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Nummer 248 — 24. Jahrqanq Sinai wöch. Bezugspreis: für Olttbr. 3,—einschl. Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 89L, Stellengesuche 29 L. Die Petitreklamezeile, 89 Milli meter breit, 1 «tt. Osfertengebühren für Selbstabholer Lg L, bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 19 L, Sonnlags-Nr. 18 L. Geschäftlicher Teil: Ioses Fo hma n n. Dre »den. Sonntag, 25. Oktober 1925 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt «ingesandle u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht ausbewahrt. Sprechstunde d. Redaktion ü bis 6 Uhr nachmittags. Hauptschciftleit.: Dr. Joseph Albert, Dresden, Juwel««» Larl ' l tz Zrötschner Dresden ISesckiüftsftelle, Druck und »Verlag, Saxunia- lv„chdn,ckerei »mbH.. Dresden.«. IS. Holbelnstr-isie 4«. gevmil 32722. Postscheckkonto Dresden 14797. Banlkonlo Bafsenge » gribsche, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen volkSzettung Dresdcn-AUst. >6. HolbemIlrosteUi aernr»' 3272Z »nd 33L33 Zenkrumspvlitik Es hat in den letzten Wochen nicht allein in der rechts- oder linksgerichteten Presse lebhafte Erörterun gen über die Politik des Zentrums gegeben, sondern auch in der Zentrumspresse selbst. Als nach den arbeitsreichen Sitzungen des Reichstages Mitte August alle großen Fra genkomplexe erledigt waren und die Volksvertreter sich ermattet in ihren Erholungsurlaub stürzten, schien eine öde, leere Zeit zu kommen. Aber die gütige Natur sorgt bekanntlich immer für Abwechslung. Der „Fall Wirth" tauchte gerade zur rechten Zeit auf, und damit war eine übermäßige Fülle von Stoff für die nächsten Wochen ge geben. Und man beschränkte sich nicht auf diesen Einzel sall allein, sondern trat (weil es ja allzu nahe lag) in „grundsätzliche" Abhandlungen über das Zentrum als sol ches ein. Viel „Geist" wurde dabei verschwendet, und viele Schlagworte sind geprägt, nachgeschrieben oder nach gesprochen worden. Ehe man sich's versah, war eine große Krise innerhalb des Zentrums konstruiert. Die einen riefen nach Klarheit, nach geraden Linien, die an deren — noch temperamentvolleren — nach sofortiger Einberufung eines Reichsparteitages. Und die alten Ausdrücke „Richtung Wirth", „Linkskurs", „Rechts schwenkung" traten von neuem sehr stark in den Vorder grund. Der badische Landcsparteitag wurde angesetzt. Wirth erhielt Gelegenheit, seinen bedenklichen Schritt, den Aus tritt aus der Fraktion des Reichszentrums, öffentlich zu begründen. Marx wurde als Vermittler entsandt, und er hat mit einer schönen Geste zum Schluß der Tagung dem Abtrünnigen die Hand geboten. Sentimentale See len glaubten, daß nach diesem „schönen Akte" die Sache nun so ziemlich erledigt sei und es nur noch einer wei teren formvollendeten Einladung bedürfe, um Herrn Wirth wieder in die Fraktion zurückzubringen. Andere freilich wußten, daß mit üblichen Handbewegungen und geschmackvollen Redensarten nicht gedient sei. Herr Wirth reiste bald darauf nach Amerika, um an den Beratungen der interparlamentarischen Union teilzuneh men, er entzog sich dadurch vorläufig jeder weiteren Be lästigung, und man hatte im Zentrum Zeit und Muße, die Erörterungen fortzusetzen, hier und dort Landespartei tage abzuhalten und schließlich auch den Termin des Neichsparteitages in Kassel für den 16. und 17. Novem ber festzulegen. Auch in Dresden findet nunmehr ein außerordent licher sächsischer Zentrumsparteitag statt. Es werden zweifellos alle die Fragen zur Erörterung stehen, die in den letzten Wochen die Oeffentlichkeit bewegt haben. Wir fühlen uns deshalb veranlaßt, einiges Grundsätzliche zu der gegenwärtigen Situation zu sagen. Daß eine Unzufriedenheit innerhalb der Zentrumswühlerschaft existiert, ist nicht mehr abzuleug- nen. Mag sie bei der einen Gruppe eine rein gefühls mäßige Angelegenheit sein, oder bei der anderen aus ge wissen politischen Tatsachen entspringen, von denen man entweder was versteht oder auch nichts versteht, — das eine steht fest: die Unzufriedenheit ist da. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob diese mißvergnügte Stim mung bereits einen solch hohen Grad angenommen hat, daß man von einer Krise in der Partei reden könnte. Man hat das getan, auch in Zentrumszeitungen. Wir sind allerdings der Auffassung, daß eine eigentliche Krise nur aus einer grundsätzlich falsch eingestellten Politik einer Partei erwachsen kann. Ob das der Fall ist, werden wir zeigen. Hauptsächlich jener Umstand nun, zu welchen Parteien sich das Zentrum bei den Regier u n g s- koalitionen bekannte, war Veranlassung zu aller hand Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Zen trumspartei. Und es ist ganz selbstverständlich, daß das große Heer der Wähler nicht sogleich versteht, wenn die Fraktion der Partei heute noch mit den Sozial demokraten und morgen schon mit den Deutschnatioualen sich an einen Tisch setzt. Das ist ja offenbar ein gewal tiger Wechsel und kann den Anschein erwecken, als liege eine grundsätzliche Schwenkung vor. Wir hatten zu Be ginn dieses Jahres die Präsidentenwahlen. Das Zen trum ging mit Demokraten und Sozialdemokraten. Die Rechtsparteien waren Gegner. Das erschien manchem als ein grundsätzlich falscher Schritt des Zentrums, weil man doch vorher ausgerechnet mit den Linksparteien auf dem stärksten Gebiete des Zentrums, auf dem der Kulturpolitik allzu häufig in Fehde gelegen hatte. Nichts destoweniger schienen jene Wählermassen, die am 7. De zember bei der letzten Reichstagswahl sich zum Zentrum bekannten, auch bei der Präsidentenwahl die Stimme für Marx abzugeben. Sie waren allmählich aufgeklärt worden und zu der Ueberzeugung gebracht, daß das Zen trum kein Gramm seiner kulturellen Prinzipien opferte und daß es ja schließlich nicht einen Kandidaten der Linksparteien zu wählen galt, sondern diese Linkspar teien sich unter Zurückstellung der eigenen London. 24. Oktober. (Drahtbericht W. T. B.) Reuter meldet aus Köln, daß die britische Armee am Rhein den Befehl erhalten habe, sobald wie möglich nach Wiesbaden abzu- rllcken. Paris, 24. Oktober. Die deutsche Note betr. die Abrüstung ist heute den alliierten Botschaftern zn- gcstellt worden. Die Botschasterkonferenz wird anfangs nächster Woche zusammentreten, um die Note zu prüfen. Außerdem erwarte man die Ankunft de-Z Vorsitzenden der Berliner Kontrollkommission, General Walch, zur Bericht erstattung in Paris. Ans Grund der von Deutschland ansgcfnhrtcn Abrüstnnasrnas-nahmcu scheine die R n » - mung Kölns, wie „Petit Porsten" meint, vom B.'t- sckaftcrrat für Mitte Dezember in Aussicht ge nommen zu werden. Berlin, 24. Oktober. Nach einer sich über den ganzen Tag hinziehenden Verhandlung haben Parteivorstand und Lonoes- verüandsvorsitzende der Deutschnationalcn Volkspartei mit er drückender Mehrheit folgende Entschließung gefaßt: In Fort führung der von der dentschnaHonalen Reichstagofraktion be reits ergriffenen Initiative erklären der Parteivorfland und die Landesverbandsoorsitzenden der Deutschnatioualen Volks partei: Das nunmehr vorliegende Vertragssrgebnis von Loearno ist für die Partei unannehmbar. Graf Westarp kündigte zum Schlüsse der Sitzung an, daß er die dentschnationale Reichstags fraktion auf Sountagvormittag bcruse, um nach diesem Be schlüsse über die erforderlichen Schritte der Fraktion zu beraten. Diese Entschließung wird sehr verschiede» kommentiert. Nach dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsver- lcger liege die Bddentnng des Beschlusses darin, daß Neichs- ministcr Schiele als Konseguenz seinen Austritt ans dem Mi nisterium werde vollziehen müssen. Von den beiden anderen, den Deutschnationalen zuzurechnenden, ober als Nichttnttglieder des Reichstages der Fraktion nicht angehörendcn Ministern v. Schlicke» und Neuhans Hobe sich Schlicken schon vor einigen Tagen in demselben Sinne geäußert, daß er ans der Stellung nahme der Fraktion die Konsequenzen ziehen werde. Vom Mi nister Neuhans sei eine Wiilensmeinimg »och nicht bekannt geworden. — Demgegenüber verbreitet der Vorstand der oeutsch- nationalen Neichstagsfraktion die Erklärung, daß die Frage des Verbleibens des Ministers Schiele von dem Beschluß der deutschnatioualen Neichstagsfraktion abhängt, die erst am Sonn- tagnachmitlng zusammeniritt. Alle vor dieser Entscheidung an die heutige Entschließung geknüpften Schlußfolgerungen ent behren somit der tatsächlichen Grundlage. Wie die deutschnationale Parteileitung den Beschluß des Reichsansschusses gern aufgcfatzt wissen möchte, ist aus dem Kommentar der in solchen Fragen stets gut unterrichteten „Deut schen Tageszeitung" zu ersehen. Das Blatt meint: Es läßt sich sehr gut denken, daß das Rüchskabinett den Beschluß nur als eine Rückendeckung für weitere Verhandlungen mit der Entente benützen wird, die sich nunmehr darüber klar sein muß, daß sie die von Deutschland angeboiene» Opfer mit wirklich entsprechenden Gegenleistungen ausgleichcn muß. Der deutschnationale Beschluß brauche also durchaus nichl ohne weiteres Anlaß zu einer Negicrungskrisis zu sei». — Die „Tägl. Rundschau" die bekanntlich dem Neichsanßenmiinstcr nahclteht, schreibt: Durch den Beschluß sind die deutschnalionalen Mitglie der des Reichskabinetts, die sich auf den Boden der Verträge von Locarno gestellt hatten, vollkommen desavouiert worden. Wenn die Deutschnalionalen bei ihrem Beschlüsse verharren sollten, das Werk von Locarno zu zerstören, so müßten sür alles, was dann folgen müsse, die Dentschnationale» die volle Verantwortung tragen. Es handle sich hier gar nicht allein um das Werk von Locarno, sondern uw die gesamte Arbeit des Neichskabinctts wäh'cnd der vergangenen zehn Atonale. Die „Germania" schreibt: Natürlich wird sich der Reichs kanzler' Dr. Luther bemühen, dem deutschnationalen Beschlüsse die Spitze ab.znbrechcn, um das Ergebnis von Locarno und sein Kabinett zu retten. Wenn ihm das gelingen soltte, dann gewiß nur durch Spaltung der Deutschnalionalen. — Die „Vosl. Z!g." und der „Vorwärts" erklären, soll? die Deittschnationalcn ons der Regierung ansscheiden, dann weide sich die Reichs'egic- rnng entschließe» müssen, den Reichstag anfzulösc» und Neu wahlen durchzuführcn. Berlin, 24 Oktober. (Drahtbericht unserer Berliner Schristleitnng.) Die deutschnationale Reichstagssraklion tritt morgen nachmittag 6 Uhr. der Vorstand der Fraktion bereits um !> Uhr zusammen. Von Ncgierungsscite liegt keinerlei offizielle Stellungnahme zu dem gestrigen Beschlüsse des denlschnaliona- len Reichsausschusses vor. Es wird von seiten der Regierung vielmehr erklärt, daß dieser Beschluß einer reinen Parleiinstan; erst dann sür die Negierung Bedeutung gewinne, wenn ihn die deutschnntionale Reichstagssraklion sich zu eigen machen sollte. Das Echo bei der DeuUeben Dolkspcniei Pcrliu. 24. Oktober. Voll maßgebender ''olkspacte'.- kicher Seite wird erklärt, daß die durch den Besthluß der deutühiianviialeil Delegierteuvertaminlung geschüttene Lage zwar als ernst aber nicht als endgültig ange sehen wird. Die deutsche Volkspartei hat das Vertrauen zu den in gemeinsamer Arbeit bewährten staatserhatteiiSe» Kräften der deutschnationalen Volkspartei, baß sie bei der endgültigen Stellungnahme in der Angelegenheit sich der kaum ansdcnkstaren Folgen ans inner- und außen politischem Gebiet, die eine Regierungskrise im gegen wärtigen Augenblick nach sich ziehen würde, bewußt sein werden. .Kandidaten zu dem Kandidaten der Mitte bekannten. Nach dieser Wahl aber kam die Auswirkung jener Reichstagswahl vom 7. Dezember. Das Zentrum, das be! der Bildung des Kabinetts Luther einen Mann aus seiner Rütte, wenn auch nicht mit offi zieller koalitionsmäßiger Bindung in die Negierung ent sandt hatte, mar nun plötzlich vor schwierige Aufgaben gestellt. Es galt drei ganz gewaltige Gebiete zu bearbei ten: Steuer-, Aufwertung-;- und Zollgesetze. Weil die Sozialdemokraten nicht in der Negierung saßen, betrie ben sie von Anfang an, lediglich aus agitatori schen Gründen, die schärfste Opposition gegen die Negierungseutwürfe. Die Demokraten benahmen sich zwar etwas besser, gingen aber auch in bedeutenden Fra gen nicht mit den Regierungsparteien. Auch dem Zentrum genügten die Borlagen der Re gierung nicht. Es sah aber gleichzeitig ein. daß sämtliche Gesetze innerhalb kürzester Frist irgendwie erledigt sein mußten, wenn man endlich einmal auf realer Grundlage bauen wollte. Zudem war Deutsch land durch den Dames-Bertrag und durch die noch abzu schließenden Handelsverträge gezwungen, zu den stener- und zollpalitischen Maßnahmen zu Kaminen. Es ergab sich also eine Zwangslage. Lehnte das Zen trum die Gesetzentwürfe grundsätzlich ab. so war an keine praktische Arbeit mehr zu denken. Die übrigen Regierungsparteien hätten keine Mehrheit mehr aufge bracht, und man hätte sich aufs neue auf endlose Kabi nettskrisen gefaßt machen müssen. Zwar wäre es sehr leicht gewesen, dem Gefühl des Volkes zu huldigen und in großen Gesten davon zu reden, daß die Aufwertung zr( gering sei, daß die Steuern zu hoch und die Zölle un erträglich seien. Schlagwörter, wie ..Brotwucher" und ähnliche Hütten das ihrige noch dazu getan. Das Zen trum hielt sich von solcher Politik fern. Es schlug einen anderen Weg ein. Bon der Notwendigkeit des Zu standekommens der Gesetze ausgehend, suchte es in zäher und harter Arbeit wenigstens das an den Entwürfen zu milder n, was irgendwie zu mildern war. Damit soll nicht gesagt sein, daß nun in allen Einzelheiten das er reicht und dnrchgesetzt ist, was bei größter Weisheit eines Politikers hätte durchgesetzt werden können, sondern wir stellen nur fest, das; das Zentrum in seinen Grün d- linien nicht anders handeln konnte. Und eigentümlicherweise kann heute (vielleicht abgesehen von den Aufwertnngsgesetzen) auch kein ein ziger unter den Unzufriedenen, wenn er beim Mort ge nommen wird, einen Gegenbeweis erbringen oder auch nur einen besseren Wog angeben, auf dem man hätte leichter zum Ziel kommen können. Das ist sehr wesent lich und sehr wohl zu merken. Trotzdem bleibt die Ver stimmung und sie wird nun schnell mit jenem anderen Einwand gerechtfertigt, daß die Rechtsparteien die ärg sten Feinde der Republik, der gegenwärtigen Staats form seien, daß sie ganz in der Vergangenheit wurzeln und vor allem für soziale Dinge von Haus aus gar kein Verständnis hätten. Weil aber das Zentrum staats- erhaltend und durchaus sozial sei, so könne keine Ge meinschaft mit der Rechten bestehen. Hinzu komme noch, daß besonders während der Präsidentenwahl der Reichs kanzler Marx, der hervorragendste Vertreter des Zen trums und des Katholizismus, mit einer Fülle von Schmutz überworfen wurde, und daß weiterhin die ganze Barmat- und Höfle-Astare mit dem aan.ien Auf-