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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Vttendorf-Gkrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »an Inseraten bis vormittag Uhr. Inserate werden mit Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 109. Freitag, den 11. September 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Gkrilla, ,0. September 1903. — Noch hängen die Bäume und Sträucher voll Laub, aber das Grün zeigt lange nicht mehr die Frische, wie zur Zeit, da die Nachti gall in seinem Dunkel sich barg. Auf Wiese und Feld, am Wegrande grüßen die letzten Blumen; aber die welk niederhängenden Blätter erwecken in uns die wehmütige Mahnung, daß des Sommers Herrschaft zu Ende geht. Der Wald schickt sich an, ein buntes Kleid anzu legen, bald wehen die Herbststürme über die kahlen Felder, und ein großes Rauschen geht durch die sterbende Natur. — Reifes Obst ist ein Universalmittel zur Erhaltung der Gesundheit. Weintrauben reinigen das Blut, Pfirsiche bekämpfen schlechte Ver dauung und verdorbenen Magen. Äpfel, be sonders gekocht, sind für Kinder nicht zu ent behren zur Erhaltung einer guten Verdauung. Der Säst der Tomaten übt einen günstigen Einfluß auf die Leber und Därme aus, der Melonensaft vertreibt Fieber und Niercnkrank- heiten, Brombeer-Gelee beseitigt Husten, gekochte Pflaumen sind Skrophulösen sehr zu empfehlen und Zitronensaft in warmen Kaffee geträufelt, hilft gegen Kopfschmerz. — Die Rekruten usw. im zwölften Armee korps werden an folgenden Tagen eingestellt: Am 1. Oktober die Rekruten für die Bezicks- kommandos, die als Ökonomiehandwerksr und Militäranwärter ausgehobenen Rekruten; am 3. Oktober die Rekruten für die Kavallerie, reitende Artillerie und Train; am 15. Oktober die Nekrutten für die Regimenter 101, 103, 108, 177, 178, Feldartillerie-Regimenler 28 und 64; am 16. Oktober die Rekruten für die Regimenter 100 und 102, Feldartillerie-Regi menter 12 und 48, Jäger-Bataillone 12 und 13, Pionier-Bataillon 12. Hierbei sei darauf hingewtesen, daß alle Rekruten verpflichtet sind, vor ihrer Einstellung ein etwa gegen sie schwebendes Gerichtsverfahren der zuständigen Militärbehörde anzuzeigen. Sie werden ge gebenenfalls nicht eher eingestellt, als bis die Strafsache einschließlich der Strafvollstreckung erledigt ist. Unterlasten sie die rechtzeitige An zeige, so werden sie bei einer gegen sie er folgenden Verurteilung behufs Verbüßung der Strafe wieder entlasten, gleichviel, wie lange sie alsdann bereits gedient haben. Jin nächsten Jahre werden sie dann erneut ausgehoben, ohne daß ihnen die voraufgegangene Dienstzeit an gerechnet wird. Cunnersdorf. Bei der am vergangenen Sonntag stattgefundenen Inspektion der frei willigen Feuerwehr waren die Branddirektoren Naumann-Tharandt, Milker-Cotta und Haupt mann Hänsel-Klotzsche anwesend. Der Wehr konnte in Anbetracht der Schnelligkeit, mit welcher die Übungen ausgcführt wurden, bei der im Gasthof staltgefundenen Kritik die Zensur I erteilt werden. Ein gemütliches Beisammen sein mit nachfolgendem Tanz hielt die ver schiedenen von auswärts eingetroffenen Wehren bis in die späteren Stunden beisammen. Königsbrück. Der Wirtschaftsbesitzer Wil helm Zschippke hat sich, nachdem er Montag vormittag wieder eine Menge Alkohol getrunken hatte, jedenfalls im Delirium tremens den Tod durch Erschießen gegeben. Seine ihm am 2. August d. I. angetraule zweite Frau be drohte er nachmittags am genannten Tage wiederholt mit Erschießen, sodaß diese mit ihren Kindern fliehen mußte. Gegen 6 Uhr nach mittags ertönten zwei Schüsse. Der eine Schuß war in die Schläfe, der zweite in die Hirn schale abgegeben und war der Tod darauf so fort eingetreten. Die Leiche wurde noch am selben Abend in die hiesige Totenhalle gebracht. Zschippke stand im 41. Lebensjahre. — Der