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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021122010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902112201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902112201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-22
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
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Haupr-Filiale Vrer-ear Struhl«« Straße ü, F«»sprech« Lmt I Nr. 1715. Haupt-Filiale Serliu: KtlrüggrStz« Straße 115. Ferusprrch« Lmt VI Nr. S39S. Morgen-Ausgabe. MWUrTagMiL Anzeiger. ÄmLsAattdes S-uMche« Land- und des Königliche« Amtsgerichtes Leidig, -es Rates und -es Rolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Strrzeigex-Prei- die Sgespaltene Petitzeile LS Neklame» «ml« dem Redattiou-strich (ägespalt«) 7» d»r d« Famlltmnach- richt« <Sgespalt«) SO H. Tabellarisch« uud Zifferusa- entsprechend höh«. — Gebühre» für Nachweisungen uud Osserteuauuahm» LS (excl. Porto). Ertra» Vella gen (gefalzt), nur mit der Morg«.Ausgabe, ohne Postbesörderuog SO.—, mit Postbesürderuag 70.—. IlLnahmrfchinß fSr Anzeige»: >be»d»Au<gad«: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittag» L Uhr. Auzetgm slud stet» «u die Expedition M richt«. Die Lrpeditiou iü Wochentag» uuuuterbrochea geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag dou L Polz in Leipzig. Sir. 584. Sonnabend den 22. November 1902. 98. Jahrgang. Vie Begründung des Deutschen Reichs. n. DaS erste Kapitel beS Loren zschen Werkes ist den Friedensschlüffen von 1866 und der Begründung des Norddeutschen Bundes gewidmet und hiernach in zwei Ab schnitte geteilt. Man sollte aber glauben, die beiden Ab schnitte seien von zwei verschiedenen Personen geschrieben. Die Friedensschlüsse sind unter fortwährender Nörgelei wegen der Milde Bismarcks dargestellt, welcher die süd deutschen Staaten in der unverdientester! Weise geschont habe, anstatt sofort das deutsche Reich herzustellen. Auch Oesterreich sei viel zu milde behandelt worden. Dabei wird die Tatsache betont, daß Moltkc mit seinen Dis positionen fertig war, auch einen Krieg mit Frankreich sofort auszunehmen, gegen Oesterreich aber nur eine Defensivstellung anzunehmen. Daß die preußische Armee auch in diesem Falle ihre Schuldigkeit getan habe» würde, steht außer Zweifel, und daß auch diese kritische Situation vielleicht siegreich überwunden worden wäre, kann als eine reine Hypothese nicht bestritten werden. Das ist aber kein Beweis dafür, daß Bismarck nicht, klüger und vorsichtiger als seine nachträglichen Kritiker, ganz das Richtige getroffen hat, als er vorerst mit Oesterreich fertig fein und den Norddeutschen Bund, sowie Schutz- und Trutzbündnisse mit -en süddeutschen Staaten unter Dach und Fach gebracht haben wollte, ehe er den vielleicht unvermeidlichen Wasfengang mit Frankreich unternahm. Bringt doch Herr Professor Lorenz selbst im zweiten Ab schnitte des ersten Kapitels, der, im Gegensatz znm ersten, von Bewunderung für Bismarck überfließt, einige sehr triftige Gründe für Bismarcks Politik bei, indem er aus führt, daß es der ganzen Energie desselben bedurfte, um die von ihm entworfene Verfassung des Norddeutschen Bundes ohne wesentliche Abschwächung zur Annahme zu bringen, und daß Bismarck wohl in kluger Voraussicht dieser Eventualität es vermied, auch noch die Opposition der süddeutschen Staaten bekämpfen zu müssen. (S. 103.) Fügen wir hinzu, daß die süddeutschen Staaten 1871 ln viel ungünstigerer Lage waren, da cs sich nicht nm Kon stituierung eines neuen Bundes, sondern nm den Eintritt in einen festgcschlosscncn handelte, so kann man die kluge Voraussicht Bismarcks bei den Verhandlungen von 1866 nur bewundern. Stellung der Vormacht in Europa nicht ausgeben, und eS ist einigermaßen komisch, wenn Lorenz den Ruf: „revancsty pour Laclowa" als künstlich von Oesterreich nach Frankreich importiert darstellen will (S. 98). Darin kam die französische Nationalcitelkeit den Wünschen Napoleons bereitwillig entgegen. Um die Einmischung Frankreichs abzustumpfen, mußte Preußen möglichst rasch mit Oester reich und den süddeutschen Staaten zum Abschlüsse kommen. Allerdings erntete Bismarck nicht sofort die Frucht seiner Mäßigung, wie ihm Lr rcnz vorhält. Darauf hat er aber auch kaum gerechnet und würde den Ruf kluger Voraus sicht kaum verdienen, hätte er mit Lorenz sofortigen Er folg beansprucht. Allein der Dreibund, wie der Eintritt der süddeutschen Staaten in das deutsche Reich schon nach Verlauf von vier Jahren wären undenkbar gewesen, wenn die kriegführenden Staaten 1866 empfindlicher ge schädigt worden wären, als cs geschah. Endlich erwäge man, in welcher Lage Preußen sich 1866 bei einem Kriege mit Frankreich befunden Hütte und in welcher es sich 1870 befand, als der Krieg unvermeidlich wurde. Preußen war im Jahre 1866 auf seine alten neun Armeekorps und einige wenige Neservcfvrmationcn angewiesen, welch letztere in der Mainarmce und dem Reservekorps des Großherzogs von Mecklenburg Verwendung gesunden hatten. Dagegen war Oesterreich noch voll gcwaffnet. Die bei Königgrätz geschlagene Armee hatte sich wieder hcrgestellt, die siegreiche italienische Armee hatte sie ver stärkt, ohne daß Italien Miene machte, nun seinerseits vorzudringen, und an der Seite der österreichischen Armee stand das noch intakte sächsische Armeekorps, das sich bei Königgrätz vortrefflich geschlagen und den Rückzug ohne Lockerung vollzogen hatte, allerdings ohne von öster reichischer Seite deu gebührenden Dank zu ernten. Auch Bayern und Württemberg waren noch gewasfnct. Waren beide auch schlecht gerüstet und hatte auch v. d. Psordten sich dessen als besonderer diplomatischerSchlauheitgerühmt, daß er ungerüstet in den Krieg getaumelt war, ohne sich einer Anfrage Preußens wegen seiner Rüstungen ans- zuseycn wie Sachsen, so hatten sich doch die älteren bayerischen Trupventörper bei Kisfingen und Nvßbrunn vortrefflich geschlagen. Die Rekrutcnbataillvnc, welche im letzten Augenblicke ausgestellt waren und sogar der ge übten Offiziere entbehrten, oder die wiirttcmbcrgischen Regimenter, von denen die Sage ging, sie seien ohne scharfe Patronen ansgerückt, die aber sicherlich von ihren Patronen einen möglichst sorgsamen Gebrauch gemacht hatten, tonnten militärisch kaum zählen. Dagegen standen den Bauern die nassauischen und die kurhessischen Truppen Aber auch andere Erwägungen lassen die damalige, der Militärpartei mühsam abgerungenc Mäßigung in den gc- stellten Fricdensbedingungcn nur gerechtfertigt er scheinen. Die Einmischung Frankreichs lag vor. Ohne Gegenwehr wollten Napoleon III. und Frankreich die in vortrefflicher Ausrüstung zur Seite. Die Badenser da gegen waren während der Gefechte bei Roßbrunn ab marschiert und hatten dem Oberkommando des siebenten und des achten Bundcsarmeekorps nicht einmal eine An zeige von ihrem Abmarsch gemacht, so daß nicht bloß eine bösartige Presse (wie LorenzS. 