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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbchörde der Lberlausitz Jahrgang Montag, den 11. Juli 1N10, abends Politische Nachrichten * * * Stürme der Enzyklika-Bewegung die Gewissen allenthalbe« dieses Gelöbnisses eingedenk bleiben wird. Erfreulicherweise ore,es weiovnn es eingeoenr ocecoen wcro. cxrsreucccyerwec,e „ steht nach ihren Berichten die überwiegende Zahl unserer Lehrer,zur Wachsamkeit gegen Rom und ferne Umtriebe ausg Bezugspreis: Monatlich I Mark. Einzelpreis: 10 Pfennige. der Amtshauptmannschasten Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des HauptzvUamts Bautzen, ingleichcn der Stadträte zu Bautzen und Benlstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Der Rücktritt des Erbprinzen Hohenlohe. Mitten hinein in die angebliche gegenwärtige Stille der inneren Politik, die aber nach der Lesart Unterrichteter viel von der Stille bei Gewitterschwüle an sich hat, ist die von uns schon mitgeteilte Nachricht von dem Ausscheiden des Erb prinzen zu Hohenlohe-Langenburg aus dem Neichstags- präsidium wie eine Bombe geplatzt. Fast allgemein wird die Bedeutung dieses Schrittes für unsere innerpolitische Lage anerkannt und erörtert. Hoffnungen und Befürch tungen stehen sich gegenüber und auch über die Motive des Erbprinzen gehen die Meinungen sehr auseinander. Daß der wahre Grund des Rücktritts nicht in der Borromäus- Enzyklika, sondern in dem innerpolitischen Gegensätze zwischen Rechts und Links zu suchen ist, haben wir bereits betont. Möglich, ja wahrscheinlich ist es freilich, daß in dem sicher wohlüberlegten Schritt des Erbprinzen zugleich eine bittere Kritik des Verhaltens der Reichsregierung in der Enzyklikafrage liegt. Doch davon jetzt einmal ab gesehen! Eins ist klar, datz der Schritt des Erbprinzen augenblicklich nicht zeitgemätz war, jetzt, wo die Frankreichs neue (§rvberun,ien in Marokko. Mit der Gründlichkeit einer ihres Erfolges sicheren Politik ist Frankreich dabei, sein marokkanisches Gebiet zu vergrößern. Tadla, die Fortsetzung des Schaujagebiets bis gum mittleren Atlas, ist in Frankreichs Händen, das damit «»inen Nord- und Süd-Marokko trennenden Riegel von der Küste des Atlantischen Ozeans bis an das unwegsame Ee- Lirge geschoben hat. Datz Frankreich auch im Udschda und in Ost-Marokko mit dem Ziel auf Tasa und das Tafilelt militärisch operiert, steht fest, wie wohl Uber die Einzel heiten seiner Erfolge in diesen entlegenen Gegenden nichts Näheres bekannt wird. Frankreich geht daran, seine uneingestandenen politi schen Absichten in Marokko trotz Algeciras — man kann das Wort nur noch mit ironischer Betonung aussprechen — und trotz der neuesten in Paris zustande gekommenenen französisch-marokkanischen Verständigung in rascher Folge zu verwirklichen. Der Gebietsumfang Marokkos wird fort gesetzt verkleinert, von einem politisch unabhängigen Ma rokko kann heute nur noch in bedingter Weise die Rede sein. Angesichts dieser Sachlage drängt sich wieder die Frage nach Richtschnur und Ziel der deutschen Marokkopolitik auf. Herr von Schoen hat wiederholt die Algecirasakte, die die Souveränität und Integrität Marokkos verbürgt, als die Richtschnur seiner Marokko-Politik bezeichnet, obwohl der von ihm heraufbeschworene „Geist" der Akte den Franzosen stets ungemein freundlich und nützlich war. Fürst Bülow aber richtete am 25. Februar 1909 an den deutschen Ge sandten in Tanger einen unvergeßlichen Erlaß, in dem es mit Bezug auf das deutsch-französische Abkommen heißt: „Die Vereinbarung sichert Frankreich als höher zivili sierten Nachbarlande Marokkos, das an der Erhaltung von Ruhe und Ordnung besonders interessiert ist, einen nicht unberechtigten politischen Einfluß, ohne ihm die Di ö g l i k e i t zu geben, sich das Land in irgend einer Form a n z u e i g n e n. Deutschland aber sichert das Abkommen die freie Betätigung von Handel und Ge werbe in einem unabhängigen, dem heutigen .Gebietsumfange entsprechenden Marokk o." Wenn, wie zu wünschen, diese Worte noch heute die Richtschnur der deutschen Marokkopolitik darstellen, so darf man gespannt die Frage erheben, wie das offizielle Deutsch land sich mit den neuesten militärpolitischen Errungen schaften Frankreichs in Marokko abzufinden gedenkt. Frankreich hat sich in der Schauja vorläufig auf 60—70 Jahre etabliert, es traf seit langem Vorbereitungen zur Ausdehnung dieses Okkupationsgebietes, u. a. durch Er richtung einer für Truppentransporte geeigneten Fähre über den Umerrebia, den südlichen Grenzfluß der Schauja. Nunmehr ist Lang ka?on die Ueberschreitung der Schauja- grenze erfolgt. Der Marsch Ma el Ains, des „großen Zauberers der Sahara", der mit einigen hundert Beglei tern nach Fes zog, vermutlich um sich mit dem Sultan und den Franzosen im Sinne der Pariser Verhandlungen zu verständigen, ist ein fadenscheiniger Vorwand für die Tätig keit dreier französischer Expeditionskolonnen. Wenn von Paris aus versichert wird, daß die über die Grenze der Schauja hinausmarschierten Truppen zurückgerufen seien, so mag das mit Bezug auf das Eros dieser Truppen richtig sein. Andererseits sind die Angaben der französischen Zei tungen in Casablanca nicht zu bezweifeln, datz ein fran zösischer Posten in Tadla gelaßen worden ist. Nach der großartigen militärischen Machtenfaltung im Süden, Süd- Organ der Handels- und G e w e r b e t a m m e r zu Zittau. Wrscheinungswciser Täglich abends mit Ausnahme der Sona- und Feiertage. Dchriftlcitung und Geschäftsstelle: Banken, Innere Lauen,',rohe 4 Fernsprecher: Nr. bl. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bauten. gion und das C h r i st e n t u m erhoben und dabei Ge dankengänge etwa dahin entwickelt, das Christentum sei das furchtbarste Unglück, das die Menschheit je erlebt habe usw. Und endlich spricht sich nach einem Jahresbericht ein sächsisches Fachblatt in folgender Weise aus: „Noch sind wir nicht so weit wie in der Schweiz, wo s o z i a l i st i s ch e L e h r e r v e r e i n e ungestört leben können, wo das Staatsbewußtsein ausgesprochenermaßen sozialistische Leh rer duldet. Aber der Frühling naht mit Brausen" usw. Der Minister fügte dem hinzu, daß dies „überaus be fremdende, unsere christliche Bevölkerung mit Recht stark beunruhigende Wahrneh- m u n g e n" seien. Deutsche Neformpartei im Königreich Sachsen. Am Sonntag versammelten sich in Dresden die Vertrauens männer und die Vorstände des Landesvereins der Deutschen Reform Partei Sachsens. Die Ver sammlung war zahlreich beschickt. Die Wahl eines ersten Vorsitzenden des Landesvereins wurde dem im Oktober zu sammentretenden sächsischen reformerischen Parteitag über lassen. Bis dahin wird Rechtsanwalt Schlechte die Ge schäfte eines ersten Vorsitzenden führen. Zum dritten Vor sitzenden wurde Kaufmann Ziller-Dresden gewählt. Ferner wurde nach langer Debatte beschlossen, die „Deutsche Reform", das Organ des Landesvereins, mit dem „Deutschen Generalanzeiger" in Berlin zu verschwel- z e n. Die „Deutchse Reform" soll künftig zweimal wöchent lich in Dresden erscheinen. Als Herausgeber fungiert Herr Sedlatzek. Einen beträchtlichen Teil der Beratungen nahmen die Vorbereitungen zur Neichstags- Nachwahl im 20. Reichstagswahlkreise Marienberg- Zschopau-Sayda, die sich infolge des Todes Zimmermanns notwendig macht, in Anspruch. Besondere Freude löste die Mitteilung in der Versammlung aus, datz einige einfluß- reiche nationalliberale Herren die bindende Erklärung abgegeben haben, schon im ersten Wahlgange für die Kan didatur Fritzsche eintreten zu wollen. Ebenso freudig be grüßt wurde die versprochene konservative Wahlhilfe und diejenige des Bundes der Landwirte. Der Vorsitzende schloß die vierstündige Sitzung mit der Mahnung an die Ver trauensmänner der Neformpartei, in der bevorstehenden Wahlkampagne alle Kraft daran zu setzen, damit der einst mit vielen Opfern und Mühen gewonnene Kreis nicht der Sozialdemokratie ausgeliefert werde. osten und Südwesten der Schauja genügt ja auch eine klei nere Truppenabteilung, um den maßgebenden Einfluß Frankreichs in den neu okkupierten Bezirken zu sichern. In der deutschen Heimat wird die Bedeutung der neuesten Geschehnisse in Marokko ohne Zweifel in ihrer vollen Tragweite gewürdigt. Für uns Marokkodeutsche sind sie eine neue Entmutigung. Wie denkt sich unser neuer Staatssekretär des Aeußeren, Herr von Kiderlen-Wächter, die vom Fürsten Bülow zugesicherte „freie Betätigung von Handel und Gewerbe" in einem Marokko, in dem gegen den französischen Einfluß kein anderer aufkommen kann? Frank reich zieht aus dem deutsch-französischen Abkommen und seinem „Geist", der schlimmer zu sein scheint als das Ab kommen selbst, einen Vorteil nach dem andern. Es wäre zu wünschen, daß den am deutschen Marokkogeschäft beteilig ten Kreisen endlich auch einmal etwas Reelles aus diesem Abkommen zuteil würde. Wie die Dinge heute liegen, ist der politische Einfluß Frankreichs für Handel und Ge werbe in Marokko eine Lähmung und ein Hindernis. Das Wichtigste vom Tage. * Der sächsische Kultusminister vr. Beck gab auf der I a h- reskonserenz der sächsischen Bezirksschulin- Hpektoren in Dresden sehr beachtliche Erklärungen ab über die zukünftige G e st a l t u n g des Religionsunter richts in den Volksschulen. * Durch einen Lawinensturz bei der am Mönchsjoch ge-' legenen Berglihütte sind 7 Personen umgekomme n. * Erzherzog Joseph Ferdinand von Oe st erreich Hat bei dem Wiener Obersthofmeisteramt die Todeserklä rung Johann Orths, des früheren Erzherzogs Johann Salvator, beantragt. * In vielen Städten Spaniens haben am gestrigen Sonn tage wiederum antiklerikale Versammlungen stattgefunden. * Aus ein Ultimatum der K r e t a s ch u tz m ü ch t e hin hat die kretische Nationalversammlung am Sonnabend nach mittag die Zulassung der Mohammedaner ohne E i d beschlossen. *W e t t e r v o r a u s s i ch t für Dienstag: Aufklärung, Wärmer, Nachlassen der Niederschläge. " Ausführliches siche nn andere: S'e: c. Anzeigenpreis: Die 6gespaliene Peiiizeüe oder deren Raum 1b Pfennig« in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schmieriger Say emfprechend teurer. Reklamen: Die ^gespaltene Petüzeile bO Pfennige. Deutsches Reich. Kultusminister vr. Beck über die zukünftige Gestaltung des Religionsunterrichtes in der sächsischen Volksschule. In der Iahreskonferenz der B e z i r k s s ch u l i n s p ek to r e n des Königreichs Sachsen in Dresden, der u. a. auch der zum Bezirksschulinspektor in Dippoldiswalde designierte Schuldirektor Kuhne-Bautzen beiwohnte, gab der Kultusminister vr. Beck sehr beachtenswerte Er klärungen über die zukünftige Gestaltung des Religions unterrichtes in den sächsischen Volksschulen ab. Die Richt linien desselben werden in folgenden Sätzen festgesetzt: „Die Staatsregierung wird nach wie vor die Schule als eine selbständige Einrichtung des Staates ansehen, an ihrem konfessionellen Charakter aber nicht s ändern. Der gegen die konfessionelle Schule mehrfach erhobene Einwand, daß sie eine feindselige Spaltung der Bevölkerung herbeisühre, ist bei rich tiger Auffassung ihres Zweckes durchaus irrig. Denn die Schul jugend soll und darf nie in einer gegenüber den Anhängern an derer Bekenntnisse feindscligen oder überhebenden Gesinnung er zogen werden. „Sorgen wir dafür, daß wir nicht nur den Namen Protestanten in der Abwehr von Angriffen gegen unser Bekennt nis tragen, sondern daß wir, alt und jung, als Evangelisch-Luthe rische treu und unentwegt zu deni Glauben unserer Kirche stehen, und diesen auch unseren Kindern zu übermitteln ent schlossen sind. Der gesetzliche Zwang der Eltern, ihre Kinder der Schule zuzuführen, schließt die besondere Verantwortung des Staates gegenüber den Ellern auch in Bezug aus den Religions unterricht ein. Die Eltern, die einem bestimmten Glauben an gehören, werden verlangen können, daß ihre Kinder in diesem erzogen werden. Der Nat, die Einführung der Jugend in das Bekenntnis der Kirche erst dem Konfirmandenunterrichte vorzu behalten, ist schon wegen der Kürze der Zeit dieses Unterrichts unausführbar, nach der Schulentlassung aber geradezu deshalb ausgeschlossen, weil sich in dieser Zeit nicht wieder aus reichende Gelegenheit hierzu bietet, vielmehr dann sehr häufig nur der zersetzende Einfluß der Feindschaft gegen die Religion und die Kirche die in der Schule ausgestreuten Samenkörner er stickt. Wenn nach Ansicht der Lehrerschaft die Person Jesu im Mittelpunkte des Religionsunterrichtes stehen und die Ge sinnung Jesu im Kinde lebendig gemacht werden soll, so kann man bei richtiger Auffassung diesem Ziele nur zustimmen. Woher erkennen wir aber die Bedeutung der Persönlichkeit Jesu und seine Gesinnung? Doch nur aus seinen uns in der Bibel überlieferten Worten, denen er die Verheißung gegeben: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht." Es ist doch dann unzulässig, nach Willkür nur einzelne seiner Worte anzunehmen, die anderen aber abzulehnen. Darum wird an dem schrift- und bekenntnismüßigen Religionsunterricht festgehalten, hierbei aber unter verständnisvoller Verbesserung der Unterrichtsmethode bei Vermeidung eines starren, toten Dog matismus wie kraftloser Verschwommenheit unsere christliche Re ligion in lebensvoller, sie vertiefender Weise unseren Kindern vermittelt werden müssen. Der bisherige Memorierstoff ist nicht nur zu umfangreich, sondern infolge der Aufnahme von Bibel versen und Liederstrophen, die für die Kindesseele sprachlich und inhaltlich zu schwierig sind, zu reformieren, wie auch die letzte außerordentliche Landessynode durchaus anerkannt hat. Der Memorierstoff muß nach pädagogisch-psychologischen Grundsätzen in Anpassung an die Kindesseele gestaltet werden. Auswahl und Umfang für die Zukunft zu bestimmen, wird den Beratungen der obersten Schulbehörde mit den Vertretern der Kirche und Schule vorbehalten bleiben. Die bisher so vielfach umstrittenen Vorschläge können aber als geeignete Grundlage nicht er achtet werden. Die König!. Staatsregierung erwartet, daß die Lehrer schaft, wie sie bisher treu ihrem konfessionellen Gelöbnis den Religionsunterricht erteilt hat, und wie sie selbst sich den Reli gionsunterricht sich nicht nehmen laßen will, so auch in Zukunft mögen sie sich auch auf die Zwickauer Thesen infolge ihrer viel seitigen Auslegungsfähigkeit vereinigt haben, durchaus noch auf jenem Boden. Zur Beratung des künftige» Gesetzentwurfes wird ein S a ch v e r st ä n d i g e n - B e i r a t eingesetzt werden, in dem alle an der Schulreform beteiligten Stellen, Staatsregierung, Kirche, Schule und zwar in Vertretern von Direktoren und Leh rern sowie Elternhaus ihre Ansichten zur Geltung bringen können." Der Minister wies in seiner Rede, wie noch erwähnt sei, darauf hin, daß in den ihm vorliegenden Berichten „sehr bedenkliche Schatten" in Bezug aus die Anschauungen über die künftige Gestaltung des Religionsunterrichtes hervor treten. Aus vielen walle er nur folgende Vorkommnisse hervorheben: Nach einem die Heilstatsachen der christlichen Religion leugnenden Vortrag eines bekannten Red ners ist der Dank für die k r ä f t i g e Unterstützung des Lehrervereins ausgesprochen worden. Ein anderer Redner, dessen „Zusicherung der Waffenbrüderschaft" vock einem sächsischen Schulblatt „dankbar und mit Freude" I entgegengenommen worden ist, hat in einem späteren Por trage die schwersten Angriffe gegen die Reli -