Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020213029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902021302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902021302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-13
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs.Preis In der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich./L 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt seiner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Redaction und Expedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. Filialrrprditione«: Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr. 3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Künigspl. 7. Haupt-Filiale in Berlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Abend-Ausgabe. MipMer TlMblaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./i 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 8V. Donnerstag den 13. Februar 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Bon Ben Viljoen s Commando. Ein junger Holländer, der zu Beginn des Krieges der Waffengefährte der Helden vom Spionskop, Jack Hindvn, Llechtkamp und Te Roos, gewesen und noch im Sep tember des vorigen Jahres unter dem Befehle Ben Vil- joen's gestanden hat, ist, nachdem er längere Zeit in Gefangenschaft zugebracht hatte, in seine Hcimath zu rückgekehrt und erzählt über das Leben und den Geist der noch im Felde stehenden Boeren u. A. Folgendes: Am 30. August 1001 hatte Geueral Ben Viljoen seine Leute zu sich entboten, um sic zu frage«, was sie wollten: weiterfechten oder sich übergeben ? Sein Commando be fand sich damals in einem keineswegs bencidenswcrthen Zustande, da sein Lager kurze Zeit vorher eine Beute der Engländer geworden war: obendrein war Kitchcncr's Proklamation vom 13. August allgemein bekannt. Aber wie aus einem Munde erscholl es: W c i t c r f c ch t e n, bis wir wieder frei sind! Dieser Vorgang zeigt deutlich, welcher Geist des Ttark- muths und der Heldenhaftigkeit unter den einzelnen Cvm- mandos herrscht. Von Entmuthigung nirgends die Spur und in den einzelnen Cvmmandvs kaum Einer mehr, der sich für die Ucbcrgabe erklären wollte, so lange nicht die Unabhängigkeit anerkannt ist. Die Spreu ist bis ins letzte Quentchen daraus entfernt. Fester denn je sind Alle entschlossen, auszuharrcn bis zum — glücklichen Ende. An die Intervention einer fremden Macht denken die Boeren schon lange nicht mehr, und sic wissen es nur zu gut, daß sie ihre gerechte Sache selbst und allein aus fechten müssen, fühlen aber auch in sich die hehre Kraft dazu und sind fest dazu entschlossen. So heiß sie auch, schon um Weib und Kindes willen, den Frieden ersehnen, fragen sic doch nicht, wie lange wird der Krieg wohl noch dauern? „Wenn wir auch noch fünfzehn Jahre kämpfen müssen, wir sind bereit", so lautet die allgemeine ermunternde Parole. Mundvorräthe, namentlich Mais und Korn, sind im Ueberfluß vorhanden; die diesjährige Ernte ist aber auch außerordentlich reich und gut gerathcn. Ucbcrall haben die Commandos ein Stückchen Land, das zu finden und zu verwüste» für die Engländer ein Ding der Unmöglichkeit ist, mit Mais und Kafferkorn bebaut, die regelmäßig geerntet werden. An Gewehren und Munition ist kein Mangel; in der Ucbcrzahl werden Lcc-Mctfords geführt. Kanonen werden oft nnd oft von -en Engländern erbeutet und fast jeder Boer hat während des Krieges gelernt, die Stücke zu bedienen. Die Blockhäuser haben absolut nicht die hindernde nnd lähmende Wirkung, die ihnen die Engländer zu schreiben. Ihre Wände und Zinkblcchdächer werden von den Kugeln überdies durchschlagen. Die eigenen Klei der und Schuhe freilich sind sehr zerschlissen; aber die englischen Convois liefern dafür stets rechtzeitig Ersatz; viele Leute tragen auch Kleider aus Fellen, da sic die Khakiuniform wegen der in der Regel darin befindlichen niedlichen Thierchen und sonstiger unappetitlicher eng lischer Specialitäten nicht tragen wollen. Im Ucbrigen tragen die Boeren alles Elend und alle Entbehrungen mit bewundernswertster Ge lassenheit. Sehr ärgerlich sind sie nur darüber, daß sie des Tabaks cntrathcn müssen; wird solcher einmal erbeutet, dann herrschen eitel Jubel und Wonne im Lager. Früher hat auch Dieser und Jener, meist natürlich die Ans- Feuilleton. Ni Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Try siebt. Nachdruck verboten. „Kind, Kind, siehst Du denn nicht, daß ich Todes qualen erdulde? Du weißt ja noch nicht Alles, sonst würdest Du Dich nicht so ruhig fügen! .... Ich — wie soll ich es Dir nur sagen — meine Schuld erscheint jetzt riesengroß, wäre aber in dieser Stunde Dein Vcrlöbniß gefeiert worden, so könnte man mir meine Kühnheit höchstens als Verdienst anrechncn! Ich habe doch nicht in Betracht gezogen, -aß man Dich, meine schöne, stolze, vielbcgehrte Tochter, zurückweisen könne! Diese Wen dung ist ja so ungeheuerlich " „Ja, Papa! Aber was ist noch geschehen, das Dich so grenzenlos aufrcgt?" Sie fragte es mit trockenen Lippen, denn die Ahnung drängte sich ihr unabweisbar auf, daß noch Schwereres ihr bcvorstehe, als sic heute schon erfahren mußte. Julius rang in nervösem, krampfhaftem Spiel die Hände in einander. „Als die Nachricht von dem Ableben Malchow s bei uns eintraf, war ich ohne alle Geld mittel", brachte er, bald stockend, bald hastig die Worte überstürzend, hervor, „Du weißt ja, Kind, daß wir «ns stets in Calamität befanden, daß man mein Talent nirgends würdigte und mich zum Nichtsthun verdammte, wo ich so Tüchtiges, ja Bedeutendes hätte leisten können." Er war jetzt im Zuge, und wenn er sich erst warm geredet hatte, so pflegte er selbst davon überzeugt zu sein, daß er sich geopfert habe. Ganz umsonst freilich, denn stets war er — nach seinem Dafürhalten — ein Spiclball böser, widriger Zufälle! Ernstlich zu ermessen, daß allein seine Trägheit, sein Leichtsinn und das Verlangen nach allen möglichen kostspieligen Genüssen ihm zum Verderben wurden, zu dieser Einsicht gelangte er nur, wenn die Hand des Schicksals sehr schwer auf ihn lastete. Dann marterte er sich mit Sclbstvorwürfen. Anderen gegenüber sein Un recht cinzugcstehcn, hatte er bisher noch nicht gelernt. „Ich besaß kaum noch einige Mark Taschengeld", fuhr er, das Gesagte durch dramatische Bewegungen unter stützend, fort, „und doch drang die ganze Wucht der Ver antwortung, die auf mir lag, auf mich ein! Es galt, länder, manchmal ein recht eigen Gesicht geschnitten, wenn das Maismus und halbvcrbranntes Fleisch zu ver zehren war, die man sich, da Kaffcrn bei den einzelnen Commandos kaum mehr anzulresfcu sind, selbst zubereiteu mutz; aber später betrachtete man sie allgemein als Deli katesse, von der man dick und stark wird. Geradezu gräß lich empfunden wird der Mangel an Salz, von dem eine kleine Hand voll wie die reichste Weihnachtsbeschcerung begrüßt würde. Regen, Hitze und Kälte haben keinen Einfluß mehr auf den Körper, ja, er ist durch sie so abgehärtet, daß es trotz aller Noth und Entbehrung nur sehr selten einen Kranken bei den Commandos giebt. (Schluß folgt.) * London, 12. Februar. Nach einer heute veröffent lichten Verlustliste wurden am 8. d. M. bei Van- tondershoek 5 Manu getödtct, 6 schwer und 3 leicht ver letzt. politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Februar. Endlich hat gestern der Reichstag die zweite Lesung des Etats des R c i ch s j u st i z a m t e s erledigt; über die zu diesem Etat vom Abg. Grober beantragte Reso lution bezüglich der Bestrafung des Duells wird erst bei der -ritten Bcrathung abgcstimmt werden, und da dann erst — sofern die Annahme erfolgt — die verbündeten Oie gierungen Stellung zu der Anregung nehmen werden, so kann bei dem bekannten Tempo derartiger Bcrathungen im besten Falle noch ein Jahr oder mehr vergehen, bevor man erfährt, ob die langen Reden, die über die Reso lution im Hause gehalten worden sind, einen Erfolg ge habt haben. Und doch waren diese Reden so ziemlich die wichtigsten von allen, die während der Speeialberathung des Etats des Rcichsjustizamtes gehalten wurden. Weniger wichtig, aber herzerfreuender waren einige andere Reden, die den Beweis zu liefern scheinen, daß das hohe Haus sich auf alte Gepflogenheiten besinntund zu ihnen zn- rückzukehren gedenkt, um alle seine Mitglieder zu dem früheren Fleche zuriickzuführcn. Auf die Bewilligung von Auwcsenhcitsgcldcrn hofft mau augenscheinlich nicht mehr und will daher die Sache bei einem anderen Zipfel anfassen. Vielleicht haben die vielen Ucbcrbrcttl Veran lassung dazu gegeben, daß man an die Zeiten dachte, in denen nicht nur ein „N e i ch s - T ch l n st m a ch c r" den Dauerrednern den Faden abschnitt, sondern auch ein „Reich s-Stustma chcr" sür die Erheiterung seiner lieben College« sorgte. Es mar eine schöne Zeit! Ein Rcichs-Schlußmachcr ist jetzt überflüssig, denn bei leeren Bänken kann er seines Amtes nicht walten. Aber eine um so dankbarere und jedenfalls erfolgreichere Aufgabe würde ein Neichs-Stußmachcr haben. Wie würden sie aus der Heimakh hcrbeicilen, die durch langweiligen Ernst aus dem Sitzungssaalc fortgctricbenen „Schwänzer", wenn ihnen die Aussicht winkte, in jeder Sitzung über die Bäuche oder die Westen oder andere Kleidungsstücke der verehrten Collegen die reizendsten Witze zu vernehmen! Und an Material zu einer selbst die Bcrathungen über den Etat des Reichsamtes des Innern versüßenden Zahl von Stutzmachern fehlt es Gott sei Dank in diese m Reichs tage nicht, das hat der gestrige Tag erwiesen. Und sehen dann diese Herren den Erfolg ihrer auch in sanitärer Hin Dir und der Mama einige elegante Toiletten zu schaffen, die Steife- und Hotelkosten zu erschwingen und all' die un erläßlichen Dinge ins Werk zu setzen, die einen gar zu pauvcren Eindruck verhindern! Ich grübelte und zerbrach mir den Kopf, ohne einen rettenden Ausweg zu finden. Meine Stirn schmerzte vom vielen Nachdenken, als sei sie von einem glühenden Reifen umspannt, all' mein Sinnen war vergeblich, und doch mußte, mußte um jeden Preis Rath geschafft werden! Die Erbschaft war nns ja sicher, da mußten ein paar Goldrollen doch wohl aufzu treiben sein, so dachte ich mir, aber meine Rechnung er wies sich als vollständig falsch! . . . Ich lief von Pontius zu Pilatus, ohne mehr als ein Achselzucken zu erreichen — cs war an dem Tage, wo die Tchlittcupartic stattfand, und ich wollte Dir doch so gern, wenn Du yeimkamst, ein freundliches Gesicht zeigen, Dir sollten doch diese Sorgen verborgen bleiben —" „Armer, lieber Papa! Das Alles hättest Du nur Eck hofs sagen sollen, vielleicht wäre ihm doch dann eine Ahnung gekommen, daß es meine Pflicht war, mein Herz zu verleugnen und mit dem allmächtigen Gelbe zu rechnen!" So täuschten diese Beiden einander, und sic kamen gut damit aus. > Stephanie hatte zuerst nur immer au sich selbst gedacht, was ihr an Genüssen bevorstand, wurde vor Allem in Betracht gezogen. Daß sie dann großmüthig auch der Ihrigen nicht vergaß, änderte daran nichts. Ebenso erging cs Julius. Auch bei ihm stand das liebe Ich weit im Vorder gründe. Bisher war er immer gut dabei gefahren. Es war das allererste Mal, daß sich ein ernstlich drohendes Ungemach über seinem Haupte zusammenzog. Aber er duckte sich und wandt sich wie ein Fuchs, und während er Selbstanklagc und Entschuldigungen gleich geschickt hervorbrachtc, forschten seine schlauen Augen heimlich nach dem Eindruck, den das Gesagte hcrvorrief! . . . Vielleicht entschlüpfte er der Nemesis doch noch ein mal ... er hoffte so gern ... „Du mußt Eckhoff unser verstecktes Elend vor Augen führen, mein Herzenskind, Du bist dazu berufen! Sage ihm Alles, wie es ist, und er müßte ja statt des Herzens einen Stein besitzen, wenn er unzugänglich bliebe! . . . Ich bin mit meinem Lcidcnsbcricht aber noch nicht am Ende! Höre nur weiter zu: Als ich damals von meiner rcsultatlosen Expedition hcimkchrtc, begegnete mir dicht vor unserem Hause der Wcchselbotc, um mir einen Wechsel sicht ersprießlichen Mühen, so kann auch ein Reichs-Schluß- inachcr wieder in die Erscheinung treten und dafür sorgen, -aß die Debatten stets in dem Augenblicke unterbrochen werden, in dem die Reichs-Stußmacher müde und die Vor stellungen langweilig zu werden beginnen. Die Reichscasse braucht dann nicht durch Diäten belastet zu werden. Die schlechten Witze über die grotze Mehrzahl der Volksver treter werden verstummen, nicht nur, weil es an Stoff fehlt, sonder» auch, weil das Haus von Gelächter über gute Witze dröhnt — kurz cs wird ein Leben werden, um daS die Unternehmer der Ueberbrettl den deutschen Reichstag beneiden können. Daß die diesjährige Generalversammlung des Bundes der Landwirthe wirklich ein „nichts bedeutender Zwischen fall" war, gebt auS der „Deutsch. Tagesztg." hervor, die heute über die Stellung des Bundes zum Zolltarife schreibt: Die Vertreter des Bundes der Landwirthe im Reichstage wissen ganz genau, was sie zu tdun haben und welche Verantwortung sie tragen. Sie werden besonnen und ruhig Verständigungs vorschläge prüfen; selbst solche zu machen sind sie nicht in der Lage. Sie werden mit Ruhe den auf sie selbst entfallenden Theil der Verantwortung tragen, lehnen aber unbedingt ab, für Andere die Verantwortung zu übernehmen. Selbstverständlich ist, wie wir mehrfach hervorgehoben haben, eine Verständigung schlechthin un möglich, wenn die Sätze Les Tariscntwurfs als unabänderlich gelten sollen. Also wieder die ruhige Prüfung von „Verständigungs vorschlägen" wie vor der Generalversammlung, und