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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001207024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900120702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900120702
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-07
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
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Ämtsvlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Lindt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich '(4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisunge;« und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). vrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesürderung 50.—, nii t Postbesürderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. «23, Freitag den 7. December 1900. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. Tic Chinese» und das Rothe Kreuz. AuS Shanghai, Ende October, wird der „Franks. Zig." geschrieben: Vielfach wird fälschlich behauptet, öffent liche Mildthätigkeit fehle völlig im Reiche der Mitte. Aller dings ist sie nicht in dem Maße vorhanden wie im Abend lande. Hieran sind mehrere Gründe schuld, von denen wohl der hauptsächlichste der ist, daß kein Mensch mit einiger Sicherbeil wissen kann, ob das den Mandarinen sür einen wohltbätigen Zweck übergebene Geld auch wirklich an die richtige Adresse gelangt und nicht unterwegs irgendwo hängen bleibt. Ohne diesen bösen Haken würden wohlhabende Chinesen sicher lich bereit sein, mehr zu thun, als es bislang der Fall ge wesen ist. In der letzten Zeit haben hier in Shanghai an sässige reiche chinesische Kaufleute Sammlungen für ihre be drängten Landsleute im Norden veranstaltet. Ziemlich rasch kam so viel zusammen, daß ein eigener Dampfer mit den Liebesgaben nack Tientsin gehen konnte. Die Fracht be stand hauptsächlich aus Reis, getrocknetem Gemüse, Mehl, Brennholz u. dergl., ferner aus einer großen Anzahl leerer Holzkisten, worin Blechdosen mit Petroleum gewesen waren. Aus diesen Kisten will man Särge für gefallene Soldaten Herstellen, da es den Chinesen ei» unangenehmer Gedanke ist, die Leichen ganz uneingesargt zu beerdigen. Bei Weitem das Merkwürdigste an der Expedition ist jedoch der Umstand, daß hier zum ersten Mal das Rothe Kreuz auf chinesischer Seite vertreten ist. Mit den Dampfern haben sich nämlich mehr als hundert bezopfte Krankenwärter eingeschifft, die Alle ein großes rothes Kreuz in weißem Felde auf dem Arm tragen. Wenn auch vorläufig nur von Privatleuten ausgehend, so ist dies doch entschieden ein Fortschritt. * Berlin, 6. December. („Wolffs Telegraphen-Bureau".) Feldmarschall Graf Waldersee berichtet ans Peking unter dem 5. December: Die Colonne Gahl traf gestern in Peking ein, nachdem die ihr zugetheilten Italiener eine besondere Straf expedition ausgesührt hatten. Die Beisetzung der Leiche des Obersten Bork von Wartenburg erfolgte heute unter der Theil- nahme des diplomatischen Corps und aller Osficiercorps. * London, 7. December. (Tel.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Tientsin unter dem 5. d. M.: Die erste Locomotive geht heute früh nach Peking ab. Man erwartet, daß Reisende binnen drei Tagen befördert werden können. Die provisorische Regierung hat besohlen, den berüchtigten Boxerführcr Tang-wen-Huang Freitag vor dem Nordthore der Stadt zu enthaupten. * Washington, t>. December. (Meldung des „Neuter'schen Bureaus") Alle amerikanischen Truppen, mit Ausnahme der Wache für die Gesandtschaft, haben China jetzt verlassen und sich nach den Philippinen begeben. * Petersburg, 6. December. In einem heute veröffentlichten Generalstabsberichte wird mitgetheilt: In der Nacht vom 28. zum 29. October hatte eine reitende Patrouille der PrimorSkischen Dragoner, bestehend aus 13 Mann unter dem Commando des Stabsrittmeisters Wolkow, einen Zusammenstoß mit einer über- legenen feindlichen Abtheilung in der Nähe