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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000305022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900030502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900030502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-05
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentag- um 5 Uhr. Ne-action und Lrveditioa: Jobanni-saffe 8. Die Ervedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- AbeudS 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'« Tartt«. Universitätsslratze 3 (Paulinum^ Lauts Lösche. Katharinenstr. I». Part, und König-pleitz 7, Bez«gS-PreiS der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aue- HDvrstellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, vri zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: virrteliädrlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. ll7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Montag den 5. März 1900. Anzeigen-Preis die bgespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redaction-strich (4a»« spalten) 50-ij, vor den Familien Nachrichten (6gespalten- 40-<t. Gröbere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz uach höherem Tarif. Vrtrs-Veilasen (gefalzt), «ur mit dar Ävi^n-AuSgabe, ohne Postbeförderung 00.—, mrt Postbeförderung 70.—. .Tinnahmeschluß fSr Auzrigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gab«: Nachmittag- 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an die Gx-ebiti»! z« richten. Druck nnd Verlag von E. Pvlz kn Leipzig. 94. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leivrig, 5. Marz. Seitdem die „Berl. Polit. Nachr." die Erklärung ab gegeben haben, die verbündeten Regierungen hätten keinen Grund, sich ablehnend zu verhalten, wenn bei den in der Flottensraae ausschlaggebenden Fractionen deS Reichs tags der Wunsch bestehe, schon jetzt sür den Fall etwaiger zukünftiger vorübergehender oder dauernder UnzulänglichkeitderReickseinnahmenFürsorge zu treffen,schießen die DeckungSvorschläge wie Pilze aus der Erde. Auch im Reichstage wurde ein solcher Vorschlag am Sonnabend gemacht, indem der Abg. Graf Stolberg die bereits in der Budgelcom- mission erörterte Resolution wieder einbrachte, denSteuersatz sür Loose öffentlicherLotterien zu verdoppeln, um dadurch erhöhte Einnahmen zu erzielen, die zur Deckung der durch die Verstärkung unserer Seemacht verursachten Kosten verwendet werden könnten. Ucber diese Resolution wird erst bei der dritten Lesung deS Etat- abgestimml werden, aber schon heute liegt in den „Berl. Polit. Nachr." eine Aus lassung vor, die darauf schließen läßt, wie die preußische Regierung zu dem Vorschläge sich stellen wird. Diese Aus lastung lautet: „Wenn im Reichstage eine Verdoppelung der Lottrriesieuer vor geschlagen ist, so mag Las vom Standpunkt« der Vermehrung der Reich-einnahmen sehr zweckmäßig sein. Aber es wäre ein Irr- thum, wenn man erwarten wollte, daß eine solche Erhöhung des Lotteriestempels die im Reiche betreffs der Staatslotlerien be stehenden Mißstände beseitigen würde. Der erhöhte Stempel würde für die auf ausreichend breiter Grundlage der Bevölkerung aufgebauten, solid betriebenen Lotterien eine nicht unerhebliche Be schwerung bilden, diejenigen Lotterien aber, zu welchen die Speculation auf die Spielsucht in anderen Bundesstaaten den Anlaß gegeben hat, würden von einer höheren Steuer nicht