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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000621013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900062101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900062101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-21
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
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310 DI« Morgen-AuSgabe erscheint om '/,? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um S Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'- Lortim. Untversitätsstraße 3 (Paulinum), Loni» Lösche, Katharinenstr. 14, »art. uud König-Platz 7- Nedaction und Lrpedition: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Bezugs-Preis Kt der tzauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Au»« vabestellrn abgeholt: vierteljährlich >l4.bO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S—. Direkte tägliche Krruzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.SO. Morgen-Ausgabe. KiWger TaMM Anzeiger. ÄmtsMtk des 5lönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Notizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Donnerstag den 21. Juni 1900. 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Sehr zurückhaltend stellen sich die meisten deut schen Kirchenbehörden nicht nur der Feuerbestattung an sich gegenüber, sondern auch der Frage, ob «und inwieweit die be treffende Landesgeistlichkeit im Falle einer prosectirten Leichen- verbrenNung seelsorgerisch oder liturgisch zu amtiren habe. Die beiden großen sächsischen Kirchenconserenzen Haden sich deshalb eingehend mit der Feuerbestattungsfrage beschäftigt. Das Er- gebniß dieser Berakhungen dürfte in allen Protestantischen Kreisen, soweit sie nicht ultraorthodox gestimmt sind, Befriedigung hervorgerufen haben; man empfahl evangelische Milde und Weitherzigleit. Von der katholischen Geistlichkeit und aus der Mitte katholischer Laien, soweit sie gläubig sein wollen, kann eine Discuffion der ganzen Frage überhaupt nicht mehr in Betracht kommen, seitdem Nom hierüber endgiltig gesprochen hat; im Fahre 1886 ist die päpstliche Entscheidung ergangen: „Die Christgläübigen sollen über den veräbscheuungswürdigcn Miß brauch (cwtestndilem ubusuw) der Verbrennung menschlicher Körper belehrt werden, und man soll die anvertraute Heerde mit allen Kräften davon abschrecken." Nach evangelischer An schauung handelt es sich bei der Todtenbestattung niemals um ein unwandelbares Dogma, sondern um einen Bestandtheil der christlichen Sitte. Von diesem Gesichtspunkte ans wehren sich noch so viele protestantische Kirchenbehörden und Privatpersonen gegen eine unbedingte Anerkennung der Leichenverbrennung als eines christlichen Bestattungsmodus. Merkwürdiger Weise wird hier fast immer übersehen, daß die christliche Sitte in ihren einzelnen Formen entschieden veränderlich ist. Nur an ein bestimmtes Beispiel sei erinnert. Die alte christliche Kirche hatte gewiß eine tief sittliche Vorstellung vom Verhältniß zwischen Herr und Diener; trotzdem hat man's für unbedenklich er achtet, lange Zeit ein thatsächlichesSclavenwesen zu billigen, ja so gar bestimmte Kirchensclaven zu halten. Man muß also vorsichtig sein, wenn man sich bei christlichen Formen ohne Weiteres auf die älteste Christenheit beruft. Hinsichtlich der Todten bestattung könnt« man bei solchem Verfahren leicht ebenfalls in Verlegenheit gerathen. Wir möchten die Sitte nicht missen, unse ren Todten noch einen letzten Blumenschmuck zu spenden; vielfach ist es