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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000519018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900051901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900051901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-19
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
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Dabei hat sich beiläufig oer radicalste Flügel der Opposition noch anständiger benommen als die Zanardelli-Gruppe, denn die Socialisten haben wenigstens offen der Regierung den Krieg erklärt, während die bürgerlich- radicale Gruppe hinterlistig einen Antrag einbrachte, der scheinbar den Frieden zwischen den Parteien Herstellen sollte, thatsächlich aber eine Verhöhnung der Regierung und der Mehrheit war, in dem er an die Majorität die Anforderung stellte, ihr eigenes Werk, die Geschäftsordnung vom 3. April, zu verleugnen, und eine neue Geschäftsordnung herzustellen. Die parlamentarische Mehrheit und mehr noch die Regierung, an ihrer Spitze Mi nisterpräsident Pelloux, haben eine erfreuliche Festigkeit bewiesen. Und so kommt die Meldung, daß das Parlament aufgelöst wird, nicht unerwartet. Wie uns der Telegraph meldet, ist das Auflösungsdecret bereits unterzeichnet, und sind die Neu wahlen auf den 3. Juni, die Stichwahlen auf den 10. Juni festgesetzt worden. Die neue Tagung beginnt am 16. Juni. Die Auflösung der Deputirtenkammer hat sehr Vieles für sich. Wohl wäre es nach der neuen Geschäftsordnung möglich gewesen, in der Weise Ruhe zu schaffen, daß die tumultuirenden Abge ordneten gewaltsam aus dem Saale gebracht wu>den, aber die Anwendung dieses Mittels würde den Lärmmachern gebracht haben, was sie wünschen; sie würden zu Märtyrern gestempelt worden sein und die Sympathie des Volkes würde sich ihnen zuwenden, weil sie als Verfechter parlamentarischer Freiheit gelten würden. Ganz etwas Anderes ist es, wenn die Regierung versucht, der Opposition bei Neuwahlen eine eklatante Niederlage bei zubringen. Denn durch die Neuwahlen wird das Volk zum Richter über die von der Regierung und der Mehrheit beliebte Beschränkung der parlamentarischen Zügellosigkeit gemacht. Es steht bei der Wählerschaft, darzuthun, ob sie der Regierung, oder der Opposition Recht giebt. Ist das Erstere der Fall, so wird dann, Venn im neuen Parlamente wieder ähnliche Scandal- scenen herbeigeführt würden, wie gegenwärtig — und das ist ja anzunehmen, denn einige Lärmmacher werden ja jedenfalls auch in das neue Parlament hineingewählt werden, — die Par- lamentsmchrheit in der Lage sein, rücksichtslos von den Befug nissen der neuen Geschäftsordnung Gebrauch zu machen, weil durch den Ausfall der Wahlen diese Geschäftsordnung ihre aus drückliche Sanktion durch den Volkswillen erhalten haben würde. Es ist nun höchstwahrscheinlich, daß die Freunde ernst haften parlamentarischen Arbeitens bei den Neuwahlen den Sieg über die radikalen Maulhelden davontragen werden. Das ita lienische Volk hat es in den letzten Jahrzehnten sattsam genug erfahren, daß es durch einen unvernünftigen und übertriebenen Parlamentarismus in Grund und Boden rumirt wird. Es hat an dem parlamentarischen Müßiggang über und über genug. Daß man dies selbst in radikalen Kreisen empfindet, ergiebt sich daraus, daß ein so links stehendes Blatt, wie die „Tribuna", sagt, das scandalöse Gebahren der Opposition werde in den in telligenten Kreisen eine reactionare Bewegung