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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190204132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020413
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020413
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-13
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1902
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l.0. x.ISN 100» - Druck und Verlag vo» L. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang Nr. 185 Vonntag den 13. April 1902. l»nen 8°L.1/7.02 l. 1. 3. pk- r. t. o. i. v. >. V. i.v. l.0. e«»r s. u. u. ». o. d» ü. Haupt-Filiale Lerlin: KSniggrLtzerstraße NS. Fernsprecher Lmt VI Nr. 3383. hast sich auch die leitenden und gebildeten Kreise ihr bald nicht mehr verschließen werden, nachdem Einer aus ihrer Mitte den Muth gefunden hat, offen Protest zu erheben. Haupt-Filiale Vresdeu: Strehlenerstraße S. Aernsprrcher Lmt I Nr. 1718. hoffnungsvolle Stimmung. Sie beruht indessen weniger auf sichern Stützpunkten als auf den allgemeinen Er» Wägungen, daß das Eintreffen Ltcijn'S und De Wet's, die bisher die hartnäckigsten Gegner aller Nachgiebigkeit waren, an sich ein gutes Zeichen sei; daß ferner Steijn airgcnleideiid sei und mit der (stesahr des Erblindens zu rechnen habe und daß die KriegSmüdigkeit unter den noch kämpfenden Boeren doch stetig zunehme, wird ebenfalls mit in Erwägung gezogen. Die »Daily Mail" will wissen, Schalk Burger und Genosse» hätten bei ihrer Begegnnng mit Kitchener in Pretoria ihren Wunsch nach Frieden unter Bedingungen ausgesprochen, worüber eine Erörterung möglich sei. Sie hätten zwar keine Vorschläge gemacht, seien aber augenscheinlich aufrichtig gewesen und Hütten auch gezeigt, daß sie bezüglich der Punctc, die England nicht einräumen könne, vollkommen im Klaren seien. Von Kroonstad aus sei dann erst mit Steijn und De Wek schrist» lich verhandelt worden. Tic Beiden hätten erwidert, sie könnten ans die von Schalk Burger angedeutetcn Bor» schlage nicht eingchen, Hütten im weitern Verlaufe aber doch in die oorgcfchlagcne mündliche Besprechung gewilligt. Bon der Regierung wurde hier im Parlament wie in der Presse unter der Hand vor einer allzu hoffnungsvollen Auffassung gewarnt, was sehr angezeigt erscheint, da bereits die Spekulation mit Gerüchten, deren Halt losigkeit aus inneren Gründen unzweifelhaft ist, an der Arbeit ist, die augenblickliche Lage ihren Sonderintercssen nutzbar zu machen. Die Morgcnpresse, auch die der ministeriellen, äußert sich durchweg friedensfreundlich und nichts weniger als schroff. Bcmerkcnswerth ist, daß der dem Eabinct nahestehende „Daily Telegraph" bei dieser Gelegenheit jedoch ausdrücklich erklärt, in der Frage der Amnestie für die Caprebellcn könne und werde die Re» gierung nicht nachgebcn. „Wer nun das Alphabet der südafrikanischen Politik kennt", bemerkt das Blatt, „der weiß, daß cs ohne die Aufreizung und Ermuthigung dieser Caphvlländcr zu einer Zeit, wo sie sich noch als treue britische Untcrthancn hinstellten, gar nicht zum Kriege ge kommen wäre. Sic haben durch ihre direkte Aufforderung den Einfall in das Copland verschuldet; ihre Ermuthigung hat die Transvaalcr und die Freistaatcr nach dem Falle Bloemfonteins und Pretorias zur Fortsetzung des hoff nungslosen Kampfes verleitet, sie haben dann die treuen britischen und holländischen Kolonisten auf dem Lande von Haus und Hof gejagt, beraubt und gemißhandelt. Es hieße zu viel verlangen, diesen schwer geschädigten Leuten die Zustimmung zu der vollständigen Amncstirung ihrer Verfolger und Schädiger zumuthen. Der Hochvcrrath mutz bestraft werden, wenn auch die Strafen später nachge lassen und gemildert werden mögen. Die Berhcitzung der Amnestie unter die Friedensbcdingungen anfnchmcn, hieße jeden treuen Kolonisten in Stadt und Land ent fremden. Besonders von der Landbevölkerung würde kein Mann auf unserer Seite bleiben, wenn wir gegcuwärtia den Treulosen bewiesen, datz Hochvcrrath ein unschuldiger und wenig kostspieliger Zeitvertreib ist." NeLattio« und LrpedUi-r: IohanntSgaffe 8. Fernsprecher 1S3 und SL2. -MatovU^Mv«« » Alfred Hahn, Buchhandlg., UuiverMt-str.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Künigßpl. 7. 6 :.vL7:I01,b0 Deutsches Reich. /?. Berlin, 12. April. tR n ß l a n - n n d d i e P o l e n.) Bekanntlich gehört es zu den Gepflogenheiten der deutschen Centrumopresse, ans Kosten der preußischen Pvlenpolitik das Vcrbalten zu rühmen, das die russische Regierung den russischen Polen gegenüber cinnimmt. Mit je größerer Urtheilölosigkeit die angebliche russische Milde von der deutschen Centrumspresie gepriesen wird, um so konse quenter benützt die r n s s i s ch - p a ns l av i st f s ch e Presse diese günstige Gelegenheit, über die „Vergewaltigung" der preußischenPolcnKrokodilSkhrünen zu vergießen. Sowohl den russischen Panslavistcn, wie den deutschen Ccntrums- politikern ist jetzt die Verbannung -es katho lischen Bilchofsvon Wtlna arg in die Quere ge kommen. Dem Krakauer Polenblatte ,,C z a S" zufolge ist es der dritte Wilnaer Bischof, der in die Verbannung geht. Man hört ferner von demselben polnischen Blatte, datz die griechisch-katholische Kirche, nachdem sie in West rutz l a n d mit dem KatholiciSmus reinen Tisch gemacht, nunmehr die Bekehrung und Russiftzirung Littauens mittels der schismatischen Kirchen und Schulen betreibe. Da Bischof Zrierowicz dem chismatischen SiegeSzuge sich in den Weg stellte, wurde er kurzerhand verblümt! Hier hat man aus unverdächtiger polnischer Quelle sprechende Zeugnisse der russischen Milde gegenüber den Polen. Da die klerikale „Köln. Bolksztg " die Darstellung -es Kra kauer Polenblattes ausführlich wiedergiebt, so erschwert sie sich selbst vor ihren Lesern die undankbare Aufgabe, Preußen zu Gunsten Rußlands Herunterzureitzen. -H- Berlin, 12. April. (Die Aussichten der Na tiv nalliberalenfürdieWahlinCelle.) In zehn Tagen findet die Reichstagsersatzwahl in Celle statt, bei welcher diesmal die Bündlcr und die Conservatioen den Nationallibcralcn eine eigene Candidatur gegenüber stellen. Aus dem Umstande nun, daß eine inGifhorn an- gcsctztc uationalliberalc Versammlung wegen Mangels an Besuch nicht stattfindcn konnte, zieht die konservative Preße -en kühnen Schluß, daß es mit dem National liberalismus in der ganzen Provinz Hannover im Allge meinen und im Wahlkreise Celle im Besonderen endgiltig vorbei sei. Der Stern der nationalliberalen Partei sei im Erblassen, Bürgerthum und Beamtenthum wende sich von ihr ab — also jubelt das unter dem Ausschlüße der Ocffentlichkeit erscheinende Blättchen der konservativen Partei in Hannover und die „Kreuzztg." -ruckt diese Be merkung beistimmend ab. Demgegenüber möchten wir zunächst bemerken, datz, wo auch immer bet Ersatzwahlen der letzten Jahre in der Provinz Hannover Natio- nallibcrale und Bündler miteinander concurrtrten, der Bund der Landwirthc sehr schlecht abschnitt. Auch bei der Ersatzwahl in Celle dürfte cs kaum anders gehen. Dafür spricht der Ausgang der vorigen Wahl in diesem Kreise. Damals hatte der Bund allerdings formell für den natio- nalliberalcn Kandidaten Partei ergriffen, sich thatfächlich aber auf die Seite des damals aufgestellten antisemitischen Bewerbers gestellt. Der schlüssige Beweis dafür ist, datz der antisemitische Kandidat seiner Stimmen auf dem platten Lande, also in der Machtsphärc der Bündler er hielt. Bei alledem brachte es der antisemitische Kandidat nur auf 901 Stimmen gegen 7749 nationalliberale Stim men. Sicherlich wird der Bund der Landwirthc mehr Stimmen auf sich vereinigen als jene 900 antisemitischen Stimmen, auf der anderen Seite aber werden diesmal die Nationallibcralcn nicht durch die Konkurrenz der Frei sinnigen benachtheiligt, die bei jener Wahl rund 2200 Stimmen erhielten nnd insbesondere in der einzigen größeren Stadt, Celle, die nationalliberale Stimmenziffcr sehr stark herabdrückten. Es erscheint als unbedingt sicher, daß der nationallibcralc Bewerber in die Stichwahl ge langt, und cs kann sich einzig und allein darum handeln, ob er mit dem Welfen oder der Socialdemokratie, die bei den letzten Rahlen nur um ein halbes Tausend Stimmen hinter dem Welfen znrückstand, um den cndgiltigen Sieg zu ringen haben wird. Der bündlerischc Kandidat wird jedenfalls in der Stichwahl nichts zu suchen haben, einerlei ob gelegentlich einmal eine bündlerischc Wahlversainmlung besuchter ist, als eine nationalliberale. Wer Wahlkämpfe kennt, weiß, datz die Stärke des Besuches der Wahlver sammlungen für die Stärke der Parteien durchaus nicht maßgebend ist. * Berlin, 12. April. (DcrFall „Oppenheim".) Kaum sind die langen und erregten Debatten, die der „Fall Spahn" nach sich zog, verklungen, so setzt abermals ein „akademischer Fall" die Öffentlichkeit in lebhafte Be sorgnis» nm das Schicksal der deutschen Universitäten. Der Thatbestand ist kurz folgender: Der Berliner Privai- doccnt und Titularprofessor^ vr. Hermann Oppen heim, der ebenbürtige Schüler des großen Irren klinikers Westphal und heute neben Möbius wohl ohne Zweifel der angesehenste deutsche Repräsentant der Nervenheilkunde, der Verfasser des besten deutschen Lehr buchs der Nervenkrankheiten, ist von der medicinischen Facultät der Berliner Universität zum außerordentlichen Professor vorgrschlagen, dieser Vorschlag aber vom Ministerium nicht berücksichtigt worden. Oppenheim hat darauslnn seine akademische Lehrthätigkeit eingestellt. Im „Lotsen" »Hamburg, A. Janssen) bemerkt vr. Willy Hell- paä» dazu: Der Universität Berlin wird damit ein Verlust zugefügt, den üc sellvr am besten zu würdigen weiß. Aber weit darüber binav- i'i dieser neueste „Fall" typisch für den CurS, in dem sich d»e Leiliing der vornehmsten Unterrichtsstätten in Preußen offene mit bewußter Tonsequcnz bewegt. Und eine hübsche ^ire—e de» Schicksals fügt eS, daß dieser Peitschenhieb gerade die Beilmcr Universität treffen muß. Oppenheim ist in jungen Fahren bereits, als eine unheilbare Erkrankung seinen Lehrer Westphal aus seiner Lhätigkeit riß, zeitweilig mit der akade mischen Lehrthätigkeit betraut gewesen. Die Nachfolge West phal S ist dann allerdings nicht auf ihn übcrgcgaugcn; wir dk ErOgSiMH, hie dabei mitgMett haben, heM »rPt L S. 3. L l.v. l.N. i.1). l.v. t.1). v. l. v. t.l> m.Vp.64 M.LpLi >.O ». I) 1.0. aMgerIaMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Nylizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. ^tv:— 1. t. t. l. Zur Bildung des nenen Burghcr-Corps unter Piet De Wet. Die Nachricht von der Bildung eines neuen Burghcr- Corps unter dem Befehle des Bruders des tapferen Gene» rals, Piet De Wet, wird von den meisten englischen Blättern ohne Kommentar wiedergegcben, hält man es doch für mehr oder weniger selbstverständlich, datz eng lisches Gold im Stande ist, Alles in der Welt fertig zu bringen, warum sollte man also nicht auch Boeren damit erkaufen und sie zum Kampfe gegen Väter und Brüder aufreizen können? Nur „Morning Leader" bringt einen kurzen Leitartikel darüber, und cs ist interessant, was das Blatt über die „zahmen Boeren" zu sagen hat. „Die Nachricht, datz De Wet's Bruder dem entkommenen Sträfling Viloncl helfen will, Burghers gegen die eigenen Landsleute zu führen, lätzt darauf schließen, daß auch häßliche Probleme im großen Stile ausgeführt werden können. Im Herzen denkt Mr. Chamberlain wahrscheinlich auch nicht anders über sie, als Mr. Dillon, der über diese Renegaten mit tiefster Empörung sprach. Es ist jetzt zu spät, darüber zu oiScutiren, inwieweit es politisch war, sic überhaupt zu verwenden — die Thatsache, daß sie bei Twccbosch flohen, lätzt nicht darauf schlietzcn, daß wir für unser Geld viel Muth erkauft haben. Aber das Schlimmste ist, datz wir nach -em Kriege alle verfügbare Polizei dazu werden ver wenden müssen, diese Personen zu schützen, und ihre Offi- ciere werden uns wohl um Posten bitten. Wir werden eine privtlegtrte Kaste unter den Boeren haben, welche aber gleichzeitig eine moralisch werthlose Kaste -arstellt. Lord Kttchener hat versprochen, ihre Farmen wieder aufzu- bauen mid auszustattcn, und zweifellos sind wir verpflichtet, dieses Versprechen einzulösen. Aber cS würde verkehrt und thöricht sein, den ehrenhaften Boeren, welche nach ihrer Gefangen nahme neutral blieben, nicht dasselbe zu gewähren, was wir für jene Söldlinge thun- Sie haben ihre fünf Schillinge pro Tag bereits gehabt." Ein derartig vernünftiges Urthcil steht natürlich nur vereinzelt da, und das Blatt, das ein solches fällt, heißt deshalb auch „Pro-Vocren"-Vlatt. Kriegsmttbigkeit in Australien. Au» Sydney wird un» Anfang März geschrieben: Daß sich hierzulande eine starke Kriegsmüdigkeit in Australien geltend zu machen beginnt, wird u. A. dadurch dargethan, daß Professor Wood, der eine Friedensliga bc- gründet und scharf gegen den Krieg Stellung genommen hat, zwar von dem hiesigen akademischen Senat ein TadrlSvotum erhalten hat, aber trotzdem, wie die im Laufe der letzten Wochen gefaßten Beschlüsse verschiedener Ar- beitervereinignngen beweisen, in den breiteren Schichten de» Volke» einen nicht zu unterschätzenden Anhang ge wonnen hat. Die Erkennlntß, daß die Bethetligun» Australiens am südafrikanischen Kriege den an sich schon feit Jahren vorhandenen Mangel an ländlichen Arbeiter, verstärken und eine «trthfchaftltche Krise herbeiführe« brfcht Ach mehr und mehr dnd e» ist NögliL^ Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Necla men unter dem Reba ctionsftrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familienuach» richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofserteuannahm« 2b H (rxcl. Porto). Amerika in Deutschland. V. Line nachabmenSwerthe Eigenschaft des Nord amerikaner» ist seine Vorliebe für Alle», wa» feine Heimath irgendwie hervorbringt. Amerika ist ihm da» schönste und reichste Land der Welt und von den nordamerikanifchen Waaren ist er überzeugt, daß sie die besten und vreiSrojtrdtasten feien, di« er überhaupt erhalten kann. Diese» National- geMl, da» der Lry-rUsM«! hei, jedem?'. Mtckvtl, K5, Der Lrie- in Aü-aftika. Aziede,»»etzhck,dl»,ge>». In London herrscht im Ganzen bezüglich de» Au», gang» der Besprechungen unter den in Klerkddorp WÄWVHö BoerzZtHKLerrk »ine eWgexM-M v. u v. - v. «. v. v. I). ». u. «ir. »ir. »i». »o. ». v. l. v. 0. ». v. >. v t.vert-v «.!>. -I) sZgvkeil-v. t.0 UV. l. l). thättgt, hat nicht zuletzt zu -er erstaunlichen Entwicke lung der nordamsrikanischen Industrie bcigetragen. Bon Jugend auf werden die Amerikaner daran gewöhnt, nur das zu achten und zu lieben, was sich mittelbar oder unmittelbar auf ihr Hetmathland bezieht. Daran halten sie auch im Auslände sest. Ganz andere Neigungen finden sich leider in Europs, besonder» aber in Deutschland. Die alte Vorliebe für fremdartige Erzeugnisse ist bei den Deutschen noch keines» wcgs entschwunden, obwohl die deutschen Waaren in jedem Betracht mit den Erzeugnissen anderer Länder con» curriren können und thatfächlich von vielen anderen Nationen bevorzugt werden. In den meisten der inter» nationalen Waarenhäuscr und Grohbazaren, die in Deutschland so bedenklich überwuchern, wird die Vorliebe für fremde Erzeugnisse geradezu genährt. Den Unter» nehmern dieser Art von Waarenhäusern und Groß» bazaren fehlt jedes nationale Empfinden. Maßgebend für sie ist cinLia und allein der Gewinn, und sie bevor» zugen fremde Waaren, weil dabei in der Regel mehr ver» dient wird. Nach dem Daarcnzcichenregister des „Deutschen Reichsanzeiger»" vom 14. Februar hat bas Waarenhau» A. Wertheim in Berlin unterm 20. Januar ein neues Waarenzeichcn eintragen lasten, und zwar für Gchuhwaarcn. Das Waarenzetchen stellt die Büste der New Korker Freiheitsstatue dar, mit aus gestrecktem Arm dir Fackel hoch haltend, und an Stelle der Taille liest man in lateinischen Buchstaben das Wort: „Amerika". Das genannte Waarenhaus wirb also in Zukunft nur noch nordamerikanischc Schuhwaarcn ver» kaufen oder aber ausschließlich unter nordamerikanischem Zeichen. Niemand kann controliren, ob die Schnh- waarcn mit dem neuen amerikanischen Abzeichen nord amerikanischer oder deutscher Herkunft sind. Vom rein geschäftlichen Standpunkt auS betrachtet, mag die Specu- latton mit dem neuen nordamcrikanischcn Waarenzeichcn eine glückliche sein. Amerika steht im Vordergründe de» Gesprächs. Für Amerika ist in jüngster Zeit eine überaus lebhafte und wirksame Reclame gemacht worden, und das genannte Waarenhaus benützt die Conjunctur. Ob bei dem Ankauf norbamerikanischer Schuhe auch da» Publicum bester fährt, bas ist eine Frage, die dem be treffenden Waarenhause ebenso gleichgiltig ist, wie das starke Nationalgefühl, das der Amerikaner besitzt, oder gar eine Rücksichtnahme auf die heimische Arbeit, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Einfuhr von nordamerikanischcn Schuhen und Stiefeln nach Deutschland besteht bereits seit Jahr und Tag und nimmt fortgesetzt zu. Diese Einfuhr kann leicht zu einer Masseneinfuhr gestaltet werden, da Nordamerika» nischc Schuhe bet der Einfuhr nach Deutschland nur einen Zoll von 35 bis 52 Pfg. für das Paar zu zahlen haben. Dagegen ist eS ausgeschlossen, daß deutsche Schuhe nach Nordamerika auSgeführt werden; denn -er nordameri» kanischc Zoll beläuft sich auf 1,80 btS 8,20 .4^ für daS Paar. Nordamerika schützt die heimische Arbeit auch in dieser Hinsicht mit hohen Zöllen, während man e» deutscherseits an der erforderlichen Gegenseitigkeit fehlen läßt. Abgesehen davon, können die Amerikaner ganz be sonders billige Preise stellen, da auch in der Nordamerika- nischen Lederindustrie Trustgesellschaften bestehen, die »im Jnlande die Preise hoch halten und ihren Ucberschuß mit geringem Nutzen, oft sogar unter dem Erzeugungs preis, auf die europäischen Märkte werfen. Schon längst waren die nordamerikanischcn Inter essenten bestrebt, die Masseneinfuhr nordamerikanischer Schuhe nach Deutschland und Oesterreich-Ungarn zu organisiren. Bor Jahr und Tag klagte die New Korker Schuhfabrikfirma Samuel Weil L Ko., datz sie zwar in Berlin eine Agentur und auch in den meisten größeren Plätzen Deutschlands Kunden habe, daß aber das Geschäft weder befriedigend, noch lohnend sei. Auch eine zweite New Korker Schuhfirma, Nataniel Fisher L Eo., beschickt schon seit längerer Zeit den deutschen Markt. Bor Jahr und Tag wurde berichtet, datz eine grotze Schuhwaaren» fabrik in New Bork in 15 größeren deutschen Städten eigene Verkaufsstellen errichten wolle, doch ist diese Ab» sicht noch nicht auSaeführt worden. Als eine Phila delphiaer Firma in Wien eine Reihe von Schubladen er öffnen wollte, mußte sie darauf verzichten, da die Wiener Behörden erklärten, alsbald Maßregeln zu ergreifen, die der nordamerikanischen Concurrenz den Garaus machen würden. Nunmehr scheinen die nordamerikantschen Interessenten den gewünschten Abnehmer gefunden zü haben, und man wirb wohl bald beobachten können, wie die Reclame sich für das Sordamerikanische Zeichen ein setzt. Die Nordamerikaner sind, wie gesagt, ganz andere Leute. Auch die großen nordamerikanischen Waaren- Häuser halten bet jeder Gelegenheit den nationalen Ge- sichtspunct hoch und heben sich vorthetlhaft von ähn lichen Häusern in Deutschland ab. So kündigte kürzlich da» bekannte Waarenhau» Wanamaker sog. Golf-Cape- an, au»ländtsche und einheimische. „Ausländische Golf- Cape» zu 78,80 bi» 147 da» Stück, einheimische Golf. Cap«», au» -em besten einheimischen Stoff angefertigt, »ü 2S,10 bis 78,75 uä da» Stück." Wer wird in Folge einer solchen Ankündigung auswärtige Fabrikate kaufen? Natürlich Niemand. Derartige Ankündigungen sind un» in Deutschland noch niemals zu Gesicht gekommen. Abgesehen von nationalen Bedenken, läßt sich die Ein fuhr nordamerikanischer Schuhwaaren nach Europa auch deshalb nicht rechtfertigen, «eil ein großer Thetl de» verwendeten Rohstoffe» au» Europa stammt. Nord amerika bezog im Jahre itSOO vom Au»lande für 218,8 Millionen Mark Felle und Häute. Nach der deutschen HandelSstatistik lieferte Deutschland im Jahre 1900 für 24 Millionen Mark Felle und Häute nach Nordamerika! Ertra-Beilagen (gesalzt), »nr mit der Morgen.Ausgabe, »hu« Postbesärderung ^tk 60.—, «tt Poftbesürdeöulg 70.—. Ärmahmeschluß fir Alyeize«: Lbend-Lnsgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Lnsgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« sind stet» an die Expedition zu richte». Die tkpedttion ist Wochentag ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezug-» Preis in der Hauptexpedttion oder den im Stadt bezirk und den Borort«» errichtete» Aus- gaoestellrn abgeholt: vierteljährlich ^tl 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ^l 5.50. Durch di« Post b«zogen für Deutschland u. Oestsrreich vierteljährlich S, für die übrige» Lä»der lautZeituagsprrisliste. »tten. r. t. i. I-us -er Woche. Die Reise de» Reichskanzlers zeigt zweifellos die Er» Neuerung deS Dreibundes an. Damit bleibt der Physiognomie der europäischen Politik ein — man darf schon sagen: altgewohnter Zuy erhalten, und das Conventionelle hat seine Bedeutung bei den internationalen Beziebungen so gut wir im gesellschaftliche« und im DcrkehrSlebrn. Ob das Goetbe'sche Wort „Es ist nichts in der Haut, was nicht im Knochen ist" auf den heutigen Dreibund Anwendung finden darf, braucht nm so weniger untersucht zu werden, als der russisch französische Zweibund vorläufig keine bedrohlich« Er» fcheinung zu werden droht. Und wegen Rußlands und im Hinblick auf Frankreich ist der Dreibund bekanntlich geschaffen worden. Eine Spitze gegen Rußland wollte ihm sein großer Begründer, der sich ledrglich von Defensivgedanken leite» ließ, nicht geben; diese Tendenz ist in den Dreibund auch später niemals eingedrpngen und Graf Bülow hat bei seinem offenbar lediglich in Dreibundssachen genommenen Wiener Aufenthalt« mit dem dortigen russischen Botschafter conferirt. Man kann auS dieser letzteren Thatsache wenigsten« da« Eine entnehmen, daß der bekannte „RückversicheruogSver» trag", den Bismarck s. Z. mit Rußland schloß, nicht eine That war, wegen deren man sogar FreiheitSentzicdung in Er» wägung zu ziehen brauchte. Daß eS überhaupt nicht nothwendig ist, L-taaten gegenüber, mit denen man nicht nur in Freund schaft, sondern in einer engeren Verbindung zu leben wünscht, die Zaghaftigkeit zu bekunden, die in Deutschland vielfach Mode geworden ist, hat Graf Bülow gezeigt. Er hat sich während de» verflossenen Winters im Reichstage recht un- genirt über den Werth de- Dreibundes ausgesprochen, und siehe da: die beiden Verbündeten haben dennoch zur Verlängerung de- Verhältnisses die Hand geboten und offenbar nicht ungern. Beiläufig darf man wohl darauf Hinweisen, daß der italienische Thronwechsel, über dessen angebliche internationale Eonsequenzen so viel geredet worden ist, dir Erhaltung d'« bestehenden mitteleuropäischen Zustande« nicht verhindert hat. Eine Reise Victor Emanuel'« II. nach Berlin ist wohl von keinem Verständigen al« eine Voraussetzung deS Fortbestände» de» Dreibunde- angesehen worden. Der funge König mag auS persönlichen Gründen keine Neigung zu einem derartige» Besuche empfunden haben und seine Re gierung ist vielleicht von politischen Bedenken, die ei» praktischer Politiker wie Graf Bülow gewiß zu würdigen wußte, nicht ganz frei. Dem König von Italien ist eS nämlich schwer möglich, Wien, die andere Dreibundeshauptstadt, zu besuchen. DaS ist allbekanat, aher man wird iu seltsamer Weise aus diesen «Schönheitsfehler de» Dreibund«» gestoßen durch «in« Auslassung der Münchener „Allgem. Zeitg", welche von der Wiener Reise deS Grafen Bülow handelt und lautet: ,,E» ist wohl möglich, daß Herr Prinetti i» Venedig dem Reichs kanzler KesichtSpuncte dargelegt Hot, welche sich specirll auf da» Berhaltniß Italien» zu Orfterrrich-Ungarn bezieh«». Siebt e» doch mosch« zwischen den Labtnetrn von Wien u»d Rom schwebend« Mrinuugtverichirdenheii«», die beglichen werden müssen. Bekannt ist, daß Italien de» lebhafte» Wunsch hegt, Kaiser Franz Joses möge de» Besuch, den ihn, König Humbert seinerzeit in Wie« abstattete, in Rom erwidern. Auch in Bezug aus di« albaiiesischen Angel,geuheiteu ist eine Auseinandersetzung wünschen-» werth." Di« „Allg. Ztg." wird notorisch häufig zu osfieiösen deutschen Kundgebungen benutzt, man muß aber den dringen den Wunsch hegen, daß sie in diesem Falle lediglich Eigene» zum Besten gegeben hat. Warum Kaiser Franz Joseph nicht nach Rom geht, weiß alle Welt; er ist in der Vor stellung ausgewachsen, daß der Papst der weltliche Souverän über Rom sei, und wenn er auch politisch in tadellos correcter Weise den neuen Zuständen Rechnung getragen hat und zweifellos auch ferner Rechnung tragen wird, so wäre e« doch eine ungeheure Kühnheit, anzunehmen, die Dreibunds- rückfichteu und gar die Berliner Regierung wären stark genug, um da- Persönliche, waS den eifrigen Katholiken auf dem Throne der Habsburger zu seiner Fern haltung bestimmt, auS der Welt zu schaffen. E» steht zu hoffen, daß Graf Bülow der Letzte sei, an einem Feuer, da», wenn überhaupt, so doch ganz gewiß nicht von Berliner Händen gelöscht werden kann, sich die Finger zu verbrennen. Ob die albanesischrn Angelegenheiten zu den Dingen gehöre», in die sich Deutschland um des Dreibundes Wille» mrscheu muß, lassen wir dahingestellt. Bisher war man weder iu Berlin, noch in Wieu und Pest, uoch in Rom dieser Meinung. Die Verständigung über den Fortbestand de» mitteleuropäischen Bündnisse- zeitigt in Deutschland eine Erscheinung, von der eS zu bedauern ist, daß uusrr prächtiger Jubilar Wilhelm Busch nicht geueigt ist, sie nut dem Strft und den köstlichen Versen, die er fließen zu lassen versteht, für die Nachwelt festzuhalten. Die deutscheu Freihändler haben un» auf da» Bestimmteste versichert, mit der Zolltarifvorlage de» BuudeSrathS — nicht etwa nur mit den Forderungen und Beschlüssen der extremen Agrarier — sei unmöglich der Dreibund, ia kaum der Friede aufrechtzuerhalten. Nun, Oesterreicb-Ungarn und Italien kennen die deutschen Tarif vorlagen so gut wie wir, und der Dreibund ist thatfächlich eraeuert. Mehr uoch, Handel-vertra-Sverhandluuge» auf Grunde de» VundeSrathSentwurseS sind aussichts reicher al» ja Mit der extrem-deutschen Spaßmacherlust, di« sich eben wieder durch die Bindung von Viehzöllen em Genüge grtha» hat, rechne» di« VertragSstaatrn allerdings nicht und daß Haden sie auch nicht nöthig.
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