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MMIiyeiaer und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julins Braun in Freiberg. 1/» I I Erscheint jeden WochentagNachmttt. 'EUHr für dm 2«b S K- Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angmom- Jr 4- ITonuerStag, den «. Januar. MU' Des hohen NenjahrfefteS wegen erscheint die nächste Nummer Freitag Nachmittag. "MW Unser Frieden. In der Neujahrsansprache des deutschen Kronprinzen an seinen kaiserlichen Vater war ein Satz enthalten, welcher die augenblickliche Lage trefflich kennjeichnrt. Derselbe lautet: »In der Wehrhaftigkeit unseres gesammten Volkes liegt die gewichtigste Bürgschaft für die Wahrung unseres Friedens." Der Erbe der deutschen Kaiserkrone sprach nicht von dem durch die Beziehungen des Reiches zu den Nachbar staaten gesicherten Weltfrieden, sondern erblickte nur in der Schlagfertigkeit des sachkundig geleiteten deutschen Heeres eine Bürgschaft sür den Frieden Deutschlands. Nach diesen Worten des deutschen Kronprinzen dürfte die deutsche frei sinnige Partei den Widerspruch gegen die Militärvorlage sehr bald rinstellen, die Aussicht auf eine Abrüstung nach der von dem Zentrum auf nur drei Jahre bemessenen Frist für die Verstärkung der Wehrkraft aber vollständig ver schwinden An FrieoenSversichei ringen hat eS bei dem dies- maligen Jahreswechsel fast nirgends gefehlt; die Rede des Präsidenten der französischen Republik und des neuen Kon- seil-Präsidenten Goblet, sowie die Ansprache des ungarischen Minister-Präsidenten Tisza an seine Parteigenossen, ent- dielten den Ausdruck der Uebcrzeugung. daß der Weltfriede bewahrt bleiben werde. Dem Kaiser von Rußland erzählt der freilich nicht immer zuverlässige Pariser Korrespondent der Londoner „Times" daS ihm angeblich von zuver lässigster Seite mitgetbeilte Wort nach, „er wolle mit Deutschland keinen Konflikt, dessen unmittelbare Folge der Krieg in Polen sein würde; er wolle aber auch Frankreich schirmen, weil dessen abermalige Demüthigung nur das Vorspiel einer Niederlage Rußlands sein könnte; gegen Oesterreich wolle er nicht kämpfen, weil dabei selbst im Falle des Sieges keine Vortheile zu erlangen seien.' Wenn auch diese Worte authentisch wären, würden sie ebenso wenig wie die Reden des sich neuerdings plötzlich friedliebend gebehrdenden französischen Kriegs-Ministers Boulanger die auch in den Worten des deutschen Kron prinzen kundgegebene unumstößliche Uebcrzeugung der Hohenzollern erschüttern, daß nur in derpkriegsberertschaft des deutschen Heeres die rechte Friedensgewähr liegt. Es war zu erwarten, daß die deutschfreundlicheren Aeuße- rungcn der Petersburger Regierungspresse einen Stimmungs wechsel in Paris zur Folge haben und, daß man dort er« kennen würde, die Zeit für ein Bündniß mit Rußland sei noch nicht gekommen. Ebenso rasch könnte sich das Bild aber wieder wenden, wenn ein Verzicht auf weitere mili tärische Schutzmaßregeln i» Deutschland den etwas gesun kenen Muth der russischen Paustavisten wieder heben sollte. Noch leitet freilich der wahrhaft friedliebende und Deutsch land geneigte russische Minister von Giers die auswärtige Politik Rußlands im Sinne des Drei-Kaiser-Bundes; noch verwaltet der maßvolle Minister Graf Tolstoi, der kürzlich die russischen Blätter vor neuen Gehässigkeiten gegen Deutschland warnte, das Ressort des Innern; sür eine Dauer dieser Politik des Zarenreiches fehlt aber jede Bürgschaft. Von vertrauenswerther Seite ist versichert worden, der Kaiser habe erst kürzlich nach einer Unterredung mit dcm Haupt der Panslavisten, dem Geheimrath Katkow, gesagt, dieser sei wirklich der Einzige, der sich ausschließlich durch patriotische Gesinnungen leiten lasse. Katkows Ein fluß hat es bereits dahin gebracht, daß der zu Deutschland neigende Finanzminister von Bunge durch den angeblich früher nihilistisch gesinnten Geheimrath Wyschnegradski er setzt wurde, daß Graf Tolstoi das Portefeuille des Innern an den bekannten Bedränger des Dcutschthums in den Ostseeprovinzen, den Senator Manassnn abtreten soll. Wenn Tolstoi fällt, dann muß von Giers sicher nach. Die chon merklich wieder ins Stocken gerathenen Bemühungen »er russischen Presse, die Gesinnungen Rußlands Deutsch- and gegenüber freundlich erscheinen zu lassen, waren von Anfang an keine bedingungslosen. Man erwartete dasür von Petersburg aus daS deutsche Zugeständniß, daß Ruß land Vorrechte in Bulgarien habe und daß Deutschland Alles aufbieten werde, um Oesterreich zu verhindern, mit England und Italien ein Bündniß zu Gunsten Bulgariens abzuschließen. Beide Wünsche sind von dem leitenden deutschen Staats mann erfüllt worden, denn daß derselbe in Wien zu ver- Wen gab, Deutschland sei nicht vertragsmäßig verpflichtet, leben Streit Oesterreichs zu dem seimgen zu machen, ist ganz unzweifelhaft; ebenso bekannt ist, daß Fürst Bismarck stets behauptete, für das deutsche Reich habe er in Bul- garien keine Interessen zu vertreten. Weiter konnten aber die Zugeständnisse Deutschlands nicht gehen und die von Petersburg auS ersehnte und bereits auf russischen Antrieb in französischen Blättern als Thatsache ausvosaunte Er schütterung des deutsch-österreichischen Bündnisses war voll ständig unbegründet. Mit derselben Festigkeit, mit welcher Fürst BiSmarck gesucht hat, eine Allianz zwischen Oester reich, Italien und England hintan zu halten, welche daS Zeichen zum Ausbruch des allgemeinen Konflikts geben würde, wies er jeden russischen Versuch ab, das deutsch- österreichische Einverständniß zu stören und Deutschland auS seiner vermittelnden Stellung ru drängen. Es bat dies die russischen Blätter nicht gehindert, sich in maßlosen Schmähungen Oesterreichs zu ergehen. Erst in den letzten Tagen schrieb das Petersburger Blatt „Swjet": „Be- zwecke die russisch-deutsche Annäherung nur eine fiktive Versöhnung der Interessen Rußlands und Oesterreichs in der Orienttrage, so werde es doch noch zum Kriege kommen, weil nur Rußland oder Oesterreich auf der Balkanhalbinsel dominiren können.' Hoffentlich bricht endlich die von Berlin aus bündig ertheilte Versicherung, daß daS Bündniß des deutschen Reiches mit Oesterreich unverändert fortbestehe, den russischen Angriffen gegen den Verbündeten Deutsch lands die Spitze ab. <Nn dieser Versicherung vollen Glauben schenkender Artikel des ministeriellen französischen Blattes „TempS' beweist, daß sich die französische Regie rung wenigstens über die Stellung Deutschlands zu Ruß land nicht täuscht. Der Rücktritt deS englischen Schatzkanzlers Lord Chur chill hat aber auch dem Wiener Kabinet alle Lust benom men, sich qemeinsam mit England und Italien zum Be schützer Bulgariens aufzuwerfen. Die österreichischen Re gierungsblätter erklären bereits, daß es an England sei, etwaigen unberechtigten Schritten Rußlands gegen Bulga rien entgegenzutreten, da der britische Staat die meisten Interessen im Orient besitze. Lord Churchill ist aber, durch seine Reiseersahrungen gewitzigt, als ein entschiedener Gegner der von Salisbury geplanten aktiven Orientpolitik nach London zurückgekehrt und wohl besonders deshalb aus dem Kabinet geschieden, um dieser Politik ungehemmt Wider- spruch leisten zu können. Salisbury mußte darauf dem geschäftsmännisch gesinnten liberalen Friedensfreund Goschen einen Platz in seinem Ministenum einräumen und sieht nun sowohl in dem Kreise der Regierungsfreunde wie in denen der Opposition so viele Gegner eines Konflikts mit Rußlands, daß er wohl oder übel Frieden halten muß Leider wachsen aber immer die Ansprüche der russischen Panstavisten ganz unermeßlich wenn sie ihre Gegner zurückweichen sehen. Je friedlicher Europa sich äußert, desto mehr schwillt dem Anhang Katkows der Kamm. Der diplomatische Rückzug Englands und die Friedensmahnungen Deutschlands können die Moskowiter sehr leicht zu neuen Provokationen gegen Oesterreich Ungarn ermuthigen. So lange der Zar nicht mit Katkow und den Panstavisten bricht, so lange schützt uns keine diplomatische Kombination vor der stets möglichen Gefahr, zum Schutz des befreunde ten Nachbarstaates das Schwert ziehen zu müssen. Wer Oester reichs Interessen schnöde verletzt, bedroht auch unseren Frieden, der nur eine feste Bürgschaft hat, ein wohlgerüstetes, stets kampfbereites Heer! Tagesschau. Freiberg, den L. Januar. Der Trinkspruch, mit welchem der deutsche Kaiser bei der vorgestrigen Festtafel der Generale der Armee gedachte, hatte folgenden Wortlaut: „Zum Abschied, meine Herren, nachdem ich in diesen Tagen die Freude gehabt habe, Sie um mich zu sehen, trinke ich auf das Wohl der Armee. Ich hoffe und weiß, daß die Armee immer das bleiben wird, was sie bisher war und jetzt ist, wenn sie weiter auch festhält an dm drei Grundsäulen ihrer Tüchtigkeit: am Ehrgefühl, an der Tapferkeit und am Gehorsam. In dieser Erwartung trinke ich auf das Wohl der Armee. Sie lebe hoch I» Tief bewegt durch diese mit starker Stimme gesprochenen Worte stimmten die Anwesenden begeistert in da» dreimalige Hoch Seiner Majestät. — Der Kaiser wird am 18. d. M. im kgl. Schlöffe zu Berlin die feierliche Investitur einiger Ritter d«S Orden» vom Schwarzen Adler vornehmen. Verliehe« wurde diese Hohr Auszeichnung im verflifMen Jahr« de« österreichischen General Freiherr« von KoWM dcm komm«, dirrnden General de» Gardekorps, GenerÄ^er Infanterie von Pape, dem ehemaligm französischen Botschafter am Ber liner Hofe, Baron de Courcel, dem Prinzen Karl von Schwa den, dem Prinzen Joachim Albrecht, zweiten Sohn deS Prinze« Albrecht von Preußen, und dem Herzoge Johann Albrecht von Mecklenburg^chwerin. Von diesen neuen Rittern dürfte« General von Pape und Herzog Johann Albrecht von Mecklew burg diesmal di« Investitur erhalt«, und zu ihnen noch da? komanandirmde General deS 14. Armeekorps, Gmeraladjutast von Obernitz, hinzu treten, welcher den Ordm bereit» a« 1« September 188S gelegentlich der damaligen Herbst« Manöver erhalten hat, aber noch nicht investier ist. — Van Seiner Majestät dem Kaiser ist an Herrn Oberst- lieutenant v. Egidy, welcher in Vertretung d«S zur Sratulotio« nach Berlin befohlenen Regiments - Kommandeur» di« vo« L. Grenadierregimmt Nr. 101 in Dresden veranstaltete« Feier lichkeiten au» Anlaß d«S 80jährigen Dienstjubiläum» Sr. Majestät geleitet hat, da» nachstehende Telegramm emgegange»: Berlin, Palai», 3. Januar 1887, 6 Uhr 1» Min. Abend». Hrn. Oberstlieutrnant v. Egidy. Ich habe mich aufrichtig gefreut über den innigen Antheil, welchen mein kgl. sächs. L. Grenadier« regiment Nr. 101 an der Feier meine» 80jiihrigen Dienst« jubiläum» genommen hat. Ich ersuche Sie, hierfür dem Regi ment meinen königlichen Dank zu übermitteln. Wilhelm. — Eine vom S. d. MtS. datirte königliche Verordnung beruft beide Häuser de» preußischen Landtages zum 1». Januar ein. — Gestern trat der deutsche Reichstag zum ersten Male nach der Weihnachtspause wieder zusammen. HauS und Tribünen waren mäßig besetzt. Die zweite Be« rathung de» Etat» deS ReichSamtS deS Innern wurde fort gesetzt. Dabei richtete Abg. Groh 6 die Anfrage an die Regierung, wann die Vorlage gegen die Fabrikation des Kunst- wein» zu erwart« sei. Abg. Lingen» betonte gleichfalls die Nothwmdigkeit, gegen die Fabrikation der Kunstweine ga- setzgeberische Maßregeln zu ergreifen. Darauf erklärte dir Direktor de» Reich»gesundheitsamte» Köhler, in der Recht sprechung über die Weinfälschungen sei gegenwärtig eine große Urbereinstimmung unter den Gerichten erzielt worden. Die gesetzliche Regelung der Weinfälschungsfrage biete groß« Schwierigkeit«, namentlich wegen der Verschiedenartigkeit der Auffassungen über die Begriffe Verbesserung und Fälschung des Weines. Die Regierung müsse es daher dem Hause über lassen, positive Anträge zu stell« und werde ihrerseits dam» zu der Frage Stellung nehm«. Abg. Rickert meinte, bei dem bisherig« Zustand könnt« die solidestm Firmen vor Ge richt gezogen werd«. Niemand wisse die Grenzen anzugebcn, wo er Zusätze mach« dürfe. Der Redner bezeichnete eS, auf dm Danziger Weinprozeß hinweisend, für Pflicht der Regie rung, auf Grund von Gutachten wissenschaftlicher Autorität« die bezügliche Vorschrift des Nahrungsmittelgrsetzes zu ver« bessern. Der Direktor Köhler hatte dagegen die Ueberzeu» gung nicht gewonnen, daß der gegmwärtige Zustand so haltlo» sei. Dm Danziger Weinprozeß zum Gegmstand einer näher« Besprechung im Hause zu machen, halte er für sehr bedenklich, weil der Prozeß noch schwebe. 0 Allerdings lasse der Stand punkt der Regierung großen Spielraum; das liege aber m der Schwierigkeit der Materie. Nicht da» Nahrungsmittel gesetz gereiche der Weinproduktion zum Nachtheil, sondern der Umstand, daß das Gesetz weniger streng gehandhabt ward« sei, al» dasselbe immer gehandhabt hätte werd« müssen. Abg. Buhl sagte, eS handle sich sehr um einen Jntereflmkampf, t» welchem das allgemeine Recht zu Gunsten einiger Manipulationen auf den Kopf gestellt werde. Der Redner verlangte ein Verbot der Fabrikation de» KunstweineS und ein Verbot, den Wein, mit welch« bestimmte, der Definition des Nahrungsmittelgesetzes nicht wider sprechende Manipulation« vorgenommm Word«, als ver besserten Wein zu verkauf«. Abg. Racke warnte vor allzu groß« Anforderungen an den Wein und bemerkte, die Chemie könne Fälschung« nicht überall sicher Nachweisen. Abg. Bam berger bat, den Standpunkt des Publikum» anzunehme«, das nicht nach Art und Herstellung, sondern nach Geschmack und Zuträglichkeit frage. Man möge den Wemhändlcr nicht abhängig machen von Auslegungen deS Gerichts. Abg. Witte wünschte, daß im Laufe der Session ein Gesetzentwurf über die Verwendung giftiger Farbstoffe eingcreicht werde. Der Staatssekretär von Bo etlicher erwiederte auf eine Anfrage des Abg. Schumacher wegen Verunreinigung von Wasser, daß