Hervorrufen. Mit anderen Worten: das Blatt erkennt, daß der Parlamentarismus in Italien auf dem besten Wege ist, an sich selbst zu Grunde zu gehen. Wenn also die Regierung ganz offen die Losung ausgiebt; „Nicht Absolutismus, aber auch nicht Parlamentarismus, sondern Constitu tion a li s m u s ", so dürfte sich unter diesem Banner eine Mehrheit des italienischen Volkes zusammenfinden. Diese Mehrheit wird um so größer sein, wenn es der Re gierung gelingt, als Candidaten der ihr nahestehenden Parteien Männer herauszufinden, we „Onorevoli" nicht blos heißen, sondern auch sind. Die Spitzbübereien, denen sich ungezählte und leider auch sehr hervorragende Parlamentarier in Italien unausgesetzt schuldig gemacht haben, und die nicht zum kleinsten Dheil« zu dem wirthschaftlichen Elend des Landes beigetragsn haben, haben das italienische Volk erbittert und zu einem guten Theile in die Arme des Radikalismus getrieben. Das italienische Parlament bedarf wieder uneigennütziger und patriotischer Männer, wie sie das kleine piemontösische Parlament in den 50er Jahren zur Verfügung hatte. Wenn uneigennützige Männer mit warmem Empfinden für die Nothlage des Volkes in das Parlament gewählt werden, so wird es auch möglich sein, in der socialen Gesetzgebung, der bisher durch den Egoismus der Par lamentarier Abtrag gethan worden ist, weiterzukommen. So kann Auflösung und Neuwahl des Parlaments eine neue historische Epoche für Italien einleiten — wenn das Ministerium Pelloux, das bewiesen hat, daß es ein ener gisches Ministerium ist, den Beweis liefern sollte, daß es auch ein weitschauendes Ministerium ist. Es darf ihm nicht auf einen augenblicklichen Erfolg ankommen, sondern es muß ihm darum gelegen sein, das Parlament an Haupt und Gliedern zu refor- miren. Denn das Entscheidende für das italienische Volk ist nicht die Art der Handhabung der Geschäftsordnung, sondern die Herstellung des socialen Friedens und gebesserter" wirtschaft licher Verhältnisse durch ein ehrlich und gewissenhaft arbeitendes Parlament. Vincn „Beitrag zur Bekämpfung der UnMichkeit" liefert die „Frankfurter Zeitung", indem sie daS Urtbeil des schweizerischen DundeSgerichteS in Lausanne, des höchsten Gerichtshofes der Eidgenossenschaft, in Sachen Knittel, datirt vom 17. April 1895, veröffent licht; es lautet: „Durch Haftbefehl des Untersuchungsrichters beim königlich württembergischen Landgerichte Rottweil vom 17. Mai 1893 wird der katholische Pfarrer Fridolin Knittel von Wachendorf beschuldigt, er habe im Sommer und Herbst 1892 zu Wacheudors, Oberamt Horb, als Geistlicher, mit einer »och nicht 14 Jahre alten Schülerin wiederholt, jedoch in einer rechtlich einheitlichen Handlung, unzüchtige Handlungen vor- genommen, indem er (die hier folgende Beschreibung der Einzelheiten des Vorganges läßt sich nicht wiedergeben. Der Berichterstatter.)... (Verbrechen gemäß 88 176 Nr. 3, 174 Nr. 1, 73 des deutschen Reichs- slrasgesetzbuches). Gestützt auf diesen Strafbefehl stellte das königlich württembergische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten mit Note vom 22. März 1895, auf Grund der Nr. 1 Ziffer 8 des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages, beim schweizerische» BundeSrath das Gesuch um Auslieferung Les sich in Hergiswyl (Nidwalden) aushaltenden Knittel. Der Requirirte erhob gegen die Auslieferung Einsprache, weil im schweizerisch-deutschen Ausliefcrungsvertrag das Vergehen, dessen er beschuldigt werde, gar