von Jzogrn tschow (?) Die Patrouille vertheidigte sich sechs Stunden lang, um sich nach Dapuschan durchzuschlagen. Ihr Verlust betrug 5 Todte und 5 Ver wundete, unter Letzteren befindet sich der Stabsrirtmeister Wolkow. Der Krieg in Südafrika. Krüger in Holland. AuS dem Haag, 6. December, wird uns berichtet: Nach der Ankunft des Präsidenten Krüger machte der Gesandte vr. Leyds dem Minister des Aeußcrn amtlich Mit theilung von der Ankunft des Präsidenten. In seiner Erwiderung auf die Begrüßungsansprache, welche der Vorsitzende des Südafrika-Vereins auf dem Bahn« böse an ihn richtete, dankte Präsident Krüger zunächst für die an ihn gerichteten Ansprachen und Adressen und zog dann einen Vergleich zwischen dem jetzigen Kriege in Südafrika und dem Kriege, welchen Holland vor 80 Jahren gegen Spanien zu führen batte. Der Unterschied sei der, daß Transvaal einer großen Macht gegen über ein kleines Kind sei. Der Einfall Iame- son'S sei der Anfang eines ungerechtfertigten Angriffs auf die Freiheit der Republiken gewesen. Von An fang an sei die Vernichtung der Republiken und ihrer Existenz als freie Völker beschlossen gewesen und sie hätten deshalb nichts Anderes thun können, als ihre Grenzen zu vertheidigen. Sie hätten sich für einen Kampf bis zum Ende in Gottes Hände gegeben. Er vertrauedem Einflüsse eines Volkes, wie des holländischen, und hoffe, daß mit solcher Unterstützung der Tag der Gerechtigkeit kommen werde. Er werde alle Mittel anwenden, um zu seinem Ziele zu gelangen. Zum Schluffe sprach Krüger die Hoffnung ans, daß ganz Holland, dessen Sprache dieselbe wie die seines Volkes sei, sich mit ihm zu dem Werke der Befreiung vereinen werde. Von Zevenaar ans sandte Präsident Krüger eine Depesche an die Königin Wil'uel mina. Nach seiner Ankunft im „Hotel des Indes" empfing Krüger die Besuche mehrerer Minister; der Minister des Aeußern de Beaufort und der Premierminister Pierson befanden sich nicht darunter. Nach der Ankunft des Präsidenten Krüger im „Hotel des Indes" blieb eine gewaltige Menschenmenge vor dem Hotel. Sie rief: „Es lebe Krüger! Es leben die Boeren! Hoch das Schiedsgericht!" Der Präsident erschien einige Minuten auf dem Balcon, was Anlaß zu verstärkten Sympathiekundgebungen gab. Die Menschenmenge hielt trotz unaufhörlichen Regens den ganzen Abend vor dem Hotel aus; man rief: „Es lebe Krüger!" Die Ordnung wurde durch die Polizei ausrechterhalten. Bom Kriegsschauplätze. Lord Kitchener telegraphirt aus Bloemfontein unter dem 6. December: 500 Mann von den Truppen unter Delarey machten am 3. December einen heftigen Angriff auf einen von Pretoria na cb Rusten bürg gehenden Convoi bei Büffelsport. Die EScorte desselben nahm auf einigen Hügeln Stellung und focht mit großer Tapferkeit. Es gelang den Boeren, einen Theil des ConvoiS in Brand zu stecken, während der andere Theil unver sehrt blieb. Am folgenden Tage trafen Verstärkungen ein; dann wurden die Boeren zersprengt, nachdem sie be deutende Verluste erlitten hatten. Auf der britischen Seite wurden 15 Mann getödtct, 1 Officier und 22 Mann ver wundet. Dewet überschritt Caledon und ging nach Odendal vor. General Knox folgte ihm mit einem Theile seiner Truppen und sandte den Rest über die Bethulie-Brücke. Odendaldrift wird von einem Garde- Regimente besetzt gehalten. Der Fluß ist jetzt im Steigen begriffen. * Lissabon, 6. December. („Reuter's Bureau".) Ter holländische Gesandte van Wrcde hat seinen Posten verlassen. Der portugiesische Minister iin Haag Graf Selir ist ebenfalls ab gereist. Es scheint, daß die Angelegenheit deS niederländischen Consuls Pott in Louren^o Marques hiermit znsammenhängt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. December. Die am Montag abgebrochene Besprechung der Koh len - Jnterpellation des CentrumL hat gestern den Reichs tag noch fünf Stunden lang beschäftigt und ist trotzdem noch nicht zu Ende geführt worden. Die Schuld lag an der dürftigen Besetzung des Hauses, die eine Abstimmung über einen Antrag auf Schluß der Debatte nicht gestattete. Schon die Thatsache, daß die Debatte nur aus äußeren Gründen fortgeführt wurde, läßt erkennen, daß sie irgend einen des näheren Eingehens würdigen Vorschlag zur Abwendung des Uebels nicht zu Tage förderte. Der von den Abgg. Hehl zu Hernsheim, Münch- Ferber und Graf v. Oriola eingebrachte Antrag, „die verbündeten Regierungen um Vorlegung eines Gesetzentwurfes zu ersuchen, durch den eine sachgemäße Reichsaufsicht für solche Eartelle oder Syndicate eingeführt wird, deren Ge schäftsgebarung einen nachweislich monopolistischen Charakter angenommen haben", konnte gestern noch nicht in die Berathung gezogen werden, und so bestand das ganze Resultat der gestrigen Debatte lediglich in einigen Aufklärungen, die von den preußischen: Ministern Breseld und v. Thielen gegeben wurden. Der Handelsminister theilte mit, daß auf den staatlichen Kohlenberg werken vielfach bereits staatliche Verkaufsstellen eingerichtet sind und daß die staatlichen Kohlengruben die Preise so lange als möglich niedrig halten und erst dann in die Höhe gehen, wenn die Preise sich befestigt haben. Der Eisenbahnminister hob insbesondere hervor, daß keineswegs nach der Schweiz zu billigeren Tarifen wie nach Bayern Kohlen geliefert worden seien und daß der Vorschlag des Grafen Karsih, nur den Händlern Ausfuhrtarife zu gewähren, die sich auf einen be stimmten Verdienst verpflichten, sich nicht durchführen laste. Sonst ist aus der gestrigen Verhandlung nur zu erwähnen, daß der socialdemokratische Dauerredner Sachse, dem die Wähler von Waldenburg das angefochtene Mandat erneuert haben, über die Verhältnisse und die Vorgänge im sächsischen Kohlengebiete mit gleicher Sachkenntnis wie vorgestern der Abg. Pichler über die konfessionellen Verhältnisse in unserem Königreiche sich äußerte und den Ministerialdirector Fischer zur Richtig stellung nöthigte. Da voraussichtlich auch heute die Besetzung des Hauses eine sehr schwache sein wird, so werden noch alle die vorgemerkten Redner zum Worte kommen und die Sitzung ausfüllen. Am Sonnabend fällt wegen katholischen Feiertags die Plenarsitzung aus; am Montag beginnt die erste Etats- berathung. Mit den fettesten Ziffern verkündet die „Neue Vahr. Ztg.", das partikularistisch gesinnte officielle Organ der bayerischen Eentrumspartei, daß München bei der letzten Volkszählung die gewaltige Ziffer von 498 MO Einwohnern, also nahezu einer halben Million, erreicht habe. Das Hochgefühl über die gewaltige Zu nahme der bayerischen Landeshauptstadt ist natürlich einem bayerischen Blatte wohl zu gönnen, aber es wäre doch vielleicht nicht ganz unangebracht, nachzuforschen, worauf der außer ordentliche Aufschwung Münchens zurückzuführen ist. In den 37 Jahren von 1830 bis 1867 nahm München um etwas mehr als 100 000 Einwohner zu, in den 33 Jahren von 1867 bis 1900 hat die bayerische Hauptstadt aber um etwas mehr als 300 000 Einwohner zugenommen. Zwar ist ein Theil dieser Zunahme auf die Eingemeindung von Vororten zurückzuführen, aber auch dann noch bleibt sie außerordentlich viel größer, als in dem vorangegangenen Menschenalter. Dabei ist noch zu be rücksichtigen, daß auch schon die Zeit von 1830 bis 1867 für die Entwickelung Münchens außerordentlich günstig war, weil die beiden Könige Ludwig I. und Maximilian II. außer ordentlich viel für ihre Landeshauptstadt thaten, jedenfalls viel mehr, als beispielsweise zu derselben Zeit die preußischen Könige für Berlin gethan haben. In dem nunmehr abgeschlossenen Menschenalter aber hat München lange Zeit hindurch der Förde rung durch das Königshaus entbehren müssen, denn König Ludwig II. stand bekanntlich in keinem besonders innigen Ver hältnisse zu seiner Hauptstadt. Wenn nun trotzdem in dem abgelaufenen Menschenalter München an Einwohnerzahl — uno beiläufig nicht nur daran, sondern auch an Wohlstand — sich erheblich mehr