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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000308011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900030801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900030801
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-08
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
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B^rt-KPieei- Et bM! Hnntzt«xtz^isson »8«« d«N im Etndt» tmtt und den Vorort« «richtet« Au»- aabestell« ab,»holt: ot«trljichrlich^4^0, bei »wetmalta« täglich« Zustellung in» Han» viäch Re Dofi bezog« für »«tschlmid «ch Oestev«tch: oterteliährlich ^i -.—. Direct« tägliche Kvenzbimbsenvung tu» A-Sland: monatltch ^i 7.Ü0. Dl« Morgen-An-gab« «scheint m» '/,7 Uhr, die Abend-Ausgab« Wochentag« um 5 Uhr. LrLaction »»- Lrpe-itto«: Aohnnntt-assr 8. Die Expedition ist Wochentag» unnnterbrochen grSsfnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: Alfred Hnhn vorn», v. -lennn'S Lorti«. Universitätsstrab« 8 (Pauliuum), LoutS LSfche, Katharinttstr. 14, Part. und König-Platz 7, MovgemAttsgitbe. WWM..TaMM Anzeiger. ÄMtsVlatt des H'önrgtichen Land- und NmtsgerichLes Leipzig, des Nathes und NoKzei-Ämkes der Stadt Leipzig. Slnzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ae- spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. ; Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Ailzeige« sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Z 122. Donnerstag den 8. März 1S0H 91. Jahrgang. Nsch"» Luglau- und -er -rutsche Welthandel. k. X. Den letzten Jahren be» IS. Jahrhundert» ist es Vor behalten göblieben, in Deutschland Vie Erimntmß von der Be deutung de5^eutsch«n Welthandels zu verbreitern und da» Be- wutztstm zum Gemeingut zu machen, daß dem deutschen Ge« wnchefleitze und dem deutschen UnternehmungSgüste da» Welterb« in demselben Maß« auf Grund eigener Mchtigkeit zufällt, wie e» unser einzig« Mitbewerber auf dem Weltmärkte, England, unter der Gunst äußern Verhältnisse sich bisher angeeignet hat. An dem außerordentlichen Wendepunkt unserer eigenen Ge schichte, an welchem wir sichen, verlohnt es sich wohl, in ganz kurzen Zügen Vie Grundlagen, äus.denen der deutsche Welthandel ruht und unaufhaltsam wächst, zusanrmenzufassen, insbesondere aber sich zu vergegenwärtigen, welche Auffassung darüber bei unseren Wettbewerbern herrscht. Auf die allgemeine Grundlage der Entwickelung deutscher Industrie braucht hier Nicht einge gangen zu werden^ nur Vie Thatsache muß zur Erwähnung kommen, daß man im Allgemeinen in «der Gegenwart den Ur sprung der deutschen Uebersee-Jntereffen als zuscunmensallend mit der Entwickelung der deutschen Industrie unmittelbar nach Einigung de» Reiches anfieht. Da» ist insoweit richtig, al« erst nach der Gründung des deutschen Reiches di« direkten deutschen Uebersee-Jnteressen in die Erscheinung getreten sind. Der Anfang des deutschen Wettbe werbs Wit England fällt aber weiter zurück, nämlich in das Jahr der ersten eyglischen Weltausstellung in London im Jahre 1887. Me war von England zum Zwecke der Selbstbe- räucherung in» Leben gerufen wovden in der irrigen Voraus setzung, daß Vie englischen Erzeugnisse einzig daständen und die Welt ohne WeAeres beherrschten. Mus der Weltausstellung in London im Jahre 1857 ist da- s gegen zum ersten Mote ernannt worden, daß die deutsche In dustrie nicht nur aus dem Wege zu erfolgreichem Wettbewerb« war, sondern daß auch «in überaus bedeutendes Quantum der von England mit größtem Nutzen im AuSlande verkauften Er zeugnisse au« Deutschland stammte. «rs Vieser Erkenntniß erwuchs die energische Thätigkeit deutscher Kaufleute zunächst im Eentrum der englischen Welt handels, in London. Der zweite Markstein in der Entwickelung Deutschlands zur Welthandelsstellung sind die Jahre 1870 und 71. Sobald der deutsche Kaufmann erwarten durfte, im überseeischen AuSlande von seinem Baterlande Schutz zu genießen, hat er Viesen Wog auch beschritten und feine Posten in die überseeischen Handelsgebieie selbst vorgeschoben. -Der dritte, überaus bedeutungsvolle Markstein ist das Jahr 1885. Auch diesen Markstein verdanken wir der englischen Selbst überschätzung. Die sogenannte Merchanvise Bill ist von England zu dem Zwecke geschaffen worden, Vie Welt darüber zu belehren, daß zwar eine große Quantität fremder Maaren über den Erd ball verbreitet werde, daß aber Alle», waS gut soi, aus der eng lischen Industrie stamme. Zur höchsten Ueberraschung sah aber die ganze Erde nach dem Inkrafttreten jenes Gesetzes, daß sie bis her in »oller Gläubigkeit al» englische Erzeugnisse gekauft hatte, was in Wirklichkeit zu sehr viel billigeren Preisen in Deutsch land hergestellt war. Don hier ab daErt der eigentliche EroLerungszug der deutschen Industrie Über den ganzen Erdball. Die überseeischen Häuser, deutsche und fremde, begannen von jetzt ab, nicht mehr London, Manchester oder Liverpool al» die alleinigen Welthandelscentren anzusuhtn und sich an die ErzeuoungSsiätten der von ihnen ver trieben« Daaren zu wend«. Dieser Lhatsache ist e» anderer seits zu verdanken, daß die deutschen Handelshäuser bezw. die deutschen Großindustriellen ihrerseits anfingen, die ganz« Welt durch ihre eigen« Angestellten bereisen zu lass«. Der enorme Aufschwung per dmtschen HandelSgiffern im Ueberseeverkehr vom Jahre 1885 bi» zur Gegenwart redet darin eine so deutlich« Sprache, daß hier nächt» davon wiederholt zu werden braucht. ES kommt nun darauf an, festzustellen, wie Englund diesen Thatsachen gegenüber sich verhalt, oder ob es sie überhaupt er kannt hat. Die letztere Frage ist zu bejahen. Der Weg, den England in der Erkrnntmh d«S deutschen Wettbewerbe» gegangen ist, ist ihm vorgezeichnek worden durch di« Einbuße im Welt« haNdil-verkehre, in der WelthondelSschifffachrt und im Zinsge nuß au» überseeisch« Anlag«. Die beiden letzteren Momente soll« hott« nicht berücksichtigt werd«. Zu der Erkenntrviß der ersteren DhotsUche bat England ungefähr 10 Jahre gebraucht; nun erst hatte e» seinen eingefleischten Dünkel so wett über wunden, um an Mündung und Quelle den Urfach« de» deutschen Vorbringen» nachprforschen. Di« über die ganze Welt verbreitet« englischen Eonsuln, welche meist über eine hervorragend« GeschäftSkenntmß verfügen, insbesondere aber ihr« amtlichen Bereich ganz genau kennen, weil sie in demselben durchschnittlich dauernd bleiben, oder doch viel länger ansässig sind, al» die dmtschen Eonsuln in ihren Be reich«, sind sm dem JNhre 1898 beauftragt gewesen, dem Bor- dring« de» deutschen Handel» genaueste Aufmerksamkeit zu sch «km «nd über die in dm Absatzgebiet« Hervortretmd« Ur sachen zu berschten. In den englisch« LonsulatSberichten der Jahre 1898 bi» 1898 wird in jedem einzeln« und au» all« fünf Erdtheilen dem deutsch« Handel ein besonderer Paffu» gewidmet. Me betreffenden Äußerungen stimmen alles-rmmt überein. Da» Vordringen de» dmtschen Welthandel» Lafirt — wir fass« die malisch« Aeußerungen zusammen — nicht etwa auf der größer« Billigkeit deutscher Erzeugnisse, sondern auf der Qualität, der größer« Geschäftscoulan, der deutschen In dustriell« und de» dmtschen Kaufmannrstande», auf der größer« Loulanz st, der Abwickelung der Geldgeschäfte, insbe sondere aber auf dem Umstande, daß der deutsche Vertreter im AuSlande, der europäisch« sowohl wie der überseeisch« deutsch« HaNdlungSrrisende, in jrvrmFalle all« englisch« vertrete« bedeutend überlege« ist. Die Ursache dieser Ueberlegenheit beruht — immer «ach eng- — aus der größer« allgemein« Bildung end«, auf seiner größer« Sprach- Beweglichkeit. stachen find für un» von hervor- ' ire Schnelligkeit dm ungeheuren dorischer -andeüinter» de» deutsch« essen, oder gar der Interessen einzelner Industrien im über seeischen AuSlande durch Reisend« ganz vereinzelt. Der Verfasser dieser Zeilen hat noch von 1884—1893 unausgesetzt dieselben Klagen über den deutschen Ueberseeverkehr im Auslände selbst zu hören bekommen. Diese Klagen umfaßten die mangel hafte Coulanz, die geringe Anpassung an die im Auslande gang baren Muster, schlechtes Maß und Gewicht, schlechte Verpackung und zu geringe Vertretung. Wenn heute der englische Welthandel in seinen berufenen Vertreter» über den ganzen Erdball hin Aeußerungen, wie die oben wiedergegebenen, als Resultat seiner Beobachtung aufstellt, so liegt darin nicht nur die Erkenntniß der deutschen Gefahr, son dern auch ein Beweis «dafür, daß der deutsche Welthandel auf der Grundlage der deutschen Industrie einen Weg eingeschlagen hat, den er nicht mehr verlassen kann und welcher der deutschen Politik überseeische Bahnen gebieterisch vorschreibt. WaS früher von englischen Reisenden in Deutschland um Spottpreise ausgekaust und sowohl in England selbst, als auch über die Handelscentren im Auslande mit un geheurem Gewinn an den Abnehmer werter verkauft wurde, daS geht heute aus den deutschen Ursprungscentren zum sehr großen Theile direct an die überseeischen Centren und der gesummte ge waltige frühere Gewinn des Zwischenhandels fließt jetzt in die Tasche Les deutschen Industriellen und des «deutschen Arbeiters. Diese Thatsache kann nicht oft und dringend genug betont werden. Wir möchten jedoch nicht verfehlen, darauf hinzuweffen, daß England bei den erwähnten Berichten seiner Eonsuln nicht stehen geblieben ist. Es hat aus jenen Berichten den Punct heraus gegriffen, an dem man seinerseits mit Erfolg einsetzen zu können glaubte, nämlich die überlegene Ausbildung 'des deutschen kauf männischen Vertreters im Auslande. Seit jetzt drei Jahren, d. h. seit dem Jahre 1898, hat England durch seine Vertreter in Deutschland die deutschen Handelsschulen ganz genau tudiren lassen. Eine ganze Anzahl meist hervorragend guter Berichte über die deutschen Handelsschulen sind in England sogar mit dem Stundenpläne dieser Anstalten allen betheiliyien Kress« zugänglich gemacht wovden, um als Lehrmaterial für eine Umgestaltung der englischen kaufmännischen Ausbildung für die überseeischen Vertreter zu dienen. Die Thaisache muß als olche erwähnt werden, ohne daß man ihr große Bedeutung bei- zulegen braucht. Die Dhätigksit der Handelsschulen macht es nicht, sondern die allgemeine deutsche Erziehung, die von der englischen gänzlich verschieden ist. Wenn es sich herausgestellt haben wird, daß auf diesem Wege allein eine Rückeroberung des englischen Weltmarktes nicht mög lich ist, dann bleibt nur noch der Weg der B ru ta li st ru n g anderer Interessen in allen Gebieten übrig, in denen England durch positive Machtentfaltung Einfluß auszuüben vermag. Daß eine solche Brutalisirung eintreten Wird, dafür liefert uns die Zeitgeschichte die schlagendsten Beweise. Für England giebt es öinen Freihandel nur so lange, als der Welthandel englisch ist und die anderen Nationen für England arbeiten. Die gegen wärtige Selbstständigkeit des deutschen Welthandels nöthrgt Eng land von selbst zu einem anderen Wege, der durch offene oder versteckte Zollscherereien und sonstige Hemmnisse hindurch zur birecten Brutalisirung der Interessen