empfindlich berührt. Sie pflegen an Unternehmer verpachtet zu werden, welche behufs Absatzes der Loose keine Mittel der Reclame scheuen. Mittelst einer Steigerung dieser Art der Thätigkeit würden sie sicher auch bei erhöhter Belastung ihre Loose absetzen, und es würde mithin in dieser Hinsicht so ziemlich Alle- beim Alten bleiben. Will man wirklich Ordnung in das staatliche Lotteriewesen bringen, so darf man sich nicht mit einer Erhöhung des Lotterie st empels allein be- gnügen, sondern muß sich mit dem Gedanken einer reichsgesetzlicheu Coutingentirung des Rechts der Bundesstaaten auf Ausgabe von Loosen nach der Be völkerungszahl befreunden. Allein auf diesem Wege wird es möglich sein, die Staatslottcrien in Uebereinstimmung mit den thatsächlichen Verhältnissen zu bringen und die Nothwendigkeit, sich gegen den Mißbrauch des Lotterierechtcs zu schützen, in Fortfall zu bringen." Es fragt sich nun, ob im BundeSrathe der Gedanke einer reichsgesetzlichen Coutingentirung des Rechtes ver Bundesstaaten auf Ausgabe von Loosen nach der Be- völkerungSzahl genügende Unterstützung findet. Darüber wird man vielleicht, wenn vor der Abstimmung über die Resolution Vertreter der Bundesstaaten sich äußern, Klarheit erhalten. Vorläufig ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine genügende Zahl von BundeSralbSstimmen mit der Art, wie Preußen „Ordnung in das staatliche Lotteriewesen" ge bracht sehen möchte, sich einverstanden erklären werbe, nicht groß. Für den Abg. Graf Stolberg und seine agrarischen I Freunde wirb es sich daher empfehlen, ein anderes Deckungö-1 mittel in Vorschlag zu bringen und dadurch ihren durch Herrn Or. Hahn verdächtig gewordenen Eifer für die Ver stärkung unserer Kriegsflotte zu erweisen. 2m Verlaufe der Debatte über den Arbeitgeber- Paragraphen in der Neichstagssitzung vom 6. Februar machte bekanntlich Herr Bcbcl eine überaus belastende Aeußerung über Zustände auf den Gütern der Magdeburger Gegend. Unter Berufung auf ihm brieflich gewordene Mit- theilungen erzählte er, daß auf den dortigen Gütern usancemäßig gewisse Zumuthungen an die Arbeiterinnen heranträten, denen dieselben sich fügen müßten, widrigenfalls sie wer weiß wie sehr chicanirt würben. Wenn Alles nichts helfe, um die Arbeiterinnen mürbe und gefügig zu machen, so würden sie entlassen, und dann könnten sie sicher sein, in der ganzen Gegend keine Arbeit mehr zu finden, sie seien dann boycottirt. Tie Sacke hat ein in mehrfacher Hinsicht eigenthümlicheS Nachspiel ge habt, weil irgend ein nicht ganz genauer Zeitungs-Bericht Herrn Bebel unterschob, speciell von „Gutsherren" gesprochen zu haben. Ein Herr von Nathusius- HundiSburg ging in seiner Entrüstung hierüber so weit, dem nationalliberalen Abgeordneten des Wahlkreises öffentlich Vorwürfe zu machen, weil derselbe in jener Sitzung geschwiegen und nicht sofort von Herrn Bebel Beweise für seine un geheuerlichen Verdächtigungen der Gutsherren verlangt habe. Herr Ho sang hat diesen Vorwurf unter Hinweis auf den Irrtbum jenes Berichtes und auf die Unmöglichkeit, jede falsche Bebel'sche Behauptung richtig zu stellen, zurückgewiesen; Herr Bebel aber veröffentlicht im „Vor wärts" eine Erklärung, in der er frischweg behauptet, er habe „weder dem Wortlaut nvck dem Sinne nach" gesagt, was ibn der falsche Bericht sagen lasse, dessen Opfer Herr von Natbusius geworben sei. Das ist ganz die osficiöse Be- richtizungS-Manier, über die