nicht angeführt sei.... In zwei Eingaben an das Bundesgericht, denen ein Rechts gutachten des Reichstagsabgeordneten Gröber in Berlin beigesügt war, führte der Requirirte im Wesentlichen aus: Ter schweizerisch-deutsche Auslieserungsvertrag greife von den Ver schiedenen Unzuchtsdelicten nur zwei heraus: Nothzucht und Kuppelei mit minderjährigen Personen. Beide Delicte seien straf rechtlich sowohl im Gesetz wie in der Wissenschaft genau und klar desinirt, und zwar in einem Sinne, daß das, was nach allgemein juristischem Sprachgebrauch als bloße unzüchtige Handlung bezeichnet werde, nicht darunter falle. Die auf Grund des Auslieferungsvertrags nachgesuchte Aus lieferung ist somit, da es sich nicht um ein in diesem Vertrage vorgesehenes Auslieferungsdelict handelt, zu verweigern." Dies also der Wortlaut des Urtheils des schweizerischen Bundesgerichles. Es knüpfte sich daran noch eine Aus einandersetzung zwischen Deutschland und der Schweiz. Jndeß, das ist nebensächlich. Die Hauptsache ist die, daß es Herrn Gröber gelungen ist, seinen Schützling dem Arme der württembergischen Justiz zu entziehen. Derselbe Mann, der jetzt eifrigst Strafparagraphen gegen diejenigen befürwortet, die durch die Darstellung des Nackten angeblich die Sittlichkeit gefährden, derselbe Mann hat seinen juristischen Scharfsinn angewandt, um einen schamlosen Menschen vor der drohenden Auslieferung und der nachfolgenden Strafe zu retten! Herr Gröber entsetzt sich vor dem Schaufenster, in dem ein paar unbekleidete Figuren stehen, und will den Schausteller bestraft wissen, aber dem geistlichen Wüstling, der sich an einem unschuldigen Kinde vergreist, dem hat er freundschaftlich geholfen, sich der Verfolgung zu entziehend Zu allerem kommt, daß Herr Gröber nicht etwa in der Rolle eines Rechtsbeistandes auftreten konnte, sondern daß er — Herr Gröber war damals Landrichter in Heil bronn — seine Schritte that trotz seiner Eigenschaft als Richter, und zwar als Richter in Diensten des requirirenden Staates. Wahrlich, wenn irgendwo, hier paßt daS Wort: Oitticils est, »atu am nou seiibvie! Der Krieg in Südafrika. -p. Meldungen wichtiger Natur sind von beiden Kriegsschauplätze» nicht eingetrosfen. Nur scheint eS, daß Telegrammen der Londoner Blätter aus Kroonstad zufolge die Boeren sich nicht hinter den Baalfluß zurückgezogen, sondern längs des Nhenosterflusses starke Stellungen bezogen haben, die sie energisch zu vertbeidigen denken. Darauf deutet vielleicht auch folgende Nachricht hin: * Kroonstad, 16. Mm. (Telegramm.) (Neuter'S Bureau.) Tie Boeren haben die Brücke über den Rhenostcrfluß gesprengt. Es verlautet, Laß sich in Pretoria eine Friedens partei bilde. Die Bewohner von Kroonstad und die Bürger der Umgegend seien einstimmig der Ansicht, daß der Feind geringen oder keinen Widerstand leisten werde. Der Nhenosterfluß, ein südlicher Nebenfluß deS Baal, schneidet die Bahnlinie Kroonstad-Pretoria in der Mitte zwischen letzterem Orte und der TranSvaalgrenze. Bestätigt sich die Meldung, so erhält unsere unlängst ausgesprochene Ansicht, daß die Boeren den Oranjestaat nicht ohne einen letzien Kampf preisgeben werden, eine Stütze. Eine Drahtmeldung des „DailyExpreß" ausFourlern st reames meldet, General Hunter jei dabin mit der 5. Brigade von Ehristiana zurückgekehrt. Die Brigade Bar ton blieb innerhalb der Transvaalgrenze. In Natal thun die Boeren daS, was sie thun können und vielleicht schon längst hätten thun sollen, sie ziehen sich, wie aus Dannhauser unterm 17. Mai berichtet wird, nach dem Majubaberge zurück, den nördlichen Eingang in den Transvaalstaat deckend. Hier können die Engländer sich nur, wie am 27. Februar 1881 blutige Köpfe und Nieder lagen holen. Tie Beira-Route scheint sich nicht gerade als eine Akquisition ersten Ranges darzu-» stellen. Daß das Renommöe der englischen Politik durch die Art und Weise, in welcher Portugal zur Verletzung der Neutra lität gezwungen wurde, einigermaßen rampomrt ist, erträgt man in England, dank längerer Gewöhnung an solche kleinen Im promptus, mit heiterer Seelenruhe, aber darüber, daß die Eisenbahn nicht functioniren will, erbost man sich. Bei BambooTreek wechseln die Bahnen nämlich die Schienenbreite, und in Folge dessen stauen die Transporte sich an dieser Stelle erheblich an. Das Klima ist dort, wie aus früheren Schilderungen hinlänglich bekannt ist, so ziemlich das unangenehmste, was man sich denken kann, und zum Ueberfluß dominirt dort noch die Tsetse-Fliege. Die Folge ist, daß die Mannschaften krank sind und die Pferde nach und nach eingehen. Die „Times" nehmen von diesen bedauer lichen Zuständen Kenntniß, fügen aber zum Tröste eine begeisterte Schilderung von dem Enthusiasmus, mit welchem die portu giesischen Beamten, „vom Gouverneur abwärts", alles Mögliche thun, um den britischen Truppen den Durchmarsch durch portu giesisches Gebiet nach Möglichkeit zu erleichtern, bei. Bis jetzt sind im Ganzen anscheinend 3500 Mann in Beira einge troffen und werden prompt landeinwärts geschafft. Es ist ein langer Weg von Beira nach Transvaal, und am Ende wird sich zeigen, wem die portugiesische Hilfsbereitschaft mehr Schaden gethan hat, den marschirenden Engländern, oder den sie erwartenden Boeren. Sin militärischer Fachmann über die Lage. Die Besetzung KroonstadS am 12. Mai bat ein neues Stück des Freistaates in die Hand der Engländer ge bracht und die Kriegslage Weiler zu ihren Gunsten verschoben. WaS ersteren Punct anbetriffk, so schießt man in England mit der Annabme, daß der Freistaat, da er nun zu Drei viertel seiner Länge von den Truppen Roberts' durchzogen ist, auch zu Dreiviertel oder so gut wie ganz beherrscht werde, weit über das Ziel hinaus. Wirklich beherrscht wird er böcb- stenS zu einem Sechstel bis zu einem Siebentel seiner FlächenauS- dehnung, und zwar trifft dies im Süden das Gebiet zwischen der Luue Smithsield-Springfontein und dem Oranjesluß, im Osten die Gegend von Thabanchu, iu der Milte eine Strecke Ferrrlleton. Vulkanische Gewalten. Eine geologische Studie anläßlich des neuesten Vesuvausbruchs. Von KarlRudolfi. Nachdruck verdaten. Die glücklichen jungen Paare, welche gegenwärtig auf den Pfaden ihrer Hochzeitsreise in Italien wandeln, können eine der großartigsten Erscheinungen beobachten, welche die Natur bietet. Das, was wir so oft in unserer Kinderzeit in schlechten Bunt drucken an den Wänden angestaunt haben, in stockdunkler Nacht ein hoher Berg, an dessen Wänden sich feurige glühende Fluthen herabwälzen, die ihren Widerschein an endlosen Rauchmassen finden und den Glanz der Sterne verdecken, ein vulkanischer Aus bruch, und zwar des Vesuvs, ist nach langer Zeit wieder einmal zur Wahrheit geworden. Es ist dies das Effectvollste, was der reisende Tedesco und Jnglese in der bella Napoli bewundern kann, und wofür die Franzosen gewiß viel Geld hingeben würden, könnten sie sich einen solchen Clou in die Nachbarschaft ihrer Aus stellung zaubern. In der That hat der Anblick eines feuerspeienden Berges in vollster Thätigkeit immer etwas ungemein Fesselndes für die menschliche Phantasie gehabt. Seit den Zeiten Homer's, der den Ulysses auf seiner 10 Jahre langen Heimfahrt nach Ithaka auch an den Fuß des sicilischen Aetna verschlagen werden läßt, seit der jüngere Plinius anläßlich des Vesuvausbruches, der 79 n. Chr. Pompeji und Herkulanum verschüttete, ein Opfer seines Wissensdranges wurde, bis zu James Roß, dem muthigen Polar forscher, der tief unten in den Eismassen, die den Südpol um starren, die 4000 Meter hohen, thätigen Vulkane Erebus und Terror entdeckte, ist es nicht blos Neugier und Freude an einer etwa» außerordentlichen Illumination gewesen, welche den Phäno menen des Vulkanismus ihre Beachtung schenkten, denn kein anderes geologisches Geschehniß ist im Stande, die Oberfläche unserer Erde so schnell zu verändern, wie ein Vulkanausbruch; wenn auch der Endeffect der nagenden Kräfte des Wassers der säcularen Hebungen und Senkungen in die Geschicke von Hundert tausenden vielleicht einschneidender eingreift, so bietet doch die imponirende Plötzlichkeit, mit welcher oft binnen wenigen Stunden und Tagen Millionen Centner flüssiger Lava ausge- spieen werden, Aschenberge sich aufthllrmen und andere Partien der Erdoberfläche in die Tiefe versinken, genug des Interessanten, um sich immer wieder mit der Frage zu beschäftigen, was für revolutionäre Kräfte denn eigentlich dort unten in den Ein- geweiden unserer Mutter Erde an der Arbeit sind. Dies» Fragen sind um so wichtiger, als sie aufs Engste mit der Frage nach der Beschaffenheit des Erdinnern Zusammenhängen und die davon untrennbare Erdbebenfrage immerhin selbst für uns Mittel europäer actuell ist, die die Zuckungen des Erdenleibes zum Glück nur an einem stehen gebliebenen Uhrperpendikel oder an einem eingestürzten Rauchfang angezeigt erhalten. Thätige Vulkane sind auf der Erde im Ganzen genommen keine Seltenheit. Die neuesten Forschungen ergeben, daß aus nicht weniger denn 320 solcher Riesenschlote die unheimlichen unterirdischen Feuer Herausrauchen, und immer noch werden neue Feuerberge entdeckt, wie z. B. vor Kurzem in dem durch seinen Goldreichthum plötzlich zur Berühmtheit gewordenen Alaska, wo ein derartiger Riesenberg, höher als der gigantische oft genannte Mount Elias, etwa 6000 Meter hoch gen Himmel ragt. Noch weitaus größer, ja überhaupt noch gar nicht an nähernd genau festgestellt ist die Zahl der ausgestorbenen Vulkane. Bis jetzt sind schon weit über 600 bekannt, und an dieser Zahl participiren auch Deutschland, dessen Eifelmaare als erloschene Feuerberge zu betrachten sind, und Oesterreich, welches in Mähren, im Rautenberg bei Freudenthal und noch an mehreren anderen Orten Vulkane besitzt. Auf dem europäischen Festlande ist der Vesuv der einzig thätige Vulkan; dagegen finden sich auf den Mittelmeerinseln deren bereits sechs, unter denen der Aetna, der Stromboli und der Vulkan auf Santorin im griechischen Archipel die bekannte sten sind. Auch auf den vielfach noch zu Europa gerechneten Azoren finden sich sechs nicht gerade bedeutende Vulkane. Im posanter wirken die Plutonischen Gewalten im europäischen Nordmeere. Von den Feuerbergen auf Jan Mayen und den neun thätigen Vulkanen auf Island sind immer einige in voller Arbeit. Ungleich zahlreicher und gewaltiger sind aber die Werk stätten des Hcphaestos in fremden Erdtheilen. Von dem äußersten unter Schnee und Eis begrabenen Norden des amerikanischen ContinenteS ziehen sich in meridionaler Richtung über 2000 geo graphische Meilen bi» zur Südspitze Südamerikas die Bergketten der Rocky Mountains, der Cordilleren und Anden hin, und in ihnen liegen reihenweise angeordnete zahlreiche erloschene und thätige Vulkane. Schon Alaska weist ihrer 5 auf; ihnen reihen sich auf dem Festlande der Vereinigten Staaten 8 weitere an, welchen in Mexico 10 Vulkane folgen. In dem räumlich be schränkten Centralamerika sind 26 thätige Feuerberge die Ursache zahlreicher Erdbebenkatastrophen; dann folgen Ecuador mit 14, Peru und Bolivia mit 7, Chile mit 18 Vulkanen, und auch auf dem an der Schwelle des südlichen Eismeeres gelegenen unwirth- lichen Feuerland speit das Erdinnere aus einem solchen Ventil sein Feuer gen Himmel. Die Jnselbrücke der Aleuten, welche sich vom nördlichsten Amerika über das Beringsmeer nach Sibirien hinüberspannt, beherbergt nicht weniger als 31 thätige Vulkane, mLotter Reihe, wie Soldaten in der Front, schließen sich ihnen auf Kamtschatka 12 wahrhaft riesige Feuerberge an; dann baut der Jnselstreifen der Kurilen mit 10 Vulkanen nach Japan her über, wo deren wiederum 17 in Thätigkeit sind, an deren Spitze das Wahrzeichen des Landes der aufgehenden Sonne, der wolkenumgebene, schneebedeckte Fusijama, marschirt. Dann ver mitteln 8 Vulkane auf den Liu-kiu-Jnscln und Formosa die Verbindung mit den Feuerherden der Philippinen, Molukken und Sundainseln, deren Zahl sich auf ein volles halbes Hundert be läuft, und von hier aus erstrecken sich mehrere Reihen von ins- gesammt 26 thätigen Vulkanen durch das Polynesische Meer nach Neuguinea und Neuseeland hinunter, die mit je 3 Stück den Reigen beschließen. Dergestalt sind in Form eines spitzen Bogens oder Winkels, dessen Schenkel sich nach dem Südpolarmeer öffnen und den Stillen Ocean umspannen, während der Scheitelpunct im nörd lichen Eismeer zwischen Asien und Amerika liegt, mehr als zwei Drittel sämmtlicher thätigen Vulkane in augenfälligster Ketten form angeordnet. Weniger klar ausgesprochen, aber doch für den Geologen deutlich erkennbar, ist auch die reihenweise Position der 10 bezw. 17 Vulkane auf den Inseln und dem Festlande Afrikas. Nur etwa ein Fünftel sämmtlicher thätigen Vulkane liegen isolirt oder in regellosen Heerden beieinander; fast sämmt- liche liegen aber unweit des Meeres, und wo sie weit von diesem sich mitten im Binnenlande befinden, sind oder waren wenigstens, wie in Centralafrika — man denke nur an den Kilimandscharo und Kenia —, große SUßwasserbecken in der Nähe. Diese beiden höchst auffälligen Umstände leiten uns zu der Erklärung hinüber, welche die moderne Geologie über die Ent stehung der Erscheinungen des Vulkanismus giebt. Noch vor wenigen Jahrzehnten standen sich zwei Meinungen diametral gegenüber. Nach der ersten, welche ihren vornehmsten Ver fechter in Alexander v. Humboldt fand, ist die letzte Ursache der Vulkanbildung in der angeblichen Feuerflüssigkeit des Erd inneren zu suchen, welche dir Kant-Laplace'sche Hypothese über die Weltenbildung wie für alle Sonnen, Planeten und Monde, so auch für die Erde wenigstens während langer Epochen ihrer geo logischen Geschichte annimmt. Ueber einem 1700 geographische Meilen im Durchmesser betragenden Erdball aus geschmolzenem Gestein, dessen Temperatur sich zum Mindesten auf mehrere Tausend Grade belaufen mußte, sollte sich die feste Erdrinde, auf der wir wohnen, in einer Dicke von nur 9—10 Meilen darüber lagern. Rechnen wir diese Proportionen einmal auf die Größe eines stattlichen Apfels von 10 Centimeter Größe, der durch schnittlichen Länge des Zeigefingers einer Männerhand, um, so würde dem Fleische der Frucht mit einem Durchmesser von 99 Millimeter eine Schale von wenig mehr als einem halben Millimeter Dicke entsprechen, und eine so dünne, feste Rinde sollte im Stande sein, den unbändigen Naturkräften des feuerflüssigen Erdinnern Stand zu halten, selbst wenn di» 320 thätigen Vulkane mit ihren im Vergleich zur Größe des Erdballs doch immerhin sehr kleinen Oeffnungen fortwährend der Function von Sicher heitsventilen, wie sie einen Dampfkessel gegen Explosion sichern, obliegen sollten. Die Humboldt'sche Ansicht, nach welcher die Auswurfsröhren der Vulkane direct in das feuerflüssige Erd innere hinunterführen sollten, fand daher immer geringeren Bei fall, und man verfiel, wie gewöhnlich, in das stricte Gegentheil, indem man behauptete, daß die Erscheinungen des Vulkanismus nur die an der Erdoberfläche bemerkbaren Symptome eines in der Tiefe wüthenden localen Erdbrandes seien, der sich von Kohle, Petroleum, Schwefel oder anderen brennbaren Mineralien nähre. Diese Erklärung ist noch viel unwahrscheinlicher als die erstere, ja im Hinblick auf die riesenhaften Dimensionen mancher Vulkanausbrüche und die Dauer derselben, welche an manchen Orten viele Jahrtausende weit zurückreicht, geradezu absurd. Am wahrscheinlichsten ist vielmehr Folgendes: Ob die Erde in ihrem Mittelpunkte heute noch in feuerflüssigem Zustande sich be findet, mag dahingestellt bleiben; Thatsache aber ist, daß im Inneren derselben noch heute sehr hohe Temperaturen herrschen. Wegen des ungeheuren, auf ihnen lastenden Druckes ist aber der Schmelzpunkt der Gesteine in einer Liefe von Hunderten und Tausenden von Kilometern jedenfalls ein bedeutend höherer als auf der Erdoberfläche, und daraus folgt, daß entweder der Erd kern selber fest ist, oder zum Mindesten von einer festen Kruste von weit über 100 Meilen umgeben ist. Die ganze ungeheure Erdmasse ist nun in dem Weltraum, wo eine Temperatur von mehr als 200 Grad unter Null herrscht, einer langsamen Ab kühlung seit vielen Millionen Jahren unterworfen, und zieht sich entsprechend einem allgemein giltigen Naturgesetze allmählich auf ein kleineres Volumen zusammen. Dieser letzteren vermögen die obersten Partien der Erde natürlich nicht gleichmäßig zu folgen, und während auf großen Flächen der Erdboden langsam nach- giebt und einsinkt (Meere und Tiefebenen), stülpt sich derselbe an den Begrenzungslinien in Form von Kettengebirgen empor, unter welchen bedeutende Hohlräume und längsverlaufende Spalten frei werden. Das darunterliegende feste Gestein wird von dem auf ihm liegenden Druck entlastet, und dadurch werden ungeheure Wärmemengen frei, welche einen Theil der Gesteine schmelzen, die sich nach oben einen Ausweg bahnen und nament lich dann mit elementarer Gewalt hinaufdrängen, wenn gleich zeitig von nahen Wasserbecken her Wasser in die Hohlräume drängt, welches sich sofort in Dampf von hoher Spannung ver wandelt, und übrigens, wenn es sich in seine Elemente, Wasser stoff und Sauerstoff, dissociirt, auch die Grundstoffe liefert, mit denen sich Schwefel, Phosphor und andere brennbare Materialien begierig unter Flammenerscheinungen verbinden. Die» der heutige Standpunkt der Wissenschaft.
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