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. HO I andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., r/I- /vzweimonatlich 1M. 50 Pf. und etmmmatltch 7b Pf. NMl Tagesschau. Freiberg, den 27. Januar. Die gestern unter Depeschen kurz mitgethcilte Verordnung des deutsche» Kaisers, das Verbot der Pserdeausfuhr be treffend, hat folgenden Wortlaut: „Wir Wilhelm, von GotteS Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reichs nach ersolgter Zustimmung des Bundes raths, was folgt: Z 1. Die Ausfuhr von Pferden ist über sämmtliche Grenzen gegen das Ausland bis auf Weiteres ver boten. Z 2. Der Reichskanzler ist ermächtigt, Ausnahmen von diesem Verbote zu gestatten und etwa erforderliche Konttol- maßregeln zu treffen. 8 3. Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündung in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigcnhändigen Unterschrift und bcigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben, Berlin, den 25. Januar 1887. gez. Wilhelm, ggez. v. Bismarck." — Von dem deutschen Kronprinzen wurde der deutsche Reichskanzler gestern Mittag zum Vortrag empfangen. — Der augenblicklich in Berlin verweilende japanische Prinz Akihito Komatsu No Miya nebst Gemahlin, und die Damen und Herren des Gefolges des Prinzenpaares, sowie der japanische Geschäftsträger rc., waren zu gestern Nachmittag von dem deutschen Kronprinzen paar zum Diner nach dem kronprinzlichen Palais geladen. — Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braun schweig, ernannte als Herrenmeister des Johanniter-OrdenS den General-Feldmarschall und Chef des Generalstabes, Grafen von Moltke, mit Zustimmung der Kommendatoren, welche am Sonnabend, den 22. d., an dem Ordenskapitel im Palais deS Prinzen theilnahmen, zum Ehren-Kommendator. Der Orden hat durch diese neue Ernennung nunmehr vier Ehren- Kommcndatoren, und zwar den Fürsten Bismarck, Herrn von Levetzow, Grafen Zielen-Schwerin und Grafen Moltke. — Wie die „Voss. Ztg." berichtet, ist bei den jüngsten erheb- Nachbestellungen sns die Monate Februar mW März werde« zum Preise non 1 Mk. 5« Pf. von alle« kaiserliche« Pssta«ftatten sowie von de« be kannten Ansgabeftelle« ««d der unterzeichnete« Expedition angerromme«. Expedition des Freiberger Anzeiger. »9. Iahrgaug. Freitag, Seu 28. Januar Inserate werden bis Bormittag 11 Ubr angenom- I men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile « ^OO G < oder deren Raum 15 Pst Die Rede Bennigsens. Der Wiedereintritt des Landesdirektors Rudolf von Bennigsen in das politische Leben wird besonders von den mittelparteilichen Fraktionen freudig begrüßt. Die Auseinandersetzungen, welche über die Reich Stag sangelegen - heilen erst in den letzten Tagen im preußischen Abgeordneten hause stattaefunden haben, ließen keinen Zweifel darüber, daß das Tischtuch zwischen dem deutschen Reichskanzler uud dem Zentrumsführer Windthorst zerschnitten ist, daß aber auch die konservative Partei sofort aufhören würde, einen regierungsfreundlichen Charakter zu tragen, wenn sie sich auf neue Verhandlungen mit dem durch und durch oppositionellen Zentrum einlassrn wollte. Bbg. Windthorst schloß am Dienstag seine Rede mit der Prvphezeihung, daß die Zeit schon kommen werde, wo man seine Partei wieder brauchen werde. Sollte sich diese Weissagung er füllen, so wäre das für Preußen kaum ein Glück, denn die Unterstützung, welche das Zentrum bei der Berathung des Zolltarifs im deutschen Reichstage geleistet hat, mußte durch so große Zugeständnisse im preußische« Abgeordneten hause bezahlt werden, daß Fürst Bismarck nach der Wieder holung derartiger Hilfeleistungen kaum lüstern sein kann, »tur der Erfolg und das kraftvolle Eintreten der ver bündeten Gemäßigt-Konservativen und Nationalliberalcn ist im Stande, der Reichsregierung jedes fernere Pakliren mit dem Zentrum zu ersparen und damit einem geradezu unna türlichen Zustande ein Ende zu machen. Wäre Rudolf von Bennigsen nicht voll und ganz davon überzeugt, daß Fürst Bismarck sich für immer von der klerikalen Partei abgewendet hat und jetzt ausschließlich von dm national liberalen und konservativen Fraktionen eine wirksame Unter stützung seiner Pläne erwartet, so würde der von dem poli tischen Gebiete einst unmuthsvoll abgetretene echtnationale und mittelparteiliche Staatsmann still auf seinen hannöver schen Gütern geblieben sein. Indem Bennigsen mit Ur. Miquel wieder die politische Arena betrat, bekundete er gleichzeitig volles Vertrauen zum deutschen Reichskanzler und die feste