Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.02.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050225023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905022502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905022502
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-25
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis t» tz« Ha«-trxprditt« oder der« L«SyaL»< pell« ab-eh-lt: vierteljährlich S.—, bet pvetmaligrr tü-Uch«r L«pell»»g st>SH«» 3.75. Durch die Post bezog« str De^sch- kmd ». Oesterreich vierteljährlich <ÜO, für di« übrig« Länder laut ZeitungSpreiLltste. Diese ««»»er steftrt <mf all« Bahahvf« und I II bei den ZeUuvgS-BerlLsferu I * «etattin» m»b «xstetzitt»« ISS Fernsprecher S22 Johannirgasse 8. H«lpt--KUt«le Dre-Aear Marienstratze 84 (Fernsprecher Amt I Nr. 1718). Hnupt-Filtale Berlin: karlDvucker, Herzgl-BayrHofbachhandlg^ Lüyowmatzr 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Nr. 103. Abend-Ausgabe. UtWigcr Tageblait Äintsbkatt -es Lömgl. Land- «n- -es Königs. Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates un- -es Ralizeiamtes -er Lta-L Leipzig. Sonnabend den 25. Februar 1905. An zeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen. GeschSst'sanzeigen unter Text oder an beionderer Stelle nach Tarif. Die 4 gespaltene Neklamezeile 75^. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Tie Expedition tst wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. ttr. V.. R. L W. Klinkhardt) 99. Jahrgang. Var MÄtigrlr vom rage. * Die Reichsbank hat den DiScont auf 3 und den Lombardzinsfuß auf 4 Proz. herabgesetzt. (S. Volks- wirtsch. Teil.) * Die preußischen Lotterievertraae mit Lübeck und den beide« Mecklenburg sind dem Abgeordnetenhaus« zugegangeu. (S. Dtsch. Reich.) * BeimDurchstich des SimploutunnelS wurde ein italienischer Ingenieur infolge der heißen Dämpfe ohnmächtig und starb bald darauf am Schlagfluß. (S. Aus aller Welt.) * Ein CommuniquL de- Wiener „Fremdenblattes" besagt: „Wie wir erfahren, wurden auf die Vorstellung des österreichischen Botschafters in Berlin in Angelegen heit der Aeußerung des preußischen Ministers v. R h ein- baben freundliche Aufklärungen erteilt, die in Wien völlig befriedigte«. (S. den Leitartikel). * Der Taotai Toug-tschao-yi, der als chinesischer Kom missar für die Tibetfrage irr Indien weilt, ist zum chinesischen Gesaudte« i« London ernannt worden. (S. Ausland.) Der polenlrlub. Am 22. November 1898 beriet daS österreichische Abge ordnetenhaus über die Verhängung deS Ausnahmezustandes in Galizien, wobei der Ministerpräsident Graf Thun die polnische Verwaltung und den Richterstand Galiziens in Schutz nahm. Am 29. November beantwortete der Ministerpräsident Anfragen der Jungtschechen, der böhmischen Feudalen und des Polenklubs wegen der Ausweisungen österreichischer Staatsangehöriger slawischer Nationalität aus Preußen oder dem Deutschen Reiche. Graf Thun erklärte im ersten Satz, es müsse wohl als ein „un bestrittenes Recht eines jeden Staates" anerkannt werden, fremde, mißliebige Elemente auf seinem Territorium nicht zuzulasse« und Niedergelassene auszuweisen. Dieses Recht stelle sich als ein Ausfluß der staatlichen Souveränität dar und habe auch in der österreichischen Gesetzgebung klaren Ausdruck gefunden, aber das Recht dürfe nicht i« der Weise gehandhabt werden, daß „gewissermaßen" ganze Kategorien und Klaffen der Bevölkerung eines fremden Staates ausgeschlossen würden. Der österreichische Ministerpräsident wandte sich dann indignierten Tones gegen Preußen, daS österreichische Staatsbürger über die Grenze befördert habe. Er war bundesgenoffenschaftlich genug, eine „flagrante Verletzung der völkerrecht lichen Grundsätze oder besonderer vertragsmäßiger Rechte" nicht behaupten zu wollen, aber er sprach von der „unleug baren Schärfe", mit der Preußen vorgegangen sei, und gegen die das Auswärtige Amt eine vermittelnde Tätigkeit bei der kaiserlich deutschen Regierung gerichtet habe. Sollte jedoch in der Ausweisung österreichischer Untertanen entweder eine Kränkung im Genüsse ihrer völkerrechtlichen oder vertrags mäßigen Ansprüche erkannt werden, so möge sich daS Haus von ihm, dem Hochgeborenen Grafen Thun, versichern lassen, daß er nicht zögern werde, „mit vollem Nachdruck" zu verfahren oder mit Gegenmaßregeln zu antworten. Die politischen Sitten de» Ministerpräsidenten wurden damals sofort von dem deutschen Abgeordnete« Groß gekennzeichnet, der dem ersten Minister auf den Kopf zusagte, er habe «ur sich der „hohen Majorität" sehr gefällig und gefügig erweise« wolle«; Herr Groß wagte daS Wort von einem „phgmäischen staatsmännischen Dilettanten", dessen Taktlosigkeit da» deutsch-österreichische Bündnis nicht erschüttern werde. Der deutsche Antrag, die Beratung über die Rede ThunS zu eröffnen, wurde von der Mehrheit abgelehnt. Im deutschen Reichstag glitt der Staats sekretär von Bülow hurtig über den Zwischenfall hinweg; er bemerkte, einMinister tue bester, kleinere Meinungsverschieden heiten mehr geschäftlicher Natur zwischen befreundeten und ver bündeten Staaten öffentlich nur in versöhnlichem Sinne nach reiflicher Ueberlcgung der Tragweite seiner Worte zu sprechen. Erst am 15. Dezember brachte, als der Graf Eulenburg in Wien ein kaiserliches Schreiben abgeliefert hatte, die „Wiener Abendpost" ein Communiqus, daS die tendenziösen Sätze des Grafen Thun als „tendenziös" ent schuldigte. Als zweiter Zwischenfall könnte eine Velleität des Herrn v. Dipauli gerechnet werden, der österreichischer Handels minister war, und den Peter Rutowski zu einer parlamen tarischen Anfrage über ein apokryphes Wort Wilhelms II. in Beirut reizte. Indessen ist viel gravierender der Zwischen fall vom Ende 1901 und Anfang 1902, als im galizische« Landtag ein Fürst CzartorySki über die Wreschener Angelegen heit eine lange Erklärung abgab, worin es heißt: „Die Vorgänge in Wieschen, die bis an Grausamkeit reich«, sprechen von Unbill und Bedrückung . . . Die Losung „Macht geht vor Recht" erdrückt alle menschlichen Gefühlt, und schmerz lichst und allgemein hat das ganze polnische Volk diese Verfol gung empfinden müssen, welches Volk, wiewohl politisch getrennt, nicht aufgchört hat, eine geistige nationale Einheit zu sein. Unsere Vertreter im Rcichsrate gaben dem allgemeinen beleidigten menschlichen und nationalen Gefühle gerechten Ausdruck..." Dieser Erklärung waren eine antipreußische ReichSratS- rede desselben Grafen DzieduSzycki, der jetzt die Autorität des Polenklubs darstellt, Unbilden gegen das deutsche Kon sulat in Lemberg, Boykott gegen deutsche Geschäfte vorauf- gegangen. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" wies am 1. Januar 1902 die Rede des Fürsten CzartorySki als eine „unbefugte, ungehörige ausländische Einmischung in inner- deutscheVerhältnisse" zurück und schloß: „Wir vermögen es nur aus einer Lüche in der Geschäftsordnung zu erklären, daß eine solche Demonstration ohne Widerspruch seitens der Negierungsorgane vor sich gehen konnte". Gleich gültig gegen solche Lektionen haben die galizische Presse, die jetzt von einem Einmarsch sieben preußischer Brigaden mit ten denziöser Frechheit fabelt, und der Polenklub ihren Haß auch von da ab nicht verborgen. Im Juni 1902 protestierte der Klub gegen die preußische Ansiedlungsvorlage, am 