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ochen-latt für Reilhenvrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. 30. Sonnabend, den 1. August 1903. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichenbrand, Pelzmühlenstraße 47v), sowie von den Herren Barbier Bast in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro tspaltige Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Am 1. August d. I. wird der 3. Termin der diesjährigen Grund steuer fällig und ist spätestens bis zum LV. August u. e. bei Vermeidung des Mahn- bez. Zwangsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Reichenbrand, den 24. Juli 1903. Der Gemeindevorstand. Woget. Bekanntmachung. Am L. August dss. Js. wird der 2. Termin'der diesjährigen Grund steuer fällig. Dieselbe ist spätestens bis znm LV. August a. e. bei Vermeidung des Mahn- bez. Zwaugsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Ortssteuereinnahme zu bezahlen. Rabenstein, den 31. Juli 1903. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung, die Sperrung der unteren Kirchstrasje betr. Die hiesige untere Kirchstraße von der mittleren Schule bis zur Kirche ist wegen Umbaues von jetzt ab bis auf weiteres für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Rabenstein, am 24. Juli 1903. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Suli - Betrachtungen des Rentier Frohlieb Schmerzensreich. Bei glühend heißem Sonnenschein, — in Feld und Flur ein frisch Gedeih'n, — ein „goldnes Wogen rings umher — vom schnittereifen Ahrenmeer. — So hat gelacht — und munt'rer Erntelieder Schall — ertönte nun schon überall. — Jedoch war Unglück auch zu schau'n — in uns'res Vaterlandes Gau'n, — wo die Gewalten der Natur — des Herrgotts reiche Segens spur — durch Ueberschwemmung, über Nacht, — blitz schnell zu uichte hat gemacht. — Zu Grund' ging mancher heim'sche Herd, — der sich als trautes Glück bewährt; — selbst Menschen fanden ihren Tod — in dieser großen Wassersnot. — Besonders war's der Schlesier Land, - das schwer und stark Heimsuchung fand. — Treu regte sich schon weit und breit — der Opfermut gar hilfsbereit. — Wer's kann, der trag' sein Scherflein bei, — laut ist der bitt'ren Not Ge schrei! — Doch gab's auch Freud' bei Klein und Groß, — die Hundstagsferien gingen los, — und alles eilt' auf's Land hinaus, — es blieb fast niemand mehr zu Haus; — gibt es ja jetzt in Berg und Tal — Erholungsstätten, groß an Zahl. — Denn steht ein Dorf am Waldesrand, — wird's Sommerfrische gleich genannt, — und ist ein kleiner Hügel dort, — heißt es dann schnell ein Luftkurort. — Hier tummelt sich nun Jung und Alt — im ländlich schönen Auf enthalt! — Indessen rang mit schwerem Müh'n — der deutsche Turner, frisch und kühn, — heiß um den schlichten Eichenkranz — in Nürnbergs schönem Festes glanz! — Viel fremde Gäste war'n auch da, — sogar aus Nordamerika, — das Hatje an den deutschen Strand — noch ein Geschwader hergesandt, und in der alten Seestadt Kiel, — gar manche schöne Rede fiel. — Doch kaum war's fort, macht ohne Recht — uns „Onkel Sam" schon wieder schlecht! — Bei dem Besuch war'n ungeniert — sehr viel Matrosen desertiert. — Es heißt, daß über hundert Mann — die Reisestiefeln zogen an. — Ist das die Disziplin zur See, — die jüngstens rühmte Herr Dewey?? — Ein Urteil, das erstaunt die Welt, — ward noch in letztster Stadt gefällt. — Hüff'ner kam von Gefängniß frei, — weil es nicht ehrverletzend sei, — was er in Düsseldorf getan; — dem Volke geht das übern Span, — das meint, Hüff'ner gehöre mit — zu Terlinden und Treber-Schmidt! — In Politik war weit und breit — im Heumond saure Gurkeuzeit, — und was uns heute echauffiert, — ward Tags darauf schon dementiert. — Wahr bleibt jedoch trotz Gegenwort, — daß Rußland immer weiter fort — sich festsetzt in der Mandschurei, — ob Japan auch dagegen sei; — daß weiter Loubet unverweilt — nach London zum Besuch geeilt, — worauf ganz Frankreich allgemach — von einem England-Bündnis sprach. — Sie, die sich stets in wilder Hatz, — vertragen hab'n wie Hund und Katz'! — Wahr ist auch, daß in manchem Staat — zurücktrat der Ministerrat,— wie's man in Spanien, Griechenland, — in Ostreich und in Ungarn fand, — und daß in Serbiens Königreich — man nicht nur, engelsmild und weich, — die Meuchelmörder alle schont, — sondern sie auch noch gut belohnt! — So zieht der Erntemond ins Land ; — daß er dem zeig', — dies wünschet Frohlieb Schmerzensreich. Der Spekulant. Original-Roman von Hans Dahlen. <5. Fortsetzung.) Endlich, endlich waren die letzten fort; Neumann stand auf und öffnete ein Koutorfenster, durch das der Cigarrendunst in langen grauen Schwaden in die kalte Winterluft hinausströmte. Da kam noch einer. Johann Wilhelm runzelte die Stirn, aber sein Zorn wich dem Erstaunen. Der da zögernd eintrat und verlegen am Ausgange stehen blieb, war der von ihm gestern Abend so überreich beschenkte Arbeiter. Also hatte seine Wohltat Dank barkeit hervorgerufen! Der Spekulant war dergleichen nicht gewöhnt; er hatte viel bittere Erfahrungen über diesen Punkt gesammelt. Die dankbare Gesinnung des Armen rührte ihn, und er kam ihm freundlicher entgegen als manchem der früheren Besucher, gab ihm Cigarren und füllte sein Glas. Der Arbeiter, stolz- verlegen über die freundliche Herablassung des Millio närs, der den Menschen in ihm achtete, trotzdem er ein armer Tagelöhner war, entfernte sich bald, hoch rot vor Freude, das Herz erfüllt von Dank gegen den Reichen, der seine Selbstachtung und sein Selbst vertrauen gestärkt hatte. Nunmehr begab sich Neumann unverzüglich in die Wohnräume. Frau Marie und sein Sohn beendeten in Hast ihr Frühstück, um nicht allzuspäl in die Halb zwölfuhrmesse zu kommen. Eine knappe, frostige Begrüßung, ein flüchtiger Dank für Johann Wilhelms Wünsche zum Weihuachtsfeste; dann begann der Tadel über den nächtlichen Mettenbesuch in Gesellschaft einer halbkindischen Magd. Die Mutter grollte und redete in einem fort, der Sohn begleitete ihre Worte mit höhnischem Lächeln. Neumann sah die beiden scharf an und verbat sich jede weitere Bemerkung. Gegen eine solche Unvernunft anzukämpfen war zwecklos, wie er aus Erfahrung wußte. Er atmete erleichtert auf, als sie sich entfernt hatten und setzte sich rauchend in seinen Polstersessel, ein Tischchen mit illustrierten Zeit schriften mit der Rechten herbeiziehend. Helles Schnee- licht und bleicher Wintersonnenschein drang durch die hohen Fenster. Ueber den schweigenden Wipfeln des Stadtwaldes blaute der Himmel in fast sommerlicher Tiefe. Das behaglich durchwärmte Gemach erfüllten Blumendüfte und die aromatischen Ausdünstungen großer Blattpflanzen, da der Wintergarten zum Zimmer hin weit geöffnet war. Im Bauer am Fenster schmetterte der Kanarienvogel sein munteres Liedchen und schaukelte schier übermütig in seinem Ringe. Wohltuend empfand Johann Wilhelm die trauliche Behaglichkeit, welche ihn umgab. Längst schon waren die bebilderten Blätter seiner Hand entsunken, während seine Blicke den krausen^ langsam emporquellenden Glücksgefühl durchzog wie eiu weicher Akkord über irdischer Harmonien sein Herz; er lehnte sich zurück und schloß die Augen bei der beseligenden Empfindung, die ihn erfüllte — einen Augenblick nur, und er zuckte zusammen wie von einem Peitschenhieb getroffen; er war sich wieder der nackten, erbarmungslosen Wirklich keit bewußt geworden, der grausamen Wirklichkeit mit Verdruß und Sorgen, mit Sünde und Schuld. Lange Zeit saß er schweratmend still, bis er fühlte, daß sich hinter ihm die Luft bewegte. Er wollte deu Kopf wenden, aber es war schon zu spät; zwei weich- belederte Händchen legten sich auf seine Augen, und eine Helle, jugendliche Stimme rief neckisch: „Wer ist's?" „Thildcheu, mein Thildchen," jauchzte Johann Wilhelm auf, „das nenne ich eine Ueberraschung!" Sie richtete ihp zierliches, fast überschlankes Figür chen, vor den Vater tretend, straff empor und lachte ihn an. „Nicht, ich war leise herangeschlichen? Und — pardautz — ans einmal stehe ich hinter ihm. Ich bin Dir so unerwartet gekommen, wie mir Deine Depesche gestern Abend." „Du bist doch gern hergereist?" fragte Neumann ängstlich. Die erwünschte Antwort gab ihm der sonnige' Glanz des frischen Gesichts, das aus der grauen Boa hervorlugte uud ihn immerfort anlächelte. „Eine größere Weihnachtsfreude hättest Du mir gar nicht bereiten können, Väterchen." „Nun, dann ist's recht, O Kind, wenn Du wüßtest, wie ich mich nach Dir gesehnt habe!" „Mama weiß, daß ich komme?" Johann Wilhelm verneinte. „Ich habe es ihr noch nicht mitgeteilt. — Hans ist auch hier." Wie gerufen, trat in diesem Augenblick Frau Marie mit ihrem Sohne ein. Beider Ueberraschung war eine völlige. Hans gelangen einige Liebenswürdigkeiten, in Frau Marie überwand die Mutterliebe die Regungen des Unwillens über die ohne ihr Mitwisseu in's Werk gesetzte Heimreise Thilda's. Die nunmehr entstehende Unterhaltung entwickelte sich ganz erträglich und ward durch Thilda's kindlich frohes Wesen angenehm belebt. Auch das Mittagessen wurde in gleich guter Laune eingenommen; es war, da keine Gäste daran teil nahmen, rascher denn sonst beendigt. Frau Marie und Hans zogen sich sogleich zur Siesta zurück, und Johann Wilhelm war wieder mit seiner Tochter allein. Er bedauerte es nicht. Plaudernd und fragend zog Thilda den Vater