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Erscheint leben Wochentag «bcnd» L Uhr für den andern Lag. Preis vierteljähr, üch 2 Mark 25 Pf., »weimonatl. l WI. oO Pf. und ein- monatl. 75 Pf. Die Redaktion be. findet sich Rinnen, gaffe 96i. II. Et. MlltWrAWUI und Tageblatt. Inserate werden bi« Vor mittags I I Uhr für nächste Nr. anga» nommen u. die ge spaltene Zeile »d«r deren Naum mit 10 Pf. berechnet. Inserate sind stets an die Expedition, Frotscher'sche Buch handlung, zu senden. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Z 204. Freitag, den 3. September. 1875. Die Vorfeier des Sedanlages. Auf Einladung des Wahlvereins versammelten sich gestern Abend 8 Uhr die reichsfreundlichen Bürger unserer Stadt im großen Saale des Kaufhauses, um die Vorfeier des SedanfesteS zu begehen. Wohl gegen 800 Theilnehmer hatten sich eingefunden und nachdem die Klänge der Jubel- onverture von Weber die Versammlung begrüßt, eröffnete das Bundeslied: „Sind wir vereint zur guten Stunde rc." die Vorfeier. Gesänge und patriotische Borträge wechselten hierauf in ununterbrochener Folge. Den Neigen eröffnete Herr Advokat Täschner als Vorsitzender des Wahlvereins, indem er daran erinnerte, daß der Geburtstag des deutschen Reiches bevorsteht, den wir trotz Römlingen und sonstigen Widersachern als einen Nationalfesttag begehen. An ihm gedenken wir Derer, die mitgekämpft, vor Allem des Kaisers, der es dahin gebracht, Deutschlands ruhmreiche Stellung neu zu begründen. Neben ihm habe Se. Majestät König Albert als treuer Bundesgenosse rühmlichen Antheil an der Niederwerfung des deutschen Erbfeindes und der Er richtung des deutschen Reiches; darum gelte das erste Hoch dem Kaiser und dem König. Die Versammlung stimmte begeistert ein. Herr Ingenieur Breithaupt zeichnete in kurzen Worten die militärische Lage der beiden Armeen in den letzten Tage« des August 1870 und schilderte die Erfolge der großen Schlacht von Sedan. „ES war ein Erfolg, wie ihn bis dahin die gesammte Kriegsgeschichte aller Völker noch nicht aufzuweisen hatte. Wir müssen stolz sein auf diese Erfolge, denn deutsche Waffen haben sie errungen, wir können stolz sein, denn unser Heer vertheidigte nur das Vaterland gegen übermüthige Eroberungslust und unser Heer wurde geführt, wie bester keines je geführt ward und ließ sich führen, wie williger keines je sich führen ließ. Und doch legt sich auf die gerechte Festesfreude ein dunkler Schatten, wenn wir gedenken der Tausende von Brüdern, welche die feindliche Kugel dahingestreckt hat auf die Wahlstatt, der Tausende, die schwer verwundet in Hospitälern noch sterben mußten oder aus ihnen ver krüppelt oder mit gebrochener Gesundheit heimkehrten. Den Opfern jenes Kriegs bleibt das deutsche Volk zu ewigem Dank verpflichtet. Der Menschenfreund muß es tief bedauern, daß noch immer durch die Gewalt der Waffen entschieden wird, wer Recht oder Unrecht hat, trotzdem man von Völkerrecht spricht. Es scheint, daß die Menschheit noch Jahrhunderte wird warten und hoffen müssen auf »inen obersten Völkeraräopag, vor dem die Streitigkeiten der Nationen geschlichtet werden. Inzwischen müssen wir nothwendig zum eigenen Schutz ein großes, starkes, stets gerüstetes uxd schlagbereites Heer haben nnd halten. Dieses Heer verlangt große schwere Opfer. Wir wollen diese Opfer tragen, denn noch immer sind wir bedroht trotz unsrer Liebe zum Frieden. Wie es auch der Nachbar in Abend läugnen mag, er wird die erste ihm günstig erjcheinende Gelegenheit benutzen, über Deutschland herzufallen, um uns die ehrlich erworbene Kriegsbeute wieder abzunehmen. Wir wollen sie gern bringen diese Opfer, aber das Heer soll auch be denken, daß es aus dem Volke hervorgeht, daß es das be waffnete Volk ist, daß es nach gethanem Waffendienst wieder in das bürgerliche