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nisten folgende Widmung ins Abendprogramm: „Meinem lieben Marcel, der durch sein herr liches Konzert mir endlich den Kontrabaß als Soloinstrument voll und ganz rehabilitiert hat. Zu meiner Freude - und zur Freude des Pu blikums I" Das Kontrabaß-Konzert besticht wie alle Wer ke Rubins durch unkonventionelle Rhythmik, großen Melodienreichtum und außerordent lich konzentrierte Organisation des themati schen Materials. Zusätzliche Erwähnung ver dient hier in erhöhtem Maße die Instrumen tation, die das trotz des Höherstimmens um einen Ganzton etwas tonschwache Soloinstru- ment deutlich aus dem Orchesterverband ^Ä^rtreten läßt. Durch die dementsprechend l^mmermusikartige Faktur und durch das Ver meiden allzu großer Tonballungen in der La ge des Kontrabasses erfährt schließlich auch die allgemeine Plastizität des Satzes eine ho he Steigerung. Im 1. Satz, der in freier Sonatenhauptsatzform gehalten ist, entwickelt der Kontrabaß zu nächst bruchstückweise das Hauptthema, das sich schließlich in der Art eines Schubertschen Liedbogens als breite, sangbare Melodie ent faltet. Ebenfalls noch zum Hauptthemenkom plex zählen eine graziöse, zwischen Walzer und ^Takt wechselnde Episode und ein Mar- cato-Gedanke des Solisten, der vom vollen Orchester kantabel weitergeführt wird. Es fol gen das wieder bogenförmig-liedmäßige Sei tenthema, dessen akzentuierende Begleitung es in die Nähe des bisherigen Materials weist, und ein kurzes Walzer-Scherzo. Ein Zitat des Hauptthemas leitet zur Durchführung, die von einer Kadenz des Solisten eröffnet wird. Der Reprise folgt eine Coda, in der Haupt- und Seitensatz einander durchdringen; die breite Kadenz und ein überraschender Pizzicato- Schluß runden sodann die Form. • Charakter eines „Nachtstückes" besitzt 2. Satz, der in erweiterter dreiteiliger Liedform steht und einen sanglichen Ruhepol darstellt. Der Kontrabaß eröffnet das Gesche hen mit einem „Lied von ferne' 1 , in welches die gedämpften Streicher einfallen. Das groteske Element wird von einem tändeln den Staccato-Motiv vertreten. Der beschleu nigte Mittelteil entpuppt sich durch immer expressivere Steigerungen als inhaltlicher Hö hepunkt der Aussage, bis die Reprise des Kontrabaß-Solos vom Beginn die Form run det. Mit einer Andeutung des grotesken Stac- cato-Motivs im Fagott endet der Satz. Gleichsam Scherzo und Finale in einem ist der 3. Satz, eine äußerst kunstvolle Kombination von Rondo und Sonatenhauptsatz. Zunächst erklingt das Rondo- bzw. Hauptthema, dem sich nach kurzer Umspielung das Seitenthema anschließt, welches gleichzeitig das erste Zwi schenspiel des Rondos darstellt. An den zwei ten Takt des Ritornells anknüpfend bildet der Kontrabaß einen dritten Gedanken, der durch sein punktiertes Kopfmotiv deutliche Verwandt schaft zum Hauptthema des 1. Satzes, aber auch zum Mittelteil-Gedanken des 2. Satzes aufweist. Alle Elemente werden nun wieder holten Variationen unterworfen, bis das 3. Thema schließlich hymnische Festlichkeit er reicht. Reprise, Kadenz (mit neuem, chanson artigem Thema) und kurze Coda beenden den abwechslungsreichen Satz mit effektvollem Elan. In allen Konzertsälen der Welt gilt Ludwig van Beethovens „Sinfonia eroica “ Es - Dur op. 55 als eines der popu lärsten sinfonischen Meisterwerke der musika lischen Weltliteratur. Die einzigartige Größe dieses Werkes ist breitesten Hörerschichten vertraut, die immer wieder begeistert werden von der Idee und dem wahrhaft revolutionä ren Kraftstrom dieser Musik. Fast legendär schon ist die Entstehungsgeschichte der Sinfo nie. Beethoven, noch aus seiner Bonner Zeit ein glühender Anhänger von Aufklärung, De mokratie und der Französischen Revolution, empfing 1798 von General Bernadotte, dem Wiener Gesandten der französischen Republik, die Anregung, ein großes Musikwerk zu Ehren des Revolutionsgenerals Bonaparte zu schaf fen und ihm zu widmen. Begeistert griff Beet hoven den Vorschlag auf, doch zögerte er mit der Ausführung so lange, bis die Werkidee einer ihm vorschwebenden Heldensinfonie mehr und mehr in ihm reifte, und er auch die technische Meisterschaft zu einem solch gro ßen Vorhaben besaß. Erst im Jahre 1801 sind Skizzen für den Trauermarsch und das Finale nachweisbar. Die genaue Konzeption und schließlich Ausarbeitung seines Projektes be gann Beethoven erst 1803 und beendete sie im Mai 1804. Zweifellos hatte der Meister in Bonaparte den ersehnten Freiheitshelden und Vollstrecker einer neuen gesellschaftlichen Ordnung gesehen, vermerkte er doch auf dem Titelblatt seiner neuen Sinfonie: „Geschrieben auf Bonaparte“. Doch als sich am 18. Mai 1804 der erste Konsul der französischen Repu blik zum Kaiser ausrufen ließ, tilgte Beetho ven, grausam enttäuscht über die Wandlung seines Idols zum Tyrannen, die Widmung und überschrieb das fertige Werk nun „Heroische Sinfonie, komponiert, um das Ansehen eines großen Mannes zu feiern“. Darin aber liegt auch die ganze programma tische Idee des Werkes begründet, das ganz allgemein „die Idee vom Heldentum eines von republikanischen Tugenden erfüllten gro ßen Mannes, in dessen Erscheinung sich Beet hoven die progressiven politischen und gesell schaftlichen Ziele seiner Zeit repräsentiert vorstellte" (K. Schönewolf), gestaltet, nicht et wa Episoden aus dem Leben Bonapartes. Erst mals ging Beethoven in der „Eroica" — als Konsequenz seiner revolutionär-demokrati schen Weltanschauung — von einer bestimm ten programmatischen Idee aus. Diese wieder um hatte zur Folge, daß er zu neuartigen künstlerischen Lösungen kam, ohne dabei die sinfonische Tradition aufzugeben. Dieses Neue, Epochale der schon rein umfangmäßig unge wöhnlichen 3. Sinfonie bewirkte auch, daß die Uraufführung des Werkes am 7. April 1805 im Theater an der Wien selbst bei den innigsten Anhängern Beethovens keineswegs auf voll stes Verständnis stoßen konnte. Ungewohnt aber erschien Beethovens Zeitgenossen nicht so sehr das scheinbar Maßlose einer bis dahin unerhörten „Musikentladung", sondern mehr noch die neue Ordnung dieser Sinfonie, die das bei Haydn und Mozart Gewohnte uner meßlich steigerte. Es war, kurz gesagt, die erst mals konsequent angewandte Technik der „durchbrochenen Arbeit", ein differenziertes Entwicklungsprinzip des thematisch-motivi schen Materials, das seinerseits zur Entfal tung neuer, erweiterter Proportionen bedurfte. Das sinfonische Schwergewicht ist auf die we sentlich erweiterte Durchführung, namentlich des ersten Satzes, gelegt; auch die abschlie ßende Coda hat an Profil und Bedeutung ge wonnen. Denkt man an Beethovens 1. und 2. Sinfonie, so werden die Unterschiede gegenüber der 3. deutlich: der beträchtliche Sprung vom Einfa chen zum Komplizierten in geistiger, formaler und instrumentatorischer Hinsicht. Die schrof fen Dissonanzen und wilden Ausbrüche, die unerwarteten Modulationen verleihen dem er sten Satz seine bestechende Wirkung. Einma ¬ lig in der gesamten sinfonischen Literatur ist wohl die Trauermusik des zweiten Satzes. Zum ersten Male voll ausgeprägt ist Beetho vens Scherzotyp im dritten Satz der „Eroica" mit seinen hartnäckigen Wiederholungen und dämonischen Steigerungen, die im Trio durch romantischen Hörnerklang unterbrochen wer den. Variationsform — zugrunde liegt das The ma eines Contretanzes aus Beethovens Bal lett „Die Geschöpfe des Prometheus" - und Kontrapunktik bestimmen schließlich die un gewöhnliche Anlage des Finales mit seinem tänzerisch sieghaften Ausklang. „Die .Eroica' ist und bleibt die höchste musikalische Ver körperung der Ideenwelt der bürgerlichen & volution, in vier ungeheuer plastisch ent^^B fenen Bildern", die ihre stärksten Kräfte cras den Fanfaren, Hymnen, Märschen und Liedern der Französischen Revolution ziehen (W. Sieg mund-Schultze). VORANKUNDGUNGEN: Mittwoch, den 18. November 1987, 19.30 Uhr (Freiverkauf) Kongreßsaal des Hygiene-Museums 2. SONDERKONZERT Zum 20jährigen Gründungsjubiläum des Philharmoni ¬ schen Chores Dresden Joseph Haas: Das Jahr im Lied Leitung: Matthias Geissler Chöre: Philharmonischer Chor und Philharmonischer Kinderchor Dresden Sonnabend, den 26. Dezember 1987, 19.30 Uhr Sonntag, Festsaal den 27. Dezember des Kulturpalastes (Freiverkauf) 1987, 19.30 Uhr (AL Dresden 3. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Volker Rohde, Dresden Solist: Lothar Strauß, Berlin, Violine Werke von Haydn, Mozart und Beethoven Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in das Kontrabaßkonzert von Marcel Rubin schrieb Hartmut Krones für die Amadeo-Schall- plattenproduktion des Werkes mit Ludwig Streicher und dem ORF-Symphonieorchester Wien unter Leif Segerstam. Chefdirigent: Jörg-Peter Weigie — Spielzeit 1987/88 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-63-87 EVP —.25 M 3. zyklu $ - K O M 2 ERT 1 ’87/ 88