so oft und mit Reckt gespottet wird. Wer diese Bebel'sche Entgegnung naiver Weise für baare Münze nimmt, der kann kaum anders glauben, als daß die gesammte Presse die Bebel'sche Erzählung über die Zustände auf den Gütern der Magdeburger Gegend aus den Fingern gesogen habe. Davon kann aber natürlich in Wirklich keit keine Rede sein. Herr Bebel hat „dem Wortlaute und rem Sinne nach" Alles so erzählt, wie die Preßberichte es ihm in den Mund gelegt haben. Nur mit einem Unterschiede: er hat nicht von den „Gutsherren" gesprochen, sondern von dem „AufsichtSpersonal auf den Gütern", den „männlichen Vorgesetzten, insbesondere den Inspectoren". WaS verfolgt denn Herr Bebel damit für einen Zweck, daß er in Bezug auf seine Richtigstellungen bei den Osficiöscn in die Schule geht und Alles in Bausch und Bogen für falsch und nicht gesagt erklärt, wenn auch nur eine einzige Delailangabe nicht stimmt? Die militärischen Vorkehrungen Frankreichs aus Madagaskar lassen den englischen Argwohn, daß cS damit auf eine Bedrohung der britischen Machtstellung in Südafrika, besonders in Natal, abgesehen sei, nicht zur Rübe kommen. Ein Corresponvent der „St. James' Gazette" läßt sich zur Sacke wie folgt vernehmen: „Die Unterwerfung i Transvaals braucht keineswegs unsere südafrikanischen Wirren I zum Abschluß zu bringen. Madagaskars Belegung mit einer I starken europäischen Garnison kann als nichts anderes denn als eine positive Bedrohung Natals angesehen werden. In der Tbat mag man überzeugt sein, daß Madagaskar von Frankreich aus keinen anderen Gründen behauptet wird, al- weil eö eine brauchbare UnternehmungSgrunblage gegen Süd afrika ist und einen der schönsten Häsen der Welt besitzt, von dem aus unsere Verkebrsstraße vom Cap nach Indien bedroht werden kann. Das Klima dieser großen Insel ist europäischer Lebensweise besonders lödtlich. Die Sterblichkeit unter den weißen Truppen wäbrend des Feldzuges des Generals Tuckes»» steht in den Jahrbüchern moderner Kriegführung beispiellos da; so erreickten die Todesfälle durch Krankheit, besonders durch Malariafieber, die erschreckende Zahl von 8000 bei einem Gcsammttrnppeustaiide von 20 000. Die französischen Kriegsminister sind auSnabmsloS gegen die Stationirung auch nur eines einzigen Weißen Soldatew auf Madagaskar über das hinaus, was unbedingt notbwendig ist, um den farbigen Truppenverbänden einen Halt zu geben. Und doch hat man bei Ausbruch des süb» afrikanischen Krieges ein ganzes Regiment der bekannten Fremdenlegion nach diesem Fieberlanke geschickt, und wie aus Informationen von der Inselhauptstadt Tananarivo erhellt, sollen die 3 Bataillone, aus denen ein Regiment der Fremdenlegion besteht, nur den Kern einer Streitmacht bilden, welche offensichtlich zum Demonstriren gegen Natal bestimmt ist. Ein merkwüidigeS Zusammentreffen von Umständen fügt eS, baß während der Oberst (jetzt Generalleutnant) Villebois de Mareuil die Afrikanver-Verbündelen gegen uns com- mandirt, sein früheres Regiment von ihni nicht weiter als ein paar Tage Dampferfahrt entfernt steht, und in dem un glücklichen Falle, daß zwischen seinem Heimathland und Eng land Krieg ausbräche, unfehlbar zur Verwendung gelangen wird, um gegen unsere Interessen in Südafrika einen Schlag zu führen — wenn eS der Wachsamkeit unserer Kreuzer ent schlüpfen sollte." Ueber den rusfisch-perfischcn TarlehnSvertrag wird uns aus Teheran unterm 4. Februar geschrieben: Die