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Verordnungsblatt der Kreishauptmaunschaft Bautzen als Koufistorialbehörde der Oberlaufitz. Amtsblatt der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, d->S Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingleichcn der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweise» Täglich abeod» mit Ausnahme der Sonn, uud Feiertage. «christleitung und Geschäftsstellet Bautz«. Innere Laumstraß« 4. Fernsprecher: Nr. bi. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis: Monatlich l Marl. Einzelpreis: 10 Psennige. Anzeigenpreis: Die üaespaltene Petitzeile oder deren Raum 15 Psennige, in geeigneten Füllen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die Zgespaltene Petitzelle 50 Pfennige. I2S. Jahrgang Nr. 2ZV Donnerstag, de« LS September 1S1V, abends. Das Wichtigste vom Tage. * Der Gesetzentwurf für die Pensions- und Hinter- bliebenen-Versicherung der Privat-Angestell ten ist im Reichsamt des Innern soweit fertiggestellt, daß dem nächst die Beratungen der preußischen Ministerialabteilungen be ginnen werden. * Der Entwurf der elsaß-lothringischen Ver fassung geht in den nächsten Tagen an das preußische Staats ministerium und von da zustimmendenfalls an die einzelnen Bundesstaaten. * Die hessischen Nationalliberalen unter der Führung des Freiherrn von Heyl wollen die Friedens pfeife mit dem Bunde der Landwirte rauchen. * Auf dem Magdeburger sozialdemokratischen Parteitage wurde die Besprechung über die badischen Budgetbewillige r, gegen die die schärfste Mißbilligung beantragt wurde, am Mittwoch zu Ende geführt, nachdem eine Dauerrede der „blutigen Rosa" einen Mordslärm herbeige führt hatte. Die Abstimmung ist heute. * Das große Lärmstück der Engländer, das Trauer- Lustspiel Helm naht sich seinem Ende. Der Gerichtshof beschloß bereits, den deutschen Leutnant nicht wegen des Ver brechens des Hochverrats (Spionage), sondern nur wegen der Uebertretung eines Verbots durch unerlaubtes Abzeickffien von Festungswerken in Anklage zu versetzen. * Die Franzosen haben die Brasilianer dadurch vor den Kopf gestoßen, daß der Marinepräfekt von Cher bourg den brasilianischen Kreuzer-Befehlshaber nicht empfing. * Wetteraussicht für Freitag: Abnahme der Bewölkung, kalt, Nachtfrost, kein erheblicher Niederschlag. * Ausführliches sieh« au anderer Stelle. Und Bebel sprach. Die Spannung, mit der alle Welt nach Magdeburg hin sah, ist gewichen. Man weiß jetzt, was die Genossen gegen über den aufrührerischen Badenern beschließen werden. Wohl wird das Getöse noch einige Zeitlang vermutlich anhalten, denn Arthur Stadthagen, Rosa Luxemburg, viel leicht auch Klara Zetkin und der Zehngebote-Hoffmann fühlen sicherlich das Bedürfnis, ihre Stimmen in der alten Elbseste ertönen zu lassen. Wenn man nicht dabei sein muß, kann mans ja ertragen. Zeitungspapier ist geduldig und revoltiert nicht, wenn man einen langatmigen Artikel überschlägt. Man hört überall, der „alte" Bebel habe mit geradezu bewundernswerter Frische gesprochen, aber wenn man von einigen mühsam aufgekratzten Witzen absieht, dann war doch das, was Bebel sagte, recht schwach, so etwas groß- vatermäßig. Ein sanftes Klagen, daß die Jugend von heute nicht mehr so läuft, wie das verständige Alter will. Dazu kommt, wie man das ja bei Bebel nicht anders gewohnt ist, viel Persönliches. Für Leute, die in den alten Streiter vernarrt sind, mag das ja ganz interessant sein. Kleine Histörchen passen ja auch vorzüglich zu dem geistigen Ni veau, das der Magdeburger Parteitag aufzuweisen hat. Aber wenn man Bebel nach seiner diesjährigen Rede für ein geistiges iumen erklären wollte, man täte ihm bitter unrecht. Und diesen Geist der Schwäche atmet denn auch das, was Bebel als Maßregel gegen die unartigen Badenser vorschlägt. Sie sollen nur noch einmal gehörig ermahnt werden, sie sollen ein Mißtrauensvotum erhalten, woraus sich ein in der Wolle gefärbter Genosse, einerlei ob Revi sionist oder Radikaler, verdammt wenig zu machen pflegt: aber sie fliegen noch nicht heraus. Aber das nächste Mal, wo sie wieder ein Budget bewilligen, da soll das Schreckliche ganz bestimmt geschehen. — Man kommt bei solchen Droh ungen zu dem Glauben, daß die unartigen Badener Buben nun gerade dem Parteitag eine Nase machen werden. Ganz bestimmt wurde Bebel eigentlich nur in der Ab lehnung des Blocks von Bebel bis Bassermann. Ein solcher Vorschlag kann auch nur von einem Ideologen, wie der Pfarrer Naumann einer ist, gemacht werden. Angesichts einer solchen deutlichen Absage grenzt es aber an Gehirn schrumpf, wenn rein demokratische Organe zuletzt noch an ein Zusammengehen der Sozialdemokratie mit dem Libe ralismus glauben. Bebel dankt dafür, sich auf solche Weise die Hände binden zu lassen, und gerade diese Teile seiner Rede zeigen etwas von seiner alten Energie. Im übrigen widerspricht Bebel sich manchmal selber. Den süddeutschen Genossen sagt er völlige Unkenntnis der preußischen Ver hältnisse nach, er sieht aber nichts darin, wenn er und die preußischen Genossen ihre Finger recht merklich in süd deutsche Verhältnisse stecken. Das ist der alte Bebel, un logisch wie ein Frauenzimmer, und dabei überzeugt, überall allein das richtige zu treffen. Demokrat vom Scheitel bis zur Sohle, der Mann der Freiheit, Gleichheit und Brüder lichkeit, aber wehe dem Genossen, der ihm widerspricht, drei mal wehe, wenn er es in anständiger und womöglich gar geistreicher Form täte. Ein Ludwig XIV. konnte sein T'Ltat e'est moi nicht so herausschmettern, wie ein Bebel sich noch heute für das Prototyp der Sozialdemokratie hält. Und wenn auch das Alter, und das Leben in Capua — da mit meint er München — sich fühlbar macht, wo es um seine persönliche Machtstellung geht, da wird er wie ein Leu fechten. Aber er ist nicht der Mann, wirklich die Masten zu führen. Einst hatte er sein Ziel, den großen Kladderadatsch. Es war eine Don Quixoterie sondergleichen, aber es war doch ein Ziel, wohin er führen zu müssen glaubte. Jetzt hat er erkannt, daß er ins Nebelland zog, und daß es doch wohl nur Wolkengebilde waren, die ihn äfften, als er von Ferne die Zinnen des sozialistischen Zukunftsstaates zu sehen glaubte. Er ist an seinem Glauben innerlich irre ge worden, aber er schämt sich, das unumwunden einzugestehen. Er wirft sich auf das Parteihistorische und bemängelt die Unkenntnis der Genossen darin. Aber solche Klagen sind immer ein Zeichen des Verfalls einer Bewegung. Und während der ehemalige Drechslermeister gegen den Revi sionismus zu Felde zieht, ahnt er nicht einmal, wie unge heuerlich er selber dieser Bewegung schon zum Opfer ge fallen ist. Aber den Revisionisten fehlt es auch an der füh renden Persönlichkeit. Da herrschen die Aestheten und die Streber, die einst aus dem national-sozialen Lager zu den Genossen hinüberglitten. Da gibt es keinen, der das hat, was allein den Mann macht, den Willen zur Tat, und solche Zeiten kannte doch einst ein August Bebel. Doch sind die Tage auch für ihn vorüber, dahin. Prentzens Ostmarkenpolitik. Es ist den Regierungen der drei Großmächte Preußen, Oester reich und Rußland, die das polnische Reich unter sich verteilt haben, zu danken, insbesondere aber Preußen bezüglich der von ihm erworbenen polnischen Landesteile, wenn ruhigere Verhält nisse und eine allgemeine bessere wirtschaftliche Lage der Bevöl kerung platzgegriffen haben. Handel und Wandel, Industrie und Landwirtschaft haben sich mächtig gehoben und haben den ehe mals fast vollständig verarmten Landstrichen neuen Wohlstand geschaffen. Damit aber haben diese Großmächte ein wohlbegrün detes Recht erworben, allen Bestrebungen, die auf eine weitere Ausbreitung des Polentums