Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140311014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914031101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914031101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-11
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen - Ausgabe für Leipzig und vdrort» durch «nser» Vriig», VSAU gvprei^ e. und Spe-tteurermaiidgit»in» Hou» grdrachtr monatlich I.r» M., virrteySheUch Z.7S M. Sei drr S»ich»ft»N»U«, unsren ZUialeu uad NusgabesteUen adgrholt: monatlich iM.,vi«rt«li»hrUch SM. Durch dl« Post: innerhalb veutschland» und Srr -rutschrn Kolonie« m»natUch I^d M.. vierteljährlich 4.L« M., ausschlieAUch postdrstrU,rl». Va» Leipziger Tageblatt rrschrint werktags »mal. Sonn. u. Zelertagolmal. In Leipzig, Lrn Nachbarorten und »en «Vrten mit eigenen ZUialen wir» die NbenSouogad» noch am flden» de» «rschrinen» in» hau» geliefert. r>—liner Nedaktion: Sn de» weiten 17. 5ernsv^r<b-'nscbluh: Moabit Nr 407. ««»aktton un» SeschSNosteUer ?odannl»gast, Nr.». » Zernsprech-NoschluK Nr. I«»ae. «»das un» >«»»». Nr. 127. Mittwoch, den >l. Mr;. ISS. Jahrgang lSl4 für Inserat, an» Leipzig UN» Umg«»nng »t« /LnInIAkNprkl^* . sspaUigepetitsetlerrpf., »leNeNameeeilel M-, »on ou»wart» so Pf., Neklamen t.ro M., Klein» /»nzeigen »iepetitzeile nur LS pf.d.wteü,rk»l.Kad..Inserat» von Sebörüen im amtliche«Leit »le Petit» zelle so Pf. cheschäftoanzrigrn mit piahvorschrift im Preis» erhöht. Nabott na» Laris, oetlagen: Sesamtausl.SM.»a»raus,nü au»schl.p»stg«dlihe. stnzeigen-stnnahmr: ^ohanniogasse», bei sämtlichen Ziltairn»«»Leipziger Tageblatt«» und ollen tzanonrea-Tepeditioaea de» In» und stuolande». VeschästosteU, für Serlin u.Si» pr.0raaS,ndurg virektion Walter Zliegel, Serlin w i, MargarelbenNrah» ». Zernspre»,ftnlchiust: Lünow,-»7>. Des Bußtages wegen erjcheint die nächste Nummer Donnerstag früh. Das wichtigste. * Die Zweite Kammer erledigte am Diens ¬ tag ein Etatkapitel und mehrere Petitionen. (Liehe Der.) * Auf der allgemeinen Lersammtung des Vor- bandes Sächsischer Industrieller, die in Anwesenheit des Königs stattfand, sprach Syndikus Dr. Stresemann über die „Bedeutung der säch sischen Industrie auf dem Weltmärkte". (S. Bei.) * Im Reichstag wurde am Dienstag die zweite Losung des K o l o n i a l e t a t s beendet. (2. Art. u. Ber.) * Prinz und Prinzessin Heinrich von Preu- ßen haben am Dienstag ihre Amerikareise an getreten. (S. Dtschs. R.) * In Breslau fand am Dienstag die Bei ¬ setzung der Leiche des Kardinals Kopp statt. (2. bes. Art.) * Das K a b i n e t t E i o l i t t i hat dem König von Italien die Demission unterbreitet. (S. Ausl.) * In der griechischen Kammer gab Mi nisterpräsident Benizelos bedeutungsvolle Erklä rungen über die epiroti's che Frage und Alba nien ab. (S. Ausl.) Vie kirchenaustrittsbervegung un- -ie Trennung von Kirche unö Staat. Wie wir schon mitteillen, hat das Landcs- .'onsistorium für den sächsischen Bußtag einen Predigttext vorgeschrieben, der im Hinblick auf die Äirchcnaustrittsbeivegung gewählt ist. Diese Anordnung zeigt, daß die sächsischen kirchlichen Behörden der Austrittsbewegung, obwohl sie in Sachsen lange nicht den Umfang annahm wie in Preußen, ernst gegenüberstehen und ihr zeitig Einhalt zu tun wünschen. Die Meinungen über die rechten Mittel gehen weit auseinander. Wir erhalten von kir chenfreundlicher Seite die nachfolgende Dar legung, die in der Trennung von Staat und Kirche das eigentliche Zukunftsproblem sicht, dessen Lösung für Kirche und religiöses Leben eine neue Zeit bringen soll. Wir bemerken zu einer Stelle dieser Auseinandersetzung im vor aus, daß uns die Gegnerschaft des Trennungs gedankens nicht erschöpfend gewürdigt scheint. Zu den Gegnern gehören, meinen wir, nicht nur kurzsichtige Politiker, die dem Problem aus nichtigen Gründen auszuweichen suchen, sondern auch die ernsthaften Politiker, die sich klar dar über sind, daß bei der Eigenart der deutschen Verhältnisse — man denke nur an die von Nom aus geleitete katholische Welt — die Trennung zu einem Kampfe führen muß, der mindestens auf ein Jahrzehnt das ganze Staatslcben er schüttern und jede andere Aufgabe beiseite drän gen würde. Ist das Reichsgcfügc zu solchem Kampfe fest genug? Aber diese ernste Frage soll die Erörterung des Gegenstandes nicht hindern. Wir geben unserem Mitarbeiter das Wort: „Man mag über die Kirchenaustrittsbewe gung denken wie man will, ein ernstes Symp tom für die Unbeliebtheit der Kirche m gewissen breiten Schichten der Bevölkerung ist sre auf alle Fälle. Unsere Kirchen haben seit Jahrzehnten an Volkstümlichkeit erheblich ein- geblitzt. Und das trotz wachsender starker An passung an moderne Verhältnisse, trotz regster Entfaltung aller Kräfte und hingehendster Ar beit ihrer Diener. Noch vor 10 Jahren konnte man meinen, der Ucbelstand sei hauptsächlich auf die Spannung, die zwischen der christlichen Religion überhaupt und der neuen Zeit besteht, zurückzuführen. Heutzutage aber wird diese Spannung sichtlich von Tag zu Tag mehr aus geglichen, und trotzdem bleibt die Position der Kirche so unsicher, wie sie war. Auch an den kirchlichen Persönlichkeiten kann es nicht liegen, wenn es nicht recht vorwärtsgeht. Wenn uns nicht alles täuscht, hat vielmehr die Persön lichkeit des Geistlichen im Laufe der jüngsten Vergangenheit nur immer an Sympathie in der Öffentlichkeit gewonnen, und nur noch der blinde Fanatismus, der an der schlichten Wirk lichkeit und an den Wandlungen der Zeiten mit rohem Blick vorüberstiert, bedient sich der völlig unzeitgemäßen Phrase vom „volksverdummen- oeu Pfaffen". Wenn trotzdem der Kredit der Kirche nicht steigen will, so kann das nur an der Institution als solcher liegen. Tatsächlich ist es jedem Kenner der Ver- bältnisse klar, daß das st a a t s k i r ch l i ch c System, wie wir es in den einzelnen Ländern de- Deutschen Reiches noch immer haben, den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr ent spricht. Die StaacSlirche hat — wie so viele ältere Institutionen — ihre grosse geschichtliche Bedeutung und ihr historisches Necht; aber die Zeit ist allgemach über sie yumusgeschcitten. Sie entspricht nicht mehr dem modernen Staatsbegriff — denn ein moderner Staat kann nicht eine ganz bestimmte, engbegrenzle Religionsform als die seine oftiziell in Anspruch nehmen — sie entspricht aber auch nicht dem modernen Religio nsbegrrff — denn wir Menschen von heute empfinden den offiziellen Charakter der Religion an sich als unrecigiös, als Hemmung für die ReKgion selber. Das ist der Grund, warum in allen modernen Kultur staaten die Trennung von Staat und K irche entweder bereits' vollzogen ist oder doch wenigstens ernstlich erwogen wird. Wenn man gerade in Deutschland besonders in politischen Kreisen noch immer eine gewisse Scheu zu empfinden scheint, die Frage aufzu rollen, so spricht dabei wohl ein wenig die Be fürchtung mit, es möchte mit der Entstaatlichung der Kirche „alles religiöse Leben zusammen brechen." Die konservative Agitation tut redlich das Ihre, diese Befürchtung zu nähren, und stellt ihren leichtgläubigen Anhängern gerne jeden Trennungssreund als „Atheisten" dar. Als ob nicht gerade unter den eifrigsten Christen kon servativer Färbung, unter den sog. Gemein schaftsleuten und auch unter den strengen Luthe ranern, die entschiedensten Anhänger des Tren- nungsgcdankens süßen! Auch der konservative Adolf Stöcker hat sich seinerzeit für die Trennung ausgesprochen. Und die ziemlich kon servativ gerichtete Meißner kirchliche Konferenz hat sich schon vor Jahren unter Führung von Prof. Hauck freundlich zum Trennungsgedanken gestellt. In Wahrheit findet sich bei den Freun den der Trennung ein sehr buntes Völklein zu sammen, das aus Atheisten uird Kirchengegnern und daneben aus recht zahlreiclum Christen der verschiedensten Richtung vom Sektencyristen bis zum Linksliberalen besteht, während unter den Gegnern die Trennung neben ein paar welt fremden Christen und einer Gruppe ängstlicher Kirchenleute vor allem zahlreiche solche gesiu- uungstüchtige Politiker sich finden, die zwar „für sich persönlich" die Religion nicht mehr „brau chen", sie aber im Interesse der „Autorität" unter allen Umständen „dem Volke" erhalten sehen möchten. Gewiß würde diese Art „Autorität" durch eine etwaige Trennung wieder mal einen Stoß erhalten. Täte sie's doch! Denn wir brauchen nicht Devotion, sondern Staatsbürgertreue, nicht Duckigkeit, sondern Sinn des einzelnen fürs Ganze! Im übrigen ist hundert gegen eins zu wetten, daß durch'Entstaatlichung der Kirche das religiöse Leben und vor allem die Selbstän digkeit der religiösen Urteil sbil- dung und das religiöse Interesse des einzelnen einen gewaltigen Auf- s ch w u n g nehmen würde. Vielleicht werden wir in dieser Hinsicht schon Wunder erleben, wenn überhaupt erst die ganze Frage im großen Stile aufgcrollt und eine so tief einschneidende Aen- derung der kirchlichen Verhältnisse vorbereitet wird. Freilich sind sich alle Einsichtigen darüber klar, daß eine einfache Uebertcagung amerika nischer oder französischer Verhältnisse bei uns unmöglich ist. Vielleicht gelingt cs der verstän digen Zusammenarbeit weitester politischer und kirchlicher Kreise doch einmal, für unser religiöses Leben eine Form zu finden, die eine gemein same Pflege volkstümlicher natio naler Religiosität im weitesten Rahmen und zugleich die charaktervolle Ausprü st u n g i n d i v i d u e l l c r G e m c i n d e t y pe n bei strengster Wahrung oer persönlichen Reli gionsfreiheit gewährleistet." K.-cb. Vie öehetzung -es kar-inals Kopp. Die sonst so stille und einsame Dominsel in Breslau war nm Dienstag das Ziel vieler Tau sende von Katholiken, die dem verblichenen Kardinal- Fürstbischof v. K o p p die letzte Ehre erweisen wollten. Ueberaus oroß war die Beteilinung der ganzen Diözese Besonders der Klerus war sehr zahlreich vertreten. Sämtliche Spitzen der Staats und Zivilbehörden hatten sich oingefunven Die Städte Breslau, Reitze, Jauernigk und Friede berg. deren Ehrenbürger der Kardinal war, waren durch ihre Oberhäupter vertreten. Als Vertreter des Kaisers war an Stelle des plötzlich er krankten Fürsten zu Hatzfeld der Herzog von Ratibor in der Uniform der Leibgarde- huiaren erschienen, ferner als Vertreter des Königs von Sachsen der Erbgraf von Schönburg-Glauchau, als Vertreter des Königs von Bayern der Fürst zu Löwen stein, als Vertreter der Landgräfin von Hessen. Prinzessin v. Preußen, Hofchef v. Botbmer, als Vertreter des Prinzen Friedrich Wilhelm v. Preußen Hofmarschall v, Schwartzkoppen und als Vertreter des Her ogs Ernst Günther zu Schleswig- Holstein Kammerherr v. Rochow. Ferner waren an« wesend der Fürst zu Pleß. Unterstaatssekretär v Chap- puß als Vertreter des Kultusministers, die Ober präsidenten von Schlesien und Posen, von Parla mentariern Geheimrat Dr. Porsch, Oberlandcs- acrichtspräiident Dr. Spahn, Graf Praschina, Justizrat Bitter u. a. Kurz vor 10 Uhr wurde unter Glock.ngeläute in feierlicher Pro.ession die Leiche aus dem fittstblschösii- chen Palais abgeholt. Len Sarg trugen zwölf Dom oitare, voran schritten die Bischöfe von Hildesheim, Königgrätz, Ermeland, Paderborn und pulda sowie Weihbischof Luowstl-Pojen Der Erzbiickof von Köln. Hartmann, leitete die Trauerseier. Der Sarg, mit den Insignien der Kardinalswnrde geschmückt, wurde unmittelbar vor dem Hochaltar nieoergesctzt. Hier legte der Herzog von Ratibor einen prachtvollen, vom Kaiser übersandten Kranz nieder, dessen Schleife die Kaiserkrone und die läster lichen Initialen trug. Die Gedächtnisrede hielt der Kanonikus Herbig. Unter Zugrunde legung des Bibelspruches „Du wirst ein Prophet des Allerhöchsten genannt werden" schilderte er den Lebensgang und das Wirken des Verblichenen. Das Requiem zelebrierte der Erzbstchof von Köln unter großer Assistenz. Währenddessen sang der Domchor das Requiem für einen vierstimmigen Männerchor vom Vizedechanten Joseph Nickel. Dann fand der Trauerkondutt mit der Absolution statt. Der Sarg wurde von zwölf Dcmgeistlichcn zur Gruft unmittel bar vor dem Hochaltar getragen und dort beigesctzt. Kurz vor 1 Uyr war die kirchliche Feier beendet. 12. Hauptversammlung -es verban-es sächsischer In-usirieller. (Eigener Drahtbericht unserer Dresdner Redaktion.) I'. Dresden, 10. März. Die allgemeine Versammlung, die nachmittags 1 Uhr im Vereinshause abgehalten wurde, war eben falls außerordentlich stark besucht. Unter den Er schienenen bemerkte man die Minister v. Dr. Beck, Graf Vitzthum v. Eckstädt,v. Seydewitz und Dr. Nagel, ferner den Landtagspräsidenten Dr. Vogel sowie zahlreiche Abgeordnete, den Präsiden ten der Generaldirektion der sächsischen Staatseisen- bahnen Dr. Ulbricht, den Grafen Seebach, den Präsidenten des Oberverwaltungsgericht» v. Oppen, viele Geheimräte von den Ministerien des Aus wärtigen und des Innern, sowie Vertreter des Stadt rates und der Stadtverordneten von Dresden. Um 4 Uhr erschien der König in Infanterie uniform mit den Abzeichen eines Generalobersten, be gleitet vom Kämmerer General o. Criegern und zwei Adjutanten. Der Vorsitzende des Verbandes, Geheimer Kom merzienrat Lehmann, begrüßte den König, dankte ihm für sein Erscheinen und erteilte dann das Wort Dr. Stresemann zu seinem Vortrage über die Bedeutung der sächsischen Industrie aus dem Weltmärkte. Das Bild, das uns das Reudeutschland der Gegenwart knetet, ist das eines Landes aufstreben der gewerblicher Tätigkeit. Wie sehr der Eindruck dieses steigenden Volkswirt chafclichen Schaffens wirkt, zeigt das Urteil Edisons, der aus Frankreich kommend, wenn auch mit amerikanicher Ueber- treibung das Wort aussprach, er habe auf den Fahrten durch Sachsen mehr Schornsteine ge.ehen, als in ganz Frankreich. In keinem Wilt chasts- gebiet Deutschlands ist die Verflechtung mtt den We lr marktsinteressen so intensiv, als im sächsisch-thüringischen Wut chafts^e- biet. Hier ist das klassische Land der verarbeitenden Industrie, das klassische Land des indu striellen Mittelstandes, in dem es Groß betriebe gewaltiger Art verhä.tnismäßig nur wenige gibt, in der die Gesellschaftsform des Unternehmens und di« Kapitalkon,entration bei weitem noch nicht so vorgedrungen ist, wie in an deren Landesteilen. Schon im Jahre 1830 gründete sich in Sachsen ein Sächsischer Jndu st rie- verein, dem damals 304 sächsi che FabrikbetrieL« angehörten, und der, auf den Ideen von Fried rich L i st fußend, schon damals Weltmarltsfragen in ähnlichem Geist behandelte wie heute durch Industrie und Handel geschieht. Schlug der Säch sische Industrreverein doch schon damals der säch sischen Reg elung vor. in ver chiedenen Orten Kon sulate zur Unterstützung des sächsischen Exports zu errichten, trat er doch jchon damals weiten Sinnes siir den Gedanken der Verstaatlichung des sächsischen StaatsLahnwesens ein, verwarf er doch damals vom Arbeitgeberstandpunkt aus das in einzelnen Bran chen noch eingeführte Trucksystem, das er als un sittlich brandmarkte. Die Zähigkeit, mit der auch die zweite und dritte Generation der Industrie und Kaufmannschaft treu blieb, hat die damals ein setzende Entwicklung weiter gefördert. Wie zeigt sich nun gegenwärtig der Anteil der sächsischen Industrie an der gewaltig gestiegenen Ausfuhr der gesamten deutschen In dustrie? Es ist schwer, ein umfassendes Bild dieser Ausfuhrtätigkeit zu geben. Denn sie konzentriert sich nicht in einzelnen großen Konzernen, sondern sie umfaßt in ihrer Mannigfaltigkeit die alleroer- schiedensten Branchen und setzt sich aus vielen ein zelnen Ziffern zusammen, die für sich nicht blendend erscheinen, die insgesamt aber eine außerordentliche Bedeutung beanspruchen können. Dabei tritt der Charakter der Verarbeitungsindustrie klar zutage. Aus der Elbe und durch die Güterziiae kommen her die Braunkohlen, die Hölzer, das Roheisen, die Baumwolle, die Chemikalien, Jute, Schwefelkies und Teer und viele andere Produkte, die den Roh stoff fiir das daraus zu fertigende Fabrikat oder den Hilfsstoff für die Bearoeitung der Ware hergeben. Dagegen findet eine Rohstossavsfuhr fast gar n cht statt. Hier tritt vielmehr die Mannigfaltigkeit der Ferligproduktion ein^ welche die sächsische In dustrie als Lieferant erscheinen läßt für Spitzen. Posamenten, Gardinen. Textilwaren, künst liche Blumen. Spielwarcn, Ma chincn. Bücher Musikalien, kunstgewerbliche Artikel. Wie groß diese Ausfuhr im Verhältnis zu der gesamten deut schen Ausfuhr ist, das tritt insonderheit zutage im Auslandso«rkehr mit den Vereinig ten Staaten von Nordamerika, dem ein zigen, für den statistisch« Unterlagen nach Landes teilen in den Berichten der amerikanischen Kolo nien oorliegcn. Da sieht man, daß beispielsweise Sachsen an baumwollenen Strumpfwaren fast 90 Prozent der Gesamtaussuhr nach Amerika stellt, daß es für 25,3 Millionen Mark an Spitzen und Stickereien nach den Vereinigten Staaten ausführt, gegonüber 2,3 Millionen des übrigen Deutschland, Laß es in der Ausfuhr von Handschuhen und Rauch waren fast soviel ausbringt, als wie das gesamte übrige Deutschland zusammengenommen. Leider zeigt sich in den schwankenden Zisfern der sächsischen Ausfuhr nach Amerika die Wirkung deramerika nt sch en Zollpolitik. In den Jahren 1893 bis 1897 stand beispielsweise der Konsulatsbezirk Chemnitz mit über 30 Prozent der Gesamtausfuhr Sachsens an der Spitze aller einzelnen Bezirke. Heute ist dieser Anteil auf 32 Prozent zurückgegang-en. Läßt sich für Amerika somit der Anteil der säch sischen Industrie an der Gesamtausfuhr feststellen, so sind wir bezüglich des Anteils der sächsischen Indu strie an der Weltausfuhr Deutschlands vorläufig noch auf Schätzungen angewiesen, da uns hierfür eine eigene Statistik nicht zur Verfügung steht. Deshalb hat auch der Verband Sächsischer Indu strieller beantragt, daß sowohl bei der Produk- t i o n s sta t i st i k als auch bei der Handelsstatistik in Zukunft auch besondere Anschreibungen für die sächsische Industrie erfolgen. Prüfen wir die Unter lagen, die uns nach der Richtung der allgemeinen Ausfuhrinteressen gegeben sind, so gibt uns die Leipziger Messe einen Anhaltspunkt, die im letzten Jahre 3518 deutsche Firmen, darunter 1200 sächsische, umfaßte. Man darf ohne Uebertret- bung sagen, daß man in Amerika Chemnitz und Plauen besser kennt, als irgendwelche anderen deut schen Wirtschaftsgebiete. Die lebhafte Handels tätigkeit Sachsens zeigt sich auch in einer Ver gleichung der Postziff« rn. Auf einen Einwoh ner im ganzen Deutschen Reiche kommen 3,5 ein gegangene Pakete, diese Ziffer lautet für Leipzig 8, für Sebnitz 12,5, für Auerbach 15, für Annaberg 17. Die Güterausfuhr Sachsens, die wir leider nur der Tonnenzahl nach kennen, ist von 2 973 000 Tonnen im Jahr« 1902 auf 5 584 000 Tonnen im Jahre 1911 gestiegen, hat sich also in den letzten 10 Jahren beinahe verdoppelt. Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, wie sich innerhalb der deutschen Industrie das Verhält nis der Jnlandsproduktion zu dem Export stellt und wieviel Arbeiter in Deutsch land von der Aufrechterhaltung dieses Exportes abhängig sind. Auch hierfür sind genaue und wissenschaftlich exakte Ziffern bisher nicht erhältlich gewesen. Aus einer Umfrage, die Redner ver anstaltet hat, ergeben sich aber für das Königreich Sachsen ganz überraschende Ziffern. Bei 151 Firmen! von der Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate ergibt sich bei einer Gesamtproduktion von 170 Millionen Mark eine Ausfuhr von 90,1 Millionen Mark, also ein Anteil von 53 Proz., der für den Export entfiel. Bei 258 Firmen der sächsischen Textilindustrie, deren Gesamtproduktion 361 Millionen Mark betrug, entfielen 31,1 Proz. auf die Ausfuhr. Bei 58 Firmen der Papier industrie mit 98 Millionen Mark Gesamtproduktion betrug dieser Anteil 24,7 Proz. Bei 67 Firmen der Metallverarbeitungsindustrie mit einer Gesamt produktion von 59 Millionen Mark betrug der Erportanteil 29,9 Proz. Diese Ziffern geben natür lich nur Anhaltspunkte und machen keinen An spruch auf wissenschaftliche Exaktheit. Sie beweisen aber das eine, daß von 800 000 Arbeitern, die in der sächsischen Industrie beschäftigt werden, mehrere Hunderttausende in ihrem Gedeih und Verderb ab hängig sind von der Stellung, die die säkbsiiche In dustrie auf dem Weltmärkte sich erobert hat. Die Stärkung und Stützung dieser Weltmarkts stellung erscheint deshalb als eine der wichtigsten Staatsaufgaben der Gegenwart. Möge es gelingen, in den Kämpfen, die uns bevorstchen, der deutschen Industrie und dem deutschen Gewerbe das System langfristiger günstiger Handelsverträge zu erhalten, die uns die Stetigkeit unserer Handels beziehungen erwirken. Mögen wir auch nicht ver gessen, daß Sympathien und Antipathien in der Welt auch wirtschaftlich gewertet werden müssen, und deshalb Mittel und Weg« finden, auch den deutschen Nachrichtendien st nach und vom Ausland zu verbessern und auszugestaltcn. Mögen wir aber schließlich nicht vergessen, daß der Erfolg aller Tätigkeit aus dieser Stellung aus dem Weltmarkt uns nicht garantiert wird durch ein wirtschaftliches Uebergewicht Deutschlands, sondern nur garantiert wird durch die Aufrechterhaltung nur hoher Qualitäten und Verfeinerung unserer Arbeit, und daß wir deshalb keinen Grund zu irgendeinem Gefühl der Saturiertheit haben, son dern daran zu denken haben, daß es manchmal leichter ist, etwas zu erringen, als das Errungene im Kampfe zu behaupten. Der Rückblick auf die Entwicklung, die die sächsische und deutsch« Industrie in den letzten Jahr zehnten genommen haben, läßt hoffen, daß die Schwierigkeit der Aufgabe auch die tätigen Kräfte in der Volkswirtschaft zu erhöhtem Schaffen an regen und bei Zusammenwirkung zwischen privater Arbeit und staatlicher Unterstützung uns den Er folg bringen wird, daß -ie sächsische Industrie als wertvolles Glied der deutschen Industrie ihre ciqe »e und die deutsche Stellung auf dem Weltmärkte be haupten und so dem Neudeutschland der Zukunft in steigendem Maße das Fundament seiner Existenz sichern wird. Der Vortrag fand langanhaltenden Bei fall, an dem sich auch der König lebhaft be teiligte. Der König zog alsdann Dr. Stresemann in
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite