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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001027025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900102702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900102702
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-27
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
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Nitrksvlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeiger» »Prett die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reelame» »»ter dem Redactionsftrich (4 gespalten) 75 L>, vor den Familie»»ach« richte» (S gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuaunahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» mnmterbroche» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang. Sonnabend den 27. October 1900. Die Wirren in Lhinu. Unterwegs nach Paoti ngsu. Die internationale Truppen-Abtheilung, welche von Peking auS wach Paotingfu ausbrach, um dort gemeinschaftlich mit der Tientsiner Kolonne gegen den befestigten Ort zu opc- riren, war am 18. October bis Ngan - su, einen Tagrmarsch von Paotingfu entfernt, vorgerückt. Von dort aus wurde eine kleine Streif-Expedition unternommen, welcher sich der vom „Berl. Loc.-Anz." nach dem Kriegsschauplätze entsandte Be richterstatter, Hauptmann Dannhaucr, anschloß. Sie führte zu einem schon kurz erwähnten, interessanten Abenteuer, über welches Hauptmann Dannhauer ausführlicher das Folgende aus Ngan-su vom 18- October berichtet: Den heutigen Ruhetag verwandte die Marine batterie des Hauptmanns von Blottnitz zur nothwendigen Auffrischung ihres Pferdebestandes. Hauptmann von Blottnitz ging demgemäß mit seinen Officieren und 50 be rittenen Kanonieren früh Morgens südwestlich vor. Der General stabsmajor vo n M a r s ch a l l, der bekannte Herrenreiter Graf Königsmarck, -Oberleutnant von Willamowitz und ich machten die Expedition mit. Fünf Kilometer südwärts er wischten unsere Reiter einen chinesischen Kavalleristen, welcher dem Dolmetscher von Tettenborn eingestand, im Dorfe Tariwang, 15 Kilometer südwestlich, wären viele Pferde und Maulthiere, aber auch eine starke chinesische Truppcn- abtheilung sei dort stationirt, Infanterie wie auch Ka vallerie und Artillerie. Hauptmann von Blottnitz beschloß, hin- zureiten, und wir erreichten um 1/2II Uhr Vormittags Taiiwang. Unsere Spitze unter Oberleutnant Rempe traf dort bas chinesische Militär in vollem Abzüge begriffen, an, als er vorsichtig in das Dorf einritt. Die Kavallerie, 300 Reiter, war schon fort, ein Bataillon und zwei bereits bespannte Geschütze befanden sich aber noch im Dorfe. Wir überraschten sie vollkommen, wurden jedoch mit einigen Schüssen empfangen, 'die sofort er widert wurden. Hierbei wurde ein Chinese erschossen, einer schwer verwundet. Der commandirenide chinesische Major er klärte, auf jede unserer Bedingungen einzugehen. In Anbetracht Der für un-i ziemlich kritischen Lage begnügten wir uns mit der Fortnahme der 'beiden Geschütze, ferner von acht Fahnen, hundert neuen Gewehren, 25 Pferden und einer Menge Munition. Dar auf traten wir 'den Rückmarsch an und langten mit sämmtlichen Trophäen um 5 Uhr Nachmittags wieder hier an. Die Geschütze sind Krupp'sche Hinterlader. Morgen marschiren wir nach Pao tingfu werter. Friedelisvcrhimdlnngcn. AuS Aokohama, 26. October, meldet „Reuter's Bureau": Amtlich wird mitgetheilt: Die Vertreter der fremden Mäckte halten beute die erste Sitzung in der Angelegenheit der Fricdensverhandlungen ab. Prinz Tuan und Consorlen Dem chinesischen Gesandten in Washington, Wu-ting-fang, zugegangene Nackrichten besagen, Prinz Tuan sei gehindert worden, den Hof nach Singanfu zu begleiten; er bleibe in Schansi, wo er keinen weiteren Einfluß aus den Thron auSüben könne. Dem Gesandten ist eine weitere Depesche zugegangen, welche besagt, Kanghi sei am 18. Oktober einer Krank heit erlegen und Iiibsien, der Gouverneur von Schansi, habe Selbstmord begangen. Hinter die Meldungen dieses chinesischen Gesandten ist stets ein möglichst großes Fragezeichen zu machen. Weitere Meldungen. " Petersburg, 26. October. Nach Berichten, welche beim Generalstabe eingegangen sind, wurden in Mukden große Vorräthe an Kriegsmunition vorgefunden. Bei der Vernichtung deS aus gefundenen Pulvers sanden mehrere Explosionen statt, bei denen 26 Soldaten verwundet wurden. In Folge energischer Maßregeln zur Bekämpfung des Räuberunwcsens leben Handel und Verkehr wieder auf. — Ferner wird dem Generalstab berichtet, daß bei einer Be- sichtigung der russischen Truppen in Tientsin durch den Generalfeldmarschall Grafen Waldersee dieser seine Zu- friedenheit über das Aussehen und die Haltung der russischen Truppen Ausdruck gab. Bon Tientsin bis Schanhaikwan ist der regelmäßige Eisenbahnverkehr wieder eröffnet. Bei der Station Peitang war der Bahndamm unterminirt; es wurden ungefähr 40 Minen herausqenommen, wobei einige Explosionen stattsanden, die aber nur unbedeutende Verletzungen von Personen zur Folge hatten. * Loudon, 27. October. Nach einer Nachricht der „Times" aus Peking hat der frühere Gesandte Macdonald am 25. October Peking verlassen. Zweite deutsche Verlustliste. Zn dem Gefecht bei Peitang am 20. September haben unsere Truppen einige Verluste erlitten, die jetzt von amt licher Seite wie folgt zusammengestellt werden: 1. Lstasiatiiches Infanterie-Regiment, 7. Compagnie: Musk. Otto Werth aus LuvwigSthal, Kr. Landsberg a. W.; früher Grenad.- Regt. Kronprinz, 4. Comv-, leicht verwundet, Brandwunden infolge Minenexptosion; Musk. Ernst Grimm aus Hamburg, Aushebgsbzk. Hamburg; früher Jnf.-Regt. von Boyen, 3. Komp , leicht ver wundet, Brandwunden in Folge Minenexplosion. — 3. LskasialijcheS Infanterie-Regiment, 1. Compagnie. Musk. Johannes Georg Saß, aus Schülldorf, Kr. 'Rendsburg; früher Jnf.-Regt. Herzog von Holstein, 3. Comp., schwer verwundet, Brandwunden in Folge Minenexplosion und Knochenbruch; Musk. Felix DominikowSki, ans Adl. Kamionken, Kr. Marienwerder: früher Jnf.-Regt. Nr. 163, 4. Comp, leicht verwundet, Brandwunden in Folge Minen explosion: Musk. Wilhelm Meyer Hl., aus Bremen, Aushebungs bezirk Bremen; früher Jnf.-Regt Nr. 75, 8. Comp. (Meyer II), leicht verwundet, Brandwunden in Folge Miuenexplosion; Musk. Johann Atoll II, aus Zarnewenz, Kr. Schönberg, Mecklenburg; früher Gren.-Rgt. Nr. 89, 6. Comp., leicht verwundet, Brandwunden in Folge Minenexplosion. — Osiasiatische Corps - Telcgraphen- Abtheilung: Sergeant Franz Würzig auS Nietleben, Saal kreis; früher Telegr.-Batl. Nr. 1, 3. (Kgl. Sachs.) Comv-, schwer verwundet, Brandwunden in Folge Minenexplosion und Knochenbruch. — Außerdem werden verzeichnet: Oü- asiatisches Reiter-Regt., 2. Escadron: Reiter Anton Kracher aus Lbcr-Wessen, Bez.