ab, es ist das Vaterland, das vvrbeizieht." Im „Handbuch der Vvlkserziehung" von Charbonneau liest man 2. 204: „Frankreich ist das schönste Land der Welt. Die Franzosen sind allen anderen Menschen an Geist, Verstand und Gemüth überlegen. Frankreich ist ein heldenmüthiges und selbstloses Volk, der natürliche Vorkämpfer des Wahren, Schönen und Guten, dessen unbesiegbares Heer alle Tugenden versinnlicht." In dem Lehrbuch des verstorbenen Professors und Kammervorsitzendcn Burdeau, gleichfalls in Fragen und Antworten, kommt diese Stelle vor: „Frage: Können wir die Deutschen lieben? Antwort: Die Frankreich ver wundet haben, die die Franzosen von Elsaß-Lothringen unterdrücken, die sollten wir lieben? Daran ist nicht zu denken." Demselben Zweck wie diese Lehrbücher dienen auch einige Licdersammlungen, unter denen die des Ge- schichtsprofeffors E. Lavissa „Du sorag solckat" eine der gebräuchlichsten ist. In einem „Kricgslied" dieser Samm lung heißt es nach anderen, nicht minder vergnügten Strophen: .,0n va lour percer I- ü-uw, rautanplan, tirelire, Ou ra leur poreer 1s tig.no, >'ous allons Are!" „Man wird sie in die Flanke stechen, tralallera, tralallerilara, man wird sie in die Flanke stechen, da wird's was zu lachen geben!" Das sind die Gefühle und Anschauungen, die man Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren beibringt. Die gouvernementalcn rumänischen Blätter haben, wie uns aus Bukarest, 6. Mai, geschrieben wird, mit ihrer Be hauptung, daß es keine Judenauswanderung in Rumänien gäbe, wenig Glück. Die Thatsachen reden eine zu beredte Sprache und laffen sich durch kein Dementi aus der Welt schassen. Nachdem schon in den letzten Wochen größere Trupps jüdischer Auswanderer außer Landes ge gangen sind, haben vorgestern 100 und gestern300Juden die rumänische Hauptstadt verlassen, um nach Amerika auszu wandern: ihnen schlossen sich in Ploesti 400 weitere jüdischer Emigranten an. Aus Braila haben gestern 22, aus Vaslui und Botoschani 00 und aus Jassy 23 jüdische Familien die Reise nach Amerika angetreten, denen in den nächsten Tagen noch weitere folgen werden. Es handelt sich hierbei fast ausschließlich um jüdische Handwerker, die hier im Lande geboren, also nicht erst cingewandert sind, wie von verschiedenen Seiten behauptet wird. Eine Ein ¬ wanderung von Juden findet überhaupt nicht statt, dazu sind die Zustände für sie hier nicht verlockend genug, am wenigstens aber aus Rußland, worauf verschiedentlich als Stammland der unzufriedenen Juden in Rumänien ver wiesen wird. Denn ebensowenig, wie Rußland Juden aufnimmt, läßt es auch einen heraus. Die jüdische Emi gration, welche von der Gesellschaft „Jca" geleitet wird, die auch darüber wacht, daß die Auswanderer nicht mittellos in ihrer neuen Heimath ankommen, dürfte noch eine weitere Ausdehnung nehmen. Ueber die Wirkung des englisch-japanischen Abkommens aus Korea wir- uns aus Söul, Anfang März, mitgetheilt: Unter dem 10. Februar hat der hiesige Souverän einen Erlaß publicirt, der den Beamten des Reiches von den Ministern und Mitgliedern des Staatsraths bis herab zu den Magistraten und Steuereinnehmern Vernachlässigung ihrer Pflichten zum Vorwurf macht und bessere Amts führung für die Zukunft anbefiehlt. Insbesondere wird die Erhebung ungesetzlicher Steuern getadelt und ver boten und dafür die gewissenhafte Beitreibung der ord nungsmäßigen Gefälle zur Pflicht gemacht, wobei nament lich die Steuern von den königlichen Domänen und die Seefischereiabgaben erwähnt werden. Ferner wird an geordnet, daß das Cabinet von nun an täglich Sitzungen