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von der improvisatorischen Einleitung wie von dem von der Solovioline angestimmten Hauptteil, der melancholisch-nachdenkliche Züge hat. Um so fröhlicher, um so lebensvoller ist das Finale in Rondoform. Das Thema ist die Abwandlung eines armenischen Liedes („Ai-wart“ - „An die Rose“), rhythmisch packend und virtuos ausgespielt, das im Verlauf des Satzes mit dem lyrischen Thema des ersten Satzes kontrapunktiert wird. Im Ganzen vereinigt das Konzert in glücklicher Weise klassische Form, nationales Geprägtsein und virtuoses Blitzen und Funkeln. So kommt bei ihm der Hörer dreifach auf seine Rechnung. * Nikolai Jakowlewitsch Mjaskowski wurde am 20. April 1881 in der Festung Nowo-Georgi- jewsk bei Warschau als Sohn eines Ingenieuroffiziers geboren. Er starb am 8. August 1950 in Moskau. Zunächst schlug er die Laufbahn eines Offiziers ein; erst 1906 bis 1911 studierte er am Petersburger Konservatorium Musik. Seine Lehrer waren, nachdem er vorher schon bei Glier und I. I. Kryschanowski (1867-1924) in die Schule gegangen war, Ljadow und Rimski-Korsakow. Noch als Student schrieb er seine 1. Sinfonie (1908), aber auch Streichquartette, Sonaten für Klavier und Violoncello; außerdem zeugten Romanzen für eine ungewöhnliche Begabung. Den ersten Weltkrieg machte Mjaskowski als Pionieroffizier mit. In die Heimat zurückgekehrt, wurde er 1921 als Kompositionslehrer an das Moskauer Konservatorium berufen. Seine Schüler waren Chatschaturjan, Schebalin, Kabalewski, Muradeli, Budaschkin, Galynin, Golubjew, Mokroüssow, Pejko, Starokadomski, Stepa now und Tulebajew. Er war außerdem im Volksbildungskommissariat, im Staatsverlag für Musik, in der künstlerischen Sektion des Staatlichen Gelehrtenrates, im Verband Sowje tischer Komponisten und im Redaktionskollegium der Zeitschrift „Sowjetskaja Musyka“ tätig. Seine Verdienste um das Musikleben in der Sowjetunion wurden in reichem Maße von der Regierung anerkannt. So wurden ihm mehrfach (auch postum) der Stalinpreis, der Titel eines Volkskünstlers der Sowjetunion und der (sehr seltene) akademische Grad eines Doktors der Kunstwissenschaften verliehen. Wenn Mjaskowski als junger Musiker mit seiner Abhandlung „Tschaikowski und Beet hoven“ sich zu dem „Klassiker“ Tschaikowski bekannte, so gab er damit die Richtung seines Schaffens an, die er konsequent bis zu seinem Tode verfolgte. Kabalewski, der mehr fach als feinsinniger Beurteiler hervorgetreten ist, sagt ihm nach, daß er „ein lebendiges Band von der klassischen Epoche russischer Musik bis zu unseren Tagen wob“. Diese Hinneigung zur Tradition tritt in den späteren Werken deutlicher zutage als in den frühen. Zu der Lebensfreude der russischen Klassik stehen die Werke seiner ersten Schaffens periode, die Mjaskowski selbst als „von tiefem Pessimismus geprägt“ bezeichnet, in Wider spruch. Das Erlebnis des ersten Weltkrieges veranlaßte ihn, Inhalt und Form seiner Musik mit dem Werden des Neuen in der jungen Sowjetunion in Einklang zu bringen. Die erste Schöpfung auf diesem Weg war die fünfte Sinfonie, die sehr stark vom Ton des Volks liedes beeinflußt ist und den Gefühlen Ausdruck gibt, die die sowjetischen Menschen damals beseelten: es war ihm zur Selbstverständlichkeit geworden, daß der Künstler „der Außenwelt nicht zu entrinnen“ vermag. In seinen vielen oben genannten Funktionen, vor allem als Lehrer der jungen Generation, wurde Mjaskowski das „musikalische Gewissen Moskaus“. Seine Kompositionen wurden immer mehr von der Volksmusik inspiriert und immer stärker wirklichkeitsbezogen, so seine 12. Sinfonie, die, geschrieben zum 15. Jahres tag der Oktoberrevolution, die Umwandlung des Dorfes in eine sozialistische Kollektiv wirtschaft widerzuspiegeln versucht, die unter Eugen Szenkar in Moskau 1936 uraufgeführte 16., die den Heroismus des ersten Nonstop-Polarfluges und den „fröhlichen Geist der sowjetischen Jugend“ zum Inhalt hat, die 18., die zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution geschrieben ist. Ihre stilistische Haltung ist die eines gemäßigten Modernismus, tonal gefestigt und daher harmonisch ohne Überraschungen, aber immer gewählt, fesselnd durch das Nebeneinander von tiefem Gefühlsausdruck und dramatischer Kraft, in jedem Takt die Hand des großen Könners verratend. Mit Recht hat man Mjaskowski daher neben Glasunow als den bedeutendsten Sinfoniker der älteren sowjetischen Komponistengenera tion bezeichnet. Auf den „Beschluß“ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, der die Kompo nisten zu größerer Volkstümlichkeit anhielt, antwortete er mit einigen wahrhaft meister lichen Werken, dem 13. Streichquartett, der 2. Violoncellosonate und vor allem mit seiner 27. Sinfonie, die zugleich Höhepunkt und Schlußpunkt seines Schaffens ist. Er knüpft darin an Tschaikowski an. Aber in einer glücklicheren Zeit als dieser lebend, gibt er seinem Lebenslied eine andere letzte Strophe. Im ersten Satz stellt er der wirkungsvoll drängenden Dramatik des ersten Themas (das vom Fagott in der Introduktion voraus genommen wird) die edle, vom Englischhorn und den Streichern getragene Lyrik, die in volksliedhaften Strömen dahinfließt, entgegen. Im zweiten Satz verkündet er mit einer fast brucknerisch feierlichen Bläsereinleitung eine hymnische Botschaft und singt in einer weitgeschwungenen Melodie von der Überwindung des Leids durch die Kraft des mensch lichen Willens zum Leben. Dann entwickelt sich aus der stürmischen Einleitung des dritten Satzes ein hinreißendes Marschfinale, das kühn in die Zukunft hineinstürmt. In der Intonation erinnert das Thema beziehungsvoll an das russische Volkslied „Ruhm“. So hat Kabalewski, den ich noch einmal zitieren möchte, recht, wenn er diese Sinfonie das „Vermächtnis eines großen sowjetischen Künstlers“ nennt, der den sowjetischen Komponisten zuruft: „Gehet kühn voran, fürchtet keine Schwierigkeiten, kämpfet mutig, und so werdet ihr die großen, euch voranleuchtenden Ziele erreichen!“ Und es hat seine besondere Bedeutung, daß gerade diese Sinfonie bei den Dresdner Sozialistischen Musik tagen zum 45. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erklingt. Karl Laux Literaturhinweise Karl Schönewolf: Konzertbuch (II), Berlin 1961 Karl Laux: Die Musik in Rußland und in der Sowjetunion, Berlin 1958 Karl Laux: Aram Chatschaturjan in Aus dem Leben und Schaffen großer Musiker, Lcscheftc für die 7. bis 12. Klasse, Berlin 1962 Karl Laux: Nikolai Mjaskowski in Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band 9, Kassel 1961 Roman I. Gruber: Händel und die russische Musik im Händel-Jahrbuch 1951, Leipzig 1951 Mitteilungen Im 4. Philharmonischen Konzert am 23., 24. und 25. November 1962 umfaßt das Programm folgende Werke: Kodäly: Tänze aus Galanta, Bartök: 2. Klavierkonzert (Solist: Gabor Gabos, Budapest), Hindemith: Sinfonie „Mathis der Maler“. „La Mer“ von Debussy gelangt in einem späteren Konzert zur Aufführung. Die Dresdner Philharmonie gastiert am 1. Dezember 1962 für das Medizinische Institut Karl-Marx-Stadt und wird u. a. die 10. Sinfonie von Schostakowitsch und Patria o muertc von Heinz Bongartz aufführen. Im 4. Zyklus-Konzert am 8. und 9. Dezember 1962 wie auch im 2. Sonderkonzert für Betriebe am 7. Dezember 1962 wird für den erkrankten Dirigenten Natan Rachlin der sowjetische Dirigent Ogan Durjan die Ouvertüre „Freundschaft der Völker“ von Glier und die 2. Sinfonie von Borodin aufführen. Der sowjetische Pianist Anton Ginsburg spielt als Erstaufführung das Klavierkonzert von Taktakischwili. Die Dresdner Philharmonie wurde zur Aufnahme der 7. Sinfonie von Antonin Dvorak im Dezember 1962 vom VEB Deutsche Schallplatten verpflichtet. Auf Grund des großen Erfolges, den Prof. Heinz Bongartz mit dem Gewandhausorchester in Bukarest und Budapest hatte, wurde er von den dortigen Staatsthcatern zu Gastspielen eingcladen. Er wird im März 1963 in Bukarest „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner und die Oper „Der Roscnkavalier“ von Richard Strauss in der Staatsoper dirigieren. In den Maifcstspielcn wird Prof. Bongartz in Budapest „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner leiten. Julian von Karolyi, der kürzlich mit großem Erfolg bei der Dresdner Philharmonie gastierte, wird von Januar bis Mai 1963 Japan, Indien und Korea bereisen. Der Künstler wird in diesen Ländern vor allem Klavierwerkc Beethovens interpretieren. Am 6. Oktober jährte sich der Geburtstag des bedeutenden polnischen Komponisten Karol Szymanowski zum 80. Mal. Das polnische Kulturministerium erklärte das Jahr 1962 zum Gedenkjahr für den 1937 verstorbenen Komponisten. In einem Zyklus-Konzert der Philharmonie wird die Sinfonie concertante von Szymanowski zur Aufführung kommen. 3. Zykluskonzert 1962/63 6215 Ra III-9-5 1162 1,45 VEB Landesdruckcrci Sachsen, Dresden A It-G 009/49/62