Anleihe, welche ich in meinem letzten Berichte als nahe bevorstehend erwähnte, ist soeben zu Stande gekommen und zwar durch Vermittelung der hiesigen Langus ckos pröts, die direcl unter Leitung des russischen Finanzministeriums steht. Als Sicherheit dienen die Zolleinnabmen von ganz Persien mit Ausnahme derjenigen der Häfen des persischen Golfs und der Provinz FarS, letzteres wahrscheinlich des halb, um einen zu erwartenden Einspruch Englands zu vermeiden. Die Bedingungen sind für Persien Verhältnis mäßig günstig, denn die Regierung zahlte sür Vorschüsse bis jetzt bei den hiesigen europäischen Banken 10 bis 12 vom Hundert, bei einheimischen Bankiers aber bis zu 24 Procenl ü Der politische Erfolg Rußlands in dieser Angelegenheit ist ein vollständiger, denn nickt nur sind als Gegenleistung wahr- sckeinlich auch die Eisenbabn-Concessionen in Norrpersien ge währt worden, sondern Rußland bleibt auf unabsehbare Zeit der einzige Staatsgläubiger Persiens und kann sich, ohne fremden Mitbcwerb fürchten zu müssen, im Lande häuslich einrickten. Bon hervorragender englischer Seite ist eS mir bestätigt worden, daß alle diese Vorthrile noch vor zwei Jahren ohne die Saumseligkeit und Unentschlossen heil seiner Regierung England in den Schooß gefallen wären. Der damalige, jetzt verbannte Großvezier hatte in äußerster Geldnotb eine kleine Anleihe im Betrage von 50 000 Lstrl. bei der hiesigen englischen Bank ausnehmen und dafür die Zölle deS Südens und deS Westens als Sicherheit stellen müssen. AS die Rückzahlung nachher stockte, übernahm die Bank die Controle dieser Zölle und führte dadurch indirect den Sturz des GroßvrzierS herbei, denn seine Feinde be haupteten, er habe das Land für diese geringe Summe an England auSgeliefert. Als sich die englische Regierung endlich darüber klar geworden war, daß «S von großem politischen Vortheil sei, den persischen Finanzen gründlich auszubrlfen, war die günstige Gelegenheit dazu vorüber, der rngland- freundlicke Großvezier gestürzt und daS persische Staal-schiff im russischen Fahrwasser aogelangt. Der Krieg in Südafrika. -p. Die Vorbereitungen der Beeren für einen zweiten Zu sammenstoß mit der Streitmacht des GeneralfeldmarschallS Noberts im Oranjesreistaat lassen ebenso wie Meldungen au- Pretoria und Brüssel keinen Zweifel, daß die Loosung der Föderirten heißt: Sö wird weiter gekämpft Die Transvaal-Gesandtschaft bestätigt Brüsseler Blättern, daß die maßgebenden Faktoren in Pretoria di« jüngsten Ereignisse kaltblütig auffassen und ihnen durchaus keine tragische Bedeutung beilegen. Die Gesandtschaft erklärt, Transvaal sei durchaus nicht bereit, in irgend welche englische Friedensuntcrbandlungrn einzutretrn, noch weniger, um Frieden ru bit-?n. Der Kampf bis aufs Aeußerste sei beschlossene Sache. Wie dem „Berliner Tageblatt" aus Brüssel gemeldet wird, erklärt die dortige TranSvaal-Gesandtschaft, daß die Lage keineswegs verzweifelt sei. General Joubert sah bereits am 27. Oktober in einem Berichte, welchen er dem Präsidenten Krüger übersendete, die Nothwendigkeit voraus, schließlich das besetzte englische Gebiet zu räumen, weil die Boerenmacht für eine andauernde Offensive nickt aus reiche. Der eigentliche Krieg werde jetzt erst beginnen. Die Welt werde bald sehen, daß der eng lische SiegeSjubel verfrüht und übertrieben war, und daß di« beiden Boerenstaaten nickt so leicht zu besiegen sind. Lord Roberts wird fortan jeden Schritt vorwärts schwer erkämpfen müssen, um so mehr, als die Boeren wissen, daß England die Annexion ihre- Vaterlandes anstrebt. Die Gesandtschaft Transvaals hält nach wie vor an der Ueber« zeugung fest, daß England nicht im Stande sein werde, die Boeren endgiltig zu bezwingen. AuS Pretoria wird berichtet: Am Majubatage wurden in der ganzen Republik Dank- und Bittgottesdienste ab gehalten. Präsident Krüger sprach vor einer ungeheuren Gemeinde in der holländischen Kirck«. Er sagte: Noch bedecken dunkle Wolken daS Land, ab«r daS Ver trauen auf den Allmächtigen und dir Gerechtig keit unserer Sache werden die Verbündten zum Siege führen. Die Vereinigung der Boerenstrettträfte im Oranjefreistaat kann als vollzogen betrachtet werden. Wie viele Robert« östlich von Ostfontein rntgegeatreten werden, I ist noch nicht bekannt. Man schätzt sie aus 5000—8000. Wäre I die Schätzung richtig, so ständen die Boeren wieder einer I erdrückenden Uebermacht gegenüber und eS wartet ihrer ein Fenvlleton Hans Lickftedt. Roman in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt), SiatztlUck vndviui. Irmgard hatte beide Ellenbogen aufgestützt und ihr süße» Kindergesicht in beide Hände gelegt. Ihr Hütchen lag irgendwo auf dem Fußböden, und die blonden Haare blähten sich zerzaust um ihre Stirn. „Ist es ein sehr verrückter Streich, Hans?" fragte sie, halb verlegen, halb entzückt von der Abenteuerlichkeit der Situation. „Hast Du Cigaretten? Gerb mir eine Cigarette, wir qualmen zusammen, dabei erzählt sich's besser." Er bewegte verneinend den Kopf. „Du bist doch nicht — allein hier in Berlin, Irma? Deine Eltern sind doch hier? Deine Mutter? Oder d« Schwester?" Sie schnitt ihm eine Grimasse. „Mit Fred bin ich hier. Er wird gleich anklopfen." „Irma, herzallerliebster Schah, versteh' ich recht? Du bist allein hier — ohne Wissen und Willen der Deinigen?" Sie nickte feierlich. „Geflohen — durchgegangen —* „Wie kam eS, Inna?" „Wie es kam?" Sie legte sich im Sopha zurück und senkte die Lider, es zuckte schmerzlich um ihre rosigen Lippen. „Du warst fort, HanS, und es lag wie Gewitter in der Luft. Herta ließ mich nicht aus den Augen, und Baker nahm mich einmal vor und hielt mir eine Pauke. TietjenS ist zum Glück für ein paar Tage auf Reisen geschickt worden. Ihm hat Vater natürlich nicht» verrathen und Mutter auch nicht-, aber Herta wußte Alles, und es war beschlossen, daß sie michnach Kiel mitnehmen sollt«. Bi» Neujahr, und Fred wurde zu Weihnachten einaeladen. Ich hab« Vater fußfällig gebeten, nur diesen einen Winter in Berlin sollte er mir noch gönnen, nachher wär' e» mir einerlei —" „Dann dürften sie Dich verheirathen —" „Ach, was weiß ich", erwiderte sie schleppenden Ton«-. „Bi» zum Frühjahr ist r» lang« hin. Vielleicht leben wir dann Alle nicht mehr." Irma'» strahlende» Auge hatte sich derdiistert, da» Eickstedt'» senkte sich. Eine Pause trat ein. „Dein Vater hatte natürlich kein Ohr für Deine Bitten?" Irmgard schüttelte den Kopf. „Im Gegrntheil, er wurde grimmig, fauchte mich an, ich hätte zu gehorchen, sollte mich nicht unterstehen, mit einem Laut zu rebelliren, ich hätte strenge Strafe verdient und wäre nur unter der Be dingung ferneren Wohlverhaltens begnadigt worden — nur kurz — ein richtiges Donnerwetter. — Er ist eigentlich prachtvoll, der Alte, wenn er so losgeht; es kommt selten vor, aber dann zittern Alle. Ich zitterte auch, aber es war auch Empörung dabei, — wie darf er mich so anbrüllen wie einen nachlässigen Beamten? Ich hatte das noch nicht erlebt, und ich fühlte, wir etwas in mir sich aufbäumte gegen diese väterliche Tyrannei und stoif und starr wurde." „Weiter, weiter?' rief Hans. „Nun, was weiter?" erwiderte Irmgard, indem sie die be schriebenen Bogen auf dem Tische durch einander warf, einen aufnahm, wie einen Fächer bewegte und dahinter hervor nach Hans schielte. „Heute früh acht Uhr, als Vater noch unten bei den Werken war und Mutter und Herta noch schliefen, wurden di« Cobs angeschirrt — ich stieg bei den Ställen auf — dann vorwärts, meine Thierchen! Nicht nach Oberbeken, weißt Du, sondern eine Station weiter, nach Heide. Wir ich am Bahnhof hielt, sauste der Zug gerade herein. Mit knapper Noth kam ich mit, mußte aber Strafe zahlen. Peter hatte Befehl, die Cobs eine Stunde rasten zu lassen und dann langsam nach Hause zu fahren." mit Botschaft?" „Nur einen Zettel: Es soll« sich Niemand ängstigen, ich hätte einen kurzen Ausflug unternommen und käme bald zurück." Hans schüttelte den Kopf und blickt« bewundernd auf sein ge- liöbteS, unternehmungslustiges Mädchen, das sein von flüchtigen Gluthen überhauchtes und dann wieder jäh erblassendes Gesicht immer noch mit dem ersten Capitel seiner Novelle fächelte — die «r in einer Woche in Druck zu geben versprochen hatte. „Zum Glück blieb ich allein im Coupß", fuhr Irmgard fort, „— aber als ich hier in die Droschke stieg, bekam ich einen schönen Schreck — ich wußte Deine Wohnung nicht! — Die Straße wohl, aber auf die Nummer konnte ich mich absolut nicht besinnen. Na, ich schickte di« Droschke natürlich an der Ecke fort und habe dann in zehn Häusern gefragt, bi» ich Dich fand. Deine Wirthin machte große Augen und wollte mich nicht hereinlassen — bi» ich ihr kurzweg aufzuschließen befahl. Und dann wollte Ich gleich wieder fortlaufen und war recht froh, daß Du nicht da warst, Hansi." Der Tisch bekam einen Ruck, und Irmgard fuhr in die Höhe und setzte sich in Vertheidigungszustand. „Nein, hab' nicht Angst vor mir, ich rühre Dich nicht an, Kind", beruhigte Han», indem er sich schwer athmend wieder ntzchersrtzt». „Aber wa» beginnen wir jetzt? Wo soll ich Dich hinbringen? Denn es ist Zeit, daß wir uns auf den Weg machen, weißt Du." Jrmgard's Kopf sank auf die Brust. „Ja, wohin Du willst, Hansi. In irgend ein Hotel. Geld hab' ich noch, wenn auch nicht allzu viel. Aber ich kann ja meine Uhr verkaufen, nicht wahr?" „Du süßer Strolch!" Hans hatte richtig seinen Vortheil wahrgenommen, hielt sie in seinen Armen. Irmgard brach plötz lich in leidenschaftliches Schluchzen aus. „Ich wollte ja nur einmal — nur einmal noch Dich küssen, Hansi — Dich küssen, so ganz nach Herzenslust — bevor wir auf immer auseinandergehen!" „Wir gehen nicht auseinander, Jrmi", flüsterte Hans ihr zu. „Mein Herzenslieb, ich halte Dich fest und lasse Dich niemals wieder los. Nie — niemals, Du bleibst jetzt bei mir — Du wirst mein Weib —" „Lei Dir, hier auf Deiner Bude?" versetzte Irmgard und fing mitten im Schluchzen zu lachen an. „Ach, Hans, wo ist nur mein Hut hingekommen? Du hast ihn mir vom Kopfe gerissen, Du Bösewicht." Er suchte den Hut und hob ihn auf, und sie trat vor den schmalen Spiegel, um ihn aufzusetzen. Er stand hinter ihr und betrachtete ihre blonden Locken und ihr rosiges verschwommene» Spiegelbild, und es wogte und brauste in ihm wie sturmgepeitschte See. — „Bist Du ein Mann und läßt das Glück fahren, daS Dir wie ein zahmes Vöglein auf die Hand geflogen kommt? Bist Du ein Mann und verstehst nicht, es festzuhalten? Und scheust Dich, die Macht der Ueberredung zu brauchen und die Macht Deines überlegenen Willens? Bist Du ein Mann?" „Komm, komm!" rief er dringlich, fast rauh. „Eil' Dich! Es wird spät!" Irmgard sah sich betroffen nach ihm um. Zwischen seinen Brauen stand eine Furche, in seinen Augen brannte e» wie ver haltener Zorn. Sie legte schweigend, verschüchtert ihren Arm in den seinen. Er schob sie zurück. „Erst will ich sehen, ob Jemand auf den Treppen ist. Du gehst dann allein hinunter, ich schließe hier ab und komme nach." Unten auf der Straße reichte er ihr seinen Arm, und sie fragte gedrückt: „Ich habe wohl eine große — große Dumm heit begangen, Hans?" „Ja", erwidert« er mit heiserer Stimme. „Aber sei ruhig, bi» jetzt ist Alles in Ordnung. Wüßte ich nur, wo ich Dich zur Nacht hinführe." „Nicht ins Hotel?" fragte sie, beängstigt von der unterdrückten zählenden Heftigkeit seine» Wesens. „Nein, nicht in» Hotel, Du bist nicht recht gescheidt. Willst Du Dich da von dem Kellnrrpack angaffen lassen? Und ich — was sollen sie denn von Dir denken?" Irmgard antwortet« nicht, sondern schmiegte sich nur eng an Eickstedt's Arm. Nach einer Weile erklärte er: „Ich bringe Dich zu Gertrud." Irmgard zuckte zusammen. Aber sie wagte keinen Wider spruch laut werden zu lassen. Gertrud war zrnn Glück zu Haus«, ganz vertieft in «ne eilige Arbeit. Es durchfuhr sie, al» Han» mit Irmgard ein trat; im ersten Moment meinte sie, ein Brautpaar vor sich zu sehen. Als Hans dann mit knappen Worten eine Erklärung gab, starrte sie ihn erschreckt an und glaubte nicht recht zu ver stehen. „Entweder Du begleitest Irma in ein Hotel, oder Du be hältst sie diese Nacht hier", verfügte Han» ohne Umstände. „Giebt es vielleicht noch ein Zimmer hier nebenan für sie?" „Nein, aber wir richten un» hier schon zusammen ein. In» Hotel gehen möchte ich nicht. Ich muß mein« Arbeit fertig machen." „Ich bleibe auch lieber hier", stimmte Irmgard zu, nahm ihren Hut ab und setzt« sich auf das Sopha. Sie sah blaß und er schöpft au», und die praktische Gertrud fragt« au» alter Erinne rung: „Hast Du Abendbrod gegessen, Irma?" „Ich habe heute togllber kaum einen Bissen gegessen", er widerte der Flüchtling und legt« den schönen Kopf an die Sophalehne. Gertrud stillte Brod, Butter, Wurst und Bier auf den Tisch, froh, zur Noth versehen zu sein. Irmgard langte heißhungrig zu, war aber bald gesättigt und sank wieder in da» Sopha zurück. Hans begnügte sich, ihr zuzusehen. „Was machst Du da?" fragte er, indem er Gertrud'» Arbeit, auf di« da» grelle Licht der tiesgestellten ArbeitSlampe fiel, in Augenschein nahm. E- waren winzige Elfenbeintäfelchen, auf di« kleine Blumen gemalt wurden. Drei oder vier Muster wiederholten sich beständig. „Nicht übermäßig künstlerisch", kritisirt« Han». „Macht Dir das Freude, Gertrud?" „Jawohl, ich werde zum ersten Male Geld verdienen", er widerte sie heiter. „Haufen Goldes, natürlich." „Versteht sich. Sin große» Elfenbeingeschäft hat mich mit dem Auftrage beehrt und weiser« versprochen, wenn ich zur Zu friedenheit arbeitete. Aber ich mutz morgen fertig sein, und e» ist noch mindestens die Hälfte übrig. Ich bin auf solche Schablonen- arbeit noch nicht eingeübt." (Fortsetzung folgt.)
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