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WHeritz-Mung Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Dl- Nr. 82. Anlerat«, welche bei bedei.tenden Auflage de» Blattes 'kne sehr wirk same Verbreitung finden werden mtt 12 PH-, solch« ans unserer Amtsyau«- niannschaft mit 10 PM die Spaltzeile oder der« Raum berechnet. — T» v' bellarische und komplk» Aiette Inserate mit ent sprechendem Aufschlag. — Eingesandt, im redarti«» -enAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. » Pfg, zweimonatlich S4 Pfg > einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Amtsblatt für di- Königliche UmishnuptmamMft, das Königliche Amtsgericht und dm Stadtrat zu IlppMsw-tde V°-a,Nw«N°v-K°d-^ ' D-u» und Verla« "" LALr SUU. NN. .M-'-n L L MN^EU- -d«N°-E Donnerstag, den 19. Juli 1906. 72. Jahrgang. WMche Am der AMcmiMn zu WalSismlSe ävll 20. <InU 1908, abends 8 Uhr, im Sitzungszimmer im hiesigen Rathause. Die Tagesordnung hängt im Rathause aus. Der Abschluß der Dreyfnsasfäre. In den letzten Tagen ist in Frankreich die so viel Staub aufwirbelnde Angelegenheit des ehemaligen Kapi täns Dreysus, die jenseits der Vogesen die politischen Leiden schaften mehr wie einmal von Grund aus aufgewühlt und die Republik beinahe an den Rand des Verderbens ge bracht hätte, definitiv zum Abschluß gebracht worden. Ein stimmig hat der oberste Gerichtshof Frankreichs, der Pariser Kassationshof, in der Revisionsverhandlung oes Prozesses Dreysus den Erkapitän Dreyfus von der Anklage des Landes verrates freigesprochen und hiermit das ungerechte Urteil des Militärgerichts von Rennes, welches Dreyfus auf grund eines teilweise gefälschten Anklagematerials für schuldig er klärte, kassiert. Und nach dem erfolgten Freispruche des höchsten Gerichtshofes ist der gewesene Gefangene der Teuselsinsel aus tiefer Erniedrigung um so rascher wieder empor gehoben worden auf eine glänzende Höhe, denn die französische Regierung hat sich beeilt, Alfred Dreyfus vor aller Welt zu rehabilitieren. Sie ließ dem Parlament im sofortigen Anschlusse an die Verhandlungen des Kassa tionshofes eine Vorlage zugehen, welche die Wiederein stellung des Kapitäns Dreyfus in das französische Heer, seine Beförderung zum Major und seine Ernennung zum Offizier der Ehrenlegion ausspricht, und das Parlament hat dieser Rehabilitierung des schwergeprüften Mannes mit großer Mehrheit zugestimmt. In der Deputiertenkammer ist dies allerdings nicht ohne große Spektakelszenen abge gangen, denn dort gerieten Dreyfusfreunde und Dreysus- gegner nochmals scharf aneinander, es kam sogar zu Ohr feigenszenen und wüsten Schlägereien. Zugleich mit Drey fus ist auch der Entlastungszeuge im Prozeß von Rennes, der ehemalige Oberst Picquart, vor der Öffentlichkeit ge rechtfertigt worden; beide Häuser des Parlaments haben auch die auf Picquart bezügliche Regierungsvorlage, wo nach er ebenfalls wieder in die Armee eingestellt, zum Brigadegeneral befördert und zum Offizier der Ehren legion ernannt wird, angenommen. Man darf getrost be haupten, daß die weit überwiegende Mehrheit des fran zösischen Volkes mit diesem Ausgange des „Falles Drey fus" durchaus zufrieden ist, und daß sie nichts mehr von einer Wiederaufwärmung dieser ganzen leidigen Affäre wissen will. Dieselbe hat wahrlich auch lange genug ge spielt. Denn im Jahre 1804 war es, daß der damalige Artillerie-Kapitän Dreysus unter der Beschuldigung des versuchten Verrates militärischer Geheimnisse an eine fremde Macht, nämlich an das Deutsche Reich, zum ersten Male verurteilt wurde, zur Degradation und zur lebenslänglichen Deportation nach der berüchtigten Teufelsinsel. Dieser erste Dreyfusprozeß rief in ganz Frankreich eine unge heure Aufregung hervor und teilte die gesamte Nation in zwei Lager, in zwei große Parteien, in jene der unbe dingten Dreyfusgegner, welche fest die Schuld des Ver urteilten behaupteten, und jene der Dreyfussreunde, welche -ebenso bestimmt seine Unschuld verfochten. In leidenschaft lichster Weise wogte der Kampf zwischen den beiden Par teien hin und her, er riß auch die Regierung in seinen Strudel und die Republik drohte in ihrem Bestand mehr wie einmal durch den Dreyfuslärm ernstlich gefährdet zu werden. Nach vier Jahren brachten es einflußreiche Freunde des Dreyfus, unterstütztdurchdiereichen Geldmittel der Familie Dreyfus, dahin, daß der Pariser Kassationshof das erste Urteil gegen Dreyfus aushof und die Sache an ein anderes Kriegsgericht, an das zu Rennes, zur nochmaligen Ver handlung verwies. Dieses gelangte allerdings durch ein höchst fadenscheiniges Beweisoerfahren, in welchem ge fälschte Schriftstücke und falsche Zeugen eine bedenkliche Rolle spielten, zu einer erneuten Verurteilung Dreyfus, in dessen mit Zubilligung mildernder Umstände. Wiederum ging eine tiefe Erregung durch das Land, und um ihr ein Ende zu bereiten, entschloß sich der Präsident zur Be gnadigung des unterdeß von der Teuselsinsel nach Frank- reich zurückgebrachten Erkapitäns Dreyfus. Nun setzten die Freunde desselben eine nochmalige Revision seines Pro- zesses vor dem Pariser Kassalionshofe durch, sie hat jetzt endlich seine glänzende Rechtfertigung vor aller Welt zur Kolge gehabt; nicht nur im eigenen Interesse des ehe maligen Gefangenen der Teufelsinsel, sondern auch im In teresse der französischen Republik ist es jedenfalls nur mit Genugtuung zu begrüßen, daß der Fall Dreyfus jetzt seine befriedigende Beilegung erfahren hat. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am 8. Juli fand auf der Aue hier im freien Gelände durch Herrn Generalarzt a. D. vr. Rühlemann-Dresden in Gegenwart von Vertretern der hiesigen Behörden und der städtischen Kollegien die Prüfung der 3. Abteilung der hiesigen freiwilligen Sani täts-Kolonne statt. Die Lehrabteilung, die wieder unter der bewährten Oberleitung des Herrn Stabsarzt d. R. l)r. Voigt hier ausgebildet wurde, war in ihrer Gesamt stärke von 22 Mann angetreten, unter denen sich auch mehrere Nichtmilitärvereinsmitglieder befanden, die Herr Generalarzt vr. Rühlemann vor Beginn der Prüfung zu nächst für ihre Obliegenheiten als Mitglieder der Freiw. Sanitäts-Kolonne im Dienste des „Roten Kreuzes" mittels Handschlags in Pflicht nahm. Der Kolonnenführer, Herr Krankenhausverwalter Fickert hier, führte sodann zur Ein leitung der Prüfung mir der Abteilung einige Marsch bewegungen in der Kolonne aus, worauf der Herr Kom missar zur theoretischen Prüfung der einzelnen Mitglieder überging, an die sich hernach, wie üblich, an markierten Verwundeten die praktische anschloß. Mit anerkennens werter Sicherheit gingen die Prüflinge an die Lösung der ihnen gestellten Ausgaben heran, sodaß ihnen am Schlüsse der Herr Generalarzt vr. Rühlemann ein gutes Zeugnis sür die gezeigten Leistungen erteilen konnte. Sämtliche Geprüften wurden für das „Note Kreuz" angenommen und haben sich demselben — soweit sie nicht zu aktivem Kriegsdienste verpflichtet sind — für den Mobilmachungs fall zur Versügung gestellt. Besondere Anerkennung sprach der Herr Prüfungskommijsar Herrn vr. mecl. Voigt und Herrn Kolonnenführer Fickert aus, worauf sodann der Vorstand des Militärvereins, Herr Lehrer Unger, Herrn Generalarzt vr. Rühlemann den Dank der Kolonne für das derselben bewiesene Wohlwollen zum Ausdruck brachte. Insgesamt zählt die freiw. Sanitätskolonne zur zeit 47 ausgebildete Mitglieder, außerdem gehören ihr noch eine große Anzahl passive Mitglieder an, die sie — zum großen Teil mit recht wesentlichen Beihilfen — finanziell unterstützen. Infolgedessen konnte der größte Teil der Kolonnen-Mitglieder schon jetzt völlig ausgerüstet und uniformiert werden und erscheint ihr Fortbestehen nunmehr vollkommen gesichert. — Am Vogelschießmontag vormittag wetteiferten die Schützen am Scheibenstand nach der Königswürde, und schon munkelte man, daß der diesjährige Scheibenkönig, Herr Schwarz, wiederum einen so guten Treffer gemacht habe, daß ihn wohl keiner abschießen könne, und so blieb es. Aber in echt königlicher Selbstlosigkeit trat Herr Schwarz Würde und Bürde an den zweitbesten Schützen, Herrn Hermann Anders ab und begnügte sich selbst mit dem Marschallsamte. Am Montag mittag halten die Schützenmajestäten ihre Getreuen wie üblich im Zelt zu einer Festtafel versammelt. Eine Sammlung für die Suppen kolonie in der Schule ergab den Betrag von 20 Mark 50 Pfg. Am Schützenauszug am Nachmittage beteiligten sich auch zwölf liebe Gäste aus Schmiedeberg. Ferner hatte sich zu den Schützen, wahrscheinlich aus nachbar licher Zuneigung, eine ganze Froschkarawane gesellt. Nichtige Frösche waren es, denn die Vorderbeine waren wirklich kürzer als die Hinterbeine und quaken konnten sie auch. Letztere waren allerdings so gekräftigt, daß sie den Körper aufrecht tragen und dabei auch noch ganz schützen- mäßig marschieren konnten. Die besten Musiker unter ihnen thronten auf einem Prunkwagen. Denselben zierten unsere Stadtfarben. Viel Spaß erregte auch ein Frosch ehepaar mit einem Kleinen in einem Kinderwagen, der wahrscheinlich schon der Urgroßmutter gedient hatte. Selbstverständlich konzertierte oben erwähnte Frojchkapelle an verschiedenen Stellen des Festplatzes und konnte die selbe auch dem neuen Vogelkönig, Herrn Schirmfabrikant K. Reichel und seinem Marschall, Herrn Gemeindeoorstand Pretzschner-Malter ein Ständchen bringen. Am Dienstag nachmittag nahm sich der Vergnügungsausschuß auch der Kinder an und verschaffte ihnen mancherlei Belustigung. Mit Einzug der Schützen und Einführung der Könige in die schön illuminierte Stadt, sowie mit dem üblichen Feuerwerk endete wiederum das Vogelschießen, und Dip poldiswalde hat nun auf längere Zeit Ruhe. Aber schön war's doch. Von Herrn Paul Ottmann, Matrosenartillerist in Tsingtau, ging uns folgendes Schreiben zu, das in an- schaulicher Weise den Besuch eines argentinischen Kriegs schiffes in Kiautschou schildert: Am 5. Juni wurde unser eintöniges Garnisonleben durch eine kleine, vom herrlichsten Wetter begünstigte Festlichkeit, unterbrochen, welche zu Ehren der Besatzung des am vorhergehenden Tage eingelaufenen argentini schen Kriegsschiffes „Presidente Sarmiento" gegeben wurde. Der Verlauf des Festes ging folgendermaßen von statten: Nachmittags 3 Uhr nahmen die für diesen Zweck abgeteilten Unteroffiziere und Mannschaften der Matrosenartillerie und des Seebataillons unter Führung eines Deckosfiziers, an der Tsingtau-Landungsbrücke Auf stellung. Nachdem die Argentinier, wobei sich zwei Reichsdeutsche befanden, gelandet, wurden sie, nachdem die herzlichsten Begrüßungen stattgefunden, gleichmäßig in unsere Sektionen verteilt und nun ging es mtt klingendem Spiel durch die Straßen Tsingtaus nach den, großen Sportplatz, wo Jugendspiele aufgeführt wurden, und sich viele argentinische Mattosen Preise erwarben. In Kraftproduktionen jedoch konnten sie Deutschlands Söhne nicht übertreffen. Nachdem sich die Spiellust gelegt, begaben wir uns nach dem mit Fahnen geschmückten Speisesaal der Jltiskajernen, wo wir mtt Speise und Trank, sowie Theatervorstellung erfreut wurden. Während dem Essen wurden abwechselnd deutsche und argentinische Nationallieder gesungen, welche von beiden Seiten mit großer Begeisterung aus genommen wurden. Nachdem uns ein Deckoffizier in einer Ansprache auf die Gastfreundschaft, welche die Argentinier deutschen Schiffsbesatzungen zu teil werden ließen, aufmerksam machte, erhob sich auch ein junger Argentinier zu einer in spanischer Sprache gehaltenen Ansprache, welche mit dem Ruf Vive I'^IIemancke (Qerman^) endigte, in welchem seine Landsleute kräftig einstimmten. So verging der Tag mit Freuden. Die Nacht brach mit einem großen Sturm los. Der Regen klatschte in Strömen nieder auf die Erde und brachte uns die seit langem entbehrte Erfrischung. — Frontübungen des Landsturmes werden auch im Verlaufe dieses Sommers wieder abgehalten werden, obgleich nach den Vorschriften der deutschen Heer- und Wehrordnung der Landsturm von jeder Friedens übung befreit ist. Im Kriege fällt dem Landsturm in der Hauptsache der Bcsatzungs- und Bewachungsdienst zu. Da nun die neuere Kriegstechnik zur Bewachung resp. Zer störung von Brücken, Tunnels, Viadukten, Flußübergängen und so weiter ganz andere Hilfsmittel anwendet, wie zu der Zeit, als der Landsturm noch aktiv diente oder übungspslichtig war, so ist es natürgemäß von Vorteil, wenn ein Teil des Landsturmes diese Neuerungen kennen lernt. Diese Übungen des Landsturmes, zu denen haupt sächlich außer Offizieren ehemalige Unlerofsiziere uno Ge freite zugelassen werden^ sind ganz freiwillig und dauern 5—8 Tage. Die Aufsicht liegt Stabsoffizieren ob, der Unterricht erfolgt durch aktive Leute. Für die Zeit der Übung werden die vollen Kompetenzen gewährt, auch tritt für die Übenden bei etwaigen Unfällen das Militär- pensionsgesetz in Kraft. Die Bezirkskommandos nehmen Meldungen zu diesen Übungen entgegen und erteilen jede bezügliche Auskunft. Blaue Dreipfennigkarten. Das wird die erste Spielart der Postwertzeichen sein, die infolge der Auf hebung der Zweipfennigtare zur Verwendung gelangt. Die blaue Postkarte zu zwei Pfennig wurde bisher viel fach auf der Rückseite bedruckt, um im Orts- und Vorortr- verkehc als Drucksache verwendet zu werden. Einzelne Geschäftsleute hatten erhebliche Mengen solcher Drucksachen