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..»owemlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration?» Preis 22j Sgr. (^ Tblr.) ojerteliabrlich, Z Ulr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pranunierirl auf dieses Beiblatt der Allz. Pr. SlaatS- Acitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllödl. Post - Leunern. Literatur des Auslandes. 121. Berlin, Montag den 9. Oktober 1837. Rußland. Ein Festtag im Kaukasus. Ich bin im Kaukasus. Ich bin in Tiflis. Dec Aussichten gilbt es unzählige — heilere, düstere, majestätische, unbedeutende — von jeder Ari. Mit Entzücken ruhten meine Blicke auf dem bezaubernden Thale des Kur, das mich nach Tiflis geführt hatte, doch ich ward um so verstimmter, als ich die nackten, vergötterten, gezahnte» Berge vor mir sah, welche diese berühmte Stadt umlagern. Endlich kam ich in Tiflis an, wo ich bei einem allen Bekannten abstieg und den zureichenden Grund entdeckte, weshalb mir so Heitz geworden war: das Rcaumurschc Thermometer zeigte 31 Grad im Schauen! Tiflis? Was ist Tiflis? Eine Russische Eonvernemcnts-Stadt wie jede andere, — eine Stadl mit Gerichts-Behörden; eine Stadt, wo 'Protokolle, Urtheile, Beschlüsse unterschrieben, Papiere numerirl und erpediri werden, wo man Prozesse führt, Pässe visirt und Kontrakte abschlicßi, was auch in anderen Städten geschieht, ohne datz sie dadurch, berühmter oder interessanter werden. Aber die Physiognomie dieser Stadl? Sollte sich darüber nichts Besonderes sagen lasse»? Eine Physiognomie der Stadl — da« ist freilich eine Sache für sich! Tiflis!.... Tiflis! .... Nun kurz ge sagt, eS ist ein Transkaukasischer Chan, der sich Russland unterworfen. Hal; er trägt einen Asiatischen von Shawls verfertigten Ehalat (Leibrock), Russische General-bpaulettc«, auf dem rastrle» Kops eine Schaspclz- mütze, au den Fügen Persische Pantoffeln und über der Schulter ein Russisches Ordensband. Tiflis ist nichts weiter als ein aller Asiatischer Eban, einer von denen, die Jeder kenn!; an seinem mit Gold über gossenen Gürtel hängt em Kinshal, dessen Griff von Edelsteinen strahlt, und unter dem gefärbten Barl guckt ein rolheS seidenes Heinde bervor, das jede» Monat nur einmal gewechselt wird, als gäbe es keinen heitzen Sommer. Tiflis ist ein Gemisch von Europa und Asten. Man steht zwei oder drei Plätze besitzt mit Europäischen Gebäuden, die schon vollrndet sind oder noch gebaut werden. Nur gehe man vorstchlig um sie herum, damit man nicht in eine Grusinische'Wohnung gerathc, die anstatt einer Thür ein Loch in der Erde, anstatt eines Schornsteins ein Loch in der Erde, anstatt eines Fensters ein Loch in der Erde Hal. Nach,« ralhc ich Niemanden, einen Spaziergang durch Tiflis zu machen, wie hell auch der Mond leuchlen, wie erquickend auch Lie Lust seyn, wie sehr man sich auch gestimmt fühlen möchte, sich durch den Zauber schein Luna s und durch die üppige Nalur zu poetischer Begeisterung hinreißen zu lassen: mau könnte in ein Loch und in die Arme einer schmutzigen Gruuerin stürze», die zu Hause ihren Tschadra, jenen schnee- weitzen magilchcn Auattschcn Frauen-Schleier, abgeworfcn hat, unter welchem nur eine Missgeburt nicht schöner scheint. Tiflis, das neue Tiflis ist eine Stadl mit einigen gerade» und breiten Straßen mit dicht an einander gebauten zweistöckigen Häusern, deren jedes zwei oder drei Magazine Hal — eine Folge de« Freihafens. Es ist eine Russische Sladl, von Russen erbanl; bevor diese käme», war Alles ein ebenes Feld — eben nach LandeSsittc, d. h. „iit einer Menge Höhlen, in welchen sich Lesgier verbargen und wohin sie ihre Gefangenen schlepplcn. Aber «inen Schrill aus der Russenskadt hinaus, und man lrill in eine Gaffe, wo man sich einander nicht vorbeireiten kann, Häuser wie Ruinen, und Ruinen wie Häuser dastehcn. Noch einen Schrill weiter, und man mutz vom Pserde steigen und Stufen betreten, die in Felsen gehauen sind, an welchen Häuser mit flachen Dächern hängen und sich lerraffcn- urtig eines über das andere erheben; das Dach des untersten Hauses dient den oberen Häuseru als Straße, Balkon oder als was man will. Ist man ermüdet vom Hinanfleigen, so kehrt man nach unten zurück und gelangt in ein dumpfes Basar oder auf einen Markl mil Früchten und stinkenden PscheremS°); tritt man in die engen mit Menschen an- gesüllien Läden, so Hal man ein Bild der ganzen Lebcndigkeil und des ganzen Handels von Asten. Dort zaust ein Russischer Bndolschnick (Slraßcnwächlcr) einen widerspenstigen Talare». Hier saßt ein inlän discher Dcßätnick (Befehlshaber von zehn Mau»), mil seinem Messing blech auf der Brust, eine» sich zur Wehr setzenden Soldaten beim Kragen. Weiterhin flöß, man auf einen Musketier mit Tatarischer Mütze, oder aus einen Persischen Maurer in einem Soldaten-Mantel, die beide ihre» Termin jenseits des Kaukasus tadellos ausgedient haben — was viel sagen will. Ein Civil-Beamter im Frack spricht gcheim- uißvoll mil einem Armenischen Kaufmann: worüber? — das ist nicht *) Eine Art wilden Knoblauch«, per noch stärkeren Geruch verbreitet, als der Austnche unsere Sache. Nahe dabei hält ein braungebrannter Asiate seine Mit tagsruhe in der Grusinischen Juli-Sonne, an einem Orte, wo man Eier ohne Feuer kochen könnte. Das ist Tiflis! In Tiflis giebt cs auch heiße Schwefelbäder, die von Asiaten und den die Asiatischen Sillen liebenden Russen mil großem Vergnügen be nutz! werden, und um die Sladl herum erheben sich nackle, kahle Berge, die dem wißbegierigen Geologen ihre Rippen in systemalischer Schich- lcn-Ordnung zeigen. Das dcrmalige Tiflis, der Mittelpunkt des großen Landes, welches Rußland in seinem Riesenkörper unter dem Herzen trägt bi« zu einer künftigen Entbindung, bis zu dem Zeitpunkt, wo Grusien'S Erziehung und Unterricht beginnt, ist, trotz seiner Schwefelbäder, eine gewöhnliche Russische Gouvernemenls-Sladl mit lokalen Schatlirungen. Die einstige Hauptstadt des Erusischcn Reiches, aus welcher man nicht die Nase zu stecken wagte, au- Furcht vor den Schlingen, Dolchen und Kugeln der Lesgier; wo alle Großen de« Reiches sich ihre Speisen an« dem Basar holen ließen, bisweilen unter Versetzung ihrer Güler, die sich im Besitze ihrer Freunde, der LcSgicr, befanden, bisweilen ans Kre- dil oder auf Ehrenwort, welches letztere übrigens nach dem Muster der Perser damals in Grusien nicht tristille — ist jetzt so gefahrlos und ruhig, wie man cs in Asien nur wünschen kann, aber unerlräglich wäh rend der heißen Sommcriagc für einen ordentlichen Menschen, der leicht in Schweiß gerälh. Es ist daher sehr angemessen, einen gehörigen Vorrath von Wäsche zum Wechseln mil sich zu führen, indem man sich fehr geläuschl finden würde, wenn man dorl elegante Hemde» kaufen wollte. Ehaschmin war vor Freuden außer sich, als er mich erblickte, und mir bei vielen Gelegenheiten sehr nützlich. Drei Sternchen blitzten aus seinen dicken Epaulettes; er war noch immer der alte — eine gute Seele im Dienst sowohl wie außer demselben — mil dem Unterschiede jedoch, daß jetzt seine Brust mit Orden und Medaillen bebängl war, die er in bewundernswürdiger Ordnung, wie auf einem Sammel-Kissen, zur Schau zu lragcn wußte. Wären aus de» Orden Ortsnamen ange bracht gewesen, so hätte man seine Brust für eine Landkarte halten lind die Namen Warna, Balkan, Elisabcthpvl, Aras, Kars, Achalzich, Bai- burt u. s. w. lesen können. Ehaschmin befehligte ein Balailion, und in Erwartung eine- Regi ment«, das er sich von ganzer Seele wünschte, herrschte er fürs erste nur in Gedanken im Stabe seines Regiments. Akan lraf Vorbereitungen zu einem Marsch in« nördliche Dagestan, wo Kast-Mulla sich ernstlich erhoben batte. Zn der Mitte August'« mußten wir uns, zu beidersei tigem Leidwesen, trennen. Aber in seinem Bataillon befand sich ein Junker au« inländischer Familie; dieser Junker Halle zum Valcr eine» Mirsa — versteht sich, einen Armenier — und zwar einen Armenier, schlau wie ein Fuchs und gewandt wie ein Aal, trotz seines feisten Körper«. Dieser Vater schmeichelte den, Bataillons-Befehlshaber auf alle Weise und lud Letzteren mit seinen Freunden bei Gelegenheit des Ausmarschc« der Truppen zu einer Mittagstafel ein. Ehaschmin, der lange unter diesem Volke gelebt hatte und sein Lokal kannte, befahl dem Mirsa, ein Mahl anrichlcn zu lassen, wie es nur Asiatischrr Lnru« liefern könne. Ich ward natürlich auch eingeladen, und al« Sluden- kamerad Ehaschmin'« durste ich dem devoten Armenier gleichfalls meine Befehle erlheilcn. Für meinen Magen sorgend, äußerte ich den Wunsch, auf der Tafel auch Europäische und Russische Gerichte zu finden; mein Verdauung«-System war nicht geeignet für die selten, mil Saffran, Ingwer und Pfeffer starkgewürzlen Speisen, in welchen sich salzig, sauer süß und bitter durch einander kreuzen, wie beißende Bemerkungen und alberne Witze in den Kritiken und Antikritiken zweier literarischer Spe kulanten, wenn es sich darum handelt, ein rivalisirendc« Werk hcrunlcr- zureißen und dem eigenen mehr Subskribenten zu verschaffen. Am 2l>. August, Morgens um 6 Uhr, war das Wetter heiter, wie gewöhnlich in dieser Jahreszeit. Der Kasbek und die übrigen Schnee- bergc, die wie verstohlen aus den Steinsclscn längs dem Kur hervor- blickcn, standen am Horizont da in leichten Umrissen nnd von lcichlen Dünsten umhüllt. Der weiße Schleier auf den Häuptern dieter lilani- schen Schönheiten erschien noch gcheimnißvollcr, und ihr mattweißer Grund zeichnete in scharfen Zügen das jenseits Duschet hervorragende graue Gebirge. Um 6 Ubr früh begann die Sonne die Felsen zu beleuchten, die noch den gestrigen Thau trugen, und gerade um diese Zeil setzte sich da« festliche Banket zu einem Spazierritt vor dem Mittagessen in Marsch; es bestand einerseits aus Auc-ländcrn und Russen, Mililair und Eivil, alle« Freunde und Bekannte von Ebascbmin, und andererseits au« Grusiern und Armcniern, Freunde de« Mirsa Ruslan Kabulakogaroff. In der Salalakschen Schlucht angelangt, dehnte sich der Zug wie eiie Faden au«, d. b. cr quälte sich aus matten Gäulen den Bergpfad