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In der ersten Gruppe (Variation 1 bis 15) herrscht die Haupttonart vor, das Zeitmaß ist vor wiegend lebhaft, der Ausdruck energisch. Der Mittelsatz (16., 17. und 18. Variation) - wenn man so sagen darf - ist verhaltener und mit Des-Dur-Klängen dunkler in der Farbe. Um so leuchtkräftiger heben sich die Teile voneinander ab, denn die letzte Gruppe der Variationen kehrt wieder zur Haupttonart und zu bewegteren Zeitmaßen zurück. Dem Kenner des Rach- maninowschen Stiles fällt es auf, daß die Rhapsodie in der Thematik wie in der Harmonik den sonst bevorzugten üppigen Klängen aus dem Weg geht, daß mit wenigen Ausnahmen, die an andere Werke des Meisters erinnern, hier eine mehr linienhaft-klare Figuration vorherrscht. Bezeichnend für den Charakter des Werkes ist cs, daß in zwei Variationen (besonders deutlich in der siebten -akkordisch im Soloklavier, kontrapunktiert vom Thema in den Celli, den Kontra bässen und den Fagotten) und in der Coda (hier im vollen Glanz der Blechbläser und der Strei cher, denen die anderen Instrumente, einschließlich Soloklavier, Harfe und Glöckchen mit dem Thema sekundieren) das Thema des „Dies irae“ („Der Tag des Zornes“ aus dem gregorianischen Requiem) erscheint. Trotz einer gewissen Kargheit des Ausdrucks wirkt das Werk keineswegs monoton, dazu ist die Sprache des Orchesters zu farbig, sind die Variationen in sich zu abwechslungsreich. Der Leser wird vielleicht die Frage nach einer Kadenz stellen: Sic ist in der 11. Variation enthalten, nicht sehr umfangreich, aber doch so, daß man den Klavierpart als solche bezeichnen kann. Im übrigen hat Rachmaninow dem Solisten so viele Nüsse zu knacken aufgegeben, daß er auf eine große Kadenz verzichten konnte. Was hier von dem Pianisten verlangt wird, hat kaum seinesgleichen. Es ist kein Zufall, daß das Werk in den letzten Jahren, die man geradezu als Jahre der großen Pianisten bezeichnen kann, neben anderen Rachmaninowschcn Konzerten so häufig in den Konzertsälen der Welt erscheint. T _ . _ Karl Laux Dmitri Scbostakoivitscb, der bedeutendste Sinfoniker unter den zeitgenössischen Komponisten im internationalen Maßstab, schrieb seine 10. Sinfonie, op. 93, im Sommer 1953. Das Werk, dem kein eigentliches Programm zugrunde liegt, zählt zu den gewichtigsten Schöpfungen des großen sowjetischen Meisters. Am 17. Dezember 1953 wurde cs in Leningrad erfolgreich uraufgeführt, im Mai 1954 stellte cs Franz Konwitschny in Berlin zum ersten Male der deutschen Öffentlichkeit vor. Seitdem erscheint die „Zehnte“ als ein besonderer Markstein auf unseren Konzertprogram men. Die schwermütige Grundhaltung der Sinfonie, auch ihre melodische Atmosphäre gemahnen etwas an Tschaikowski. Überhaupt zeigt das faszinierende Werk in seiner jähen Kontrastierung von monoton-melancholischen und aufpeitschend-vitalen, dramatischen Partien eine unverkenn bar nationalrussische Eigenart. Der Moskauer Musikwissenschaftler Peter Galchin, einer der besten Kenner dieser Schöpfung Schostakowitschs, schreibt einmal über den Aufbau der Sinfonie im einzelnen folgendes: „Die zehnte Sinfonie besteht aus vier Sätzen. Der erste Satz (Moderato) beginnt mit einer langsamen Einleitung, einer Musik voll tiefer Nachdenklichkeit. Später erscheint - in der Klarinette - eine zu Herzen gehende Melodie, das Hauptthema des ersten Satzes. Es hat einen stark nationalrussischen Charakter und wird nach und nach dramatischer behandelt. Mit dem lyrischen Seitenthema in der Soloflötc kommen allmählich unruhige und erregte Stimmungen in die Musik, die immer mehr anwachsen bis zu äußerster dramatischer Spannung. Dem von neuem auftauchenden Thema des einleitenden Moderato verleihen die Klänge der Pauken und der kleinen Trommel unheilverkündende Züge. Mit ihm verflechten sich die beiden lyrischen Themen, und cs entsteht das Bild eines leidenschaftlichen, quälend angestrengten Kampfes. Aber noch führt hier der Kampf nicht zum Sieg des lichten Elements. Wohl klingt das zweite Thema gegen Ende des Satzes wärmer und weicher, aber noch nicht beruhigt. Am Schluß kehrt die Musik der Einleitung wieder. Der zweite Satz (Allegro) ist in einer ununterbrochenen, stürmischen Bewegung gehalten, als ob sich ein unheimlicher, zerstörender Wirbelwind erhoben hätte, der alles auf seinem Wege mit fortzureißen droht. Der Wirbel der kleinen Trommel, das Pfeifen der Pikkoloflöte und der grelle, schreiende Klang der Klarinette ergeben ein plastisches Bild vom Wüten wilder, dunkler Kräfte, wie wir sic in den Werken Schostakowitschs aus den Kriegsjahren finden. Die Musik klingt wie das Mahnen vor einem drohenden neuen Krieg, wie zorniger Protest und feste Kampfentschlos senheit. Der dritte Satz (Allcgretto) gründet sich auf die Entwicklung dreier Themen. Besonders lieblich ist das tänzerische erste Thema. Die drei Themen sind mit den Themen des ersten Satzes ver wandt, so entsteht der Eindruck, als fahre der Komponist hier in der Erzählung fort, die durch den Wirbelsturm des zweiten Satzes unterbrochen wurde. Große Ausdruckskraft und Spannungs- geladcnhcit zeichnen das zweite kurze Thema aus. Wiederholt auftauchende Rufe des Horns (drittes Thema) führen zur Wiederkehr der „Musik der Nachdenklichkeit“ aus der Einleitung zum ersten Satz. Unerwartet brechen fordernd scharfe Klänge herein, welche die Stimmung der Beschaulichkeit und Nachdenklichkeit völlig zu zerstören drohen, doch schaffen die Rufe des Waldhorns wieder etwas Beruhigung. Das Finale (Andante-allegro) beginnt, wie der erste Satz, mit einer langsamen Einleitung: Den gedämpften Läufen der Celli und Bässe antwortet die einsam rufende Stimme der Oboe. Aber die traurige und klagende Musik wird von den leisen, aus der Ferne herdringenden Rufen der Klarinette und Flöte durchbrochen. Daraus entsteht das Hauptthema des Finales. Es versetzt den Zuhörer in eine völlig andere Welt. Das Thema ist voller Bewegung und Fröhlichkeit, in ihm klingen die Melodien sowjetischer Pionicrlicdcr an. Im Reigen ziehen, eine die andere ab lösend, lebensvolle, energische Melodien vorüber, in denen man das Pulsieren junger Kräfte spürt. Die Woge froher Erregung erreicht ihren höchsten Punkt und reißt auf ihrem Gipfel die hier von neuem auftauchenden dramatischen Themen aus der Einleitung zum Finale und aus dem dritten Satz an sich. Für kurze Zeit kehren, wie eine Erinnerung an das Durchlebte, die traurigen, klagenden Melodien wieder. Aber eine neue, noch höhere Woge jugendlicher Energie und herz licher Fröhlichkeit spült die Bilder der Erinnerung fort. Sic festigen sich in neuer Gestalt und fließen zu einer Musik zusammen, die das Streben der sowjetischen Menschen nach Frieden und nach Glück ausdrückt.“ tt .. Dieter Hartwig LITERATURHINWEIS E: Karl Laux: Die Musik in Rußland und in der Sowjetunion, Berlin 1958 A. Solowzow: Serge Rachmaninow (russisch), Moskau 1942 Karl Schönewolf: Konzertbuch (II), Berlin 1961 Kurt v. Wolfurt: Mussorgski, Beilin und Leipzig 1927 Infolge verspäteten Eintreffens des Orchestermaterials zur 4. Sinfonie von Schostakowitsch wird im 1. Zyklus-Konzert die 10. Sinfonie von Schostakowitsch aufgeführt. Die 4. Sinfonie wird zu einem späteren Zeitpunkt zur Aufführung kommen. Das Ehrenmitglied der Dresdner Philharmonie, Frau Prof. Elly Ney, feiert am 27. September 1962 ihren 80. Geburtstag. An diesem Tage finden in Tutzing zwei Konzerte mit der Meisterin am Flügel statt, die Willi van Hoogstratcn leitet. Die Prager Philharmoniker unter Leitung von Karel Ancerl werden in den Außerordentlichen Konzerten am 29. und 30. September 1962 im Kongreßsaal des Deutschen Hygiene-Museums „Antigone“ von V. Sommer, die 8. Sinfonie von A. Dvorak und die 3. Sinfonie (Eroica) von Ludwig van Beethoven zur Aufführung bringen. Der Münchner Pianist Julian von Karolyi, der in den Außerordentlichen Konzerten am 27. und 28. Oktober 1962 mit der Dresdner Philharmonie konzertieren wird, hatte jetzt in Paris und Rom einen außergewöhnlichen Erfolg. Die Kantate der „Papagei aus Kuba“ von Heinrich Sutermeister hat den schweizerischen Rund funkpreis erhalten. Professor Bongartz plant für die Saison 1963/64 eine Aufführung dieses interessanten Werkes. 1 \ Vorankündigung: Nächste Konzerte im Anrecht B: 20. und 21. Oktober 1962, jeweils 19.30 Uhr, Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr 1. Zykluskonzcrt 1962/63