-Amt Traunstein, Bayern; srüter 2. Bayer. Cheveauxlegers-Regt. Taxis, 1. Escadron, tvdl 27. September 1000, Ruhr. Ollasiatiiches Bataillon schwerer Feld-Haubitzen, I. Batterie: Kanonier Georg Belzer aus Langendernbach, Ar. Limburg; früher Fußartillerie-Regt. Generalfeldzeugmeister, todt 4. September 1900. Im Peiho ertrunken. Ueber die Ausreise der Trnppcu-TranSportdampscr nach China liegen folgende letzte Meldungen vor: „Hannover" „H. H. Meier" ,'Valdivia" „Köln" „Aachen" „Pbönicia" (N. D. Lloyd) 19. Oct. in Taku. (N. D. Lloyd) 23. - in Hongkong (Heimreise). (Hamb. A. L.) 23. - von Shanghai. (N. T. Lloyd) 24. - von Tsingtau. (N. D. Lloyd) 24. - von Taku. (Hamb. A. L ) 23. - in Taku. „Arcadia" (Hamb. A. L.) 25. Oct. von Sbanghai. „Crefeld" (N. D. Lloyd) 24. - von Sbanghai. „Roland" (N. D. Lloyd) 24. - in Shanghai. Oer Krieg in Südafrika. Annexion Transvaals. Aus Cavstadt, 27. October, meldet das „Reuter'sche Bureau": Die feierliche Proclamirung Transvaals für einen Tbeil deS britischen Reiches erfolgte am 26. October. 6200 Mann standen in Parade. Ein eigenes Licht werfen freilich die Nachrichten vom Kriegsschauplatz der letzten Tage auf diese feierliche Proclamirung, denn sie zeigen, daß der letzte Act des Krieges noch lange nicht zu Ende ist und den Londoner Regisseuren schließlich doch noch der Applaus entgehen kann. Uns wird berichtet: * London, 26. October. TaS „Reuter'sche Bureau" meldet vom 19. d. M. aus Johannesburg: Am 8. d. M. schnitt Hans Botha mit einerBoerenabtheilung einen Eisenbahnzug mit einer Erkundungstruppe der Schützenbrigade zwischen Heidel berg und Greylingstad (zwischen Pretoria und der Oranje grenzei ab; zwei britische Oisiciere und eine Anzahl Leute fielen, das ganze Detachement mußte sich schließlich ergeben. — Aus Maseru meldet dasselbe Bureau vom 22. d. M., Präsident Stejn befinde sich inFouriesburg (zwischen Ficksburg und Bethlehem nahe der Basutolandgrenze im Osten des Freistaats), und habe Liesen Ort als Hauptstadt des Freistaats proclamirt. * Turban,27.Lctober. (Telegramm.) Boeren tauchten in Nordnatal auf, sprengten eine kleine Brücke der Bahnlinie in der Nähe von Waschbank und beschädigten einen Güter schuppen. Die Bahnlinie ist schleunigst ausgebessert und der Verkehr wieder ausgenommen worden. Die folgenden Nachrichten lauten allerdings wieder für die Boeren ungünstiger, aber man kann sich des Eindrucks nickt erwehren, als wären sie mit Rücksicht auf die Cap städter Proclamation stark gefärbt, um dieser das nöthize Relief dock noch zu geben. Sie besagen: * CaHtadt, 27. October. (Telegramm.) General Barton zersprengte De Wet's Truppen bei Frederikstad (wann? d. Red.), brachte ihnen schwere Verluste bei und machte mehrere Gefangene. (Reutermeldung.) * Capstadt, 26. Lctober. („Reuter's Bureau") Nach weitere:: Berichten aus Jacobsdal (südlich von Kimberley im westlichen Oranjestaat) griffen 250 Boeren erfolglos die Garnison, die auS einer Compagnie Capstadt-Hochländer mit einem Geschütze bestand, an. Die Engländer halten 14 Todte und 20 Verwundete. (Nach der Meldung desselben Bureaus vom gleichen Tage hatten die Boeren Jacobsdal besetzt. Was ist nun richtig? D. N.) * Maiekina, 26. Ociober. („Reuter's Bureau.") Am Mitt woch gr:sfen General Methuen und zwei andere Generale gemeinsam die Stellung der Boeren bei Zeerust an. Der Feind wurde geworfen und zersprengt; es wurden 39 Gefangene gemacht und 20 Wagen erbeutet. Aus London, 25. October, wird uns noch geschrieben: Die Engländer müssen sich jetzt selbst an der Hand der Depeschen deS Feldmarschalls Lord Roberts immer mehr davon überzeugen, daß sie sich noch mitten im Kriege mit den Boeren befinden, und daß die legieren weit davon entfernt sind, auf die ihnen von Roberts verliehene Bezeichnung „Marodeure" irgendwie zu reagiren, speciell, nachdem General Louis Botha als „Obercommandirender der noch im Felde stehenden Boeren-Truppen" in seiner Antwort auf die ver schiedenen gewundenen und geschraubten Proklamationen des britischen Feldherrn stolz und energisch die künstlich gebildete Auffassung der Engländer von der Wetterführung des Krieges zurückgewiesen und erklärt hat, daß die Boeren trotz allen Mißgeschicks weiter zu fechten gesonnen sind. — DaS kommt hier in England natürlich durchaus ungelegen, und wenn nun Lord Roberts in seiner letzten officiellen Depesche so schwere Verluste rapportiren muß, die verschiedene seiner Truppentheilc in den allerletzten Tagen in scharfen Gefechten mit den Boeren erlitten haben, dann wird die äußerst verdrießliche Stimmung verständlich, die, wie wir heute Morgen hören, das Kiesige Kriegs amt beherrscht. Man hat an officieller Stelle in London seit Wochen derartig energisch die Parole ausgcgeben, der Krieg sei „sozusagen" zu Ende, daß man anscheinend schließlich selbst daran glaubte, und nun. — Schmerz, laß nach. — Es ist Thatsache, daß man sich im Kriegsamtc in geradezu hysterischer Nervosität auf alle möglichen Auswege, Hilfsmittel und Gewalt - maßregeln besinnt, die vielleicht dem englischen Hauptquartier in Pretoria helfen könnten, schneller und nachdrücklicher zum ge wünschten Ziele zu kommen. Aber äs Laote, ist kaum noch irgend etwas übrig geblieben an napoleonischen Parfsrcc-Mitteln, was man jetzt den Boeren gegenüber noch zur Anwendung bringen könnte. — Es kann natürlich das nervöse Unbehagen der Regierung nur verstärken, wenn in der englischen Presse Aeußerungen laut werden, wie sie z. B. der „Morning Leader" heute Morgen in einem fulminanten Leitartikel der Nation zu Gemüthe führt. Das Blatt schreibt wie folgt: „Wir begehe« heut: den Jahrestag der Schlacht bei Balaclava, wo die berühmt: „dünne rothe Linie" unserer Hochländer immer und immer wieder den wllthenden Ansturm des Feindes zurückschlug und nicht an Uebergabe und Aufgabe des Kampfes denken wollte. Und wenn wir nun an Stelle der „Briten" die „Boeren" setzen, wie können wir es dann fertig bringen, jene Männer nicht als legitim: Krieger betrachten zu wollen, die sich des Zweikampfes mit uns in jeder Weise würdig zeigen, und die wir weder mit Waffen gswalt, noch mit all' jenen anderen, weniger edlen Zwangsmitteln niederzwingen können? Wir würden voller Begeisterung über die prächtige Tapferkeit und Ausdauer der Boeren sein, wie wir das so häufig über andere Völker in Bedrängniß sind, wenn si: nur nicht gerade mit uns im Streite lägen. Der Tag ist nicht mehr sehr fern, wo wir mit Betrübniß, und selbst mit Scham auf die Art und Werse zurückblicken werden, in welcher ver schieden: unserer Generale viele Bezirke in Feindesland verwüstet haben, die sie nicht erooern konnten." Derselbe „Morning Leader" schreibt unter der Ueberschrift „Hungernde Soldaten" Folgendes: „Es ist eine Schande im höchsten Grade, wie wir an dauernd unsere eigenen Leute im Felde behandeln. Es ist bereits zur Genüge bekannt geworden, wie unsere Soldaten in Südafrika in Lumpen Herumlaufen und ihre Löhnung nichtsrhalten, und in den Blättern erscheinen fortwährend Klagen von Eltern und Verwandten, die in dieser Hinsicht F-tteHeton. 18, Der Bundschuh. Roman von Waldemar Urban. Nachdruck verboten.. „Er ist ein böser, böser Bursch", fuhr sie lebhaft und leise fort, indem sie dabei verliebt und schalkhaft nach Veit hinschielte, „und 'wenn Ihr ihm Grüße an Herrn Diepold auftragt, so kann er sie zierlicher und sanfter und sehnsüchtiger ausrichten, als Ihr selbst, oder irgend, wer es könnte. 'Seht ihn nur am Er ist viel, viel schlimmer als eine Nachtigall." „Veit!" rief Edelinde verstohlen. Der junge Spielmann kam sofort näher und fragte nach den Befehlen seiner Herrin. Diese aber erröthete jäh, wandte sich Von ihm ab und zu Friedel. „Sage Du es ihm", flüsterte sie dieser rasch zu, „ich Du kannst das besser." Nichts schien dem jungen munteren Friedel willkommener zu sein, als dieser Auftrag. Sie machte sich sehr wichtig, winkte Veit geheimnißvoll heran- „Veit", flüsterte sie, „komm' hierher, noch näher, ganz nahe zu mir. Es handelt sich um ein Geheimniß. Leih' mir Dein Ohr." — Und, vermuthlich, um ihrem Worte eine größere Deutlichkeit zu geben, faßte sie mit ihren kleinen rundlichen Fingern nach dem Ohr deS Spielmannes und zog ihn daran ganz nahe zu sich heran. Veit verstand aber keinen Spaß, nahm sie rasch beim Kopf und küßte sie auf den Mund. Friedel that, als wenn sie aus der Haut fahren möchte. „O, alle Heiligen", rief sie entsetzt, „hat man schon je so etwas gesehen? Hier am Hellen lichten Tag, vor den Leuten, vor unserer lieben Herrin von Rappoltstein! Veit, schämst Du Dich nicht? Was bist Du doch für ein schlimmer, schlimmer Bud." „Du hast recht, Friedel", sagte Veit zerknirscht, „ich bin ein Bösewicht. Ich sehe es wohl ein, und ich verspreche Dir feierlich, von jetzt ab immer zu warten, bis es finster ist, ehe ich Dich küsse, so schwer mir das auch fallen mag." Gben wollte sich Friedel auf's Neue entrüsten über diese füchterliche Drohung, als das Burgthor sich aufthat und daraus der Vogt von Hohnack, Herr Gilg Martens, eine gedrungene, derbe KriegSgestalt mit grauem Barte und Haar, im Lederkoller, die Kommandeur-Schleife über der Brust, und den langen, geraden Raufdegen an der Seite, hervorschritt. Hinter ihm kamen acht Söldner, gut bewaffnet, und tüchtig geschult im festen, soldati schen Marschtritt. Wie ein« finstere, regen- und sturmdrohende Wolke über die Frühlingslandschaft fährt, so fiel diese ernste, kriegerische Mahnung über das liebliche Idyll auf dem Haukitzen rohr. Es war just Mittag, und der Vogt von Hohnack, ein ge wissenhafter, sich der neuerdings übernommenen Verantwortung wohl bewußter Mann führte die Ablösung der Wachen persön lich an, um sich persönlich von der Sicherheit der Burg und der Ruhe der Umgebung zu überzeugen. Vor dem Freifräulein von Rappoltstein senkte der Vogt grüßend seinen Degen und mar- schirte mit seiner Mannschaft über den Burghof und durch das gegenüberliegende Thor hinaus in die äußer: Umwallung der Burg. Friedel und auch Edelinde und Veit schwiegen verdutzt, so lange die Soldaten in Sicht waren, als ob diese gar nicht in ihren munteren und naiven Vorstellungstreis gepaßt hätten- Erst als sie wieder allein auf dem Burghofe waren, begann Edelinde von Neuem. „Sage ihm " Friedel unterbrach sie, indem sie mit der Hand eine be schwichtigende Bewegung machte. „Ich werde ihm Alles auseinandersetzen, Herrin, besser, als Ihr es je sagen könntet", erwiderte sie und zog Veit an der Hand ein Stück weiter fort, bis sie sich endlich Beide wieder auf das Haubitzenrohr setzten und leise und geheimnißvoll mit einander tuschelten wie zwei Verschworene. Dann überwand Edelinde end lich ihre Scheu, und beide Mädchen sprachen geheimnißvoll und äußerst wichtig auf den jungen Spielmann ein, dem die Kom plimente und Grüße, die ihm aufgetvagen wurden, endlich zu viel zu werden schienen. Das Wünschen und Grüßen, daS „sage ihm" und „grüße ihn" hörte gar nicht wieder auf, bis Veit endlich auf. sprang und in seiner leichten, ansprechenden Art sagte: „Weiß schon, weiß schon . . „Und laß' euch Gott als lange leben, Bis auf den Mühlstein wachsen Reben Und müßt als lang mein Buhle sein, Bis selbige Reben tragen Wein. Drauf spar euch Gott als lang gesund, Bis daß ein Frosch erlauft einen Hund, Und bis ein Geislein oder Fink Das Meer bis auf den Boden trink." „Ich weiß nun Alles, Herrin. Noch heute Nacht bin ich in Andlau, und morgen Abend, will's Gott, wieder in Hohnack zurück mit den Grüßen des Herrn Diepold." „Gebt ihm ein Zeichen, Herrin, daß Herr Diepold die Bot schaft als die Eure erkennen mag", mahnte Friedel leise. Da zog Gdelinde einen Ring vom Finger mit einem seltenen, glühend leuchtenden, dunkelrothen Stein, und übergab ihn Veit. „Gebt ihm oas, Veit", sagte sie leise und fügte dann, sich rasch und verstohlen über ihn beugend und ihn auf die Stirn küssend, hinzu: „Und das!" Friedel that, als sähe sie cs nicht, sah es aber doch, und wurde von da ab sehr stolz auf Veit. Ein Schimmer der alten Trou badour-Herrlichkeit, von der die Sagen und Geschichten erzählten, fiel auf den jungen Spielman:: und hob ihn aus der Masse des Volkes heraus. Wenigstens sah es Friedel so an. Mochte man überall die Nase rümpfen, wenn es sich um einen 'Spielmann handelte, sie wußte doch, daß Niemand so stolz und munter blicken konnte, Niemand das Herz durch zierliche Worte und guten Klang so erfreuen und getrösten konnte, wie ihr Veit, der junge Spielmann. Etwa ein Stunde später saß Edelinde von Rappoltstein wieder auf ihrem Söller und schaute mit Friedel gemeinsam scharf nach dem äußeren Burgthore, wo die Zugbrücke hing, auf der man die tiefe Felsenschlucht überschritt, welche Burg Hohnack von dem einzigen gangbaren Aufstieg auf den Felsen trennte. Dann rasselte schwer und unbeholfen die Brücke hernieder, und mit stockendem Athem und beklommenem Herzen sahen die Mäd chen Veit keck und munter hinausschreitcn in die kriegerisch drohende Welt. Lustig und übermülhig warf er ihnen von Weitem Kußhände zu, und Friedel, sowie chrer Herrin traten die Thränen in die Augen. „Mir ist so bang, Friedel, so bang und weinerlich, als ob uns Allen ein gräßliches Unglück bevorstünde", jammerte Ede linde. - Friedel standen selbst die Thränen in den Augen und sie wußte keinen Rath. „Er wird schon witderkommen, Herrin. Wir stehen ja Alle in Gottes Hand", erwiderte sic dann einfach und faltete fromm die Hände. Gilg Martens, der in seinem Alter natürlich weniger Auf merksamkeit und Interesse für solche Lirbcshändel hatte, um so mehr aber ein wachsames Auge für alle Begebenheiten besaß, die in größerer oder geringerer Entfernung von Burg Hohnack sich abspielten, war seit zwei Tagen mit wachsender Unruhe erfüllt, weil er von Bartel, den er für den Fall der Noth uni Unter stützung an den Herrn in Rappoltsweiler gesandt, seitdem nichts mchr körte unh sah. Stundenlang kletterte er ip. der altey Burg Son AuSlug zu AuSlug h-tum, strengte seine scharfen Augen an, um ein« Erklärung dieses auffallenden Verzuges auSzukund schaften, ritt gegen Nachmittag deS zweiten TageL sogar selbst den Felsen hinunter, um mit zwei Knechten Umschau zu halten. Er ritt fast bis nach Alspach vor — soweit er die Veste Hohnack im Auge behalten konnte —, und da er selbst sich nicht weiter von der Burg, für die er seinem Herrn verantwortlich war, fort wagte, so sandte er von da einen seiner Begleiter bis an die Klofwr schänke von Alspach, damit er womöglich Kundschaft über das unerklärliche Ausbleiben Bartel'S einholc. Eine gewisse Unruhe und Unsicherheit beschlich ihn. Er ahnte, daß in Rappoltsweiler, oder doch irgendwo in der Umgegend etwas passirt sein müsse, nur wußte er nicht was. Schon in der vorigen Woche hatte er Kunde erhalten, daß sich ein Haufe von mehreren Hundert Personen in der Gegend von Altweier aufgvhalten, dann aber nach Steinbach ins Leberthal zurück gegangen war. Er war schon darnach sehr in Aufregung ge- rathen. Was konnte er mit seinen siebzehn Mann gegen eine solche Uebermacht ausrichten? Nun hatte er inzwischen noch die Herrin von Rappoltsweiler in ihrem Ruhe und Schonung er heischenden Zustande und di« Schwester seines Herrn auf der Burg ausgenommen, was seine Verantwortung und in Folge dessen seine Aufregung steigerte. Gegen Abend kam der Knecht aus der Klosterschänk von Alsbach zurück. Gilg erwartet« ihn schon an der Zugbrücke. Er brachte die Nachricht, daß Rappoltsweiler schon seit heute Morgen von den aufständischen Bauern umzingelt sei und Niemand auS der Stadt heraus noch in diese hinein gelangen könne. Auch in Alspach selbst waren die Mönche in großer Aufregung und Angst gewesen, da eS geheißen hätte, die Bauern zögen sich in starken Haufen in das Düsenbachthal herauf in der Richtung auf das Kloster. Gilg Martens ließ sofort Alles in besten Dertheidigungk- zustand setzen. Alle Zugänge wurden so viel wie möglich ungang bar gemacht, die Brück« hochgezogen, alle AuSlug« mit Doppel posten besetzt und Pulver und Bl«i an die Soldner vertheilt. Noch war der Vogt im Zweifel, ob der Zug der Dauern in das Dusenbochthal der Stadt Kaisersberg oder dem Amt Hohnack galt, aber sicher war sicher. Die Bauern sollten, wenn sie kamen, ihn auf dem Posten finden, und er wollte sich lieber RS auf de« letzten Mann erwürgen lassen, als daß ein Bauer über die Zug brücke in die Burg käme. So kam der Abend heran. Es war noch nicht einmal zÄhn Uhr, der Vogt von Hohnack saß mit der Herrin von Rappoltstein und Edelinde in dem großen Scrale der Burg, wo sie das Nacht mahl gewnn'-m «uiaqiwminen. PLan war gerade tm Begriff, sich zu trennen, um sie Nachtruhe a::fz:m«hmkn, als Hornsiöß« von der Zugbrücke her erklangen.
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