Leben zurücktritt; daß es nichts Besseres und nichts Schlechteres ist, als eben das Volk selbst. Auf Sie, meine Herren, die Sie den verschiedenen Kamerad schaften, Kriegerbünden, Militärvereinen angehören, die Sie Ihre Waffenpflicht zum deutschen Ruhm gethan und sich unsern Dank erworben haben, auf Sie berufe ich mich, Sie müssen eS bestätigen, daß Sie Söhne des Volkes und jetzt wieder in das Bürgerthum eingetreten sind. Aus voller Brust, von ganzem Herzem dem Heer, das uns gegen den äußeren Feind schützt, dem Heer, das, wenn es wieder nöthig werden sollte, wieder von Sieg zu Sieg geführt werde, das sich wieder wie 1870 u. 71 führen lasse, dem Heer, welches dem deutschen Volke die großen Worte zuruft: „Lieb Vaterland, kannst ruhig sein," diesem Heer ein donnerndes Hoch!" Herr Schneidermeister Braun: Wenn wir im Jubel über die Einheit und Größe unseres Vaterlandes den Männern Dank spenden, die unser ruhmreiches Heer von Sieg zu Sieg geführt, wenn wir Derer gedenken, die mit ihrem Herzblut eingestanden sind für die gute Sacke des Vaterlandes, so erfüllen wir eine heilige, nationale Pflicht. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, was das Volk mit seinem eigenen Willen, mit seiner eigenen Kraft zum Ge lingen des Ganzen beigetragen. Denn was ist die Weis heit der Staatsmänner, wenn das Volk nicht reif ist für ihre Ideen? Ja, machtlos sind die Noten der Diplomaten, mögen sie noch so geharnischt sein, wenn nicht hinter ihnen ein Volk steht, allzeit bereit, mit seiner ganzen Kraft ein zustehen für das, was in seinem Namen gesprochen und geschrieben wird. Was ist alle Kriegskunst der Feldherren, wenn tapfere, willige Streiter ihnen fehlen? Was aber vermag den Arm des Kriegers mehr zu stählen, sein Herz mehr zu entflammen, als das Bewußtsein, daß er kämpft für eine heilige, gerechte Sache, daß er kämpft für die Sache seines Volkes, daß Alle, die zu Hause geblieben, ihn mit ihren Wünschen, mit ihren Gebeten begleiten, daß Alle bemüht sind, um ihm die Erfüllung seiner schweren Pflicht zu erleichtern. Und das deutsche Volk hat redlich das Seine zur Erreichung dessen, was wir jetzt besitzen, beigetragen. Länger denn ein halbes Jahrhundert haben die Edelsten, die Besten unseres Volkes für die deutsche Einheit gekämpft und gestritten. Mit ihrer Existenz, mit ihrer Freiheit, mit ihrem Leben sind sie eingetreten für die gerechte Sache. Und ob auch einzelne, ob ganze Familien darüber zu Grunde gingen, immer neue Vorkämpfer erstanden dem Vaterland, bis endlich die Mehrheit des Volkes für die Idee gewonnen, für dieselbe begeistert war. — Und so kamen auch endlich die Staatsmänner herbei, um sich mit ihr zu befreunden, weil sie einsahen, daß sich das, was ein ganzes Volk aus dem Grund seines Herzens erstrebt, doch für die Dauer nicht aufhalten läßt. Dem Staatsmann, der jetzt noch die Geschicke unseres Vaterlandes leitet, war es Vorbehalten, das hinauszusühren, wonach Tausende vor ihm gekämpft und gerungen. So wurde er, der vorher so unbeliebte, in wenigen Jahren zum populären Mann in Deutschland. Doch nicht so leicht sollte uns die Sache werden. Dem bösen Nachbar war die Einheit Deutschlands ein Gräuel. Deshalb überzog er uns, noch ehe sie erreicht, mit Krieg, er rechnete auf die Uneinigkeit der deutschen Stämme, aber er hatte sich verrechnet, gewaltig verrechnet. Wie ein Mann stand das deutsche Volk auf und schaarte sich um seine Fürsten. Freudigen Herzens verließ der Kaufmann sein Komptoir, der Handwerker die Werkstatt, der Ackers mann den Pflug, um dem Ruf zur Fahne zu folgen. Und die, welche nicht selbst mitziehen konnten, thaten sich zusammen, um den Kriegern die Sorge uni Weib und Kind abzunehmen, um ihm das Leben im Felde zu er leichtern, um dafür zu sorgen, daß den Invaliden, den trauernden Hinterlassenen der Gefallenen eine auskömmliche Zukunft gesichert sei. Ja, mit hoher Befriedigung muß eS uns erfüllen, was das Volk mit seiner eigenen Kraft gethan Aber wir dürfen nicht denke», daß nun genug geschhen. daß wir nun die Hände in den Schooß legen können. Noch zählen ja die Feinde des Reichs im Reiche selbst nach Tausenden.^ Da sind die schwarzen Römlinge, die Anhänger des Sozialismus, die lieber heute als morgen die Hand axlegen möchten, um das Reich in Trümmer zu schlagen. Da sind die verkappten Feinde des Reichs, die es lieber gesehen hätten, wenn Frankreich gesiegt, wenn Preußen von der Führung Deutschlands zurückgedrängt würde, wenn wir die alten Zeiten des, wir wollen hoffen, für immer beseitigten Bundestags zurückerhalten hätten. Da gilt es treue Wacht zu halten, vor Allen zu wirken durck die Macht der Aufklärung. Ja lastet uns allzeit hochhalten die Fahne der Bildung und Gesittung, denn das war es ja, was uns ein so bedeutendes Uebergewicht über unsere Feinde gab. Lastet uns, im Ringen nach den materiellen Gütern, im Jagen nach den Genüssen des Lebens, nicht vergessen, daß wir höhere Pflichten haben. Lastet uns allzeit ein warmes Herz haben, für Alles, was das Vaterland, was das öffentliche Wohl angeht. Ja Mann an Mann wollen wir stehen hinter den Männern, die als Wortführer des Volkes mit zu rathen und zu thaten haben, über unser Wohl und Wehe. Denn wenn wir la« werden, da werden auch jene Mänxer, die so viel für uns gewirkt und gestritten, endlich müde und wir würden dahin kommen, daß die Geschicke unseres Volks ohne unser Mitwirken geleitet werden. Wir fielen dann zurück in die alte politische Ohnmacht. Doch wir dürfen wohl hoffen: das deutsche Volk, das schwere Zeiten hat durchmachen müssen, wird nun endlich mündig sein und wissen, was es zu thun hat zu seinem eigenen Besten. Und wer mit mir, hier in diesem weiten Raum denselben Glauben hat, den fordere ich auf: das Glas zu erheben nnd mit mir zu rufen: dem deutschen Vaterlande, dem deutschen Volke ein donnerndes Hoch! Herr Schuldirektor Richter: Wem sollte an einem solchen Abende, inmitten eines solchen Kreises von Männern, die gleiche Begeisterung erfüllt, das Herz nicht warm wer den und überströmen voll stolzen Gefühls? Könnte irgend eine Vorbereitung zu dem morgenden Feste schöner sein, als diese? Sind sicht alle einig und fest in dem Ge danken: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt? Allein der hohe Flug, den unser deutscher Adler genommen, verleitet manche sich einzuwiegen, als gebe es keinen Feind außer nnd in unsern Grenzen. Die Freude mag uns nicht hochmüthig werden lasten; gewiß ist es richtig: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, genieß es, um es zu besitzen." Das Genießen ohne That bringt uns wieder rückwärts. Was kann uns aber helfen? Unsere drei Nationalgüter müssen wir wahren, die uns überliefert sind von unser» Vätern. Das, was uns vor Hochmuth be wahren und helfen kann, faste ich zusammen in folgenden drei Worten. Zuerst ist es der Ausspruch eines alten ger manischen Häuptlings: „Ich glaube an meine eigene Kraft und Stärke," dann der Spruch Walthers von der Vogel- Weide: „Deutsche Zucht geht vor in Allem" und endlich ist es Luthers Wort: „Ein' feste Burg ist unser Gott." Wohl uns, daß unser deutsches Land wieder an seine eigene Kraft und Stärke glaubt und nicht mehr der Hilfe anderer bedarf; das kann aber dann nur bleiben, wenn der deutsche Mann sich seiner eignen Kraft und Stärke bewußt wird und dar nach handelt, unbeirrt von Einflüsterungen, wenn die deutsche Frau die Zucht erhält und wenn der deutsche Glaube unerschüttert bleibt von Unglauben und Aberglauben. Dem Manne, der an sich Kraft und Stärke bewahrt, der Frau, die da die Zucht in sich trägt und in ihrer Familie ver körpert und dem deutschen Volke, das seinen Glauben be wahrt, ein dreifaches Hoch. Herr Ingenieur Gies eck er gedachte der deutschen Frauen, die als Samariterinnen Liebeswerke auf den blutigen Schlachtgesilde vollzogen und mit Aufopferung sich der Verwundeten und Sterbenden angenommen habe. Ihnen brachte Redner ein dreimaliges Hoch! Herr Gymnasiallehrer Kallenberg: Der gemeinsame Gedanke, das bedrohte Vaterland zu schützen und den über- müthigen Feind in die gebührenden Schranken zurückzuweisen, sei es gewesen, der unsere Söhne im Jahre 1870 begeisterte und von Sieg zu Sieg führte. „Großes Werk gedeiht nur durch Einigkeit" — dieses wahre Wort fand am 2. September seine welterschütternde Bestätigung. Fragen wir, ob diese Einigkeit uns Deutsche zu allen Zeiten aus zeichnete, so sei die Antwort nicht befriedigend. Redner will nicht an der Hand der Geschichte in vergangene Zeiten zurückgreifen, ein Blick auf die Verhältnisse unserer Tage genüge, um zu zeigen, daß wir in dieser Hinsicht noch viel zu lernen haben. Haben die Führer der Sozialdemokratie das gemeinsame Interesse im Auge? Gedachten die Gründer an das Wohl ihrer Mitbürger? Und ist in engeren und weiteren Kreisen keine beschränkte Gesinnung, keine Eng herzigkeit mehr vertreten? Wenn es das Wohl des Ganzen gilt, soll jeder Einzelne vergessen, daß er einem besonderen Stand angehört; er soll nicht bedenken, wer und was er ist, sondern wie der gemeinsame Fortschritt zu erzielen sei, Nur dad«rch wird Dauerhaftes geschaffen, Große- in Staat und Gemeinde erreicht. Daß dieser Sinn für Gemeinsam keit im Bewußtsein der Bürger unseres Vaterlandes und unserer Stadt mehr und mehr erblühe, müsse der Wunsch jedes Baterlandsfreundes sein. Darum fordere er die Ver sammlung auf, dieser echten Bürgertugend, dem bürger lichen Gemeinsinn, ein dreifaches Hoch zu bringen. Unter den weiteren Rednern knüpfte Herr Korbmacher meister Richter an den Quartett-Vortrag: „O Sonnen schein rc." den Wunsch an, daß der Sonnenschein der Bildung nnd Gesittung immer mehr im deutschen Vater lande aufgehen und die Nachtfalter nicht aufkommen lassen möge. — Herr Lithograph Wießner brachte ein Hoch auf den Wahlverein, welcher durch die Vorfeier des Sedantages sich den Dank der Bürgerschaft erworben habe. — Herr Fleischermeister Roscher betonte die Nothwendig keit, in politischen Dingen den Jndifferentismus abzulegen, damit ein Jeder nach seiner Kraft zur „Wacht am Rhein" werde. — Herr Ingenieur Gisecker endlich mahnte an das Wort: „An's Vaterland, das theure, schließ dich an rc." und schloß mit einem Hoch auf die deutsche Treue. Sämmtliche Reden fanden in der Versammlung begeister ten Widerhall, wie denn auch die gemeinsamen Festlieder, sowie die Vorträge der anwesenden Gesangvereine, als end lich auch das wirkungsvolle Eingreifen und Mitwirken des Stadtmusikckors der Vorfeier einen herrlichen Festcharakter gaben. Herr Advokat Täschner erklärte nach 1> Uhr die Feier für geschlossen und mit einem nochmaligen Hoch auf's deutsche Vaterland verließen die Theilnehmer in gehobener Stimmung den Saal. Tagesschau. Freiberg, den 2. Septbr. Wie von mehreren Seiten gemeldet wird, soll der Fürst von Montenegro als Bevollmächtigter der Aufständischen die Verhandlungen mit den von den europäischen Mächten entsendeten Konsuln führen. Für den Augenblick könnte dies nur befriedigen, da bis jetzt die Delegirten der Groß mächte in der That nicht wissen, mit wem sie eigentlich im Namen der Insurgenten zu unterhandeln haben. Wenn sich aber die Vermittelungsversuche zerschlagen sollten, was durchaus nicht außer dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit liegt, so wird der Herrscher von Montenegro, sofern er die „Führerschaft der Insurgenten" bei dem diplomatischen Feldzuge in der That akzeptirt, kaum zurück können von