124 meint) von Verrat an derBundesarmee sprach. Immerhin würden, wenn der Friede nicht zu stände gekommen und Frankreich in den Krieg eingetreten wäre, Oesterreich und Süddeutschland einige Armeekorps absorbiert und die preußische HeereS- macht gegen Frankreich stark reduziert haben. Betrachtet man dagegen die Lage im Jahre 1870, so hatte Oesterreich abgcrüstet, war durch die diplomatische Intervention Rußlands paralysiert und kaum in den An fängen neuer Rüstungen, als auch diesen die Schläge von Weißenburg, Wörth und Spichern Einhalt geboten, um alsbald abgelcugnet zu werden. Bayern stellte zwei wohl ausgerüstete Armeekorps zum Kriege, bezüglich deren Schlagfertigkeit nur an Weißenburg, Wörth, Bazeilles und Orleans (Coulmiers) erinnert zu werden braucht. Lorenz weiß vieles davon zu erzählen, wie gering man die bayerischen Armeekorps in Berlin angeschlagen habe, ver wickelt sich hierbei aber in einige seiner gewohnten Wider sprüche. S. 283 schildert er, in welch vortrefflicher Ver fassung und Vorbereitung Bismarck sein diplomatisches Werkzeug zur Hand gehabt habe, nnd unmittelbar darnach, daß man in Berlin, also doch wohl in Regierungskreisen und nicht auf den Bierbänken, vollkommen im Unklaren darüber gewesen sei, was man vom Süden zu erwarten habe. Wozu hatte Bismarck seine Diplomatie und Preußen seinen Militärbcvollmächtigten in München, wenn man über die Stimmung in Süddeutschland und den Stand der Rüstungen so vollkommen im Unklaren war? Kann doch auch Herr Professor Lorenz nicht anders erzählen, wie daß selbst Varnbüler und Beust die französische Regierung darüber nicht im Unklaren ließen, daß ein französischer An griff Deutschland einig finden werde. Wir können beifügen, daß dieselbe Versicherung das französische Kaiscrpaar auf der Durchreise durch Bayern zur Salz burger Zusammenkunft von bayerischer Seite erhielt. Daß alle diese Versicherungen, wie die Berichte des Obersten Stoffel, in Paris nicht geglaubt wurden, erinnert nur an das alte: ()ucm vuit percioro usw. Daß man aber in Berlin nichts davon gewußt habe, wie Lorenz nns glauben machen will, ist eine starke Znmutnng. Benahm sich doch Bayern vom ersten Augenblick der spanischen Ver wickelungen an so korrekt wie möglich. Freilich legte es sich das Recht bei, den 1',">cI<?ri.-> zu prüfen! Die Un zuverlässigkeit Bayerns und Württembergs, welche sich nach Loren; in senem Anspruch ausgesprochen haben soll, bernlit aber lediglich ans einem juridischen Irrtum des Herrn Professors. Er behandelt hartnäckig die Schutz- nnd Trntzbündnissc zwischen Preußen nnd den süd ¬ deutschen Staaten als staatsrechtliche Verträge und spricht dies S. 306 sogar mit dürren Worten aus, indem er Ge wicht darauf legt, daß wenigstens Baden die richtige Be deutung der Bündnisse „staatsrechtlich" sichergestellt habe. Wie er die rechtliche Bcdcntung jener Bündnisse dermaßen verkennen kann, nachdem es Gegenstand großen Bedauerns für ihn war, daß die Souveränetät der süd deutschen Staaten nach 1866 völlig unbeschrärrkbar war, ist freilich ein Rätsel. Die süddeutschen Staaten waren völkerrechtlich, nicht staatsrechtlich gebunden und hatten als selbständige Kontrahenten das Recht, sich zu fragen, ob der Fall der zugesagten Hülseleistung ein getreten sei. Nach dem die Frage jedoch allseitig bejaht und entsprechend verfahren worden war, fragt man sich vergebens, was die ganze Darstellung für einen Zweck haben soll, wenn nicht den, eine klare Situation unklar erscheinen zu lassen. Doch nehmen wir die Vergleichung der Lage eines Krieges mit Frankreich 1866 statt 1870 wieder auf. In der Zwischenzeit waren das IX., X. und XI. Armeekorps (Hannover, Schleswig-Holstein und Hessen) organisiert, letzteres sogar mit drei Divisionen, das XU. (Sachsen« war in die Reihen der Bundcsarmee getreten, Bayern stellte zwei Armeekorps, Württemberg und Baden je eine Division; Oesterreichs war man so sicher, daß das anfäng lich zurückgebliebene VI. (schlesische) Armeekorps schon vor Sedan in erste Reihe gerückt war, um den Rechtsabmarsch der dritten Armee zu decken. Man hatte also deutscherseits zum Kriege I<> Armeekorps disponibel, statt löäistcns sieben 1866; und dabei findet Prof. Lorenz es unbegreiflich, das« Bismarck auf die Gefahr eines sofortigen Krieges mit Frankreich nicht sofort ganz Deutschland vereinigte und den süddeutschen Staaten nicht härtere Bedingungen aus erlegte! Er zieht das Werk von Sybel häufig au, nm eine wenig motivierte Kritik zu üben; er scheint aber eine Stelle des Werkes (Band V, S. 249) nicht gelesen zu haben, an der Sybel einen Brief Bismarcks an v. d. Goltz mit den Worten anführt: „Mcinesteils finde ich den Unterschied zwischen einer nns hinreichend günstigen Bundcsreform und dem un mittelbaren Erwerb jener Länder nicht groß genug, uin dafür das Schicksal der Monarchie von neuem auf das Spiel zu setzen." Bismarck sprach vom Erwerb Sachsens, Hannovers und Hessens. Aber die Stelle gibt einen genügenden Schlüssel auch zu seiner Haltung gegenüber den süd deutschen Staaten, und jeder vernünftige Mann wird ib», recht geben. Feuilleton. Madrider Lrief. Von E. o. U n g c r n - Ste r n be rg. Nachdruck verboten. M adrid, Mitte November. Dem Herbste mangelt hier die neblige Sentimentalität des Nordens; cs gibt hier nur wenige dunkle Regentage, und das gelbe Laub rauscht fröhlich im kühlen Hcrbsr- windc. Nicht umsonst sind cs die Monate, in denen der jungefenrigeWcin in den Gläsern funkelt nnd die goldenen Orangen reisen. Madrid ist wieder zu Hanse; die Badezeit, die sich bis spät in den Oktober ausgedehnt hatte, ist beendet, nnd alles, was sich für elegant nnd vornehm hält, drängt wieder in der Ealle Alcalla, im Retiro nnd auf der Eastellana zu sammen. Der Hof des jungen Königs hat sein Sommer lager im Schlosse von Miramar in Sau Sebastian ab gebrochen und ist im Alcazar cingczogcn. 1'ompoirr mntuntnr. . . . Ans dem finsteren Madrid Philipps II. ist eine der fröhlichsten Hauptstädte Europas geworden, und anstatt des grausamen Fürsten von damals ützt eilt liebenswürdiger Knabe ans dem Königsthrone, den niemand fürchtet, und der die Liebe aller seiner Untertanen besitzt. Auch der heutige Jnsant von Spanien, Prinz Earlos von Bourbon, der Prinz von Astnricn, würde Schiller gewiß keine Veranlassung zu einem zweiten Drama geben, er lebt zufrieden an der Seite Alfons XIII. und seiner königlichen Schwiegermutter nnd wartet darauf, daß ihu seine schöne Gemahlin mit einem zweiten Prinzen beschenkt. Ueber die trotz ihrer 43 Jahre noch immer jugendliche, vor allem aber elegante Königin-Mutter waren in diesen Wochen recht kopflose Gerüchte im Umlauf, die in einem Teile der ausländischen Presse ein bereitwilliges Echo sanden. Es hieß, die Königin habe sich auf den Befehl ihres Beichtvaters hin mit dem Hofstallmeister Sr. de Es- cosura heimlich verheiratet. Dieser Hintertreppen- und Hcfklatsch ist nicht neu, es hieß schon seit langem, daß die Königin Donna Maria Ehristina ein besonderes Wohl- gefallen an Herrn von Escosura finde und ihn häufig mit einer intimen Unterhaltung auszeichne. Wahr aller dings ist es, daß Herr von Escosura stets am Wagen schlage der Königin zu reiten pflegte nnd sich öfters mit ihr lebhaft unterhielt; daraus aber weitere Schlüsse zu ziehen, dazu gehört die ganze Malice und Klatschsucht von Hvsschrauzen, die eben allüberall In der West ihr Wesen treiben. Allerdings wäre ja Maria Ehristina nichc die erste Prinzessin aus dem österreichischen Kaiserhanse, die unter ihrem Range eine Ebe eingegaugen wäre; auch die spa nische Königssamilie hat ein wenig von ihrem traditio nellen Stolze nachgelassen, und hat sich gleichsam demo kratisiert, manche Mesalliancen haben unter ihren Mit gliedern stattgesnndcn. Dennoch würde man cS der Königin niemals verziehen haben, wenn sie wirklich ihren Hofstallmeister geheiratet hätte; aber niemand denkt auch im Ernst daran, diesen Gerüchten Glauben zu scheuten. Wer den spanischen Hof noch zu Zeiten Isabels II. ge kannt hat, würde ihn heute tanm mehr wiedcrertcnncn; prunkvoll ist er zwar geblieben, die herrlichen Säle des Alcazar sind dieselben, aber das Eeremoniell, die Etikette ist leichter und menschlicher geworden. Am spanischen Hose geschah es, das« der gestrenge Oberhosmcistcr Herzog von Medina die junge Gemahlin eines der letzten Philippe daran mahnte, nicht zu vergessen, daß eine Königin von Spanien keine Beine haben dürfe. Die Königin war näm lich mit ihrem Gefolge ansgeritten, jedoch war ihr Sattel schlecht befestigt worden, so daß sie sich die Füße beim Reiten verletzte. Sie bat, anznhalten, nnd beauftragte den Herzog, den Sattel wieder in Ordnung zn bringen. Der Grande jedoch erwiderte: „Wehe dem, der cs wagt, die Füße der Königin von Spanien zu berühren, eine Königin bat keine Beine", nnd befahl, weiter zu reiten. Und der König gab diesem Sittenmeister Recht: die Un antastbarkeit nnd Heiligteit der Majestät hätte durch das Zugeständnis menschlicher Beine Schaden gelitten. Ferdinand VII. versuchte am Anfänge dieses Jahr hunderts, die alte spanische Hvfetikette in ihrer gan/ru Strenge wieder herzustellcn, nnd es wäre ihm wohl auch gelungen, wenn nicht plötzlich die Stürme der Revolution über sein Reich daliingebraust wären. Auch zu Isabels II. Zeiten wurden noch alle Untertanen ansnahmslos von der königlichen Familie mit dem knrzen „du" angeredet, nnd wenn darin heute eine Acnderung eingetrcteu, so ist das niemand andere»! als dem begabten Dichter und eifrigen Demokraten Mareus Zapata zuzuschreiben. Es war vor etwa dreißig Jahren, als die Königin Isabel in Begleitung eines Erzherzogs nnd einiger hochgestellter Würden- träger die Ausstellung in Wien besuchte und dabei die spanische Knnstabteilung betrat. Zapata war von seiner Regierung nach Wien abgeordnet worden nnd befand sich zufällig in demselben Saale. Höflich grüßte er die ein tretende Königin; als diese ihn jedoch erkannte nnd mit herablassendem Lächeln ihn über die Schulter fragte: ,.Nnn, mein lieber Zapata, wie geht es dir?7, und ohne ihn weiter zn beachten vorübcrschreiten wollte, da wallte sein demokratisches Blut in ihm ans, nnd schnell die Hand der hohen Dame erfassend, schüttelte er diese und fragte in unschuldig liebenswürdigem Tone: „Welch ein ange nehmes Wiedersehen! Und dir, meine liebe Königin, wie geht cs denn dir ?" Entsetzen malte sich auf den Gesichtern der Höflinge, nnr Isabel II. lachte, nnd verwandte sich später noch für ihren Landsmann. Es war das die feinste Strafe, die sie über den Dichter wegen seiner Taktlosigkeit verhängen tonnte. Ter spanische Hvs zog aber daraus die Lehre, die Untertanen nicht mehr so ohne weiteres zu duzen. Tro»; der modernen Tünche ist Spanien immer noch das Land der Romantik, der Dou Inans und der Don Lnijvtes. Und noch manches andere .»ahnt an alte Zeiten. Zn welchem anderen Lande wäre ein Tobalitv, oder gar ein Toribio deutbar, diese Banditcnhänptlinge, die welt bekannt geworden sind und sogar den berühmten Mnsolino in den Schatten stellen! Tobalito hielt iu Eadiz 000 Pvlizcisoldaten im Schach, beutete die Bewohner der reizenden andalusischen Stadt »ach Belieben aus nnd konnte nur durch den Verrat eines seiner Anhänger gefangen genommen werden. Sehr viel gefährlicher ist aber der Banditenhänptliug Toribio, der sich die Sierra Faladora iu Galicien zum Schauplätze seiner Taten ansgeivählt hat nnd nun schon seit Wochen ganze Züge von Gendarmen und Soldaten, die zn seiner Verfolgung ausgcsandt wurden, an der Nase berumführt. Schon als zwölfjähriger Knabe begann Toribio seine Räuverlausbahn und hat sic ununterbrochen bis heute fortgesetzt. Seine letzte Heldentat bestand darin, allein die in der Kirche versammelte Gemeinde zn überfallen und alle Glieder derselben, vom Pfarrer angesangen, der Reihe nach zu brandschatzen. Nachdem er einige hundert Reale zufammcngcscharrt hatte, kniete er als frommer Ehrist vor dem Altar nieder, nm der heiligen Jungfrau fiir die glückliche Vollbringung des Raubes zu danken. Schließlich ist noch begreiflich, daß draußen in den fernen 6Iebirgcn Räuberbanden ihr Unwesen treiben. Das Trauriae ist nur, daß die Banditen auch die Haupt stadt Madrid iu eine wahre Sierra Mvrcna zu ver wandeln trachten. In den Tavernen und auf den Straßen wird fast täglich eine Bluttat verübt, und selten nur gelingt es der Polizei, der Mörder habhaft zu werden. Die Bevölkerung -eckt sie, wenn irgend angängig; denn ein ihr angeborener Instinkt läßt sie noch immer mehr den Messerhelden bewundern, als den Verbrecher verab scheuen. ... Ein anderes Bild' Wir feierten jüngst Allerseelen, das Totenfest, das hier im katholischste» aller katholischen I Länder eine ganz besondere Bedeutung gewinnt. Jur Schatten der gotischen Kirche und über den Friedhöfen schwebt ein ernstes Granen, das den Tränmer in feinen Bann zwingt. Die Schlagbäume, die Tote und Lebende durch Ewigteiteu trennen, scheinen sich langsam heben zn wollen, nnd Diesseits und Jenseits reichen sich die Hand. Am Morgen werden die Kirchen besucht, wo Messen für das Seelenheil der Hingeschiedenen gelesen werden, sämtliche Kirchglvcken läuten, und das sonst so fröhliche Madrid ist ernst und still. Die Madrider sind schwarz gekleidet, die Frauen tragen anstatt des Hutes den schwarzen Spitzenschleier, und selten trifft man jemand, der nicht einen Jmmorteltentranz in der Han- trüge, hat doch jeder dort draußen ans den Friedhöfen einen geliebten Toten zn beweinen. lind aus die Friedhöfe pilgert denn auch alle Welt nach der Totenmesse. Dort wird allerdings die fromme Rnb rilng der Besucher arg gestört, denn neben den Läden sn» Blumen und Kränze sind Schnapsbuden errich'et worden, so daß manchmal über den Gräbern Raufereien entstehen nnd grobe Säiimpfreden gehört werden. Ist dann die Dunkelheit über Madrid ücrui.der gesuntcn, so wird auch in allen spanischen Theatern des Totensonntages gedacht nnd einer alten Sitte gemäß Zvrrillas „Don Inan" zur Aufführung gebracht. DaS Pnblitttitt sieht, ivie die Geisler den Gräbern entsteigen und wie der steinerne Gast, der Kvmmendadnr, Don Zua» und Dona Ines erscheint. Kein anderes Bühnenstück in Spanien kann sich einer ähnlichen Volkstümlichkeii rühmen »ne dieses Drama, nnd selbst die ärmste Familie wird cs sich nicht entgehen lassen, diesen Abend im Theater zn verbringen. Lind dann die „Dou Juan'-Aufsührungen in den Theatern vorüber, so setzt in Madrid die richtige Spiel zeit ein. Eine Nenanfführung jagt die andere, uud gerade in diesem Jahre dürfte es an Novitäten nicht mangeln. Die Altmeister der spanischen Bühnentuust, wie Echcgaran, Guimera, Salvador Rueda, Perez tyaldos, Selles usw, haben den Bühnenleitern bereits ihre neuesten Werke ein gereicht, an denen jetzt fleißig geübt wird und die das Publikum mit großer Spannung erwartet. Eine ganz besondere Ueberraschung dürste jedoch den Besuchern des Schanspielhanses, des vornehmen „Teatro ESpakol", be vorstehen, wo Maria Guerrero die Aufführung einiger der alten griechischen Tragödien von Sophokles und Euri pides plant. — Dem „Teatro ESpanol" gegenüber liegt das elegante „Teatro de la Eomedia", in dem nach wie vor die „Kamcliendame" und „Zaza" Trumpf sein werden. Ob die starre Antike unter diesen Umständen Erfolg haben wird?
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