sogar von VerständigungSvoischlägen, die von anderer Seite aus gehen. Es ist also gar nicht ausgeschlossen, daß cs am Ende der „Deutschen Tagesztg." nach rubiger Prüfung nicht mehr schlechtbin unmöglich scheint, die Vorschläge der Regierung zu genehmigen. Und wenn nicht, so ist bei dem guten Willen der Eonservativen zu einer Verständigung die Vorlage noch lange nickt aussichtslos. Im Centruin herrscht allerdings zur Zeit noch die größte Verwirrung. Seine leitenden Preßorgane widersprechen in Bezug auf das „Ultimatum" des Reichskanzlers nickt nur einander, sondern auch noch binnen vierundzwanzig Stunden sich selbst. Erst glaubte das rheinische führende Centrums- blatt trotz der im Deutschen Landwirthschaftörathe abgegebenen Erklärung des Grafen Bülow, der Bundesrath werde einer mäßigen Erhöhung der Mindcstzölle des Tarifeutwurfs zu stimmen; einen Tag später erkannte es das „Ultimatum" des Reichskanzlers als solches an. Umgekehrt verhielt sich das bayerische Centrums-Organ. Erst würdigte es die Be deutung, die Bülow's Erklärung als Ultimatum bat, nannte sie die letzte Mahnung, die der Reichskanzler dem Bunde der Landwirthe ertheile; einen Tag später aber bekämpft das Münchener Blatt die „freisinnige" Auffassung, daß der Bundesratb nach der Erklärung Bülow's nicht mehr enr- gegenkommcn könne, indem cs bemerkt: „Wir halten nach dem, was wir über Berliner Eindrücke gehört, es sür sicher, datz der Bundesrath nachgiebt, wenn die Parteien auf einen Satz, der nicht sehr viel höher ist als der des Tarifs, sich einigen. Dabei sind zwei Fruchtgattnngen ins Auge zu fassen: Gerste und Weizen; diese haben die meiste Aussicht." Wie man aus „Berliner Eindrücken" nach der im Deutschen Landwirthschaflsrathe abgegebenen Erklärung des Reichskanzlers derartige Schlüsse ziehen kann, wird jedem Unbefangenen nur durch die Rathlosia'eit erklärlich, die um über — zmanzigtauscnd Mark — zahlbar bis zum nächsten Mittag, zu präseutiren!" Stephanie glaubte zu träumen, „Zmanzigtauscnd —" wiederholte sie, kaum im Stande, eine solche Summe fassen zu können, „das war natürlich ein Jrrthum, nicht wahr, Papa?" „Kein Jrrthum, mein Kind, leider nein! Sage selbst, woher hätte ich Jahr um Jahr die Mittel zu dem Toilet- tcnaufwand hernchmcn sollen, den ich Euch Damen gestattete! Wäret Ihr nicht bei jeder Festlichkeit, die Ersten, die Beneideten? Ich sah Euch so gern reich ge schmückt und war stolz darauf, wenn ich cs immer wieder möglich zu machen mußte, daß Eure Augen leuchteten, Eure jungen Herzen vor Lust höher schlugen! Und wenn die Mama dann so heimlich lächelnd, und Eures Sieges im Voraus gewiß mit Euch im lichtüberfluthcten Saal erschien, so fühlte ich mich für alle Sorgen, alle An strengungen überreich belohnt!" „Aber Mama bezog doch von Malchow stets ihre Rente —" - „Ein Almosen, kleine Thöriu, nichts weiter. Hast Du wirklich geglaubt, man könne von zweihundert Mark monatlicher Einnahme Bälle und Gesellschaften besuchen, und obendrein dort eine tonangebende Rolle spielen?" „Aber Mama ist so sehr praktisch und ihr großartiger Geschmack vermag aus ganz unscheinbaren Mitteln wahre Kunstwerke zu schaffen! Viel gekostet haben unsere Toi letten nicht, Papa!" „Das durften sic auch nicht, mein Kind, denn sonst hätte ich wohl das dreifache Capital aufnchmcn müssen! Aus der Noth nnd Verlegenheit bin ich gar nicht hcrauö- gckommen, trotzdem ich mir von einem wohlhabenden Be kannten in Anbetracht der bevorstehenden Erbschaft einen jährlichen Zuschuß von einigen Tausend zu verschaffen wußte! Dieser Mensch, welchem ich fest vertraute, ließ sich nun von dem Bankier Schöttler überreden, lieferte ihm gegen umgehende Zahlung sämmtlichc auf meinen Namen lautende Schuldscheine aus, und Schöttler hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als mir in einer empören den Form den ganzen Betrag auf einmal abzuvcrlangcn. Zwanzigtausend Mark — und mir war es nicht einmal möglich, zweitausend aufzutreibcn!" Julius glitt mit der bebenden Hand über die bleiche, kühle Stirn. Er sah plötzlich s» alt aus, so verfallen, die Augen schienen tiefer in die Höhlen zurückgcsunken zu sein. Stephanie s Augen hingen wie gebannt an den Livpcn jeden Preis Zeit gewinnen muß, weil sie nicht weiß, was sie wollen soll. Aber auch das wird sich ändern, wenn auf etwaige Verständigungsvorschläge der Mehrheit der Zoll tarifcominission eine jeden Umveulungsversuch ausschließenke Erklärung der verbündeten Regierungen erfolgt ist. Der Kamps zwischen Tschechen und Deutschen hat sich namentlich in Südböhmeu so verschärft, daß endlich auch das Interesse der Roichsüeutschen für jene Vorgänge stärker nnd allgemeiner zu werden beginnt. Wie noth- weudig das ist, zeigen drastisch ein paar statistische Angaben in den Mittheilungen des Allgemeinen Deutschen Schul vereins über die Fortschritte des tschechischen Schulwesens in dem Bezirke Budweis, dessen deutsche Sprachinseln zur Zeit vielleicht die meist bedrohten unter den vorgeschobenen Posten des Deutschthums sind. Im Jahre 1885 izab es in diesem Bezirke keine tschechische Bürgerschule, 30 tschechische Volksschulen mit 92 Classen. Der Schulbezirk K r u m m a u zählte damals 11 tschechische Schulen mit 22 Classen. Heute, nach 17 Jahren, zählt der Bezirk Budweis 4 tschechische Bürgerschulen und 61 Volks schulen mit 185 Classen, der Bezirk Krummau 14 Schulen mit 4 k Classen. Zwar hat auch das deutsche Schulwesen eine Steigerung erfahren, doch steht diese in keinem Ver hältnis; zu der des tschechischen. Nun hat man bei den kürzlich stattgefundenen Parlamentsverhandlungen über die Verlegung der slowenischen Classen des Gymnasiums in Cilli in den weitesten Kreisen erfahren, welche aus schlaggebende Bedeutung von den maßgebenden Politikern dem nationalen Schulbesitz für den Kampf der Nationali täten beigelcgt wird. Das sollte für Viele Anlaß werden, sich den Bestrebungen nach dieser Richtung, wie sie am reinsten und unmittelbarsten in der Thätigkeit des All gemeinen Deutschen Tchulvereins zum Ausdruck kommen, anznschließen. Die weittragende Bedeutung des englisch-japanischen Bündnisses wird überall nach Gebühr gewürdigt. „Daily Chronicle" hat ganz Recht, wenn es schreibt, der Vertrag bezeichne eine Epoche der Weltgeschichte, da dies das erste Bündniß zwischen einer west lichen Macht und der gelben Rasse sei. Datz die gelbe Gefahr damit sür Europa und nicht minder für Amerika wächst, liegt auf der Hand, denn, abgesehen davon, datz nunmehr auch die Stimme Japans im Völkerrathe ge hört und respectirt werden muß, wird dieses sowohl wie China unter ziemlich sicherer Friedensgarantie wirth- schaftlich erheblich erstarken, der Aufthcilung oder der Zersetzung Chinas, oder, wie man sonst die bisher un aufhaltbar scheinende Auflösung des Riesenreiches der bezopften Söhne des Himmels nennen mag, wird ein kräftiger Riegel vorgeschoben, und so wird, falls that- sächlich eine Rcform-Aera in Peking im Anfang begriffen ist, die Zeit nicht mehr fern sein, wo nicht nur Japan, sondern auch China dem weißen Manne auf dem Gebiete des Handels und der Industrie höchst empfindliche Con- currenz macht. Das ist der Hauptcrfolg, auf den Japan zunächst befriedigt Hinblicken darf, während der politische Bortheil, wie wir gestern ausführtcn, in der Hauptsache nicht auf seiner, sondern auf Eng lands Seite ist. Dieselbe Auffassung vertritt das „Journal des DöbatS", welches findet, daß Japan keinen besonderen Anlaß habe, von dem ge schlossenen Vertrage sehr entzückt zu sein, denn es sei nicht sehr wahrscheinlich, daß der oasus koockeris jemals zu Gunsten Japans cintrete. Wir hatten unsere Meinung fast wörtlich übereinstimmend ausgesprochen. Englische des Vaters. Ein unendliches Mitleid ergriff sie, eine schmerzliche Rührung. „Was hast Du Alles unsertwegen auf Dich genom men", flüsterte sic, „und wie tief muß ich es beklagen, daß ich nichts, gar nichts für Dich thun kann, um Dir meinen Dank zu beweisen!" „O, Du kannst mir danken, Kind, und Du wirst es auch thun, ich bin dessen ganz sicher. Lasse mich nur weiter berichten . . . Als ich die Gewißheit erlangt hatte, datz Niemand mir helfen werde, unternahm ich den schwersten Gang, ich begab mich direet in die Höhle des Löwen — zum Bankier Schöttler, zeigte ihm den Brief, der mich von dem Ableben Malchow s benachrichtigte, und bat ihn, dem Wechsel zu prolongircn. Er ließ sich auf Nichts ein. Un verrichteter Sache stand ich nach einer knappen Viertel stunde wieder ans der Straße. Zwar hoffte ich noch immer auf irgend einen Glückszufall, der mir in letzter Stunde Rettung bringen sollte, trotzdem schien mein Schicksal je doch besiegelt zu sein. Ich hatte mich mit dem Gedanken an den Tod vollständig vertraut gemacht —" „Papa —", rief Stephanie, die Augen schließend, als wehre sie einem entsetzlichen Bilde, „sprich das Furchtbare nicht aus — cs macht mich krank! Das hättest Du uns doch nicht anthun dürfen!" „Was blieb mir weiter? Ich hätte die Schmach nicht ertragen, die solch eine Mcchselklage mit sich bringt —" „Was wurde dann aber, ließ «chöttlcr sich doch noch zur Milde bewegen?" „Der —! Du weißt nun, in welcher Verfassung ick mich befand! Und ich wollte doch nur ungern sterben, ich hänge ja doch am Leben, cs erscheint mir so lcbcns- wcrth! Die Trennung von unserer lieben Mama, von Euch, meinen thcureu Kindern, wäre mir doch unsagbar schwer geworden! Am Abend ging ich ins Casino, wie ich dachte, zum letzten Male. Ich setzte mich ganz allein, da mir zum Plaudern mit Bekannten ganz und gar nickt zu Muthe war ... Da kam Paul zu mir heran, er hatte mich erwartet ... er warb um Eva's Hand, legte mir, als Beweis dafür, datz er mit einer gesicherten Eristenz rechnen könne, sein Capital vor, das — aus dreißigtausend Mark bestand!" „Papa, ach Papa!" Das war der Weheschrei, -en Frau Martha nebenan gehört hatte. Eiserne Klammern schienen Stephanies Herz zu um schließen. In den Augen lag all die heiße Angst ihres Herzens. Etwas wurde wankend in ihr. Nicht allein die Furcht um Evas Glück entriß ihr den Schrei, sondern
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite