Volltext Seite (XML)
MqeEMg. m- Tageblatt ^126. 1877.' Jnsnale wtrdm bi» Bormitlag» 1l Uhr für nächste Nummer angenommen und die gespaltene Zeile oder deren Raum mit li Pf. berechnet. Erscheint jeden Wochentag «»end« ö Uhr für dm andern Tag. Preiß vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., >weimonatlich 1 M. 50 Pf. u. einmonatl. 75 Pk. 2». Jahrgang. Dienstag, dm 5. Juni. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freibergsdorf. Der Äozialisten-Äongreß in Gotha. Ter Sozialisten-Kongreß, welcher vom 27. bis 29. Mai in Gotha getagt hat, eröffnet einen Einblick in die Kräfte, Mittel und Richtungen der deutschen Sozialdemokratie. Es waren bei der Eröffnung 88 Delegirte anwesend, welche 170 Orte, resp. 30,335 Stimmen vertraten. Dies ist jedoch nicht die Gesammtzahl der VereinSmitglteder. Das WachS- thum der Partei ist aus den letzten Reichstagswahlen zur Genüge bewiesen, aber auch die materiellen Leistungen der selben für ihre Zwecke sind höchst beachtenswerth. Abgesehen von den regelmäßigen Beiträgen, welche sich in der Zeit von Mitte August v. I. bis Ende April d. I. zusammen mit den Einnahmen des Agitations- und des UnterstützungS- fonds auf nahe an 10,OM M. belaufen, sind für den Wahl fond nicht weniger als 28,327 M. 55 Pf. vereinnahmt worden, worunter das von den lokalen Wahlkomitos Ge leistete nicht mit verrechnet ist. Die Leistungen und Ver handlungen des Sozialisten-Kongresses können allen nicht sozialistischen Vereinen als ein Mahn- und Weckruf zu größerer Thätigkeit und Aufopferung dienen. Die Haupt ursache der sozial-demokratischen Siege liegt in der systematisch betriebenen, seit Jahren unterhaltenen Agitation und größeren Rührigkeit, womit die sozialistische Partei alle modernen Hilfsmittel der Versammlungs-, Vereins- und Preßfreiheit benutzt, um die Massen für sich zu gewinnen, und in der vor einigen Jahren vollzogenen Vereinigung der sich früher heftig bekämpfenden Richtungen. Insbesondere wird die Presst als das Hauptmittel zur Gewinnung von Anhängern, benutzt. Man hat diesmal in Gotha u. A. beschlossen, „eine wissenschaftliche Revue in geeignetem Format vom 1. Oktober ab monatlich zweimal in Berlin herauszugeben und bis zu genanntem Termine dem „Vorwärts" alle 14 Tage eine wissenschaftliche Beilage beizugeben, damit diese Seite der Bewegung genügend berücksichtigt werde." Ferner scheint man der von dem Verein für das Wohl der arbei tenden Klaffen ins Leben gerufenen „Sozial-Korrespondenz" eine „Sozialdemokratische Korrespondenz" entgegenstellen zu wollen, indem beschlossen wurde, „daß zur bessern Organi sation der Parteipresse eine sozialdemokratische Korrespon denz geschaffen werden soll, welche insbesondere Berichte über die Reichstagsverhandlungen, sowie über die soziale Bewegung des In- und Auslandes für unsere Lokalpresse bringt. Die Kosten können durch von den Lokalblättern zu erhebende Abonnementsgebühren und eventuell durch einen Zuschuß der Partei aufgebracht werden." — Ferner wurde oer Antrag Liebknecht's angenommen, „den Berkaus von Photographien lebender Sozialisten zu verbieten oder doch möglichst zu beschränken." Liebknecht erklärte, daß von allem Kultus der Personenkultus der gefährlichste und ver werflichste sei und bezeichnete den mit sozialistischen Reichs- tagsabgeordneten getriebenen Kultus geradezu als einen Unfug. Sehr lebhafte Angriffe richtete» sich gegen die Haltung und Schreibweise des „Vorwärts" und gegen die Aufnahme der Engels'schen Polemik gegen Dühring. Dabei wurden einige Einwendungen, welche darin gipfelten, es mangele dem „Vorwärts" an agitatorischen Artikeln im Genre des früheren „Sozialdemokrat" mit der Bemerkung zurückgc- wtesen: e- handele sich nicht darum, nur aufzuregen, sondern «S gälte aufzuklären und dies geschehe besser durch die jetzt geübte Taktik. Bei der Abstimmung über den Antrag: „Der „Vorwärts" solle mehr populär geschriebene Artikel bringen nach Art des „Neuen Sozial-Demokrat" wurde der Vordersatz angenommen, der Nachsatz gestrichen. — Ferner wurde beschlossen, die Artikel Engels gegen Dühring aus dem „Vorwärts" zu entfernen und in die „Revue" zu ver weisen oder in Form einer Broschüre herauszugcbcn Bei den Verhandlungen über die Presse kam es zu einer heftigen AuSeinandersetzun; zwischen Liebknecht und Hasselmann wegen der Haltung des „Vorwärts" resp. der von Hasselmann redigirten „Rothen Fahne!" Ersterer warf dem Letzteren u. A. vor, daß er Spaltungen in der Partei hervorgerusen habe. Nicht weniger bemerkenswerth waren die Interpellationen über die Haltung der Reichstagsabge- ordneten und über ihre Abstimmung bei einzelnen Fragen. Aus allen bisher bekannt gewordenen Verhandlungen und Beschlüssen geht hervor, daß sich innerhalb der sozial demokratischen Partei selbst schon sehr viel Zündstoff auf gehäuft hat, und daß es den Führern immer schwerer vird, bei dem Eintreten in praktische politische Fragen die Eintracht der Partei aufrecht zu erhalten. Indessen kann die bis jetzt noch vorhandene Disciplin und Opferwilligkeit anderen nicht sozialistischen Parteien immerhin als Muster dienen. Soo. Lorr. Vom Kriegsschauplätze. Unter dem Donner der Kanonen beginnen wir heute die äußerst spärlichen Mittheilungen von beiden Kriegs schauplätzen zusammen zu tragen- Wie so unter dem Donner der Kanonen? Sehr einfach deshalb, weil dle hiesige Artillerie am Schloßplatz kanonirt, daß die Fenster er dröhnen, wodurch wir so recht an das Gewirr auf dem Kriegsiheater gemahnt werden. Die Kanonade hier ist natürlich nur blind und rein instruktiver Natur. Dort — in Aste« und an der Dona« — geht's schärfer dabei her. Indessen könnten wir heute füglich unsere ganzen Mit- theilungen in das vom deutsch-französischen Kriege her be kannte Telegramm fassen: „Nichts Neues vor Paris!" Die Türken geben jetzt selbst zu, daß sie wegen der Zurück eroberung Ardahans gelogen haben, denn diese Festung ist nicht in ihrem Besitz! Ueber die Erstürmung Ar dahans durch die Russen liegt jetzt folgender ausführlicher Bericht vor: Die russischen Truppen näherten sich Ardahan von zwei Seiten. Das Achalzik'iche Korps zog von der nordöstlichen Seite, und die Hauptkräfte des aktiven Korps von der nordwestlichen Seite heran. Am 13. Mai nahm General-Adjutant LoriS-Melikoff eine Recognoszirung der Befestigungen vor. Der 14. und 15. Mai wurden zur Vorbereitung de» Sturmes und zur HertranSporttrung von Belagerungsgeschütz, das über Achalkalaki und Oltschen kam, verwendet. In der Nacht vom 15. auf den 16. Mai placirte Ingenieur-Oberst Bulmering die russischen Batterien auf vom Feinde beschießbaren und von den türkischen Forts leicht erreichbaren, Höhen. Eine zweite Batterie wurde auf den neben dem Dorfe Buadossan aussteigenden Höhen gegenüber Gelawerdy auf derselben Stelle errichtet, wo der KorpS-Kommandirende eine Rekognoszirung vorgenommen hatte und von den feindlichen Granaten auf's Korn ge nommen worden war. Diese Batterie hatte die Bestimmung, Gelawerdy und die demselben benachbarten Befestigungen zu beureichen, wiewohl dieselben sämmtlich höher, als die Batterie selbst, gelegen waren. Am 16 Mai war bei Tagesanbruch der größte Theil der russischen Batterien zur Eröffnung des Feuers bereit. Um jedoch die Aufmerksam keit des Feindes von den noch nicht ganz aufgestellten Batterien abzulenken, wurde General Dewel beauftragt, mit seinem Achalzik'schen KorpS den Feind von der Nord seite zu engagiren. General Dewel näherte sich demnach mit seinen Truppen den Befestigungen und eröffnete die Kanonade mit der Kuban'schen berittenen Batterie. Man antwortete ihm von Gelawerdy mit einer unaufhörlichen Reihe von Geschossen, der Artilleriekampf zog sich an dieser nördlichen Seite recht lange hin, ohne übrigens ein Resul tat zu bringen. Gegen 7 Uhr Morgens inspizirte der Korps-Ko.nman- dirende die Alages'schen Batterien, veränderte theilweise deren Lage und ließ einige Stücke derselben um einige hundert Faden vorwärts rücken. Schlag 8 Uhr wurde die Signal-Rakete abgelassen und sämmtliche südöstlich von Ardahan gelegenen und die Festung sammt den Vorwerken umspannenden Batterien eröffneten gleichzeitig das Feuer. Die Salven erfolgten von jeder Batterie der Reihe nach mit zwei Minuten Pause zwischen den Schüssen. Besonders stark waren die Salven der russischen neuen Zwei-Pud- Mörfer, die das Ziel in einer Entfernung von mehr al» sechs Werst trafen. Die Türken antworteten aus den Forts Sliger, KaS-Tapassi und Gelawerdy; auch da- Fort Ramazan sandte einigt Granaten, wiewohl die russischen Batterien denselben gar nicht zugänglich waren. Die ersten türkischen Geschosse fielen eine Werst wett von den russischen Batterien, während die letzter» bereits Breschen in die Mauern der Festung Ardahan schlugen. Die türkischen Granaten näherten sich in der Folge immer mehr. Die Kanonade wurde beiderseits scharf und mit steigender Lebhaftigkeit geführt. Um 11 Uhr Vormittags postirte sich der von seinem Stab begleitete russische Kriegs-Kommandirende bet der Hauptbatterie auf der Höht von Burdaffan, wo es Granaten hagelte, welche zwischen die Geschützt und Munitionskarren fielen. Hier blieb der Stab hinter dem Hügel bi- zum Sturmbeginn. Man muß der türkischen Artillerie die Gerechtigkeit angedeihen lassen, daß sie sehr sicher schießt; ihre Geschosse sind jedoch so schlecht, daß nur die wenigsten explodtrten. Inzwischen attalirte die Achalzik'sche Abtheilung die das türkische Lager im Nordosten von Gelawerdy schützenden Redouten. Die größtenteils jungen russischen Truppen stürmten mit anerkennenswerther Bravour. Während das von seinem tapfern Kommandeur Fürst Amiradthibi geführte Elisabetpol'sche Regiment eine befestigte Position nach der andern stürmte, bestrichen von der Süd seite die russisäen Batterien das Fort Gelawerdy. Gegen 1 Uhr Mittags brachte eine Ordonnanz des Generals Dewel die Aufforderung, seine Attaque durch einen Sturm von der Südseite zu unterstützen. General Heimann bestieg sein Pferd und führte das Eriwan'sche und Baku-Regiment in den Sturm. Die Truppen mußten unter dem Feuer der feindlichen Batterien 2j Werst vorrücken; jeden Augen blick erwarteten die Russen anstatt der bisherigen Granaten Kartätschenfeuer. Die Truppen zerstreuten sich und rückten in kleinen Abtheilungen vor. Nur eine vom General Hei mann persönlich angeführte Gruppe rückte langsam und in Kolonnen sammt der Standarte vor, die Türken provoztrend. Als die Stürmenden den Fuß der Gelawerdy'scheu Höhen erreichten, stellten die dortigen türkischen Batterien da- Feuer gegen die russischen Batterien ein, welche nun auch ihrerseits schwiegen, um nicht die eigenen Truppen zu treffen. Jeden Augenblick erwartete man, daß die Türken die vorrückenden Russen mit Kartätschen empfangen werden; dies geschah nicht. Das Elisabetpoler Regiment war bereits in die Be festigungen gedrungen, als das Eriwan'sche und daS Baku- Regiment heranrückten. Der Feind floh und ließ seine Geschütze und Munitions-Karren zurück, ohne selbst erstere vernagelt zu haben. Bis zum letzten Augenblicke hielten nur die türkischen Artilleristen aus, von denen kein einziger Pardon nahm und die sämmtlich erst mit ihrem Leben die Vertheidtgung der Geschütze aufgaben. Bald darauf langte General Melikoff sammt seinem Stabe in der Befestigung an, selbstverständlich von den Truppen mit unbeschreiblichem Enthusiasmus empfangen. Vom europäische« Kriegsschauplatz« erfährt das „Neue Wiener Tgbl.": Fürst Milan von Serbien werde sich nicht nach Rumänien zur Begrüßung des Czaren begeben, sondern sich durch Martnovics vertreten lassen. — DaS serbische PionierkorpS ist zum Marsche nach der türkischen Grenze bereit. — Die Türken haben eine große Anzahl Truppen nach Travink gesandt. — Gerüchtweise verlautet von einem bedeutenderen Treffen mit den Insurgenten bei Livno. — Turnseverin. Der österreichische Monitor „Leitha" ist bei Orsowa etngetroffen- Tagesschau. Freiberg, den 4. Juni. Bereits im Laufe der vergangenen Woche tauchten Ge rüchte über Friedensverhandlungen auf, die wir deshalb nicht erwähnten, weil sie jedenfalls nur einem ungläubigen Lächeln begegnet sein würden. Jedoch ist es heute klar, daß jenen Gerüchten ein Körnchen Wahrheit zu Grunde lag. Die Lösung des Näthsels findet sich in folgender Wiener Depesche: „Der amtlichen „Wiener Abendpost" wird aus Petersburg gemeldet, Fürst Gortschakoff habe mit den augenblicklich in Petersburg auf Urlaub befindlichen Bot schaftern Graf Schuwaloff, v. Nowikoff und v. Ouoril über