3. Juli 1902 wurde in Lemberg die antideutsche Feier der Erinnerung an die Schlacht bei Tannenberg veranstaltet, jegliche Art feind seliger Manifestation war erlaubt. Die Liste kann beliebig verlängert werden. Jedoch sie hat nur den einen Zweck, aus führlicher, als es im ersten Stadium notwendig war, zu be weisen, wie heuchlerisch und willkürlich das Ressentiment des österreichischen PolentumS gegen Preußen und das deutsche Reich selbst in der Affäre des Herrn von Rheinbaben arbeitet. Bisher hätte der Polenklub seinem Konto höchstens einige überflüssige, ungefährliche Worte des Herrn von Podbielski vom Jahre 1903, als Konto der Widersacher gegenüberstelleu können. Die Rede des preußischen Finanzministers ist an sich uner heblich; aber sie hat dem Polenklub das längst vermißte Gegenspiel zum Fall Thun verschafft, und dem Ansehen der NeichSregierung so wenig wie dem der preußischen Regierung kann es nützen, wenn in der „Neuen Freien Presse" bescheinigt werden muß, daß dem Minister „jede verletzende Absicht ferngelegen" habe. Belgravia", „Kanädia Der nlsrirch-japanische Weg. Ar» -en Schiffrverkänfen -er Hamburg- Änrerrka-Linle wird der „Frkf. Ztg." geschrieben: Die angeblich verkauften Schisse der Hamburg-Amerika-Linie sind: „Valesici", „Phö- nicra", „Palatia", „Assyria", „Belgravia", „Kanadia", „Castilia, „Granada, „Hernicia und „Numidia". Es soll sich um Scheinverkäufe an Rußland han deln; die Bemannung werde von der deutschen Ree derei gestellt, aber das Risiko bei einer möglichen Kaperung von Rußland getragen. Von -er Front. Die Petersburger Telegraphenagentur meldet aus Sache- tun: Nachdem gestern abend die Japaner den Hügel Beresnevsk angegriffen hatten, aber zurückgeschla- gen worden waren, erneuerten sie heute den Angriff auf der ganzen Front der Abteilung bei Tsinchenchen heftig mit überlegenen Kräften und zwangen die Russen, ihren Standpunkt auf dem Hügel Beresnevsk zu verlassen. Das Gefecht wurde auf beiden Seiten sehr erbittert geführt; das Ergebnis ist noch unbekannt. — Der „Daily Telegraph" meldet aus Sinminting: In der Nacht des 22. Februar näherten sich 200 Kosaken der Eisenbahnstation Liosawo, zwischen Sinminting und Kaopantze. Von einem Chunchusenlager, das in der Nähe war, fielen 1200 über die Ruffen her, die sie mit einem großen Verlust zurückschlugen. Die Kosaken, die nur zwei Verletzte hatten, gingen am Nach mittag wieder über Liao zurück. Vie Krisis in stusrlanO. Im Zeichen -er Lisenbahnerstreiks. Zwischen dem Verweser des Kriegsministeriums Sacha row und dem Minister des Innern Bulygin fand, wie aus Petersburg gemeldet wird, gestern eine Konfe renz statt, die durch die Ausdehnung des Eisen bahnerausstandes veranlaßt worden war. Es wurde festaestellt, daß angesichts dieser neuen Talsache es unmög lich sei, gegenwärtig nach den bedrohten Provisorien Truppen abzusenden. Auch in den baltischen Provinzen gewinnt die Ausstandsbewegung an Aus dehnung. Ein Regiment, welches von dort nach Peters burg berufen war, um anstelle eines unsicheren Garde regiments zu treten, mußte sofort zurückgesaud t-werden. Man fürchtet völlige Unterbrech ung des Verkehrs zwischen Wilna und Warschau und Eydtkuhnen, was einer völligen Unterbrechung der Verbindung Rußlands mit Europa gleichkäme. Eine kne letzten Depeschen vervoll ständigende Meldung aus Warschau lautet: Nach einem Telegramm des F i n a n z m l n i st e r s, daß die von der Direktion der Warschau-Wiener Bahn an genommenen Bedingungen bewilligt seien, hielten die Streikenden mit 25 Delegierten eine Sitzung ab, in der die Rückkehr zur Arbeit für heute früh 9 Uhr erklärt wurde. — Der StreikaufderWeichselbahn