seiner Wettbewerber führen muß, wenn diese nicht stark genug sind, sich eine solche Brutali sirung zu verbitten. Die französische Socialdemokratie als „Friedenspartei". L. Di« Nevanckerede, die der französische Kammerpräsident DeSchaael am Sonntag vor seinen Wählern gehalten, ist von dem französischen Socialdemokraten JauröS in der „Petite Mpublique" unsanft getadelt worden. „Genosse" ZaurLS knüpft an seinen Tadel die in jedem Sinne rhetorische Frage: „Wird e» un- nicht gelingen, endlich argen alle diese Besessen« eine große Partei de» Frieden» zu schaffen?" An» dieser Frage ersieht da» Central-Organ der deutschen Social demokratie, daß „auch in Frankreich* die Social- demokratie die einzige „zuverlässige" Friedens partei ist. Die Ueberfchwänglichkeit, die in einem derartigen Urtheil über jene AuSlafsung de» „Genoffen" ZaurLS zu Tage tritt, erscheint besonder- groß, wenn man sich erinnert, daß noch gar nicht so viel Zeit vergangen ist, seitdem „Genosse" ZaurSS selbst Revanchegedanken zum Vesten gab. Zn derselben „Petite RLpublique", in der jetzt der Kammer präsident DeSchanel von Zaurös wegen seiner Rcvanchcrede getadelt wird, in derselben „Petite RSpublique" hat JaursS am 4. September 1897 unter der Ueberschrift „Doppelte- Gesicht" einen Artikel veröffentlicht. Darin bekämpfte er die französisch-russische Allianz, „so wie Felix Faure und Zar Nicolau- sie verstehen", und führte au», welchen Sinn da französische Volk, wenn e- Herr der Republik gewesen wäre, dem franco-russischen Einverstäadniffe gegeben hätte. Frank reich müsse, so schrieb JaurSS, die politisch« Republik zur socialen umbildea, Rußland die politische Freibeit erobern, sich dem Solbstberrscherthum und der diebischen Bureaukratie za entziehen. Hieravf fuhr „Genosse" ZaurSS wörtlich fort: „Für dies« . . . Aufgabe de- Fortschritte» konnten sich die beiden Rationen gegen all« verrilthereten de» Dreibünde», gegen di« Urber- raschungen «ad Brutalitäten de» preußisch« Militaritmu» sichern. Und am End« einer so verftandeue» Allianz konnte da geistige Auge die gerecht« Wtederheran-gabe der Länderstreckeu schauen, auf die di« verstümmelte frau- z-fifch« Demokratie «in Recht hat. (Ät an baut ä'an« aUstmoo atnoi oompriaa I'mprit pouvuit entrovoir I« svets, rbparatioa» tarritoiiala» »nnqnäll« 4 ckroit l» ckSmoeratie kkw;aieo mntllte). Da» wäre der Sinn, d« da» Volk, wenn e» Herr der Republik grwestn wäre, dem franco-russisch« Einverständnisse ge geben hätte." Al» die vorstehende Auslassung in Deutschland bekannt geworden war, schrieb die socialdemokratische „Leipziger dolksztg." vollkommen richtig: „Ans stimr (JaurtS') Darstellung ergiebt sich, und es ist nützlich, dies »e-enitber abweichenden Lesarten feftzustellen, daß sich auch dl« franzsfifch,, Eocialisteu von dem Revanchegedaukea noch keine«»«-» losgelöst haben. Wenn Jaurö» als Endziel de» französisch-russisch« Bündnisses, auch wie er es sich vorstellt, die Wiedergewinnung Elsaß- Lothringen» betrachtet, so drängt sich die Frage auf: wie sollen dir verlorenen Provinzen durch die alliirten Nationen wiedergewonnen werden? Wie die Dinge liegen, doch allein durch die Entscheidung der Waffen, durch einen Krieg gegen Deutschland." Angesicht» dieser durchaus zutreffenden Beurtheilung des obigen Revancheartikels des „Genossen" JaurüS ist eS doppelt verfehlt, wenn der „Vorwärts" jetzt auf Grund einer an scheinend friedlichen Kundgebung deS französischen Socialisten- fübrer» die französische Socialdemokratie als die „einzig zu verlässige" Friedenspartei jenseits der Vogesen rühmt. ES gehört eine tendenziöse Leichtgläubigkeit sonder Gleichen zu der Annahme, daß „Genosse" Jaures in den letzten