oder gar auf eine Abtrennung der polnischen Landesteile von ihrem Staatsgebiete abzielen, energisch entgegenzutreten und namentlich allen Versuchen — in welcher Form sie auch auftreten mögen — zur Wiederherstellung eines neuen Polenreiches einen festen Damm entgegenzusetzen. Das ist auch Preußens gutes Recht und seine Pflicht gegenüber dem das Deutschtum hart bedrängenden Polentum in den Ost- marken. Auf diesen Gesichtspunkten beruht die preußische Ost markenpolitik, ihnen verdankt das Ansiedlungsgcsctz sein Ent stehen. Es kann mit Genugtuung festgestellt werden, daß durch diese Politik nicht nur dem Vordringen des Polentums Halt geboten worden ist, sondern daß auch das Deutschtum langsam, aber stetig in den alten Ordenslanden wieder vorzudringen beginnt. Nach der dem Abgeordnetenhause in der verfloßenen Session vorge lt gten Denkschrift kommt das Besiedelungsergebnis des Jahres 1909 etwa der Gründung von 42 Dörfern mit je 1600 Morgen Stellenland gleich. Insgesamt sind von den bisher erworbenen Gebieten 309 822 Hektar mit 17 051 Ansiedlerfamilien mit 102 300 Köpfen besiedelt worden. In den Ansiedlergemeinden haben neben den Ansiedlern etwa 10 500 deutsche Arbeiter und Hand werker, auf den Ansiedlungsgütern etwa 9800 ihren dauernden Wohnsitz genommen. Diese Zahlen beweisen, daß die An- siedlungskommission tatsächliche Erfolge erzielt hat. Die Polen hatten in der bestimmten Absicht, das Deutschtum aus den Ost marken zu verdrängen, sich die Eroberung des flachen Landes zur Aufgabe gemacht, waren zielbewußt gegen das Deutschtum vorgegangen und hatten es Schritt für Schritt verdrängt. Dieser Polenbewegung ist nun durch die Maßnahmen der Ansiedlungs kommission ein gebieterisches Halt geboten und eine vorwärts drängende Gegenbewegung ins Werk gesetzt worden. Das An siedlungswerk hat aber auch erfreulicherweise zu einer beträcht lichen Stärkung des Deutschtums in den Städten geführt. Vor etwa 20 Jahren war in den Städten des Ostens eine starke Ab wanderung der Deutschen ganz allgemein. Sie war hervorge rufen durch den wirtschaftlichen Boykott, mit dem die Polen die deutsche Bevölkerung verfolgten. Deutsche Handwerker und Kaufleute konnten angesichts des von der polnischen Presse un aufhörlich gepredigten Boykotts nicht mehr ihren Lebensunter halt finden. Das ist in den Städten, wo die Ansiedlungskom mission ihre Tätigkeit entfaltet hat, ganz anders geworden. Die deutsche Bevölkerung hat dort um 32 v. H. zugenommen, während sic in einer Reihe von nicht durch die Besiedelung beeinflußten Städten auch weiter um über 5 v. H. abgenommen hat. Durch diese Zahlen wird das Wachsen des Deutschtums durch die Tätig keit der Ansiedlungskommission auch in den Städten außer aller Frage gestellt. In politischer Beziehung machen sich die gleichen Erfolge der Ansiedlung bemerkbar. In den Kreisen mit der in tensiven Tätigkeit der Ansiedlungskommission ist eine Zunahme der deutschen Wähler und eine Abnahme der polnischen Wähler um 3 v. H. festgestellt worden. Bei Vorlegung der Denkschrift über die Ausführung des An- iedlungsgesetzes im Abgeordnetenhause bezeichnete der konser vative Abg. v. Tilly das Ansiedlungswerk als ein in der Ge- chichte Preußens einzig dastehendes Kulturwerk allerersten Ranges, besten nachhaltige Fortsetzung gewünscht und verlangt werden müsse. Daß die Ansiedlung selbst unbestreitbare wirt- chaftliche Erfolge auszuweisen habe, beweise nicht nur das reiche Zahlenmaterial der Denkschrift, sondern auch der Umstand, daß die Nachfrage nach Ansiedlerstellen ständig im Wachsen begriffen sei. Der Regierung gebühre uneingeschränkter Dank für ihre ersprießliche Tätigkeit. Die Ansiedlungstommistion möge nur so fortfahren zu arbeiten wie bisher. Zu Nutz und Frommen des Deutschtums in der Ostmark müßten die Ansiedler und Groß grundbesitzer einig zusammenstehen im Kampfe gegen das Polen tum. Deutscher Heldenmut und deutsche Tatkraft haben in grauer Vorzeit die Ostmark heidnischen Barbaren entrissen und dem Christentum und deutscher Kultur erschlossen, und deutsch soll und muß auch die Ostmark immerdar bleiben. Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Sozialdemokratie und Scholle. Aus der Gartenstadt Düsseldorf lag dem sozialdemokratischen Par teitag der Antrag vor, dem Unterhaltungsblatt der Ge nossen „Neue Welt" eine Beilage für Haus-, Garte n- und Landwirtschaft beizulegen. Nachdem ein Ham burger Genosse sich gegen eine solche Beilage, weil zu teuer, ausgesprochen (dafür hat die Sozialdemokratie natürlich kein Geld), wandte sich Genosse Ryssel- Leipzig mit fol genden, für alle Nichtsozialdemolraten außerordentlich lehrreichen Ausführungen gegen den Antrag: „Auf der sächsischen Landeskonferenz hat Genosse Sindermann leb hafte Klage gegen die Schrebergärten-Vereinler und Sport- vereinler erhoben, und sämtliche Parteigenossen haben ihm darin beigepflichtet, daß alle Arbeiter, die sich der Garten kunst in den Schrebervereinen widmen, für die Partei ver loren sind." Genosse Ryssel nannte die Pachtung und Pflege eines Gärtchens eben so wie die Zucht von Kaninchen „Blätzchen" und hat von seinem Standpunkte aus gar nicht so unrecht. Der Treubund des Arbeiters mit der Scholle, die Liebe zu einem eigenen Heim ist der beste Niegel gegen sozialdemokratische Verführung, während die heimatent wurzelten Massen der hin und her flutenden Eroßstadt- bevölkerung Wachs in der Hand der revolutionären Wüh ler sind. Atan kann nur dringend wünschen, daß Industrie wie Landwirtschaft, Regierung wie Volksvertretung daraus die notwendigen Folgerungen ziehen! Sozialdemokratischer Ncichstagskandidat für Leipzig- Stadt. Eine sozialdemokratische Parteiversammlung des 12. sächsischen Neichstagswahlkreises (Leipzig-Stadt) stellte am 20. d. M. fast einstimmig (gegen 3 Stimmen) den Kaufmann und Stadtverordneten Max Cohen aus Frankfurt a. M. als Neichstagskandidaten auf, da sich die Funktionäre der Partei auf einen Leipziger Genossen nicht hatten einigen können. Der im Jahre 1907 gegen den nativnalliberalen Kandidaten vr. Junck unterlegene so zialdemokratische Kandidat Lagerhalter Lange konnte nicht wieder kandidieren, da er inzwischen in den sächsischen Landtag gewählt worden ist. Leipziger Stadtverordnetenwahlen. Die Termine für die Leipziger Stadtverordnetenwahlen sind vom Rate der Stadt in seiner letzten Plenarsitzung folgendermaßen fest gesetzt worden: für die dritte Abteilung der 27. Oktober, für die zweite Abteilung der 29. Oktober, für die erste Ab teilung der 1. November. Sozialdemokratischer Terrorismus. Der unglaubliche Terrorismus, den sozialdemokratische Arbeiter gegen Ar beiterkollegen, die nicht zu ihnen halten, ausüben, findet wieder einmal eine Illustration durch einen Brief, den ein Monteur an die „Leipziger Neuesten Nachrichten" geschrie ben hat und in welchem er die Leidenstage schildert, die er in einem Leipziger Betriebe durchmachen mußte. Er hatte die Stelle durch den Arbeitsnachweis der Industriellen zugewiesen erhalten, der seit kurzem von der Gewerkschaft der Metallarbeiter gesperrt worden ist, aber dessen ungeachtet von vielen Arbeitern in Anspruch genom men wird. Der Briefschreiber schickt voraus, daß er ein älterer, vielgereister Monteur sei, der im In- wie Aus land Bescheid wisse und Land und Leute kennen gelernt habe, so wie in Leipzig sei es ihm jedoch noch nicht einmal in Berlin ergangen, welches gewiß auch gut organisiert fei; die Leute seien da aber denn doch etwas anständiger. Hier auf fährt er fort: „Schon die ersten Tage wurde ich von meinen Herren Kollegen angerempelt; „die Jacke voll hauen", „Rotzjunge" von kaum 20jährigen Buben, „Streik brecher", „in Rücken fallen" und was dergleichen Schlag-