üblich, dem Entschlafenen auch in den Sarg einen Strauß mitzugeben, und wo die kirchliche Feier am offenen Sarge stattfindet, sieht man den Todten mehrfach mit Kränzen und Palmen bedeckt; — dies Alles stimmt keineswegs mit der Aussage eines christlichen Zeugen des zweiten Jahrhunderts überein, der ausdrücklich berichtet: „Wir fügen keinen Kranz bei, der vertrocknet, sondern wir erhalten von Gott einen durch ewige Blumen lebendigen." Der Kirchenvater Chrysostomus wollte keine Beerdigung ohne Psalmen- und Hymneirgesänge. Heut zutage erblicken wir in den wohleinstudirten Grabgesängen bei „großen" Leichen bder im Gesänge der den Sarg geleitenden Schulkinder, >wie letzteres auf dem Lande zu geschehen Pflegt, weiter nichts als ein schmückendes Beiwerk; wohl die meisten aller Beerdigungen erfolgen ohne gesangliche Aufführungen. Eine Sitte, die sicherlich nicht ohne symbolische Bedeutung war, haben wir längst nicht mehr, daß nämlich der Dahingeschiedene kurz vor dem eigentlichen Beerdigungsacte mit Oel gesalbt wurde. Ohne Frage nahm Die erste Christenheit der heidnischen und darum für den frommen Zelotismus von vornherein abstoßend erscheinenden Sitte der Leichenvcibrennung gegenüber eine schroff ablehnende Stellung «in. Aber, so muß man billig fragen, hat es nicht auch Zeiten gegeben, wo man mit einer, heute kaum mehr verständlichen Engherzigkeit sogar gegen jede heidnische Kunst und Wissenschaft gewüthet hat — im Namen eines miß verstandenen Christentums? Das bekannte Wort Augustin's, daß die größten Tugenden der Heiden doch nur glänzende Laster gewesen seien, ist schon vor Luther kirchlicherseits corrigirt worden. Man braucht durchaus nicht als alleinigen und schon darum etwas «inseitigen Beweis die Nenaissancepäp-ste hevvorzu- hsben; genug, die ganz« mittelalterlich« und erst recht die evan gelische Kirche hat das wahlweise Bestreben gehabt, alte im Volke nun einmal festeingewurzelte heidnische Sitten zu verchristlichen und, wo es nur einigermaßen anging, den kirchlichen Ge bräuchen anzupassen. Freilich, man ist gelegentlich auch denkbar rigoros vorgegangen; aber das hat sich immer bitter gerächt. Karl der Groß«, der bei aller politischen Klugheit doch den großen Fehler beging, das Sachsenvolk mit roher Gewalt für das Christenkhum zu gewinnen, hat sich dieses Sieges niemals recht freuen dürfen; «s ist bezeichnend, daß gerade die.Feuerbestattung zu einer volksthümlichen Sitte bei den Sachsen geworden war und daß selbst die Todesstrafe, die Karl hierauf setzte, keinen bleibenden Eindruck machte. Welche Wandlungen sich innerhalb der Formen der christlichen Todtenbestattung im Laufe der Zeiten vollzog«» haben, das im Einzelnen zu untersuchen, wollen wir den speciellen Fachgelehrten üiberiassen. Nur an ein Zwiefaches mag noch erinnert werden, ohne da« wir unS eine christliche Bestattung, wenigstens Er wachsener,kaum vorstellen können, was aber gleichwohl verhältniß- mäßig erst recht neueren Datums ist: di« Leichenrede und die Einsegnung. Erstere ist so recht eigentlich durch Luther einge führt lvoöden, und was der Reformator dabei bezweckte, sicht man deutlich aus den einleitenden Worten, die «r einer dem Kurfürsten Johann gehaltenen Leichenrede vorau-schickte: „Weil sich der Fall jetzt älso mit unserem lieben Landesfürsten zugetragen, und die Gewohnheit und Weise mit den Seelmeffen und Begäng nissen, «wenn man sie zur Erd« bestätiget hat, obgangen ist, wollen wir dennoch diesen Gottesdienst nicht lassen nachbleiben, da* wir Gotte» Wort prSviyen, darinnen Gott