halten, alle wichtigen Gegenstände berathen und dem König vortragcn soll. Der Erlab ist unverkenn bar eine Folge der durch das cnglisch-japauische Abkommen beim Hofe geweckten Besorgnisse und soll Vor- würfen und Einmischungen Vorbeugen. Daß von derartigen Anordnungen oder mehr oder weniger ausgedehnten Personaländerungen eine wirkliche Besse rung der koreanischen Vcrwaltungszustände zu erwarten sei, wird Niemand annehmen. Selbst wenn der König eine Reform ernstlich anstrebcn sollte, würde cs ihm an der genügenden Zahl ehrlicher und zuverlässiger Beamten zur Durchführung fehlen. Bcachtenswerth ist, daß der Erlaß trotz der durch das Abkommen geschaffenen Situation eine versteckte Spitze gegen Japan in der besonderen Erwähnung der an sich nicht sehr bedeuten den Scefischcrciabgaben enthält. Die Fischerei wird an den Küsten von fünf der acht Provinzen des Reiches haupt sächlich von Japanern betrieben, und die koreanische Negie rung geht schon seit einiger Zeit damit um, Maßregeln zur schärferen Controle der Fischerboote zu treffen, welche nach dem koreanisch-japanischen Fischerei-Regulativ vom 12. November 1889 eine jährliche Licenzgebühr zu zahlen haben. Deutsches Reich. * Berlin, 8. Mai. (Deutschland und Venezuela.) Von der recht energisch eingeleiteten Action gegen Venezuela ist es bekanntlich ausfallend still geworden, und auch die ab und zu austauchenden officiösen Noten sagten schließlich weiter nichts, als waS man so schon wußte, daß nämlich die Initiative völlig abgeflaut war und man sich aufs Warten verlegt hatte. Ob diese Periode nun wirklich ihrem Ende entgegengeht oder ob nur ein neuer „Vorschlag zur Güte" (des verehrst PnblicumS nämlich) vorliegt, das geht auch aus einer im Folgenden abgedruckten Auslassung der „Post" nicht hervor; bei recht andächtigem Lesen deS Schlußsatzes freilich kann man ja ruhig „das Beste hoffen". Die „Post" schreibt: In letzter Zeit haben sich unsere Zeitungen wieder viel mit unserem Verhältnisse zu Venezuela beschäftigt und namentlich den Anlaß für die Zurückziehung der deutschen Kriegsschiffe von der Feuilleton Der Militiircurat. Roman von Arthur Achleitner. »iawtruik kerdoten Ein Gedanke war besonders fatal: Nächste Woche rückt das Regiment ins Manövergeländc ab und Sternburg muß mit. Trifft unterdessen ein Brieflein ein, so erreicht es den Adressaten zu spät, eine Verständigung der wartenden Marchesa ist unmöglich, Sternburg wird in den Augen der Dame als ein Barbar erscheinen müssen, und gegen alle die Erwägungen und Eventualitäten ist der Officier machtlos, kann das Eine wie das Andere nicht ändern. Wegen eines vagen Abenteuers aber -en Dienst quitttren oder L la ouit« sich stellen laffen: ist die winzige Beziehung zum geheimnißvollen Wasserschloß dieses Opfer werth? Und was wird Papa sagen? Soll man der Marchesa in höflichster Form den Verzicht auf wettere Be ziehungen übermitteln? Was würde die vornehme Dame über solches Vorgehen denken? Kann und darf man ihr überhaupt schreiben? Sternburg fuhr mit beiden Händen durch sein üppiges Haupthaar und stöhnte unter -er Wucht fataler Gedanken. „Ein so nett begonnenes, harmloses Abenteuer und nun solche Lonsequenzen!" murmelte er und wünschte sich und die Marchesa sammt dem Märchenschloß in einem Anfall übelster Laune ins Pfefferland. Ein diScreteS Klopfen an der Thür schreckteSternburg auf und veranlaßte ihn, die der Bequemlichkeit halber geöffnete Hausblouse stramm zu« zuziehen. „Herein!" Der zierliche Kopf einer allerliebsten Italienerin ward im Lhürspalt sichtbar, und ein Stlbersttmmchcn fragte, ob der Herr Baron von Sternburg zu sprechen ^ei. Wie Sternbura da in die Höhe fuhr! Alles an Vor sätzen und Zweifeln ist wie weggeblasen und süßeste Hoff nung schwellt das junge Herz. Possirltch schelmisch trat da» putzige Geschöpf ein, drückte die Thür in» Schloß und lachte dem Offtcier munter ins Gesicht. „Donnerwetter, wie hübsch! Aber bist Du nicht — „8i, 8i, S!»norl Aber sind wir auch unbelauscht?" ^Kommen Sie von La Rocca?" ^Die kleine Zofe legte den Finger auf den rosigen „Nanu? Sprechen Sie! Wann und wo werde ich die Frau Marchesa Wiedersehen?" „In einer Stunde bei der Oliveta von Raffo wird die Frau Marchesa den Herrn Baron erwarten." „Wie? Was? In einer Stunde bei Rasso? Die Barchctta braucht doch fast zwei Stunden bei gutem Wind! Wie soll ich in einer Stunde nach Rasso gelangen?" „kor oavallo! Die Frau Marchesa werden auch reiten!" „Herr des Himmels! Da übe ich mich tagelang im Segel- und Rudersport, und soll nun gegen alles Erwarten in einer Stunde ein Pferd auftrciben und mich im Sattel nach Rasso über Land bringen!" Um die Möglichkeit eines solchen Parforcerittes schien sich die putzige Zofe nicht weiter zu kümmern; sie bat nur, daß der gnädige Herr erscheinen möge, knickste aller liebst und wollte sich entfernen. „Halt, Kleine! Hier eine Belohnung für die Be mühung! Und wie wollen Sie nach La Rocca gelangen?" Das Geschenk steckte Bettina als etwas Selbstverständ liches dankend ein und lachte: „O, Signor, ich komme schon rechtzeitig heim! Aber Vorsicht, Herr Baron! Addis!" Ein Knicks, und weg war die Kleine. Zum langen Ueberlegen hatte Stcrnburg keine Zeit, wenn er das Rendezvous auch nur annähernd einhalten will. Wo aber in der Geschwindigkeit und in dem Nest ein leistungsfähiges Reitpferd auftrciben? Ein Tatter sall existtrt in San Giorgio nicht, ein Lohnkutscher hat Alles, nur keinen Reitgaul. Ein Königreich für ein gut gerittenes Pferd! „Franz!" schrie Sternburg seinem Burschen, der sofort eintrat und seinen Gebieter anblinzelte. „Flink, Sporen gesucht und mir angeschnallt." Hatte der Zofenbcsucfl den biederen Aclpler schon in Erstaunen versetzt, die Forderung, Sporen zu bringen, verblüffte -en Burschen derart, daß er den Mund angel weit aufriß. „Sporen, Franz! Ich muß sofort ausreiten!" „Zu Befehl!" Der Bursche trat ab, kopfschüttelnd, fassungslos. Wo soll um Htmmelswillcn im Haushalt eines Jägerofficiers, den Franz in der bisherigen Dienst zeit nie zu Roß gesehen, nach Sporen gesucht werden? Wo suchen, wo Sporen finden? Und pressant ist es auch noch! Sternburg machte eilig Toilette, rief Franz zu, er solle die Sporen in den Stall deS Bataillons-Adjutanten bringen, und klirrte fort. Der berittene Kamerad-Adju ¬ tant muß in höchster Nvth mit dem Gaul aushelfen, zu ihm eilte Sternburg im Sturmschritt. Behaglich die Siesta genießend, war der Adjutant nicht gerade erbaut, als Stcrnburg in die Stube prasselte und in größter Aufregung sein Anliegen vorbrachte. „Was? Meinen Gaul willst Du?" rief überrascht der Kamerad. „Nur schnell, Brüderchen, ich muß in einer Stunde in Raffo sein!" „Bist Du bei Trost? Ueber Land, die Buchtungen auf steinharter Straße ausreiten und in einer Stunde nach Rasso?! Mensch, hast Du eine Ahnung vom Reiten? Der Gaul würde ein Opfer sein!" „Ganz egal, lieber Freund! Ich ersetze jeden Schaden, kaufe Dir einen neuen Prachtgaul! Nur fort, lass satteln!" „Unmöglich! Das Bataillon rückt nächste Woche aus, wie soll ich so schnell einen Ersatz erhalten, falls mein Gaul dienstunfähig wird?" „Telegraphirc sofort nach Wien an einen Pferdehändler, er soll Dir per Expreß ein gutes Reitpferd senden, ich zahle Alles. Latz satteln, Lieber, ich muß in fünf Minuten unterwegs sein!" „Aber warum denn, weshalb mußt Du zu Pferd fort?" „DaS kann ich Dir nicht sagen! Es gilt mein — Lebensglück!" „Lebensglück? Nun werd' ich irre an mir und Dir!" „Lasse satteln, telegraphirc um ein neues Pferd! Ich komme Abends wieder zurück! Hilf mir, Freund!" „Gut! Wenn cs Dein LebenSglück gilt und Du Dir die Knochen zerbrechen willst, reite! Aber nicht kitzeln, Sternbura, und rette auf Trense! Wie lange bist Du nicht mehr im Sattel gewesen?" „Alles egal, nur fort! Jede Minute ist kostbar! Leih' mir Sporen, Franz kommt sicher zu spät!" Kopfschüttelnd gab der Adjutant ein paar Anschnall- spvren und half mit, sie an -en Stiefeln des Kameraden zu befestigen. Es dauerte immer noch an zehn Minuten, bis Stern burg in den Sattel kam. „Nicht kitzeln, Sternburg, im Galopp Vorsicht, der Gaul scheut gern beim Borttbergchcn an Fuhrwerk!" mahnte der Adjutant. Bon alledem hörte Sternburg nichts mehr und trabte gegen alle Reiterrcgel über bas Katzenkopfpflaster der Gaffe, um rasch die weiße Landstraße zu gewinnen. ,Menn da nicht eine Donna im Spiele ist, will ich Peter Zapf! heißen!" murmelte der in seine Stube zurückkehrende Adjutant. Einmal auf der staubigen Straße, die längs des Sees zieht, alle Bnchtungen ausläuft und dann über einen Höhenrücken hinunter und hinauf in das Becken von Rasso führt, begann Steinburg den Gaul zu drücken und gab Sporenhilfe, da das Pferd sich faul anließ und in der Hitze des schwülen Nachmittags nicht den Wünschen des Retters entsprechend schnell genug vorwärts ging. Ans den Sporenstich rcagirte der Gaul mit einem Seitenfprung, der Stcrnburg rutsche» machte. Nun aber Galopp, in drei Tcufelsnamcn! Zügel verkürzen, drücken, Sporen an, festgeseffen, los! Das Pferd schoß voran, und der Reiter erweiterte das Tempo zum gestreckten Galopp, der als bald anfing, bedenklich zn werden durch die Ltratzcneurven in den Buchtungen. Sternbura merkte, daß dem Pferd das Wenden im kleinen Bogen widerstrebte, und beschloß, durch Gcwichtshilfen unterstützend zu wirken. Den linken Zügel vermehrt annehmend, trat Sternburg in den linken Bügel und nahm den Oberkörper stark nach links her über, dabei das scharfe Tempo beibchaltcnd. Das Roß brauste geradeaus, den Hals ein klein wenig links hcrum- genvmmcn, und Stcrnburg flog übcrkvllcrnd im Straben staub hinterdrein, just an der letzten Curve, von welcher die Straße zur Höhe hinanzicht. Weiß wie ein Müller erhob sich der Reiter, nm eine Erfahrung über Gewichtshilfen reicher, gottlob heil in den Knochen, nur stark erschüttert von dem unerwarteten Sturz, und der sehnsüchtige Blick galt dem bergan laufende» Roß. „God-am! Das auch noch!" entfuhr es Sternburg aus dem ausgetrockneten, staubbedeckte» Munde, als der verunglückte Reiter eine Dame zu Pferde vom Hügel herab traben sah. Das kann nur die Marchesa sein, die des Wartens überdrüssig geworden und so freundlich war, dem Cavalier entgegenzureitcn. Sehr liebenswürdig zwar, doch äußerst fatal in der momentanen Situation, da der Abgeworfene im Sonnenbrand dem durchgcgangcnen Gaul nachlaufen muß. Und soeben beugt sich die schneidige Reiterin zur Seite, faßt den Zügel des Durchgängers und bringt mit einem Ruck daS Pferd zum Stehen. Bis Stcrnburg, wüthend über sich selbst und sein Pech, die Straße hinankommt, hat die elegante Blondine ihren Zelter und den aufgefangcnen Durchbrenner hübsch zur Front gewendet und wartet nun des CavalierS. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite