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d Braud 'N/» Erscheint jeden Wochentag Nachmttt. andern Tag. Prei- vierteljährlich v»- /VW« zweimonatlich IM. SOPs. und ein lilll Amtsblatt für die Kuiglicheu und stüdtischeu Behörden zu Freiberg Veramwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Nachmttt. '/.S llhr für den Ü 40. Jahrgang "LLLMl Mittwoch, de» S November. Inserate werden bis Vormittag 11 Uhr angenom» FKFMMf mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zeil« ^OO I < odn derm Raum 18 Pf. möeMWyeittE m-TagedlM/ ok Das Steigen der ReichsbedürfniAe. An der Schwelle der neuen Session des sächsischen Landtages stehend, empfindet man die ganze Bedeutung der Thatsache, daß die Matrikular-Beiträge der deutschen Bundes staaten abermals um 40 Millionen Mark erhöht werden müssen, um die aus den Mindereinnahmen des Reiches entstandenen erheblichen Ausfälle zu decken. Diese Matri kular-Beiträge der Einzelstaaten, welche sich bisher auf 186937 300 Mk. beliefen, sollen sich auf 227 Millionen Mk. erhöhen. Denselben steht im Etat des laufenden Jahres tm Voranschlag eine Ueberweisuna an die Bundes staaten im Betrage von. 148 767 000 Mk. gegenüber, so daß in diesem Jahre zu den Kosten des Reiches etwa 38 Millionen Mark von den Bundesstaaten aus eigenen Mitteln aufzubringen sind. Für das kommende Etatsjahr gestaltet sich die Lage trotz der erhöhten Matrikular-Bei träge günstiger, weil den letzteren wegen des in Aussicht zu nehmenden höheren Ertrages der Zölle weit mehr als 148 Millionen Ueberweisungsgelder entgegenstehen, zu wel chen letzteren 107 Millionen von der Branntwein-Konsumsteuer und etwa 7—8 Millionen aus der Nachsteuer kommen. Es werden an die Einzelstaaten nach einer den „Hamb. Nachrichten- zugegangenen angeblich offiziösen Notiz vor aussichtlich 38 Millionen Millionen Mark mehr abgeführt werden, als diese zu den Kosten des Reiches beitragen. Da dieselben im laufenden Jahre 38 Millionen an das Reich zu zahlen haben, stellt sich ihre finanzielle Lage in dem kommenden Jahre um 76 Millionen besser als in diesem Jahre. Wenn der Gewinn aus der Branntwein-Konsum steuer für die Bundesstaaten in dem kommmden Jahre noch nicht vollständig zum Ausdruck kommt, so ist zu be rücksichtigen, daß die Emzelstaaten im letzten Jahre bei dem Mangel an genügenden Einnahmen aus indirekten Steuern einen erheblichen Zuschuß aus eigenen Mitteln an das Reich zahlen mußten, der jetzt mit einem Theile der Ueber Weisungen aus der Branntwein-Konsumsteuer gedeckt wer den muß, und sodann, daß das kommende Jahr erhebliche Ausfälle aus dem Jahre 1886/87, welche hauptsächlich aus der Zuckersteuer herrühren, decken muß, Ausfälle, die in den folgenden Jahren nicht zu erwarten sind. Es geht hier aus hervor, daß erst für eine spätere Zeit — jedenfalls noch nicht in dem kommenden Etatsjahr — der ganze aus der Steuerreform des letzten Sommers erhoffte Gewinn den Bundesstaaten zu Theil werden wird. Wie hoch sich derselbe belaufen wird, läßt sich jetzt noch nicht berechnen, zumal auch das Steigen der Reichsbedürfnisse in Betracht zu ziehen und vor Allem erst einmal abzu warten sein wird, wie viel denn thatsächlich Zucker- und Branntweinsteuer bringen werden. Die Ungewißheit über die Erträgnisse dieser beiden in Zukunst reichlicher fließenden Einnahmequellen wie über die Höhe der sich zweifellos erheblich steigernden Bedürfnisse des Reiches läßt es aber rathsam erscheinen, bei der Aufstellung des Haushaltes der Einzelstaaten nicht allzusehr auf be deutende Ueberweisungen aus Reichsmitteln zu rechnen. Man muß sich hüten das Fell zu vertheilen, bevor der Bär erlegt ist. Daß zur weiteren Wehrhaftmachung des Reiches m kurzer Frist ganz bedeutende Mittel beansprucht werden, steht außer Zweifel. Nicht ohne Grund läßt sich die hochkonservative „Neue Preuß. Ztg." trotz des unmittel bar bevorstehenden freundschaftlichen Besuches des Zaren in Berlin aus Rußland mittheilen, daß die an der preußi schen Grenze stehenden russischen Regimenter verstärkt wer- den und daß die russische Heeresleitung noch weitere 24 Schwadronen und 16 Geschütze von Moskau nach der österreichischen Grenze abrücken ließ. Nicht ohne Grund deckte die jetzt vollständig offiziöse „Köln. Ztg." das Ge heimniß auf, wie nahe unter dem Ministerium Goblet- Boulanger, dessen Wiederkehr bei dem etwaigen Sturz Rouviers als zweifellos angesehen wird, ein neuer deutsch- französischer Krieg gewesen sei. Nicht ohne Grund macht die freikonservative „Post" Boulanger dafür verantwortlich, daß die deutsche Heeresleitung jetzt, nachdem kaum die neuen Magazin-Gewehre eiugeführt worden und die dafür aus- gegebcuen Millionen noch nicht einmal durch den Rechnungs weg des Reichshaushalts gegangen sind, eine abermalige Neubewaffnnng der deutschen Infanterie verlangt. Die „Post" schreibt wörtlich: „Wäre Boulanger den vielfachen Stimmen gefolgt, welche die bereits begonnene Umänderung der 11 Millimeter-Gewehre in Mehrlader les sind die Modelle 1884 und 1885) fortgesetzt wünschten, so wäre uns eine Welle Ruhe geworden. So aber hat er uns mit seinem 8 Millimeter-Gewehr zu neuen sehr bedeutenden Ausgaben genöthigt, die nicht lange verzögert werden dürfen, wenn uns nicht ernste Gefahren erwachsen sollen." Wie man auch über die rein technische Frage des jetzt auch in Deutschland verlangten kleinkalibrigen Gewehres denken mag, soviel erhellt aus der Sprache aller der Reichsregie rung nahestehenden Organe, daß für die rasche Anschaffung des geforderten neuen leichteren Infanterie-Gewehres eine ansehnliche Anzahl von Millionen wird aufgewendet werden müssen. Nachdem von allen militärischen Autoritäten dieUeber- legenheit eines kleinkalibrigen Gewehrs über ein solches mit größerem Kaliber anerkannt worden ist, erscheint es als eine müssige Frage, warum trotz dieser schon im Jahre 1884 bekannten Thatsache die Neubewaffung im System des großen Kalibers ausgeführt worden lst. Von offiziöser Seite wurde diese an sich keineswegs unberechtigte Frage damit beantwortet, daß das rechte Pulver für die engeren Gewehrläufe noch nicht gefunden war, die Neubewaffung der Infanterie mit dem 11 Millimeter-Gewehr mit Rück sicht auf die Angriffspläne des Ministeriums Goblet-Bou- langer aber nicht unterbrochen werden konnte. Seitdem sind Explosionsstoffe, welche weit stärker wirken als das bis her verwendete schwarze Pulver, erfunden worden. Das von Cramer und Buchholz in Rönsahl in Westfalen fabrizirte neue Pulver läßt sich soweit komprrmiren, daß eine langsamere Verbrennung der Ladung als bei dem schwarzen Pulver erfolgt, und dadurch die starken Gasdrücke, welche bisher dem kleinen Kaliber gefährlich wurden, beseitigt scheinen. Außerdem hat die Fabrik in Stein in Oesterreich ein beson ders brisantes schwarzes Pulver erfunden, welches allen Ansprüchen an ein Pulver für kleinkalibrige Gewehre ent» sprechen soll. Auch Rottweil-Hamburg meldet neue Erfin dungen, die jede Schwierigkeit der Einführung des kleineren Kalibers ausheben. Wie das „Berl. Tageblatt" erfahren haben will, ist das 8 Millimeter-Repenrgewehr, dessen Einführung in Deutschland bevorsteht, von dem Oester reicher vr. Alfred Jurnitschek, Ritter von Wehrstedt, erfunden und soll diese Waffe alle bisher bekannten Ge wehre weit Übertreffen. Dieses Gewehr wurde zuerst dem österreichischen Kriegsministerium angeboten, das aber be reits das Mannlicher-Gewehr angenommen ^atte und des halb vr. Jurnitschek kurz abwies. Es soll in Wien nicht ein mal eine Probe unternommen worden sein. Darauf wandte sich vr. Jurnitschek an die deutsche Reichsregierung, die sich nach einer vorläufigen Untersuchung der Angelegenheit be reit erklärte, ein Probeschießen mit dem neuen Gewehre vor nehmen zu lassen. Diesem binnen Kurzem in Spandau erfolgenden Probeschießen wird der Erfinder persönlich bei wohnen. So wenig günstig dieser rastlose Fortschritt der Technik im Waffenwesen für die schon im Interesse der Einzel staaten dringend der Schonung bedürftigen Reichsfinanzen ist, wird sich gegen die in Aussicht stehende Riesenausgabe kaum etwas emwenden lassen. Ergiebt sich aus den Dar legungen der Heeresverwaltung, daß das neue Gewehr system unentbehrlich ist, wenn die deutsche Wehrkraft nicht hinter den Armeen anderer Staaten zurückbleiben soll, dann werden die erforderlichen Mittel auch bewilligt werden müssen. Schon jetzt treten sogar verschiedene fortschrittliche Berliner Blätter entschieden für die Bewaffung der deut schen Fußtruppen mit einem besseren Gewehr ein und beweisen dadurch, daß es in Bezug auf die Erhaltung der Wehrhaftigkeit des Reiches in Deutschland keinen Partei unterschied giebt, eine erfreuliche Thatsache, die sehr geeignet ist, den kriegerischen Uebermuth unserer Nachbarn zu zügeln. Bei der Zwangslage, in der sich das Reich befindet, Opfer auf Opfer zu bringen, um jeden Angriff böswilliger Nach barn ruhig abwarten zu können, ist ein Anschwellen der Heeresausgaben gar nicht zu vermeiden und scheint es räthlich, daß man bei der Aufstellung des Staatshaushalts in den Einzellandtagen die in Aussicht gestellten Ueber- schüsse aus den indirekten Reichssteuern ganz außer Bettacht läßt. Von dem bisher so glänzend bewährten Verwaltungs- Etat des sächsischen Finanzministers und der Tüchtigkeit unserer Ständeversammlung läßt sich mit Bestimmtheit er warten, daß trotz der unter den bewandten Verhältnissen gebotenen Sparsamkeit und Vorsicht hinreichende Mittel verfügbar werden, um den Bildungs- und Verkehrs bedürfnissen hinreichend Rechnung zu tragen und wichtige Betriebe zu erhalten, die wie der fiskalische Erzbergbau, Krisen durchzumachen haben, nur als vorübergehende an gesehen werden können. Tagesschau. Freiberg, den 8. November. Der „Reich-anzeiger" bringt folgende Danksagung de» deutsche« Kronprinzen: „Für die au» allen Theilen meines deutschen Vaterlandes, sowie von Nah und Fern, wo Deutsche zur Zeit im Auslande weilen, von einzelnen Personen, Vereine«, Versammlungen und Gesellschaften mir zu meinem Geburts tage zugegangenen guten Wünsche, nicht minder für die in denselben angesichts meiner fortschreitenden Genesung mir be zeigten, meinem Herzen wohlthuendrn und theilnehmenden Gesinnungen spreche ich hiermit, bei der Unmöglichkeit, die er- - halteneu Briefe und Telegramme einzeln zu beantworten, mei nen aufrichtigen Dank auS. Baveno am Lago Maggiore, de« 27. Oktober 1887. Friedrich Wilhelm, Kronprinz." Rach den letzten Nachrichten, die über daS Befinden de- Kronprinzen noch aus Baveno in Berlin eingelangt find, hatte die Heiser keit desselben sich wieder verstärkt, so daß der Aufenthalt in Baveno sich nicht als den Heilungsprozeß fördernd erwiesen hat. ES soll nun eine ärztliche Konsultation stattfinden, die jedenfalls auch die Opportunität eines ferneren Aufenthalte» in San Remo in Frage ziehen wird. Der ,Reichsauzeiger" veröffentlicht darüber folgendes Telegramm aus San Remo: „DaS Allgemeinbefinden Sr. Kaiserlichen Hoheit deS Kron prinzen ist andauernd riu vortreffliches. Höchstderselbe macht stch viel Bewegung in freier Luft; Schlaf und Appetit find gut. Dagegen hat daS örtliche Leiden in den letzte« Tagen eine» ungünstigen Charakter angenom men. Obgleich keine Symptome von augen blicklicher Gefahr vorhanden sind, so hab« ich doch darum gebeten, daß andere Spezialisten hinzugezogen werden; in Folge dessen sind Professor Schroeter-Wien und Privat- dozent vr. H. Krause-Berlin aufgefordert worden, nach San Remo zu kommen. Morell Mackenzie." — Prinz Wilhelm von Preußen kam gestern Vormittag von Potsdam nach Berlin, um sich von dem Kaiser vor seiner Abreise nach San Remo zu verabschieden, woselbst in allernächster Zeit eine Konsultation mehrerer bedeutender Aerzte über eine ferner« Behandlung deS Kronprinzen in Aussicht genommen ist. Prinz Wilhelm trat seine Reise nach San Remo gestern Abend an, zu welchem Besuche bei seinen erlauchten Eltern der Kaiser gern seine Genehmigung rrthrilte. Zugleich beauftragte der Kaiser den Prinzen Wilhelm ihm über den Verlauf der Konsultation nach seiner Rückkehr auS Italien mündlich eingehenden Bericht zu erstatten. Für die erwähnte Konsultation ist angeblich auch ein Berliner und ein Frankfurter Spezialist in Aussicht genommen. Wie verlautet, wurde Geheimrath Bergmann gestern von dem Kaiser empfangen. Die Rückkehr deS Kronprinzen ist nicht nur der Wunsch der ganzen Kaiserlichen Familie, sonder», wie dem „Kleinen Journal" mitgetheilt wird, „insbesondere auch der des Reichskanzlers, der nur im Falle der äußersten Nothwendigkeit das längere Fernbleiben des Thronfolgers vom Mittelpunkte der RegierungSthätigkeit gerechtfertigt findet." Auf seine Initiative soll auch die Berufung deS vr. Mackenzie nach San Remo zu einer neuerlichen Untersuchung der Kehl kopfkrankheit deS Kronprinzen zurückzuführen fein. Wenn diese Untersuchung, waS nach den zuletzt eingelaufenen nicht sehr günstigen Berichten über daS Befinden deS Patienten leider unwahrscheinlich ist, ergeben sollte, daß der Kronprinz ohne Gesahr die Reise nach Berlin antteten kann, so dürfte die dortige Bevölkerung ihren geliebten „Fritz" wieder zu begrüßen im Stande sein. Bei dem ungewöhnlich milden Charakter deS diesjährigen Winters ist eine Verschlimmerung der Krankheit des Kronprinzen in Deutschland um so weniger zu besorgen, als ausreichende Vorkehrungen getroffen werden können, um denselben vor größeren Anstrengungen zu schützen. — Wie jetzt feststeht, wird der Kaiser von Rußland auf der Rückreise nach Petersburg mit seiner Familie in der nächsten Woche auS Kopenhagen in Berlin eintreffen. Ueber Tag und Stunde der Ankunft, sowie über die Dauer des Aufenthaltes in der deutschen Reichshauptstadt ist jedoch Näheres noch abzuwarten. Aus Corfu wird berichtet, daß dort die Kaiserin von Oesterreich am 2S. Oktober von einem Ausfluge nach Prevefa wieder an Bord der Yacht „Greif" zurückkehrtr. Am letzten Mittwoch machte die Kaiserin an Bord des „Greif" einen Ausflug nach Lcukadia und Ithaka, auf welch letzterer Insel die hohe Frau am Donnerstag landete. Dieselbe be sichtigte in Begleitung einer Hofdame und einem kleinen Gefolge im strengsten Inkognito die verschiedenen historischen Punkte der Insel. — Das der auswärtigen Politik deS Grafen Kal- noky vollständig zustimmende Referat des vr. Max Falk ist gestern ohne jede Debatte unverändert einstimmig von dem ungarischen Delegation^ Ausschuß angenommen worden. Dir