gepreiset, und die Leu»- gebessert werden." Aber erst gegen Ende deS sechzehnten Jahr hundert» wurde die Sitte der Leichenrede für Deutschland all gemein. Die EinsegnungSfovmel, die gegenwärtig eine der wichtigsten Ceremonien beim Bearäbnißacte ist, gehört ihrer EntstehungSzei nach merkwürdiger Wesse erst «dem neunzehnten Jahrhundert an. Wie gelehrte Kenner versichern, findet sich die «rste förmliche Lene- diction in der Liturgie de» HerzogthumS Nassau vom Jahr« 1843: „Ich segne Dich ein zur Grabesruhe, ich segn« Dich ein zur Auferstehung de- Leben» kn Namen Gotte» de» Vater» «." Di« Begräbnißstätten durften nach römischem Staatsgesetz nur außerhalb der Stadt angelegt weiden. Während der Ver- folgungSzeiten dienten den Christen möglichst abgelegene Orte als Ruhestätten für ihre Todten. z. B. verlassene Steinbrüche, Tuffsteingrüben oder natürliche Höhlen. Allmählich baute man systematisch allerlei unterirdische Gänge aus, in denen nicht nur begraben, sondern vielfach auch Gottesdienst gehalten wurde. Man kann geradezu von Grabkirchen (Krypten) reden, über die dann übrigens auch oberirdische Kirchen gelegentlich gebaut wur den. An Stelle der Krypten oder der Katakomben, um den be kannteren Namen dafür zu nennen, traten allmählich die Vorhöfe der Kirchen und dienten ihrerseits nun als Begräbnißplätze. Leo der Große bereits wurde nicht mehr in einer Katakombe, sondern in der Vorhalle der Sacristei zur Peterskirche beigesetzt. Mit der Zeit wurden die Vorhöfe der Stadtkirchen immer mehr als Rüheorte für die Entschlafenen beliebt, und noch heute, wo allenthalben die Begräbnißstätten aus sanitären -Gründen wieder außerhalb der Stadt gelegt werden, hört man oft die Bezeichnung „Kirchhof" und denkt dabei nur noch an das Begrabenwerden. Für die Dörfer ist der „Kirchhof" allerdings noch meistens der unmittelbar an der Kirche gelegene Gottesacker; aber bei Neu anlagen berücksichtigt man auch auf dem Lande die Forderungen der Hvgieine und giebt den Verstorbenen außerhalb des eigent lichen Dorfes ihren Ruheplatz. Eine Fülle von eigenthümlichen Localsitten herrscht gerade bei der christlichen Todtenbestattung. Die alte Christenheit pflegte gern in der Nähe ihrer dahingegangenen Lieben das Abendmahl zu feiern und daran das sogenannte Liebesmahl zu schließen. Eine Ausartung hierzu wurden die sogenannten Leichenschmäuse, bei denen freilich die Reminiscenz an die altheidnischen, in der Nähe der Todten wbgehaltenen Trinkgelage mit im Spiele ge wesen sein mag. Manche Wandlung in der Form der christlichen Todten bestattung ist gewesen und kann auch ferner sein. Wenn ernste Christen mit gutem Gewissen die Form der Feuerbestattung für ich anordnen, dann sollte man sie nicht ohne Weiteres zu den Unkirchlichen oder Ungläubigen thun. In einer großen Industrie stadt Sachsens ist es vorgekommen, daß einem achtbaren Bürger bei dessen Tode die Glocken nicht geläutet werden durften, die selben Glocken, die er — seiner Kirche gestiftet hatte. Begründe tes Aufsehen in weiteren Kreisen haben seiner Zeit die Fälle Wislicenus in Goslar und Rümelinin Stuttgart erregt, sicherlich nicht zur Förderung des kirchlichen Ansehens. Gerade das christlich-evangelische Volk hat ein feines Gefühl in solchen Dingen, und unwillkürlich entscheidet es auf kirchlichem Gebiete zwischen der bloßen Form und der eigentlichen Sache. Die äußere Art der christlichen Todtenbestattung aber ist und bleibt ein formeller Modus; eine Parteifrage sollte schon um deswillen niemals daraus gemacht werden. Die Wirren in China. -p. Die ans Cbina eintreffenden Nachrichten lauten wieder hoffnungsvoller. Es scheint, daß Peking entsetzt ist und die Gesandtschaften gerettet sind. Allerdings batte die französische Negierung bis zum 19. Vormittags keine Nachrichten über die Vorgänge in China erhalten, auch die übrigen Regierungen hatten keine directen Informationen, aber die sonst vorliegenden Meldungen treten ziemlich bestimmt auf und erscheinen nicht unzuverlässig. Wir lassen sie hier folgen: . * Shanghai, 20. Juni. Tie hier eingetroffenen und von hiesigen ausländischen Beamten für glaubwürdig gehaltenen Nachrichten aus chinesischer Quelle besagen, dass die Gesandtschaften in Peking am17. Jnni noch »«versehrt waren, nnd datz Admiral Seymour mit den fremden Truppen Peking erreicht habe. (Ncnter's Bnr. Wiederholt.) * London, 20. Juni. (Telegramm.) An Shanghai verlautet, die russischen (?nt satztruppen, die über zahlreiche Geschütze verfügten, seien vor Sen Thoren von Peking cingctroffen und hätten die Stadt sofort von zwei Seite» angegriffen. * Loststdon, 20. Juni. (Telegramm s In einem anderen Telegramm, das heute die Zeitung des TireetorS Ser Eisenbahnen veröffentlicht, wird berichtet, datz die britische Flagge gestern über Sem süSltchen Thore von Peking geweht habe. Man nimmt an, Satz Sie« ans Sie Ankunft Ser Trnppenabtheilnng SesAdmiralsSehmonrin Peking hindcute. (WSrhlt. > Andererseits — man sieht wie Optimismus und Pessimismus nebeneinander Platz haben — meldet eine Depesche der nicht immer gut bedienten Londoner „Daily Mail" vom l9, Seymour'« Streitmacht sei umzingelt. Sensationelle Mittbeilnngea bringt das Londoner Blatt „Daily Expreß" auS Shanghai, die angeblich aus Tschifu dortbin gelangt sein sollen. Danach hätten der Pöbel und die Truppen, durch die Meldung von der Einnahme der Forts bei Taku wüthend gemacht, alle Ausländer in Peking ffund deren eingeborenes Personal von Schreibern und Dienstleuten niedergemacht. (?) Das Personal der Gesandtschaften soll verzweifelt gekämpft und erst nach gegeben haben, als die Munition erschöpft war. DienStag früh traf ein russisches Entsatzcorp- außerhalb Peking« rin und griff die Stadt unverzüglich von zwei Seiten an. (? Gerüchtweise verlautet, der Kaiser sei todt nnd die Kaiserin treffe Vorbereitungen zur Flucht. General Tung soll ver bannt sein, weil er die Takufort« nicht halten konnte. Varläusig hat also Jeder die Auswahl für den eigenen Geschmack. Katzenjammer am Hase z« Peking? Di« „Times" berichten, wie schon in einem Theile der Auflage de« gestrigen Abendblattes mitgetbeilt werden konnte, au« Shanghai unter dem 19. Juni: Um einer dringen den Aufforderung, nach Peking zu kommen, Folge zu leisten, verläßt Li-Hung-Tschang am Frritaa Canton. Mit Rücksicht hierauf und, da sie auch andere Symptome al« Zeichen dafür ansehen, daß die Mandscku-Partei die Hoffnung aufgegebea bat, den Mächten Widerstand zu leisten, haben die eingeborenen Beamten vollständig die Front gewechselt. Um diese Ansicht zn stärken, berichtet die einheimische Presse, die Regierung habe die Verhaftung deS Generals Tuna Luhsiang und de« Vicekönigs vvn Petschili angeordnet und Beide dem Strafgericht übergeben. Der Sturm auf Vie TakufortS. * LonVon, 20. Juni. (Telegramm.) „Daily Expreß" meldet aus Shangbai vom 19. d. M.: Bei dem Kampfe um die Forts von Taku sind 700 Chinesen in den ForlS gefallen. 