umfaßt alle Linien. Gestern wurde ein Militärzug nach Witebsk unter militärischer Bedeckung abgelaffen. Der gesamte Bahntelegraphendienst ist aufgehoben. Auf der Petersburger Bahn wurde der Betrieb ein gestellt. Nach einer Meldung der „Köln. Ztg." aus Katto - Witz hat die russische Regierung die Zollfrei- heit für die Einfuhr oberschlesischer Kohle, die am 24. Februar ablaufen sollte, um weitere vierzehn Tage verlängert. Wegen des Streiks nimmt die Warschau- Wiener Bahn noch kerne oberschlesischen Kohlensendungen an. Die Jwangorodbahn kann täglich wegen Arbeiter mangels nur 50 oberschlesische Wagen annehmen. Matzregelung -er „Rutz". Aus Petersburg wird gemeldet: Der Minister desJnnern entzog der Zeitung „Ruß" dieErlaubnis des Einzclverkaufs. In Warschau. Wie eine Depesche aus Warschau besagt, feuerte an der Ecke der Alexanderstraße ein Unbekannter Revolver- fchüsse auf zwei Polizisten ab und verwundete sie schwer. In 50 Fabriken wurden die Arbeits willigen zum Streik gezwungen. Vie Georgier in Vatu in. Nach einem Telegramm aus Petersburg bestätigt es sich, daß die Georgier in Batum erklärt haben, daß sie die Autonomie für ihr Land beanspruchen. Ein um fassender Waffenschmuggel herrscht an der Grenze, be sonders zwischen Polen und Oesterreich. Der „Malin" un- Tslftoi. Ein Redakteur des „Matin" befragte, wie er behauptet, den Grafen Tolstoi über seine Stellung zu den gegenwärtigen Wirren in Rußland. Tolstoi antwortete: Mir als chriit- Iichem Anarchisten sind die Einzelherrschaft und Volks herrschaft gleich antipathisch. Vom Semski Sobor, dessen Zustandekommen vor Ende des Jahres wahrscheinlich ist, kann man einen Abschluß dieser verdammenswerten Aera des allgemeinen Hasses nicht erwarten. Der russische Bauer weiß besser, was ihm frommt. Das Beispiel des kaukasischen Gouverneurs Kutai, wo nichts so gehaßt wird wie der Schnaps, wo 100 000 Einwohner, darunter 40 000 Mo hammedaner, eine Art Selbstverwaltung handhaben, zeigt den richtigen Ausweg. Aber bis zur allgemeinen Verständigung für diese grundlegende Neuerung wird noch vieles geschehen. Ich studierte die Palastrevolution von 1825. Damals wurde beschlossen, alle Mitglieder der Zarenfamilie zu ver- bannen, den Thronfolger ausgenommen, dem man diktieren wollte, was er zu tun habe. Wäre eine Palastrevolu- tion heute ausführbar? Ich halte sie für möglich, aber nicht für wahrscheinlich. Ueber alle diese Themen wie über den Krieg werde ich demnächst eine Arbeit veröffentlichen, dann aber wieder zu meinen lieben Erzählungen zurückkehren. politische cagerrchau. Leipzig, 25. Februar. Die ReichStagSnachwahl i» Hof hat mit dem glänzenden Siege des liberalen Kandidaten Dr. Goller geendet. Abschließende Zahlen liegen zur Stunde noch nicht vor; doch auch die bisher bekannt gewordenen Zif fern lassen erkennen, daß die bündlerischen Stimmen voll ständig zugunsten des Liberalen abgegeben sind. Im Ver gleiche mit dem Stichwahlergebnisse des Jahres 1903 hat die Sozialdemokratie rund 1500 Stimmen verloren, während der Liberale rund 1500 Stimmen gewonnen hat. Tas leitende Zentrumsblatt Ülayerns bemühte sich noch vor einigen Tagen darum, die bündlerischen Stimmen dem liberalen Bewerber abspenstig zu machen, indem es aus der bündlerischen „B aye- risch e n Rundschau" abdruckte, was letztere am 21. De zember 1904 geschrieben hatte. Damals äußerte das bayerische Bündlerblatt u. a.: „Für die organisierten Büudler im Wahlkreise Hof ist mit der Aufstellung der Kandidatur Goller die Marsch route, die sie zu nehmen haben, entschieden. Freisinnige und Sozialdemokraten finden niemals die Unterstützung der Vündler, und da Herr Goller zur ersteren Partei zählt, hat sich diese Frage von selbst gelöst." Das bayerische Zentrum wird mit aufrichtigem Schmerze die Wahrnehmung gemacht haben, daß die Bündler bei der Stichwahl dieser Parole nicht gefolgt sind. Handelsverträge u«d Wchrvorlage. In dem soeben erschienenen Märzheft der „Preußischen Jahrbücher" spricht Professor Hans Delbrück von dem Zusammenhang der neuen Handelsverträge mit der Wehrvorlage von 1893. An dem Wider stande gegen diese Vorlage, an dieser „ungeheuerlichsten aller Dummheiten" sei die liberale Partei zugrunde gegangen. „Die heutigen Handelsverträge sind in gewissem Sinne die Antwort auf jenes Verhalten der Liberalen bei der Armee reform 1893." Die „Vossische Zeitung" weist diese Auf fassung, für die jeder Beweis fehlt, mit Recht zurück. Die Nationalliberalen haben sich an Bewilligungsfreüdigkeit ge- wiß nicht von anderen Parteien übertreffen lassen, und trotz- dem sind die Handelsverträge derart ausgefallen, daß gerade diejenigen Kreise, aus welchen sich die natwnalliberale Partei vorzugsweise rekrutiert, am härtesten getroffen worden sind. Das Gleiche gilt von der treisinmgen Vereinigung. Der Gedanke des Professors Delbrück spitzt sich also schließlich dahin zu, daß die Handelsverträge industriefreundlich ge worden wären, wenn die freisinnige Volkspartei, die unter 397 Abgeordneten über 24 Stimmen verfügte, für die Wehr vorlage des Grafen Eaprivi gestimmt hätte. Die Delbrücksche Auffassung ist also vollständig, unhaltbar, und es ist durchaus unangebracht, irgendwelche Schlüsse: aus rcalpolitischcs Ver halten aus ihr zu ziehen. Englische Minister als Großgrundbesitzer. Das neue irische Landaesetz, das den Pächtern das Recht cinräumt, gegen Entrichtung entsprechender Jahres- Feuilleton. Frauchen. Roman von Felix Freiherr von Stenglin. Nachdruck verboten. „Was Wird Tante Lotte sagen I" vief sie endlich aus, sich zu Walter wendend. Da zuckte er die Achseln und fand einstweilen keine Antwort. Aber ganz behaglich war ihm bei dem Gedanken an Tante Lotte nicht zu Mut. Nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, sagte er: „Ich schreibe ihr's sofort." Tante Lotte mutzte soeben erst den Brief bekommen haben — am Nachmittage kam ein Bote von Waldheim und gab ein kleines Paket für Walter ab. Dieser ging damit in sein Zimmer und wickelte es auf. Es war nichts darin, als ein dicker hänfener Strick. * * * Zu derselben Zeit war Valeska auf dem Weg nach dem Bahnhof, um mit Otto Eichkamp einen Ausflug zu machen. Während sie so durch die Straßen der Stadt ging, sah sie immer noch die Szene mit -em Kuh vor ihren Augen. Wie lieblich hatte doch Agnes ausgesehen, als sie sich zu ihrem Manne hingeneigt und ihn auf den Hals geküßt hatte! Wie schamhaft und verlegen! . . . Otto Eichkamp wartete auf sie, um ihr sein Gut zu reifen. Niemand sonst wutzte darum. Valeska aber war gern auf Ottos Vorschlag eingegangen; wünschte sie doch mit ihni zu ruhiger Freundschaft zu kommen, und sie glaubte, daß dies am besten durch rege Teilnahme an den gegenseitigen Interessen erreicht werde. So konnte das Sachliche in den Vordergrund treten, und das Persönliche ließ sich dann wohl nach und nach zurück- drängen. Warum sie nur die Unruhe nicht los wurde! Ehe sie Otto begrüßte, sah sie sich um, ob auch kein Bekannter sie beide bemerkte, und gleich darauf schalt sie sich töricht, irgend jemanden zu fürchten. War sie nicht frei, und konnte sie nicht tun, was sie wollte? Trotzdem sie sich das sagte, lag eine gewisse Be fangenheit in ihren Mienen, als sie Otto die Hand reichte. Sie fühlte das und dachte: Wie dumm ich gewiß mit dieser lächerlichen Backfrfchmiene aussehe! Otto fand das gar nicht, ihn -og diese mädchenhafte Ver- legenbeit doppelt an. Er begann von unverfänglichen Dingen zu reden, von der Abfahrtszeit des Zuges, dem neuen, praktischen Bahnhof, von dem, was er Valeska auf seinem Gute zeigen wolle, — aber eine freudige Sicherheit lag in seinem Wesen. Als der Zug einlief, ging Otto am Zuge suchend ent lang. „Hier hinein!" sagte er schnell. Sie stiegen ein, der Zug setzte sich in Bewegung. Da bemerkte Valeska, daß sic allein lvaren. Sic saßen einander gegenüber am Fenster. Er gab ihr einen Plan, aus dem sie die Lage des Gutes ersehen konnte. Während sie darauf umhersuchte aoa er an seiner Serbe den Vorhang vor das Fenster. Warum er das wohl tut? dachte Valeska, während sie auf die Karte sah, ohne etwas zu erkennen. Das Gefühl eines hokden Rausches erfüllte sie. Sie bewegte sich nicht, schlug nicht die Augen auf und merkte doch alles, rvas er tat: daß er aus dem Fenster sah, die Gardine an dem kleinen Knopf befestigte, sich unruhig hin und her rvanidte. . . . Eine seltsame Schwäche, die doch so schön Ivar, hielt sie ganz in Bann. Un- jetzt — jetzt streckte er die Arme zu ihr aus, und da fühlte sie sich wie von unsichtbarer Macht gezogen, sie warf die Karte auf das Polster und kam hinüber zu ihm. Damit niemanld von außen sie bemerke — man fuhr zwischen Landhäusern und Vor werken entlang — und sie durch die vorgezogene Hälste des Vorhanges geschützt lvaren, mußte sie sich ganz an die Lehne drängen. Einen Augenblick fah sie unent schlossen auf seinen Stock, den er neben sich gelegt hatte, dann kniete sie auf 'das» Polster, gab ihm beide Hände und neigte sich zu ihm. Sie küßten sich. Seine Lippen berührten sie so sacht, da zog es wie ein Wonneschauer durch ihren ganzen Körper, die zarte Anfrage feiner Lippen veranlaßte sie zu einer leidenschaftlichen Erwide rung, und nun, da er dies mit Erstaunen und Jubel bemerkte, preßte auch er seinen Mund in leidenschaft lichem Verlangen auf den ihren. Sie mußten Atem schöpfen, so sehr hatten sie sich einander hingegebcn. Nun blickte er ihr tief in die Augen und sagte inbrünstig: „Ich liebe Dich, Valeska!" Sein ganzes Empfinden hatte er in diese wenigen Wort« gelegt. Tann überschüttete er ihr Gesicht, ihre Wangen, ihre Augen mit Küssen, als wolle er Besitz ergreifen von diesem Antlitz, von diesem ganzen Menschen. Und aber mals fanden sich ihre Lippen zu einem langen Kusse. Valeska dachte: Nur dieser eine Augenblick ist dir ja beschieden! Sie wußte kaum, wie ihr geschah. Sie merkte endlich, daß sie wieder auf ihrem Platz saß, ihm gegen über, daß der Zug hielt, und Otto sie an der Hand hinauszog. — Es war ein kurzer, schöner Weg, den sie nun durch das Torf machten. Die Frühlingssonne schien auf die grüne Saat, die Lerche sang hoch oben in der Luft, es klang Valeska wie ein Preis- und Tanklied in die Ohren. Nock) nxir sie ihres Willens nicht wieder Herr. Ein Gefühl hingehender Demut l>attc sie erfaßt, sie hätte dem Manne da neben sich sagen mögen, daß sie ibn anbcte, und sie sagte es ihm durch Blicke und versteckte Worte. Nach zehn Minuten Wanderung hatten sic den Guts hof erreicht. Ter Inspektor führte sie. Valeska hörte alles, sah alles, fragte nach allem, aber es war ihr, als wenn sie die Dinge um sich herum nur durch einen Scksseier sähe und die Worte ihr von tvcither ans Ohr klängen. So blieb es die ganze Zeit, bis sie gegen Mittag zurückfuhr. Als sie sich am Bahnhof von Otto vcrab- scküedete, sagte sie — noch immer mit einem freundlichen Lächeln: „Tas war auch eine Erkenntnis. Ich habe gesehen, wie leicht man sich hinreitzen laste» kann."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite