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Unmittelbar daran schließt sich das Finale (Allegro vivacissimo) an, das vom Solisten ein Höchstmaß an geigerischer Virtuosität in Ka denzen, Passagen, Flageoletts usw. verlangt. Das formale Schema des Satzes ist etwa mit ABABA zu umreißen. Beide Themen haben na tionales russisches Profil. Das erste wächst aus der übermütigen Orchestereinleitung heraus, das zweite, tanzartige, wird von Baßquinten begleitet. Unaufhörlich stellt der Komponist die Themen vor, elegant und formgewandt variiert. Strahlend endet der temperamentgeladene Schlußsatz des Konzertes, das zweifellos eine der überragendsten Kompositionen Tschaikow- üs ist. Robert Schumann lebte von 1844 bis 1850 in Dresden. Einer Anregung seines Arztes folgend, der ihm seines schlechten Nervenzu standes wegen (erste bedenkliche Anzeichen seiner späteren Geisteskrankheit waren auf getreten) Dresden als gesündere Stadt emp fohlen hatte, siedelte der 34jährige im De zember 1844 mit seiner Familie von Leipzig nach Dresden über. Er fand hier Zugang zu einem neuen Bekanntenkreis, dem u. a. die Komponisten Richard Wagner und Ferdinand Hiller, die Witwe Carl Maria von Webers, der Maler Ludwig Richter, der Dichter Robert Rei- nick und der Bildhauer Ernst Rietschel ange hörten. Seit November 1847 wirkte Schumann als Nachfolger Hillers als Dirigent der Dresd ner Liedertafel, im Jahre 1848 gründete er ei nen Verein für Chorgesang. Besonders inten siv beschäftigte sich der Komponist in der Dresdner Zeit mit den Werken Johann Seba stian Bachs. An den revolutionären Ideen von 1848/49 nahm er durchaus Anteil (so kompo- brrte er z. B. drei Freiheitslieder und vier Re- Wutionsmärsche für Klavier), flüchtete aber vor den „unheimlichen" Ereignissen des Jah res 1849 in die Dresdner Umgebung und such te mit seiner Familie, um der Militärdienst pflicht zu entgehen, zuerst auf Schloß Maxen, dann in Kreischa Zuflucht. 1849 gestaltete sich für ihn mit der Komposition von überaus zahl reichen (insbesondere Kammermusik- und Chor-) Werken zu einem ganz besonders pro duktiven Schaffensjahr, nachdem vorher in Dresden u. a. bereits die beiden letzten Sätze des Klavierkonzertes a-Moll, die heute erklin gende zweite Sinfonie, das erste Klaviertrio op. 63, die Oper „Genoveva", die Schauspielmu sik zu Byrons „Manfred" und das „Album für die Jugend op. 68 entstanden waren. Anfang September 1850 zog Schumann von Dresden nach Düsseldorf, wo er die Stelle des städti schen Musikdirektors übernahm. Die Sinfonie Nr. 2 C-Du r op. 61 , eine Frucht der Dresdner Jahre des Meisters, kompo nierte er 1845/46. Das am 5. November 1846 im Leipziger Gewandhaus unter Leitung Mendels sohns uraufgeführte Werk ist eigentlich be reits seine „Dritte", da es nach der später um gearbeiteten d-Moll-Sinfonie (4, Sinfonie) ge schrieben wurde. Im Verhältnis zu seinen an deren Sinfonien arbeitete Schumann relativ lange an dieser Komposition. „Mir hat sie manche Mühe gemacht, manche unruhige Nacht habe ich darüber gebrütet, manches fünf- und sechsmal umgestürzt", schrieb er zur Arbeit an der C-Dur-Sinfonie, die zum Teil noch durch längere Krankheit unterbrochen wurde. „Ich skizzierte sie, als ich physisch noch sehr leidend war; ja ich kann wohl sagen, es war gleichsam der Widerstand des Geistes, der hier sichtbar influiert hat und durch den ich meinen Zustand zu bekämpfen suchte." Heroischer Kampf gegen die widerstrebenden Mächte des Lebens und endlicher Triumph über diese Mächte ist denn auch — ähnlich wie oftmals bei Beethoven — das eigentliche geistige Thema des großangelegten Werkes, an dem der Musikhistoriker Philipp Spitta einst „große Tiefe und Reife der Empfindung, küh ne Entschlossenheit und überwältigenden Reichtum des Ausdrucks" rühmte. Eine Art „Motto", quasi ein „Schicksalsmotiv", tritt in sämtlichen Sätzen (außer dem Adagio) auf, Ausdruck des Bestrebens, die Sätze gedanklich miteinander zu verknüpfen. Der erste Satz ist nach dem Selbstzeugnis des Komponisten „voll dieses Kampfes und in sei nem Charakter sehr launenhaft, widerspen stig". In der langsamen Einleitung (Sostenuto assai) erklingt erstmals das lapidare, pathe tisch-romantische „Motto". Das Hauptthema des folgenden Allegro-Teiles entsteht aus ei nem punktierten Bläsermotiv, zeichnet sich durch seinen scharf profilierten Rhythmus aus und bestimmt im wesentlichen das themati sche Geschehen des größtenteils von kämpfe rischen Stimmungen erfüllten Satzes, da sich ihm gegenüber einige Seitengedanken kaum durchsetzen können. In der Coda ist abermals das Motto der Sinfonie zu hören. Das Scherzo steht hier nicht, wie meist üblich, an dritter, sondern an zweiter Stelle. Eine ei genwillige Sechzehntel-Figur der ersten Vio linen ist das wichtigste Motiv des Satzes, der im aligemeinen die Stimmung des ersten Sat zes fortführt. Zwei Trios, eines im wiegenden Trioienrhythmus, das zweite schlicht-liedhaft angelegt, unterbrechen das Scherzo, in dessen Schlußteil durch Hörner und Trompeten im Fortissimo wieder das Motto ertönt. Im „Adagio espressivo" beginnen die Violinen, gestützt von den tiefen Streichern, mit dem kantablen Hauptmotiv, gefolgt von Oboe und Fagott. Nach den sanften, wehmutsvollen Klängen des c-Moll-Beginns und einem klei nen Streicherfugato im Mittelteil klingt der Satz in klarem C-Dur aus. Seelische Befreiung bringt endlich das von einem schwungvollen C-Dur-Tonleiterlauf der Streicher eröffnete Finale (Allegro molto viva ce). „Erst im letzten Satz fing ich an, mich wie ¬ der zu fühlen", berichtete der Komponist. Der architektonisch gewaltige Satz, in ganz freier, von der Tradition abweichender Form ge schrieben, bietet neben dem frischen, zuerst im Bläsersatz erklingenden Hauptthema eine Fül le von weiteren Themen und Motiven, die teil weise auch aus den vorhergehenden Sätzen abgeleitet wurden, und läßt größtenteils frohe Bilder an uns vorüberziehen. Der längste Teil des Finalsatzes ist die abschließende giganti sche Coda, die u. a. auch den Mottogedan ken der Sinfonie wieder aufgreift; die Schluß steigerung des Satzes wird durch ein neues Motiv, das Zitat einer Beethovenschen Melo die aus dem Liederkreis „An die ferne (’M liebte", bestimmt. Prof. Dr. Dieter Härtv^g VORANKÜNDIGUNGEN : Donnerstag, den 22. November 1984, 20.00 Uhr (Anrecht A 1) Freitag, den 23. November 1984, 20.00 Uhr (Anrecht A 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dipl.-Phil. Sabine Grosse 3. PHILHARMONISCHES KONZERT Gastspiel der Janäcek-Philharmonie Ostrava, CSSR Dirigent: Otakar Trhlik, CSSR Solist: Cenek Pavlik, CSSR, Violine Werke von Martinü, Dvorak und Janäcek KONZERT Dirigent: Oleg Caetani, Italien Werke von Schönberg und Bruckner Sonntag, den 2. Dezember Festsaal des Kulturpalastes Sonnabend, den 1. Dezember 1984, 20.00 Uhr (Freiverkaut) 1984, 20.00 Uhr (AK/J) Dresden 3. AUSSERORDENTLICHES Gastspiel der Weimarischen Staatskapelle Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Hartwig Spielzeit 1984/85 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, BT Heid. 111-25-16 2,8 494473 JtG 009-68-84 EVP -,25 M 2. PHILHARMONISCHES KONZERT 1984/85