entwickelt hat, als trotz der besonderen Fürsorge seitens der Dynastie in dem voraufgegangenen Menschenalter, so ist Vielleicht die Annahme nicht allzu anmaßend, daß der Anschluß Bayerns an das deutsche Reich ein gutes Theil zu dieser Entwickelung beigetragen habe. Seitdem das deutsche Reich besteht, sind Handel und Wandel in jedem Theile des Reichs, mag es sich nnn um die größten Bundes staaten Preußen, Bayern und Sachsen handeln, oder um kleinere Staaten, wie Neuß oder Coburg-Gotha, eines starken Schuhes sicher. Und so haben sich auch Handel und Industrie Münchens im letzten Menschenalter außerordentlich entwickeln können. Wie viel Münchener Bier wurde wohl vor 1870 nach überseeischen Ländern exportirt und wie viel wird heute exportirt? Wie mit der Bierbrauerei, so ist es auch mit mancher anderen Industrie. Wenn also die Partikularisten immer darüber klagen, daß die enge Verbindung mit dem „Bettelpreuß" oder „Saupreuß" — wie man die Angehörigen des größten Bundesstaates in freund licher Abwechselung zu nennen beliebt — nichts als unerschwing liche Militärlasten über das bayerische Volk gebracht habe, so beweist das gewaltige Wachsthum gerade der bayerischen Landes hauptstadt, daß der enge politische und militärische Anschluß an Preußen doch wohl auch manche günstigen Folgen für Bayern gehabt hat. Falls in lben bisherigen Dispositionen nicht durch unvorher gesehene Ereignisse eine Aenderung eintritt, wird die Hochzeit der Köiitgi» Wilhelmine mit dem Herzog Heinrich von Mecklenburg -Schwerin am 31. Januar 1901 stattfinden. Die Ceremonie, welcher außer den Anverwandten des erlauchten Brautpaares auch die Vertreter «der fremden Sou verän« und Regierungen beiwohnen wevden, wird nicht in der Nieuwe Kerk zu Amsterdam, sondern, einem Wunsche dec Königin entsprechens, in «der Haager Groote Kerk von dem Hof prediger van der Fl'ier gefeiert werden. Damit aber das Datum des 31. Januar eingehalten werden kann, müssen, wie der „Schle sischen Zeitung" aus Amsterdam geschrieben wird, die nieder ländischen Generalstaaten noch vor Weihnachten den Grsetz- entwurf angenom-men haben, welcher die Hochzeit der Königin und die Stellung des künftigen Prinz-Gemahls regelt. Der Ent wurf ist bereits vom Staatsrathe genehmigt und wird de: Zweiten Kammer schon in der allernächsten Zeit zugehcn. Er enthält drei größere Abschnitte. Durch den einen wird dem Herzog Heinrich aus „Gründen des Staatsinteresses und der Staatsnothwenoigkeit" das niederländische Staatsbürgerrecht ohne di« sonst nothweirdigen Erfordernisse vergehen. Der andere handelt von dem Titel des Herzogs, welcher „Prinz-Gemahl" heißen und «den Anspruch auf die Anrede mit „Königliche Hoheit" Haden wird. Der dritte Abschnitt endlich hebt für die Ehe der Königin alle Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auf, welche sich der Ausübung der souveränen Gewalt durch die Königin entgegenstellen. Von der ursprünglich geplanten Do- FerrrHeton. 6s Lucie. Original-Roman von Ferd. Gruner. Nachdruck verkeNn. Sie besaß ein tapferes Herz. Der jähe entsetzliche Tod des Vaters, dem sie mit innigster Liebe zugethan war, hatte sie nicht niederbeugen können, und auch in die schwere Erkrankung der Mutter fügte sie sich, weil sie Max an ihrer Seite wußte, den Geliebten, der ihr die schweren Sorgen mittragen half. Aber nun drohte das Furchtbarste. Es wollte ihr das Wasser heiß in die Augen schießen, als sie dem jungen Bildhauer das Ersuchen des Criminalisten mittheilte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wenn Du das Examen überstanden hast", scherzte sie, „dann werden wir für eine kleine Stunde einen Spazierritt hinaus unternehmen, weit in die Felder. Da magst Du mir erzählen, wie es Dir ergangen ist in den Jahren, während ich Dich nicht sah." Als er mit leichten elastischen Schritten hinüberging in das Schreibzimmer Papas und sie ihn die Thür schließen hörte, da preßte sie das Gesicht in die Hände, und eine stumme Bitte stieg aus ihrem Herzen zum Weltenherrn empor. Neuntes Capitel. Als Max das Schreibzimmer betrat, fand er I)r. Rosen in die Lectüre eines Briefes vertieft, der augenscheinlich eben erst erbrochen war, denn ein graues längliches abgerissenes Couvert lag auf dem Schreibtische. „Ich bitte einen Augenblick um Entschuldigung", sagte der Beamte flüchtig aufblickend und las weiter. Das blasse Gesicht verrieth nicht» von den Gedanken, die in ihm wühlten, nur unter den buschigen Lidern hervor flog ein eigenthümlicher, halb ernster, halb fragender Blick. „Bitte Platz zu nehmen, Herr Horwart", wandte er sich dann in freundlichem Tone an den jungen Bildhauer, der dieser Aufforderung dankend nachkam. Max wollte ihm eine Cigarette anbieten, aber vr. Rosen lehnte höflich ab. „Ich pflege bei amtlichen Handlungen nicht zu rauchen", bemerkte er. „Amtliche Verhandlungen?" wiederholte Max. „Ich bitte, das Folgende als einen amtlichen Act be trachten zu wollen", ergänzte und bestätigte der Untersuchungs richter des Bildhauers Frage. „Ich bitte zunächst um Auskunft, ob Sie, Herr Horwart, seit Längerem auf Schloß Rawen weilen oder nicht, denn ich erinnere mich, daß vr. Bollant bemerkte, Sie wären durch Jahre abwesend gewesen." „Ich wohne seit drei Jahren in Dresden und habe seit jener Zeit das Vaterhaus nicht mehr betreten. Gestern Nachmittag kam ich auf Grund eines Telegrammes meiner Schwester hierher." — Max sprach langsam, anscheinend sich Alles wohl überlegend. vr. Rosen nickte, als finde er seine Gedanken bestätigt. „Verzeihen Sie es meinem Amte, wenn ich mich darnach erkundige, weshalb Sie so lange Ihrem Vaterhause fern blieben. Drei Jahre ist immerhin eine lange Frist." Ein leises Roth flog über des Bildhaueres Gesicht. „Familienverhältnisie, deren Natur hier Wohl nichts zur Sache thut, trugen dazu bei", erwiderte er kurz. Der Untersuchungsrichter verzog unmerklich seine Lippen. „Es liegt mir natürlich fern, nach der Ursache forschen zu wollen, und erbitte ich nur in dieser Hinsicht Mittheilung, ob zwischen Ihnen und Herrn Rawen eine Trübung bestand?" „Einstmals ja." Bei den zögernden Worten streifte ihn ein prüfender Blick des Criminalisten. „Diese Trübung wurde also behoben? Ihr letztes langes Fernsein vom Schlosse hatte daher eine andere Veranlassung?" Max sah den Untersuchungsrichter ernst an. „Ich bitte, Herr Doctor, ist es unbedingt nothwendig, daß diese internen Familienangelegenheiten erörtert werden müssen?" „Ich bedaure, bejahen zu müssen." „Nun, so sei es! Meine letzte mehrjährige Abwesenheit von hier war allerdings wenigstens anfangs auf diese Trübung zurückzuführen." „Ist eine Versöhnung zwischen Ihrem Herrn Papa und Ihnen nachher erfolgt?" „Eine Versöhnung im gewöhnlichen Sinne wohl nicht, denn der Zwist, der uns damals trennte, war zu ernst, als daß ich, der ich bald mit schmerzlichem Bedauern erkannte, wie Recht Papa gehabt, — ihm meine Verzeihung hätte anbieten dürfen. Er hatte mich auf immer aus dem Hause gewiesen." Der Beamte bewegte bedauernd sein Haupt. Er schien etwas fragen zu wollen, deshalb fuhr Max rasch fort: „Trotzdem meine ich, berechtigte Ursache zu haben, zu glauben, daß auch Papa in der Folge seine Gefühle gegen mich wesentlich geändert und daß sein nur zu berechtigter Groll einer milderen Anschauung Platz gemacht hat." „Woraus glaubten Sie das schließen zu dürfen?" „Aus den Briefen seiner Tochter, die während der ganzen Zeit mir freundlich gesinnt blieb und mir getreulich Bericht erstattete über Alles, was im Heimathhause sich zutrug. Aus tausend kleinen, unbedeutend scheinenden, aber doch charakteristischen Aeußerungen entnahm sie, daß Papa, wenn er auch nicht vergessen, was ich einst an ihm gefehlt, so mir doch verziehen habe." „Und Sie eilten nicht, persönlich seine Verzeihung zu er langen?" „O gewiß! Das war mein heißester Wunsch seit jener Stunde, da mir die Erkenntniß gekommen, daß dieser Edle einen besseren Dank verdiente als den, welchen ich ihm brachte. Aber ich wollte ihm erst durch irgend eine That beweisen, daß ich etwas geworden sei und das Leben ernster genommen habe seit jenem traurigen Tage. Ich wollte eine Büste meines Vaters schaffen und sie ihm mit der Bitte um Vergebung jenes Fehl trittes, den ich gesühnt zu haben meine, üvergeben." Der Untersuchungsrichter blickte freundlich auf den Sprecher. „Das ist des besten Lobes werth, Herr Horwart. Aber eines", fügte er in jenem wißbegierigen Tone, mit welchem der Laie den Künstler um die Lösung irgend einer Kunstfrage bittet, hinzu; „ist es denn auch möglich, ein Porträt — und ein solches sollte doch die Büste jedenfalls sein — mit bloßer Zugrundelegung von Photographien auszuführen? Die Photographie ist doch schließlich nur eine mechanische Nach bildung, welche das innere Leben der dargestelltcn Person kaum widerspiegelt." Max erwiderte lebhaft: „Nein, das ist zum Mindesten nicht gut möglich, und ein wirklicher Künstler wird dies keinesfalls thun." „Wie gedachten Sie also Ihre Absicht auszuführen?" Der lächelnde Blick des Criminalisten wurde ernst und durch bohrend. Max fühlte, wie die Farbe aus seinen Wangen wich. Er begriff, daß er den Künstler in sich zu viel hatte zu Worte kommen lassen. Aber es widerstrebte ihm auch, eine Unwahrheit zu sagen, wo er sich doch makellos wußte, und so erwiderte er nach einer kurzen Weile in möglichst unbefangener Weise: „Ich mußte trachten, Papa von Angesicht zu Angesicht, wenn auch nur für kurze Zeit, zu sehen. Leider kam ich nicht dazu." „Das scheint also erst vor Kurzem Ihre Absicht gewesen zu sein. Aber machten Sie nicht einen oder den anderen Versuch?" „Einen einzigen, aber mit negativem Erfolge." „Und führte Sic dieser eine Versuch nicht vielleicht in den — Brettgrund?" Ernst, fast finster blitzte es unter den halbgeschlossenen Lidern des Criminalisten. Max zuckte zusammen. Es war ihm, als würde ein furcht barer Hieb gegen ihn geführt, als brenne das Kainszeichen, von dem der Priester gesprochen, auf seiner Stirn; ein dunkle Blut- wclle stieg ihm ins Gesicht und eisig ging es durch seine Glieder. „Ja!" „Dann scheint dieser Brief, so unglaublich es mir auch war, dennoch nicht unwahr zu sein. Ich bitte, lesen Sie." Damit reichte er dem Bildhauer einen auf weißem gewöhnlichen Papier geschriebenen Brief, dessen Schrift von einer des Schreibens ungelenkigen Hand herzustammen schien. Die Siilisirung widersprach aber in ihrer bündigen treffenden Kürze dicser Annahme. Das Schriftstück lautete: „Herr Max Horwart aus Dresden wurde Dienstag, den 30. Juli, zwischen 7 und 8 Uhr Nachmittags am Brettgcunde gesehen. Derselbe lebte mit dem ermordeten Gutsbesitzer in Todfeindschaft. Ein Freund der Wahrheit." Ort und Datum fehlten. „Eine elende Denunciation!" Mit diesen Worten legte Max den Brief auf den Schreibtisch nieder. „Ich bin leider genöthigt, auch von solchen Denunciationen Kenntniß zu nehmen. — Ist diese Behauptung, daß Sie, Herr Horwart, am 30. Juli zu der angegebenen Stunde im Brett grunde weilten, wahr?" — Der Criminalift war sehr ernst geworden und seine Stimme klang scharf. „Ich kann nicht leugnen, daß ich Dienstag von Bärenstein zu Fuß nach dem Brcttgrunde wanderte, und eS dürfte wohl um jene Zeit gewesen sein. Aber ich versichere Sie, Herr Doctor, auf Ehrenwort, daß ich kaum zwanzig oder dreißig Schritte den Wald betreten habe, denn es begann das Unwetter sich zu entladen, ich kehrte deshalb um, um so rasch als möglich nach Bärenstein zurück zu gelangen." „Und der Grund dieses — Sie werden zugeben müssen — ungewöhnlichen Spazierganges?" Der Bildhauer legte, so ausführlich als ei nöthig erschien, die diesbezügliche Correspondenz zwischen ihm und Lucie dar und begründete sein Erscheinen im Brettgrunde in über« zeugendster Weise. „Um jenen Zwist auizugleichen, der mich von Herrn Rawen
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