Hoffnung auf eine für seine Gesinnungs genossen wahrhaft günstige Wendung der inneren deutschen Politik. Unter solchen Umständen mußte man dem angekündigten Erscheinen Rudolf von Bennigsen's in der am letzten Sonntag stattgefundenm Landesversammlung der national liberalen Partei der Provinz Hannover mit Spannung entgegensetzen. In dieser von 2000 Personen besuchten Versammlung hielt der mit Jubel empfangene Staatsmann eine Ansprache, welche die Bedeutung einer vollständigen Programmrede hatte und einen tiefm Eindruck erzeugte. Darauf wurde folgender Anttag des Zentral-Wahlkomitees einstimmig angenommen: „Die Landesversammlung erklärt, in Uebereinstimmunb mit dem Aufrufe des Zentral-Wahl- komitees und der bisherigen einzelnen liberalen Mitglieder des Reichstages vom 16. d. M., ihre Zustimmung zu der von den Vorständen der nationalliberälen Partei, der deutschen Reichspartei und der deutsch-konservativen Partei getroffenen Verständigung über ein Zusammenwirken bei den diesjährigen Reichstagswahlen für den Zweck der Her beiführung von Wahlen solcher Männer, welche entschlossen sind, für das Septennat zu stimmen". Friedenspräsenz aus 7 Jahre durch diesen Reichstag nicht u erlangen sei. Die Sorge, welche angesichts eines solchen Zustandes das deutsche Volk ergreifen muß, kann keine ge ringe sei«; handelt eS sich doch hier nicht allein um die gesicherte Fortdauer der festen Grundlage unserer mili- ärischen Einrichtung, sondern um die Existenzbedingung für )en deutschen, schwer erkämpften Nationalstaat, für die Geltung der deutschen Natton in dem Rathe Europas. )ie Gefahren, wenn etwa der nächste Reichstag in ähn- cher Art diejenige Vorlage, welche ihm zweifellos unver ändert über das Militärgesetz zugehen wird, in ihrem esammten Umfange hinsichtlich der Zeitdauer für die friedenspräsenzstärke ablehnt, die Gefahren, die daraus ent- tehen können, sind für jeden Kenner unserer Geschichte und ür jeden Freund eines gesicherten Verfassungsledens in Deutschland keine kleinen In der ReichSverfassung findet ich die Bestimmung, daß über die Friedenspräsenzstärke ein Gesetz erlassen werden soll. Wenn im nächsten Früh- ahre, wo die gesetzliche Vorschrift aus dem Jahre 1880 über die Dauer von 7 Jahren für die damals beschlossene Friedenspräsenzstärke abläuft, was wird dann, wenn ein neues Gesetz über diese Friedenspräsenzstärke zwischen den verbündeten Regierungen und dem Reichstage nicht zu Stande kommen sollte? Darauf ist Niemand im Stande, an der Hand unserer Verfassung eine über allen Zweifeln erhabene Antwort zu geben. Die Verhandlungen im Jahre 1874, in welchen zum ersten Male daS sogen. Septennat hervorttat, die Aeußerungen namhafter Staatsrechtslehrer, die Erklärungen der Parteien und der Vertreter der Re gierungen Haven nur daS Resultat ergeben, daß darüber die verschiedensten Auffassungen herrschen. Ueber die Be- ügnisse, die aus der Reichsverfassung der Kaiser als Bundesfeldherr hat, über die Verpflichtungen, welche- nach der Reichsverfassung der Reichstag hat hinsichtlich der jährlichen Bewilligung der Gelder für das Militär, darüber gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Das Fehlen eines solchen Gesetzes in dem Augenblick, wo die Zeitdauer des früheren abgelaufen ist, stellt das deutsche Volk und seine Regierungen unmittelbar vor die Gefahr ernsterer Versassungskämpfe. Die Pflicht ist also vorhanden, Alles zu thun, um solche Kämpfe zu vermeiden; die Pflicht ist vorhanden, Alles zu thun, damit ein solches Gesetz über die Friedenspräsenzstärke nach Ablauf des jetzigen wieder zu Stande kommt. Die Aufforderung zu einer solchen Verständigung richtet sich allerdings nicht allein an den Reichstag, sondern auch an die Reichsregierung. Die Schuld des Scheiterns eines solchen Gesetzes auf Grund einer Verständigung der gesetzgeberischen Faktoren kann den Einen und kann den Anderen treffen, verhängnißvoll aber sind die Folgen in beiden Fällen" Der Redner schilderte hierauf die Vorgänge bei der zweiten Lesung der Militärvorlage im verflossenen Reichs tage und ging dann zurück bis auf das Jahr 1867, um einen geschichtlichen Nachweis über den Ursprung des jetzt in Frage gestellten Septennats zu erbringen. Er fuhr sodann fort: „Wenn irgendetwas in der Welt den Frieden erhalten kann, so ist es die militärische Stärke Deutsch lands. (Bravo.) Als Preußen resp. Deutschland ihre sieg- sammenaehen können wir sehr wohl mit den Konservativ« in einzelnen Punkten, verschmelzen können und wollen wir uns nicht (Bravo!), wir wollen eine liberale Partei bleiben und sie überwiegend eine konservative, daß ist meine Uebev- zeugung." Um etwaige Mißverständnisse zu vermeide«, wolle er konststtren, daß für das aufgeworfene Projekt von Tabaks- und Branntweinmonopol und von Rück- wärtsredigirung in der Verfassung unter den National- liberalen der Provinz Hannover keine Zustimmung zu finden sei. Mit Ruhe und Klarheit widerlegte Herr von Bennies« die den Gemäßigt-Liberal« von den mehr nach links stehend« Parteien gemachten Borwürfe, kennzeichnete dabei treffend dar unfruchtbare Wesen deS Radikalismus und be- wnte mit Stolz, wie dagegen viele Gedank« der Liberal« m die ReichSverfassung und die Reichsgesetzgebung aufgenomm« worden sei«. In Bezug auf die besonderen hannöversch« Verhältnisse sprach Bennigsen unter lautem Jubel der An wesenden seine feste Ueberzeugung aus, daß die Neigung, etwa auf Kosten Deutschlands durch französische Eroberung« und Beglückungen die früheren Zustände wieder hergestellt zu seh«, in dm Gemüthern der Hannoveraner im weiter« Umfange keinen Platz greifen könne. Von sich selbst sagte Herr von Bennigsen, daß er, nachdem er sich persönlich einige Jahre aus Gründm, der« nähere Darlegung ihm wohl erlassen werden würde, dm Parlamenten ferngehalt«, jetzt, wo er die Lage Deutschlands in seiner europäisch« Stellung sowie die weitere politische Entwickelung für sehr unsicher ansehe, seine Bereitwilligkeit erklärt habe, sich wiederum in den Reichstag wählen zu lassen. Nachdem er sich noch sehr entschied« für die Beibehaltung des gleichen allgemeinen Wahlrechts ausgesprochen, schloß er mit folgenden Worten: Meine Herren! Scheuen Sie die Mühe nicht, belehrend und aufklärend an die Massen heran« zutteten, die von den verschiedensten Seiten auf unerhörte Weise über ihre wahren Interessen getäuscht und darauf gemißbraucht werd«. Es giebt in unserer Partei Tausende von Männern, zu denen ihre Mitbürger Vertrauen hab«, mögen sie das Vertrauen benutzen; die Zeit ist ernst genug — Niemand soll jetzt fehlen. Zu viel werden wir kaum auf einen Schlag in diesem Wahlkampfe erreichen können, das Mögliche aber, um uns vor schweren Verfassungs kämpfen zu bewahren, um vor dem Auslande unsere Existenzbedingungen sicher stellen zu können, können wir erreichen, wenn Zeder an seinem Platze seine Schuldigkeit thut, und das wollen wir versprechen, daß wir sie alle thun werde«. (Lebhaftes anhaltendes Bravo.)" In der vorausgegangenen Rede Bennigsen's waren unter Anderm folgende, für die Wahlbeweguna bedeutsame Sätze enthalten: „Unter besonders schwierigen Verhältnissen geht das deutsche Volk diesmal an die Reichstagswahlen heran. Der Kaiser hat den bisherigen Reichstag aufgelöst nachdem die Reichsregierung aus der Absümmung in der »weiten Lesung und aus den Erklärungen der Parteiführe die feste Ueberzeugung gewonnen hatte, daß eine Mchrhc für die gesammte Vorlage einschließlich der Feststellung der reikrzerMz^ «nd Tageblatt. Amtsblatt für dir königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher RÄaktear: Juli»- Brau« i« Freiberg. reichen Kriege in den Jahren 1866 und 1870/71 geführt, hat nicht damals alle Welt erwartet, auch diejenigen Mächte, welche uns nicht feindlich gegenüberstanden, hier sei eine neue Macht in Europa ausgetreten, in vollem Bewußtsein ihrer militärischen Kraft, durch die gewonnenen Siege nur zu bereit, ihre Herrschaft noch auf weitere Gebiete in Europa auszu dehnen? Lange Jahre hat es erfordert, ehe die Friedens liebe unseres Kaisers und seines Kanzlers sich in Europa und bei den fremden Mächten das Vertrauen eroberte Jahre hat es gedauert, endlich aber ist diese Friedensliebe über allen Zweifel erhaben anerkannt, von Freund und Feind! (Bravo.) M. H. Dem 90jährigen Kaiser und seinem 72jährigen Kanzler ist es in wunderbarer Weise gelungen, über menschliches Hoffen und Erwarten hinaus, nach solchen furchtbaren Kämpfen, nach den Aufregungen, welche diese Kämpfe und ihre Folgen in die europäischen Zustände hineinwerfen mußten, uns schon 16 Jahre den Frieden zu erhalt«. Beispiellos in der ganzen menschlichen Ge schichte ist die Selbstbeherrschung, die Mäßigung und Weis heit von Fürsten und Negierungen nach solchen glänzenden Erfolgen gewesen." Herr v. Bennigsen äußerte sich hieraus ausführlich über die Unsicherheit der französischen Regie rungszustände und den Wunsch vieler Franzosen, die für Frankreich so gefährliche deutsche Kultur zu zertreten, und ließ sich dann über das Wahlkartell der deutschen regie-