drei Jahren endgiltig zu einem entschlossenen Anhänger des Friedens sich „gemausert" habe. Und falls wirklich Jaurös eine solche Wandlung in sich für immer vollzogen baden sollte, so würden trotzdem die Hunderttausende französischer Socialdemokratcn über den Rachekrieg gegen Deutschland nicht anders denken, als „Genosse" Jaurös im Herbste 1497. Hierüber täuscht sich in Deutschland glücklicher Weise Niemand außer der Socialdemokratie und einem Theile der Demokratie. Der Krieg in Südafrika. —Telegramme aus Ossontein, dem Hauptquartier Roberts', bestätigen, daß die Boe.ren sich tm Lranjefreistaat in großer Stärke sammeln, um dem Vorstoß des Lord Roberts auf Bloemfontein Widerstand zu bieten. 5000 Boeren mit acht Kanonen nähmen eine verschanzte, langgestreckte Stellung östlich vou der Stellung des Generals French schon bei KovdooSrand Drift ein; French sei in Fühlung mit dem Feind. Robert»' Bestreben muß es sein, sobald wie möglich die durck die Boerenstaaten fübrende LängSbabn — am besten bei Bloemfontein — zu erreichen. Ist er dort, so darf er hoffen, daß der strategische Druck seiner Divisionen auSreichen wird, die Boeren zur Freigabe des Ueberganges über den Oranjefluß zu veranlassen. Gelangt er in den Besitz der Eisenbahn Springfontein-Bloemfontein, so ist er zu weiteren Bewegungen nordwärts befähigt. Aber erst dann. Stellte schon die Eisenbahn Capstadt-de Aar-Kimberley eine bedenkliche Linie für den Nachschub des gewaltigen Bedarfs der vordersten Truppen dar, so ist eine Etappenlinie GraSpan-JacobSdal-Bloemfontein (160 km) geradezu ein Unding, denn sie läuft ebne jede Deckung parallel zu der idealen feindlichen Front. Wollte sich Roberts nach Besetzung von Bloemfontein weiter und für längere Zeit auf die angegebene Linie stützen, so würde er, wie die „Köln. Ztg." auSfübrt, zu ibrer Sicherung mindestens 1'/, Divisionen in umfangreichen Befestigungsanlagen bedürfen. Dadurch würde sein eigentliches Operationscorps so empfindlich geschwächt, daß er den vereinigten Boereastreitkräften kaum noch die Spitze bieten könnte. So weit sich die Dinge auS der Ferne beurtheilen lassen, wäre eS für die Boeren gar nicht unvortheilhaft, wenn sie Lord Roberts ruhig die 80 km vom Paardeberg nach Bloem fontein vorrücken ließen und während dessen gegen seine rückwärtigen Verbindungen operirten. Von gleich günstigen Gelegenheiten zu derartigen, den Charakter der Boeren obendrein besonder- zusagenden Unternehmungen, wie sie dann geboten würden, weiß die Kriegsgeschichte nickt zu melden. ES hat allerdingS den Anschein, als ob auch auf dem südafrikanischen Kriegsschauplatz die alte Erfahrung von Neuem gemacht werden solle,daß diesiegreichenHeere mitunwiderstehlicher Gewalt die noch widerstandsfähigen feindlichen Heerbaufen direct in den eigenenWeg ziehen, aber nach den letzten,Meldungen aus dem Westen der Capcolonte dürfte der Krieg-plan der Boeren Beide-: Widerstand vor Bloemfontein und Bedrohung der feindlichen Rückzugslinie, einschließen. Unseren Mittheilungen im gestrigen Abendblatt fügen wir die folgende hinzu: * London, 7. März. (Telegramm.) Reuter'- Bureau meldet a«< Capstabt unter dem 6. dS. Mts.: Die Distrikte PrirSka und Senhardt sind für Gebiete des Orauje-FreistaateS erklärt worden. Fast di« ganz» Afrikander-Bevölkerung dieser Gebiet« ist aufständisch. Di»Bewegung breitet sich nach Victoria- West, Fraserbnrg «nd andere» Bezirken a«S. Die Zahl der „Rebellen" wird auf 3000 geschätzt. Die Streit macht der Aufständischen soll auf Carnarvon «arfchiren. (Wdh.) Wen« diese Meldung« zutreffen — und e- ist kaum daran zu zweifeln — so ständen wir vor der für Manchen überraschenden Thatsache, daß da- Eapholländerthum jetzt, »ach dem siegreichen Vordringen der Engländer erst recht dm Bolk-genossen in den Republiken die Treue zu halten «nv sich zu gemeinsamem Kampfe zu erheben, entschlossen ist. Eia solcher Feind im Rucken der englischen Streitmacht könnte abermals ein« Wendung der Dinge herbeiführen und alle Siegeszuversicht Albion- illusorisch mach«. Noch liegt die gerechte Sache nicht hoffnuug-lo- am Boden! Der »ntsntz Lndysmittz« ist Niemaadem ««erwarteter gekommen al- General Buller — wie er selbst »u- jetzt erzählt. Er glaubte den Feind entschlossen, ihm den Weg zu verleg«, und sandte Duudonald au-, nicht etwa, um al- Befreier in die belagerte Stadt rinzuzirhrn, sondern lediglich, nm zu recogno-ciren. D»ndo«ald aber bekam nicht eine» einzigen Boeren zu Ge sicht, «uv so ritt er mit den Seinen, immer sorgfältig aber umsonst »ach dem Feinde au-lugend, bi- er sich plötzlich den Vorposten Wbite'S gegenüber fand. Und so »eit «ar man beiderseits von der Wabrbeit entfernt, daß die Engländer fick hüben und drüben für Feinde hielten und fast beschossen hätten. Die Boereu hatten den Süden der Stad» ganz unbemerkt geräumt, hielt« aber noch alle Positionen im Norde», Westen, Osten und selbst im Südostru jenseits des Klipflusses. Von letzteren, d. h. dem Bulwana- berge, entfernten sie erst in der Nacht zum 2. März ibr schweres Geschütz. Daß Buller eS nicht einmal versuchte, sie darin zu stören und sich des „Long Toms" zu bemächtigen, beweist am besten, daß er sich nicht entfernt stark genug dazu oder gar zur Verfolgung des abziehenden Gegner» fühlte, und baß er nur mit dessen Erlaubniß in die völl jenem selbst geöffnete Stadt cingezogen, da» ändert an der Thatsache des effektiven Entsatzes nicht-, aber sehr viel an der idealen Tragweite der Thatsache. Auck heute ist von einer Verfolgung keine Rede, und man weiß zur Stunde in London nicht einmal, wo der Abziehende sich befindet, und in welcher Richtung er sich bewegt. Die einen der Correspondenten lassen ihn, wie natürlich, aber lediglich aus eigener Combination, nach den Freistaat-Pässcn, die anderen gen Glencoe und New castle ziehen, um dort den Widerstand zu organisiren Die Wahrheit ist einfach die, daß Buller'- Cavallerie ebensowenig im Stande einen Feind wie Joubert zu ver folgen, wie die Besatzung Ladysmiths noch an einen Ausfall denken konnte. Der Zustand der Garnison war nach den jetzt von allen Seiten kommenden Berichten ein weit trostloserer, als selbst die pessimistischsten Meldungen vorausseher ließen, und unverständlich bleibt eS nur um so mehr, weshalb die Belagerer unter diesen Umständen, die ihnen doch bekannt sein mußten, sich der zu Tode erschöpften Stadt nicht noch zu rechter H«it und im entscheidenden Augenblicke zu bemäch tig en und dadurch dem Kriege zum Tbeil wenigst en» eine andere Wendung zu geben wußten. Kenner de» Landes und der Boeren antworten darauf, daß die Weg nahme der Stadt in den Augen der Boeren gar keinen, den unvermeidlichen Verlusten gegenüber entsprechenden Werth gehabt hätte, und daß sie im vornhinein in ibrer großen Mehrheit von einer wirklichen Wegnahme Ladysmiths gar nicht geträumt. Dem sei nun wie ihm wolle. Jedenfalls haben sie in aller Ruhe und unbelästigt ihre Habseligkeiten, ihren ganzen Train und ihre Artillerie fortschasfen können und auck jetzt -leibt die Wahl de- nächsten Kampfplätze- ihnen rberlassen — nicht gerade ein besonders günstiges Omen für weitere englische Erfolge, so sehr auch numerische Ueber- macht und manche andere Dinge dafür sprechen, daß jetzt das Blatt sich gewandt. Man wird doch gut thun, die weitere Entwickelung der Dinge abzuwarten. Wie es in der Stadt Ladysmith auSgesehen, dafür sprech« schon die Preise der bescheidensten Lebensmittel während des letzten Monats: Alte Eier das Stück 4 eine Kartoffel ein und eine halbe Mark, 19 daS Dutzend, ein Tops Marmelade (sonst 60 ^s) einunddreißig Mark, condensirte Milch, das Blechbüchschen zehn Mark, Cigaretten eine Mark das Stück. Den eingeschlossenen Truppen fehlte es an Allem, selbst an Schuhwerk: viele derselben liefen barfuß, die meisten die Füße in Lappen gehüllt. Die gesammten Truppen der Garnison sollen südwärts, angeblich nach dem Mooiflußthale geschafft und dort verpflegt werden, bis sie sich erholt und entweder wieder diensttüchtig sind oder wenigstens nach Hause zurücktransportirt werden können, WaS leider bei einem großen Theil der Belagerten wird geschehen müssen. Die Cavallerie wie die Artillerie wird mit völlig neuen Pferden versehen werden müssen. Kurz, Vie belagerte Armee hat, mindestens vorläufig, aufgehört, eine Armee zu sein, und scheidet für längere Zeit, wenn nicht für immer, aus der Zahl der Comballanten auS. Wenn die „schlauen" Boeren das Resultat erreichen wollten, ohne ihrerseits Menschenleben zu opfern und daS Risico der Ernährung und Bewachung von zehn tausend Mann im eigenen Lande zu übernehmen, so haben sie ihrZiel vollständig erreicht. Und wer vermag heute schon zu sagen, wer von beiden der Klügere, der wirkliche Vortheil-Erringer war!? DaS ganze „Entsatzheer" Dundonald's bestand aus fünfzig Mann leichter Cavallerie, einhundert Natal-Freiwilligen (be ritten) und zwölf gleichfalls berittenen Natal-Polizisten, — eine Trnppe so klein, daß sie nicht durch eine Vorpostenkette de-FeivdrS hätte durchbrechen können, so wie dieser in seinen Schützengräben lag. Alle übrigen Truppen lagen noch, auf den Bericht der Eclaireure wartend, ruhig bei PieterS. Der Kampf um PieterS-Hill wurde ebenso offenbar gar nicht auf Boerenseite geliefert, um Buller von Ladysmith abzuhalten, sondern lediglich, weil Joubert Zeit gewinnen wollte, um in Ruhe die Belagerung aufbeben und sein Geschütz u. s. w. in Sicherheit bringen zu können. Selbst die Be lagert« ahnten nicht, daß die Boeren wirklich schon in vollem Abzüge begriffen waren, denn als sie Dundonald's kleine Truppe endlich erkannten, ließ White sofort seine Artillerie ihre letzten Geschosse über deren Köpfe hinweg gegen die längst geräumten Stellungen der Boer« werfen, um Dundonald zu schützen. Zn der folgenden Nacht brach «in furchtbarer Orkan über Stadt und Umgegend lo-, und am nächsten Morgen war von den Boeren keine Spur mehr zu entdeck« . . . d. h. soweit man sehen konnte. Auch Henle noch befindet sich das GroS des Duller'sche« HeereS zwischen Pieter» und Nelthorpe, ja ein Theil deffelbeß ist bereit- wieder über den Tugela zurückgegangen, was zä der Meldung geführt zu hab« scheint, Buller gedenke nicht weiter vorzugehen, und nur die Tugelalinie zu balteu, den Boeren e- überlassend, ob sie in Norvnatal bleib« oder zur Vertheidigung de- eigene« Herde- nach Hause sich wenden wollten. Aber da- ist vorläufig wenigsten» Speculation und Deduktion. Niemand außer den zuständigen Personen kennt den Feld«g-plan, wenn dieser in den Einzelnheiten überhaupt schon festgrlegt ist. Ladysmith selbst soll jedenfalls geräumt werden — mau wird bestenfalls einige der dominirend« Hügel besetzen, möglichst aber die strategischen Puncte der Umgegend halten. Die Freiwilligen sind bereits auf „vorläufigen Erholungsurlaub" nach ihrer Heimatb (Natal) entlassen. Wenn man dem Correspondenten der „Time-" cklaub« darf, so wäre General Zoubert bereit- westlich von Bloem fontein eingrtroffen und zieh« dort «in große- Herr zusammen.
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