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Tcs Bußtages wegen erscheint die nächste Nummer dieses Blattes Sonnabend Nachmittag'!,« Uhr Tagesschau. Freiberg, den 10 März. Der deutsche Kaiser machte gestern Nachmittag eine Spazierfahrt und nahm sodann Borträge deS Kultusminister- von Goßler und des Staatssekretärs Grasen Bismarck ent gegen. Abends fand musikalisch-theatralische Soirse bei dem Kaiserpaar statt, wozu 230 Personen geladen waren. Zu dieser Soirse hatte der kurz zuvor in Berlin eingetroffene Bicomte de LeffepS eine Einladung erhalten und erschien derselbe mit dem französischen Botschafter Herbette. Der berühmte Ge lehrte saß während des musikalischen TheileS am Tische der deutschen Kaiserin. Der Kaiser, der sehr frisch und munter erschien, hatte die Fürstin Hatzseldt und die Prinzessin Reuß zu Nachbarinnen. Zum Geburtstage des Kaisers wird auch das rumänische Königspaar nach Berlin kommen. In Ver tretung des Kaisers von Rußland wird Großfürst Michael an der Geburtstagsfeier theilnehmen, Der Senioren-Konvent des deutschen Reichstages, in welchen die Nationalliberalen die Abgg. v. Benda und Marquardsen, das Zentrum die Abgg. v. Franckenstein und Windthorst, die Konservativen den Abg. v Helldorff-Bedra, die Rcichsparteiler den Abg. v. Kardorff, die Freisinnigen den Abg. Richter delegirten, während die Sozialdemokraten iu demselben überhaupt nicht vertreten sind, hat die vorläufige Vertheilung der Kommissionsstellen an die einzelnen Fraktionen nach der Kopsstärke derselben vorgenommen. Die Sozial demokraten, welche unter fünfzehn Mitglieder zählen, werden als Fraktion überhaupt nicht mehr betrachtet, haben deshalb auch in keiner Kommission einen Sitz erhalten, selbst nicht iu in der Wahlprüfungs-Kommission, in welcher sie besonders gern vertreten sein wollten. — Bon der deutschfreisinnigen Fraktion wird im Reichstage die Annahme einer Resolution beantragt werden, welche den Bundesrath ersucht, dem Reichs tage eine Vorlage zu machen, durch welche zur Deckung der durch das Gesetz, betreffend die erhöhte Friedcnspräsenzstärke des Heeres, erwachsenden Mehrkosten eine Reichseinkommen steuer nach folgenden Grundsätzen eingeführt wird: 1) Die Reichseinkommensteuer wird erhoben vom reinen Einkommen aus Kapitalvermögen, Grundeigenthum, Gewerbebetrieb, öffent licher oder privater gewinnbringender Beschäftigung, Renten oder sonstigen stehenden Bezügen. 2) Der Reichseinkommen steuer sind alle Einkommen von mehr als 6000 Mark unter worfen. Dieselbe beträgt einen bestimmten von */, Prozent ob aufsteigenden Prozentsatz desselben. 3) Die Zahl der zu erhebenden Monatsraten der Reichseinkommensteuer wird jähr lich durch das Reichshaushaltsgesetz festgestellt. — Ver schiedene Blätter kündigen an, daß dem Reichstage demnächst ein Gesetz vorgelegt werden solle, welcher die Anpreisung und öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln verbiete. Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." erfährt, sind die Reichsbehörden zwar schon seit längerer Zeit mit Erwägungen darüber beschäftigt, ob von Reichs wegen dem Geheimmittelunwesen in wirksamerer Weise als bisher entgegcnzutreten sei, jedoch ist die Frage weder nach der formellen, noch nach der materiellen Seite hin zum Abschluß gelangt. — Der Herzog von Ratibor, der Präsident des preußischen Herrenhauses, ließ dm Mitgliedern des letztem die Mittheilung zugehen, daß Plenar sitzungen am Freitag den 18. März d. I. und an den folgen den Tagen stattfinden werden. „Bei der Bedeutsamkeit der Die Meuterer von Ruftschuk. Die Furcht, daß die Kugeln, welche die Rebellen in Rust- schuk trafen, auch den Frieden Europas gefährdeten, war anfangs ziemlich verbreitet, bis jetzt ist aber noch nicht das Geringste geschehe», was diese Besorgniß rechtfertigen könnte. Die russischen Regierungsblätter üben bei Besprechung dieser Angelegenheit eine gewisse Zurückhaltung. Das „Journal de St. Pstersbourg" sagt bezüglich der Hinrich tungen in Bulgarien nur, diese Handlungen empörender Brutalität hätten endlich die öffentliche Meinung über den Werth der vermeintlichen Vertheidiger der Ordnung auf geklärt. Hoffentlich würden diese Ausschreitungen die Ueber- zeugung herveiführen, daß es geboten sei, dein Martyrium des armen Volkes, welches durch Rußlands Hingebung in's Leben gerufen, aber durch zu große Toleranz seitens Europas der Anarchie überliefert worden sei, ein Ende zu machen. Auch die Geduld habe ihre Grenzen; diese seien aber bereits überschritten. Die „Moskauer Zeitung-, welche zunächst nur die Ansicht des Geheimrath Katkow zum Ausdruck bringt, verherrlicht das Andenken der in Rustschuk Hingerichteten. Während andere Leute in diesen treulosen Offizieren erkaufte Werkzeuge Rußlands erblicken, die um schnödes Gold ihr Baterland verkaufen wollten und die deshalb nicht das geringste Mitleid verdienen, werden dieselben von Katkow als Männer gepriesen „die ohne jedes persönliche Interesse als Zeugen für Pflicht und Wahrheit m männlichem Proteste gegen die unglückliche und schimpf liche Lage ihrer Heimath gegen die Unterdrücker derselben kämpften und von denselben hingemordet wurden.- Das Moskauer Blatt weissagt, ihr Ehrentod werde die Geschichte in Bewegung setzen und große Ereignisse zeugen, drückt aber besonders darüber die größte Entrüstung aus, daß der Rustschuker Mord unter den Augen des zivilisirten Europa mit, wenn nicht offener, so doch geheimer Billigung der in Sofia vertretenen Regierungen begangen werden konnte. Der erwähnte Artikel schließt mit den Worten: „Wir werden nicht vergessen, daß diese Leute als Opfer ihrer Ergeben heit für Rußland fielen und als Zeugen jener engen Bande, welche ihre Nation mit Rußland verknüpfen.- Die von Katkow gleichzeitig ausgesprochene Verdächtigung der europäischen Kabinette liefert den erfreulichen Beweis, daß seine Verherrlichung der Meuterer von Rustschuk durchaus keinen osfiziösen Charakter hat. In Petersburg weiß man sehr gut, daß die bulgarische Regierung lange genug Mäßi gung walten ließ und erst zu dem erwähnten Akt der Nolh- wehr schritt, als ihr die Empörung bis an den Hals ging. Der deutsche Generalkonsul von Thielemann und der Vertreter des Sultans, Riza Bey, haben sich nachKräften für dieVerurtheilten verwendet, aber bei der Schnelligkeit des Standrechts kam ihre Vermittelung einfach zu spät. Als Herr v. Thiele mann von dem Vertreter Rußlands in Bukarest, Hitrowo, in Kenntniß gesetzt wurde, daß 6 von den verurtheilten 9 Offi zieren russische Unterthanen seien, verlangte er als provi sorischer Vertreter der Interessen der russischen Unterthanen in Bulgarien sofort deren Auslieferung. Die bulgarische Regierung erwiderte höflichst, daß die betreffenden Offiziere bereits erschossen seien, aber im Laufe des kriegsgericht lichen Verfahrens selbst ihre bulgarische Nationalität aner kannt hätten. Die Rolle, welche Herr Hitrowo in Bukarest bee der ganzen Sache gespielt, bedarf ebensowohl der Auf klärung wie der Umstand, daß die rebellischen Bulgaren mit russischen Pässen versehen waren. Die Hinrichtung der 9 Offiziere erfolgte Sonntag früh 7 Uhr in aller Stille auf dem 5 Kilometer von Rustschuk entfernten Hochplateau neben der Fahrstraße nach Rasgrad. Nachdem das Todes urtheil durch den Präsidenten des Kriegsgerichts, Kapitän Andrem, vorgelesen worden, nahmen die Verurtheilten mit Umarmungen und Küssen von einander Abschied. Einige unter ihnen trafen noch letztwillige Anordnungen, welche sie mit Bleistift zu Papier brachten. Die Verurtheilten wurden sodann vor die für sie bestimmten Gräber gestellt und ihnen nach dem von einem bulgarischen Popen gespen deten geistlichen Segen die Augen verbunden. Aus das Kommando „Feuer!" gaben die vor jedem Verurtheilten aufgestellten drei Soldaten je zwei Schüsse auf dieselben ab, womit die Hinrichtung beendet war. Von dm europäischen Vertretern in Sofia ist nach englischen Mittheilungen keineswegs eine gemeinsame diplo matische Kundgebung zu Gunsten der Verurtheilten ge- Einberufung der Sobranje einverstanden sind, da jedenfalls etwas geschehen muß, um die Zustände in Bulgarien zu bessern. Ob die bulgarische Regentschaft gesonnen ist, der Sobranje ihre Vollmachten zurückzugeben, die Wahl einer neuen Regierung unter Anlehnung an die russischen Forde rungen vorzuschlaaen und so die Bahn zu einer Neuwahl der bulgarischen Nationalversammlung freizumachen, scheint bis jetzt noch sehr zweifelhaft. Jede Nachgiebigkeit der bulgarischen Regierung veranlaßte bisher Rußland, seine Forderungen zu erhöhen. Vielleicht flößt die in Rustschuk geübte schnelle Justiz dem Petersburger Kabinet etwas mehr Achtung vor den Bulgaren ein, da. dessen Absicht verlautete, die Ordnung der bulgarischen Verhältnisse künftig ganz der Pforte zu überlassen. Von den Mächten geschieht jeden falls das Möglichste, das Petersburger Kabinet davon zurückzuhalten, sich mit dem demagogischen Treiben Katkows einverstanden zu erklären und sich zu einer Aktion verleiten zu lassen, bei der Rußland höchstens Frankreich als Bundes genossen, aber ganz Europa gegen sich haben würde. reit' eM AyeiqE Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu- Braun in Freiberg. schehen, ebensowenig scheint es sich zu bestätigen, daß die Konsuln in Rustschuk den Aufschub der Urtheilsooll- streckungen verlangt haben. Nachweislich trat nur der fcanzösffche Generalkonsul Flesch für ein solches Vorgehen ein. Er war auch der Einzige, der dem ganz aus der Luft gegriffenen Gerücht von der Mißhandlung der ver hafteten Zankowisten Glauben schenkte. Flesch nahm die dahingehende Beschwerde des ehemaligen Kriegsnumsters Nikoforows eifrigst entgegen, zeigte sich höchst gerührt von den Klagen der Frau Karawelow und verurtheilte die Strenge der bulgarischen Regierung. Riza Bey dagegen war nicht zu bewegen, Frau Karawelow zu empfangen, der übrigens die anderen diplomatischen Agenten den freundlichen Rath ertheilten, sich an die gesetzlichen Behörden ihres Vaterlandes zu wenden. Die Untersuchung gegen die als Urheber des Ausstandes in Silistria und Rustschuk geltenden bulgarischen Oppositionsmitglieder Zankow, Kara welow und Nikoforow ist noch nicht abgeschlossen, dürfte aber wahrscheinlich einen völlig unblutigen Ausgang haben, da die bulgarische Regentschaft zur Milde geneigt ist und annimmt, daß die Rebellion nur durch russisches Gold zu Stande gebracht wurde. Der Redakteur des Rustschuker Blattes, „Slavianin", Stantschew, soll im Hause des inzwischen tödtlich verwundeten Oberst-Lieutenant Filow durch die Ver mittelung des meuterischen Kommandanten Usunow 300 Napoleons von dem russischen Konsulat in Bukarest erhalten haben. Den Aufständischen standen erhebliche Summen zu Gebote, weshalb sie, um den Vorwurf der Käuflichkeit abzuwehren, durch Aufrufe verkündigten, sie hätten einige Millionen im Namen der bulgarischen Natton geliehen. Diese Aufrufe, welche massenhaft in die Hände der Regierung gelangten, sind höchst interessant. Das Komitosiegel hat im Innern ein orthodoxes Kreuz, darum geschrieben in kyrillischen Buchstaben die Worte: „Provi sorische bulgarische Volksregierung-. Neben dem Kreuz steht: „Unter diesem Zeichen werden wir siegen-. Alle Aufrufe sind in schlechtem Bulgarisch, stellenweise mit russi scher Orthographie geschrieben; sie strotzen von Beleidigungen gegen die Regierung. Für den deutschen Leser mag die Stelle von Interesse sein, wo es heißt, Bulgarien sei, nach dem ihm Rußland die Freiheit gegeben, verpflichtet, diesem Staate nn Kampfe gegen das Deutschthum zu helfen, welcher Kampf das eigentliche Ziel Rußlands sei. Wie dem „Neuen Wiener Tageblatt" aus Sofia mit- getheilt wird, ergab das Verhör der dort Verhafteten, daß General von Kaulbars vor seiner Abreise bei dem Advokaten Makedonski bedeutende Summen hinterlegte, über welche eine gewisse Anna Petrowna zu Gunsten der russischen Agitation verfügen sollte. Das Treiben dieser russischen Agentin lenkte sehr bald die Aufmerksamkeit der Regent schaft auf sich. Anna Petrowna dachte daran, noch recht zeitig die Flucht zu ergreifen und wollte deshalb Geld und Leitung deö Ausstandes einem Ingenieur Below übertragen. Da aber Anna Petrowna viel von dem anvertrauten Be trage selbst verbraucht hatte, erklärte Below sich außer Stande, mit der erhaltenen geringfügigen Summe für das Gelingen des Unternehmens Garantie zu übernehmen. Dies rief Zwistigkeiten unter den Verschwörern hervor und hatte den Abfall einiger derselben zur Folge. Below blieb schließlich Leiter der Verschwörung, nach deren Scheitern er noch rechtzeitig in den Balkan flüchtete. Nachdem die Empörung mißlungen und die rücksichtslose Energie des bulgarischen Kriegsministers ein abschreckendes Exempel statuirt hat, welches eine baldige Wiederholung der Meutereien wenig glaubhaft erscheinen läßt, dürfte man in Petersburg sehr geneigt sein, sich von jeder Mit schuld an der mißglückten Unternehmung loszusagen. Nach einer Meldung des „Bureau Reuter" wäre in der russi schen Botschaft in Wien die Ansicht ausgesprochen worden, daß die offizielle russische Politik sich durch die Vorgänge in Rustschuk nicht aus ihrer Bahn werde drängen lassen und bei der Politik der Nichtaktion umsomehr verharren werde, als die Lage in Bulgarien die Regentschaft früher oder später völlig unmöglich machen müsse und als die ergriffenen Repressalien nur geeignet seien, die unzweifelhaft vorhandene Tendenz der Verständigung der nächstinteressirten Staaten zu befestigen. Die angedeutete Verständigung kann sich wohl nur darauf beziehen, daß die Mächte sämmtlich mit der baldigen F58. Erscheintieden WochentagNachmitt. V,6Uhr für den andern Tas. Preis vierteljährlich 2 Mark 2S Pf., zweimonatlich 1 M. SO Pf. und einmonatlich 7d Pf. . SS Jahrgang. Freitag, -e« l. März. Inserate werden bis Vormittag ll Ubr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeil« oder deren Raum 1S Pf. 1887.