Montag nachmittag gegen 4 Uhr von der hiesigen freiwilligen Feuerwehr signali sierte Brand war im Laußnitzer Staatsforst an der Straßen-Kreuzung Tauscha-Sacka ausge brochen. Obwohl das Feuer schon ziemlich um ich gegriffen hatte, konnte es durch herbeieilende Löschmannschaften bald überwältigt werden. Wäre man aber nur kurze Zeit später an der Brandstelle eingetroffen, so hatte das Feuer die niedere Waldung ergriffen und eine Rettung dürste dann fast ausgeschlossen gewesen sein. Unmittelbar bei dem Brandherd befand sich eine Lagerstatt, welche jedenfalls von Zigeunern oder Strolchen herrührt. Diese dürften wahr- cheinlich die Urbeber dieses Brandes gewesen sein. Klotzsche. Ein höchst aufregender Vorfall ereignete sich am Sonnabend in dem Güntherschen Steinbruch bei Klotzsche. Dort erschien in der 5. Nachmittagöstunde eine Bauarbeitersehefrau mit ihren beiden Kindern im Alter von 2^/s und 5 Jahren, um sich und diese in der Waster- grube des Steinbruches zu ertränken. Sie be- and sich bereits mit dem jüngsten Kinde, einem Mädchen, im Master, als Leute durch das hef tige Weinen der Kinder auf den Vorgang auf merksam wurden und herbeieilten. Den fünf sihrigen Knaben hatte die lebensmüde Mutter einweilen noch am Ufer zurückgelasten. Als Motiv zu der Tat giebt die Frau an, die Miß handlungen, die sie sowohl wie ihre Kinder von ihrem Manne zu erdulden habe, nicht mehr länger ertragen zu können. Die be dauernswerte Frau ist erst 28 Jahre alt, machte aber infolge des erlittenen Harms einen viel älteren Eindruck. Jetzt dürfte sie sich noch wegen Mordversuchs vor dem Strafrichter zu verantworten haben; ihre Einlieferung an das königliche Landgericht ist bereits erfolgt- Dresden. Eine unliebsame Entdeckung machtö das Publikum am Montag am neuen Bismarckdenkmal, als der Rat die Berge von Lorbeerkränzen und Blumem wegbringen ließ. Das Denkmal enthält in goldenen Lettern die Worte: „Zur Erinnerung an den 22. Juni 1893, da der Größte einer großen Zeit hier weilte usw." In der Tat weilte aber Bismarck am 18. Juni 1892 in Dresden und nahm die Huldigung der Bürgerschaft entgegen. Am 19. Juni reiste er nach Wien. Ob Robert Diez, der Schöpfer des Denkmals, oder Wallot, der den Unterbau entworfen hat, oder ein anderer den Schnitzer gegangen, ist natürlich noch nicht erwiesen. Radeberg. Einen jähen Tod durch einen bedauerlichen Unglücksfall erlitt in Langebrück das dortige langjährige Gemeinderatsmitglied, der Maurer Schmidt. Infolge eines Schwindel anfalles stürzte er die Treppe zu seiner Be hausung herab und erlitt dabei so schwere Ver letzungen, daß er sofort verstarb. Großenhain. Ein weithin sichtbares Feuer loderte plötzlich bei Okrilla empor. Dort brannte aus unbekannter Ursache eine ziemlich große Feime nieder. Der Feuerschein war in großem Umkreise zu sehen. Oederan. Aufsehen erregt hier die Ver haftung des Kirchners Fiedler, welcher Unter schlagungen an der Kirchenkasse begangen haben soll. Das Defizit wurde ' durch den Kassen revisor aufgedeckt. Mylau. In der im Göltzschtale gelegenen Kuustmühle von Kipfel brach Dienstag morgen, als die Arbeiter frühstückten, ein verheerendes Schadenfeuer aus, das die ganze Mühle in Schutt und Asche legte. Es sind gegen 1000 Sack Mehl verbrannt. Das Feuer soll von selbst entstanden sein. Vor 12 Jahren brannte auf derselben Stelle die Alte Mühle ab. Den Feuerwehrmannschaften gelang es nach großen Anstrengungen, das Wohnhaus zu retten. Der Besitzer hat alles versichert. Burgstädt. Einem bedauerlichen Unglücks falle ist das zweijährige Söhnchen des Schneiders Matthes hier zum Opfer gefallen. Um Warzen zu vertreiben, hatte ein bei Matthes wohnendes Mädchen diese mit Scheidewasser betupft und sodann das Fläschchen auf das Fensterbrett ge stellt. Bald entdeckte der Knabe die Flasche, bemächtigte sich ihrer in einem unbewachten Augenblick und trank daraus, ehe man es ver hindern konnte. Trotz sofortiger ärztlicher Hilfe war der Knabe nach wenigen Stunden eine Leiche. Meißen. Am Sonntag nachmittag wurde hier, wie das dortige „Tageblatt" berichtet, an der Straßenkreuzung Hohlweg-Nossener Straße von einem Radler eine ganze Familie über fahren. Der Radler kam den abschüssigen Teil der Nossener Straße herabgefahren, wo die Radfahrer absitzen sollen und hatte die Gewalt über sein Rad verloren. Ohne Glocken zeichen zu geben, rief er wiederholt „weg", was natürlich vorangehende Fußgänger unsicher machte. Beim schnellen Ausweichen kam das vierjährige Söhnchen zum Fallen, die Mutter, im Begriff es aufzuheben, fiel auf dasselbe. Nun sprang der Vater zu und im selben Augenblicke sauste der Radler, über die am Boden liegenden drei Personen hinweg, denn der Vater war auch mit umgerifsen worden. Der Radler war auch gestürzt, sprang aber sofort wieder auf und wollte weiterfahren, doch wurde er von dem Schwiegersöhne der Überfahrenen festgehalten und, da er über seine Person falsche Angaben machte, der Polizei übergeben. Das Kind hatte ach bei dem Unfall ein Knie aufgeschlagen und die Hose zerrissen, der Vater das linke Schulter gelenk ausgefallen; die Mutter blieb unversehrt. Hartmannsdorf. Beim Baden in der Elster ertrank am Sonnabend vormittag der Jäger Herrmann der 1. Kompagnie des 2. Jäger-Batt. Nr. 13. Derselbe war zur 32- tägigen Übung eingezogen. Jedenfalls ist der Lod durch Herzschlag eingetreten. Ein ihm nachspringender Kamerad konnte ihn leider nur tot ans Land bringen. Königstein. Die auf die Wiedereröffnung des Betriebes in der ehemals Mayerschen Knopf fabrik zu Hütten bei Königstein gerichteten Hoff nungen gehen nun wirklich in Erfüllung. Ein gerichtet wird daselbst die Herstellung von Steinnußknöpfen, wobei die Fabrikation demnächst mit etwa 60 Arbeitern begonnen werden soll. Es ist dies um so erfreulicher, als im großen und ganze?, die wirtschaftlichen Verhältnisse noch immer stark zu wünschen lasten und man daher jede Arbeitsgelegenheit doppelt willkommen heißt- Die Mayersche Knopffabrik geriet vor ungefähr 10 Jahren gleichzeitig mit der Pirnaer Vereinsbank in Konkurs. Saupsdorf b. Sebnitz. Das am Sonntag hier abgehaltene Erntefest fand einen unlieb samen Abschluß, denn gegen 10 Uhr ging eine große Getreidefeime des Gutsbesitzers Viesolt ourch Brandstiftung in Flammen auf, und um Mitternacht erscholl erneuter Feuerlärm. Es brannte ein Schuppen des Gutsbesitzers Robert Sturm neben der Kirche. Bald teilte sich das Feuer den anderen Gebäuden mit, wodurch das ganze schöne Gut vernichtet wurde. Zwei Pferde, zwei Schweine und elf Gänse erlitten den Tod durch Ersticken und Verbrennen, ein drittes Schwein mußte erstochen werden. Der Kala- mitose hat nicht versichert. Döbeln. Wegen Diebstahls wurden von der hiesigen Polizei abermals zwei größere Schulknaben verhaftet. Sie hatten von Roß wein aus einen Raubzug hierher unternommen. Wie die am Sonntag hier verhafteten beiden entlaufenen Zöglinge des Rettungshauses zu Störmthal bei Leipzig hatten sie es ebenfalls auf Plünderung der Ladenkasten abgesehen. Zittau. Die aus vier Personen bestehende Falschmünzergesellschaft, die vor einigen Tagen hier verhaftet wurde, ist Montag vormittag mit der Bahn nach Bautzen übergeführt worden. Beim Umsteigen in Oberoderwitz machte einer der Verbrecher einen Fluchtversuch, der aber mißlang. Die Verhafteten sind, wie schon ge meldet, die Bäckergesellen Joseph August Pietsch mann und August Krug, sowie die Ehefrau und die Schwiegermutter des einen. Oschatz. Im nahen Dorfe Lonnewitz ent stand in der Nacht vom Sonntag zum Montag bei der Tanzmusik eine wüste Schlägerei auf der Straße vor dem Gasthofe, die leider, wie sich am Dienstag abend herausstellte, auch ein Menschenleben forderte. Halbwüchsige Burschen, die schon im Tanzsaale einen in Begleitung mehrerer Soldaten befindlichen jungen Zivilisten ins Gesicht gestochen haben sollen, fielen auf der Treppe des Gasthofs und auf der Straße über die sich zur Heimkehr anschickenden Sol daten her und griffen sie mit Mestern, Heu- und Düngergabeln, Latten und großen Steinen an. Die Soldaten, etwa 12 an der Zahl, zogen ihre Säbel und schlugen damit auf die Angreifer los. Dabei verletzten sie neben anderen Personen namentlich den Gutsbesitzer Schroth, den Stellvertreter des Gemeinde vorstandes, der wohl in dem Bestreben, Frieden zu stiften, unter die Streitenden gegangen war. Schroth erlitt außer Messerstichen auch Säbel hiebe über Arm und Kopf und einen gefähr lichen Stirnhieb, der einen Teil des Gehirns blos legte. Trotzdem ärztliche Hilfe alsbald zur Stelle war, verstarb der schwer verwundete Mann am Dienstag abend. Die Teilnehmer an den unglaublich rohen Ausschreitungen — einige Burschen schleppten kopfgroße Steine in den Saal und versuchten sie aus den Fenstern auf ihre Gegner hinabzuschleudern — sind be reits zum weitaus größten Teile ermittelt. Leipzig. Mit dem Revolver in der er starrten Hand ward im Forstrevier „Burgaue" der 35 Jahre alte Rechtsanwalt Jahn aus Rudolstadt tot aufgefunden. Bei Durchsuchung der Kleider des Entseelten fand sich ein Betrag von über 200 Mark und eine Visitkarte vor, auf welcher die Bitte ausgesprochen war, daß sein Leichnam nach Rudolstadt gebracht werde. Freiberg. In Hetzdorf lebte eine Witwe, die sich nach dem Tode ihres Mannes recht und schlicht mit ihren zwei Kindern ernährte. Ihr näherte sich vor einiger Zeit ein Mann, der sie für sich einzunehmen wußte, ihr Loü er- leichlern wollte, von einer Geschäftsgründung redete und ihr schließlich das Heiraten versprach. Vertrauensselig übergab ihm die Witwe einen Hypothekenbrief über 4000 Mark und ein Sparkastenbuch mit einer Einlage von 40 Mk. Damit reiste er ab, aber bald bemerkte die Ärmste zu ihrem Schrecken, daß sie einem Heiratsschwindler in die Hände gefallen war. Die Recherchen der Behörden ließen die Ver mutung aufkommen, daß er sich der Gegend von Pulsnitz zuwenden würde. Und richtig ge lang es, seiner in der Nähe des Mittelgasthofs zu Großröhrsdorf habhaft zu werden und ihn festzunehmen. Es ist ein wegen Betrugs be reits mehrmals vorbestrafter Bäcker namens Welzel aus Dommendorf in Schlesien. Rüsdorf. Mitte Juli dieses Jahres wurde der früher in Bernsdorf, zuletzt hier wohnhaft gewesene 56 Jahre alte ledige Privatmann Münch im Bergmannschen Teiche in Berns dorf ertränkt aufgefunden. Schon damals schwirrten, da die Auffindung der Leiche unter höchst verdächtigen Umständen erfolgte, allerlei Gerüchte durch die Luft. Um die Brust Münchs war nämlich ein Strick gelegt und fest zuge schnürt, auch war der Leibriemen fest zugezogen. In der Kleidung Münchs fand man aber 600 Mark bares Geld. Neuerdings wurden nun von den Erben Münchs zwei Sparkastenbücher über 2800 M. vermißt, und der Verdacht, sie gestohlen zu haben, fiel auf den letzten Haus wirt Münchs, den Strumpfwirker und Haus besitzer Hermann Taubert hier. Die Lichten- steiner Gendarmerie, der hiervon Anzeige er stattet worden war, nahm deshalb die Sache in die Hand und förderte in der Behausung Tauberts auch eines der fehlenden Sparkassen bücher und 1400 M- bares Geld, das von dem anderen bereits abgehoben worden war, zu Tage. Nunmehr wurde Taubert und auch besten 19 jähriger Sohn, der in die Sache mit verwickelt sein soll, verhaftet und ans König!. Amtsgericht Lichtenstein abgeliefert. Ob Münch, wie man ursprünglich angenommen hat, frei willig in den Tod gegangen oder etwa gar das Opfer eines Verbrechens geworden ist, dürfte die gerichtliche Untersuchung bald ergeben,