100 wurden an Land auf dem Rückzüge durch die russischen und deutschen Mannschaften ab gefangen. Tie Deutschen urd Russen nahmen den neuen chinesischen Kreuzer „Haiyang". * Petersburg, 20. Juni. (Telegramm.) Der General stab der Marine hat aus Port Arthur vom Viceadmiral Alcxieff nachstehende telegraphische Mittheilung erhalten: Am 17. d. M. wurden die Fortö von Taku nach einem sieben stündigen nächtlichen, durch die Chinesen veranlaßten Kampfe von den Landungstruppen genommen. Hieran nahmen Theil: die russischcnKanonenbootr „Korejez", „Giljak" und„Bobr", daS deutsche Kanonenboot „Iltis", das französischeKriegssckiff „Lion" und die englische Corvette „Algerine", unter dem allgemeinen Commando des ältesten der Commandirenden, res russischen CapitänS ersten Ranges Dobrowolski. Die russischen Verluste betragen: ein Leutnant tovt, einer tödtlich, einer schwer und einer leicht verwundet, 16 Mann getödtet und 67 verwundet. Die „Giljak" ist ernstlich beschädigt; das Schiff erfordert eine Ausbesserung im Dock, da der unter Wasser befindliche Theil durch ein Geschoß ein Leck erhielt. „Korejez" erhielt sechs Lecke; eine Cajüte wurde zerstört. „Dobr" ist nicht beschädigt Worden und hat auch keine Menschenverluste erlitten. (Wdh.) Tas Bangtsc-Kianggebiet. In der vorgestrigen Sitzung des Unterhauses theilte der Nnterstaatssckretär deS Aeußeren Brodrick noch mit, die Admiralität habe Anordnungen getroffen, um Verstär kungen an den wichtigsten Puncten des Jangtse-Kiang auf zustellen. D'r britischen Kriegsschiffe werden, wenn noth- wendig, mit den Vicekönigen zur Aufrechterhaltung der Ord nung gemeinsam handeln. Gegenwärtig haben sich keine Umstände am Jangtse-Kiang ergeben, welche ein weiteres Eingreifen nothwendig machen. Selbstverständlich können, auch wenn sich die Eingangs aufgcführten günstigen Nachrichten bestätigen sollten, die an geordneten und in Ausführung begriffenen Truppenscndnngen nicht rückgängig gemacht werden. Es wird möglicherweise noch ein gutes Stück Arbeit geben, die chinesischen Banden zu Paaren zu treiben und die kaiserlichen Truppen zu entwaffnen. Aber auch wenn bereits auf den ersten Schrecken bin, den der Kanonendonner der fremden Schiffe bei Taku den Helden des himmlischen Reiches in die Knochen gejagt hat, der Schwarm sich von selbst ver lausen sollte, ist die Anwesenheit erheblicher Streitkräfte in Taku, Tientsin und Peking noch auf geraume Zeit erforder lich, um die chinesischen Panduren in Respect zn halten und ihnen die Lust zu einer zweiten Auflage des Kampfes gegen die ganze übrige Welt vergeben zu machen. So ist eS nur mit Freuden zu begrüßen, daß noch weitere Sentsche Teetrnppen für China bereit gestellt werden. Es wird uns hierüber gemeldet: * Berkin, 20. Juni. (Telegramm.) Auf Befehl des Kaisers werden beiSe Seevataillvne durch Freiwillige SeS aktiven TieustftanSeS Ser Armee auf Kriegsstärke gebracht unS wirS Ser Transport nach China vorbereitet. Antzcrdem soll Vas Personal für sechs bespannte Geschütze von Kiautschan gestellt werben uns eine vollftänStge Batterie 8,8-lkentimeter-Geschütze mit Personal, aber ohne Pferde, aus Seu Bestänveu der Armee abgegeben werden. * Berlin» 20. Juni. (Telegramm) Der deutsche Kreuzer „Irene" ist am 19. d. M. nach Taku gegangen. Der Dampfer „Stuttgart" des Norddeutschen Lloyd, mit der Ablösung für die deutschen Schiffe in Ostasien an Bord» ist am 19. d. M. in Penang (auch Pulo-Pinang, Hinteriudien) iu der Straße von Malakka eingetroffen und beabsichtigt, am 20. d. M. nach Singapore zu gehen. Unser Kieler Eorrespondent schreibt über die Mobilisirung der deutschen Seebataillone: (-) Kiel, 19. Juni. Die gesammte Marine-In fanterie hat infolge telegraphischen Befehl- des Kaisers heute Mittag mit der Mobilmachung begonnen. Die beiden, in Kiel und Wilhelmshaven garnisonirenden Bataillone sollen binnen kürzester Frist zur Verstärkung der deutschen Streitkräfte nach China gesandt werden. Die telegraphische Ordre ging nm Mittag hier ein und wurde sofort dem hiesigen I. See-Bataillon auf dem Casernrnbofe mitgetheilt. Al- die Aufforderung erging, daß sich Freiwillige für China melden sollten, trat da« gesammte Bataillon vor; kein Einziger blieb zurück. Heute wurden bereit« die Officiere auf d«e Fähigkeit zum Dienst in den Tropen untersucht. Morgen werden die Mannschaften untersucht. Die Auslieferung der KriegS- garnitur hat sofort begonnen. Alle Urlauber uud Dis- positionSurlaubrr sind bereit- telegraphisch zu ihrer Truppe berufen worden. Die Marineinfanterie steht unter dem Befehl de- Generalmajors v. Hoepfner. Da« I., in Kiel garni- sonirende Bataillon wird vom Major v. Madari, da- II., in Wilbelm-Haven garuisonirende vom Major v. Kronhelm commandirt. Beide Scebataillone bestehen zusammen auS 41 Officieren, 161 Unterossicieren und 1038 Mann, sind also 1243 Köpfe stark. Di« Bataillone werden durch Reserven und Mannschaften au« der Armee auf eine Stärke von 2400 Köpfen gebracht. Zum Transport derselben werden zwei Oceandampfer nothwendig sein, da gutem Vernehme» nach auch Artilleriemannschaften sich mit einer Anzahl Feldgeschützen anschlicßen werden. Innerhalb acht Tagen soll die Mannschaft eingeschifft werden und mit möglichster Eile die Reise nach China antreten. Ir Kiel nnd Wilhelmshaven bleiben nur kleine Wachtcommando. zurück, die später anfgefüllt werden sollen. Ein Befehls Haber ist noch nicht ernannt, doch dürfte die Le rufung deS Generalmajors von Höpfner wahrschein lich sein. — Auch die Seestreitkräfte werde« verstärkt. Der Panzerkreuzer „Fürst DiSmarck", dessen Entsendung bereits angekündigt worden, nimmt außer seine« Besatzung von 560 Mann 300 Soldaten an Bord und soll bereits in acht Tagen in See gehen. Heute Nachmittag ging dann der Befehl zur sofortigen Entsendung des eigentlich nach Westindien bestimmten neuen Kanonen bootes „Luchs", eines Schwcsterschiffes deS bereits vor acht Tagen nach China abgegangenen Kanonen bootes „Tiger" ein. „LuchS" unterbricht seine Probe fahrten und wird sofort ausgerüstet, so daß eü bis Ende der Woche seefcrtig ist. — Weiter ist die In dienststellung deS kleinen Kreuzers „Gazelle" in Aussicht genommen, aber noch nicht l befohlen. In Marinekreisen glaubt man außerdem, daß der heute in La Guyowo (Venezuela) eingetrofiene große Kreuzer „Vineta" Befehl erhält, ^von dort auf dem schnellsten Wege nach China zu dampfen. Allgemein ist man überzeugt, daß außer den genannten noch weitere Verstärkungen in den aller nächsten Tagen verfügt werden. Angebliche Verhandlungen der Mächte. Nach einer Drahtmeldnng der „Daily News" auS Nom schweben zwischen den Mächten Unterhanvlungen wegen der Absetzung und Einsperrung der Kaiserin von Cbina, auch habe ein Meinungsaustausch darüber statt gefunden, welche Form einer zeitweiligen Regierung in Peking unter der Aufsicht der Mächte bergestellt werden soll. Bei fällige Ausnahme finde der Vorschlag der Vereinigten Staaten, den jungen Kaiser auf den Thron zu berufen mit Ministern, auf deren vernünftige Haltung dir Mächte bauen könnten. Zur Sicherung und Aufrechthaltung der Ordnung sollen internationale Truppen in China bleiben. Die englischen Missionen. Lord Salisbury hielt am Montag in Exeter-Hall eine Ansprache in der Gesellschaft zur Ausbreitung de- Evangeliums, in welcher er betonte, daß er in hohem Maße mit den Bestrebungen der Missionare sympatbisire, jedoch hervorhob, daß den Negierungen häufig Schwierigkeiten durch die Missionare in fremden Gegenden erwachsen. Er forderte, daß die Missionare angehalten würden, mit der äußersten Vorsicht zu handeln. Dieselben sollten stets eingedenk sein, daß Jeder, der sich selbst dem Märtyrerthum aussetzt, auch das Leben von solchen auf das Spiel setzen könne, welchen er da- Evangelium predige; und daß er daun die Ursache davon werden könne, daß daS Blut der eigenen Landsleute vergossen würde. Folgende Meldungen sind noch zu verzeichnen: * London, 20. Juni. (Telegramm.) Der Direclor der chinesischen Telegraphie hat einen zeitweiligen Courierdienst ein gerichtet, um Tientsin mit der nächsten Station im Süden zu verbinden. Ein Berichterstatter Le- „Daily Mail" berichtet unter dem 19. Juni auS Aokohama: Wie ich erfahren habe, hat die japanische Regierung die Vertreter der Mächte zu einer Conserenz eingeladen, um die von Japan auf Grund der Vorgänge in China unternommenen Schritte zu besprechen. (Wdrhlt.) * Wie», 20. Juni. (Telegramm.) Die „Politische Lorre- spondenz" berichtet aus Rom: Das Gerücht, daß englischerseit« der italienischen Regierung der Rath ertheilt worden sei, di» Wirren in China zur Besitzergreifung eine» Punkte« an der chinesischen Küste auszunutzen, wird amtlich als au« der Luf.t gegriffen erklärt. * Berlin, 20. Juni. (Telegramm.) Der deutsch« Toosol in Tschifu ist angewiesen worden, schleunigst mit dem Chef des KreuzergeschwaLers wegen der Errichtung einer Schiff-post Ta kn-Tschifu in Verbindung zu treten. * Bern, 20. Juni. (Telegramm.) Die „Great Northern Telegrapheu-Lompany" hat dem .Lnternationalen Bureau" angezeigt, daß sie demnächst mit Hilfe der vereinigten Geschwader eine» uuunterbrocheneu Dienst zwischen Ti,»tsia bez. Taku und Tschifu zu organisiren hoffe. Berichtigung. In dem gestrigen Artikel über die chinesischen Wirren ist zweimal irrthümlich die „Deutsche Wacht" citirt. E- muß heißen: „Deutsche Warte". Der Handelsverkehr Lhiua». Wie man der „Post" au« Rom schreibt, sind einem Berichte des commerziellen Delegirtea bei der italienischen Gesandtschaft in Peking, Herrn Errera, falzend« Angaben über den Handelsverkehr CbinaS, di« uater de» gegenwärti-en Umständen erhöhtes Interesse gewiuue», zu entnehmen: Die gesammte Eiosuhr und Ausfuhr hatte im Jahre 1899 ei»en den Verkehr de« vorheraegaagenen Jahre« um 350 Millimren Francs übersteigenden Werth. Dies« beispiellos« Steigerung sei um so höher anzuschlagra, al« in dieser Ziffer der Ver kehr von Hongkong nicht ausgenommen erscheint. In den zehu Jahren 1890—1899 hat sich der Umsatz mehr al« ver doppelt. Industrielle Unternehmen und zahlreich« Handel«- und Actieugesellschafteu habe» an- dieser wirtbschaftlichen Entwicklung bedcuteudrn Gewinn gezogen. An« diesen Thatsachen rrzebeu sich auch zwingende Schliffs« in Bezug auf di« Produktionskraft und di« Avfnahme- fäbigkeit diese« umfangreichen Markte«, her Dank ver Mitwirkung de« europäischen Elemente« einen s« ungeahnten Aufschwung genommen hat. Au« den statistischen Ansmich- nungen gebt ferner hervor, daß der Handel zwischen der -khste und dem Binnenlande sich sehr günstig entwickrlt, worin sich die Wirkungen der Eröffnung der entlegensten Prvviaze» für deu Verkehr mit dem Meere, die in den letzten zwei Jahren erfolgt ist, bekunden. Der Tonnengehalt der Handels schiffe, welche in dir chinesischen Häfen einlirfen, hat sich i«
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