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Die „Nttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zg Uhr. Inserate werden mit io Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 145. Freilag, den 4. Dezember 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Mttendorf-Vkcilla, z. Dezember IS03. — Die sächsische Presse hatte kürzlich Ver- anlassuna, Stellung zu nehmen zu einer neuen Umgehung Sachsens durch Herstellung be schleunigter Zugsverbindung auf der preußischen Strecke Leipzig — Eilenburg — Falkenberg — Sagan — Breslau zum Nachteil der sächsischen Strecke Leipzig — Dresden — Görlitz. Das „Chemnitzer Tageblatt" schreibt hierzu: „Nach unseren Informationen ist es richtig, daß die preußische Eiscnbahnverwaltung neuerdings die Fahrzeiten mehrerer Züge auf der Eilenburger Linie wesentlich verkürzt und damit die Gesamt fahrzeiten der zwischen Leipzig und Breslau über Görlitz verehrenden Züge unterboten hat. Nicht richtig aber ist, daß die preußische Wett- dewerbsstrecke die längere sei; sie ist vielmehr mit 360 km um 22 km kürzer als die Görlitzer Route mit 382 km Länge (der auch noch in frage kommende rein preußische Weg über Kohlfurt— Horka ist sogar nur 353 km lang). Die Gleichstellung der Fahrpreise über die beiden Routen ist somit nur dadurch erreicht worden, daß die sächsische Verwaltung, nicht aber die preußische ihre Fahrgeldanteile er mäßigt hat. Weisen nun weiter bekanntlich die in der Ebene nördlich Sachsens angelegten preußischen Strecken weniger Steigungen und Kurven auf, als die am Fuße des Gebirges sich hinzieher.de sächsische Wettbewerbsstrecke, zumal die Teilstrecke von Dresden bis Görlitz, so kann eS nicht wundernehmen, wenn es ge lungen ist, die Züge auf der Nordroute schneller zu fahren, als auf der Route über Görlitz— Dresden. Sache der sächsischen Verwaltung wird es aber gleichwohl sein, durch möglichste Beschleunigung ihrer Züge vornehmlich im Wege der Abkürzung der Aufenthaltszeiten auf den Stationen die ihr drohende Schädigung tunlichst abzuwenden, und wir erwarten, daß deshalb auch bereits die erforderlichen Erörterungen ein geleitel worden sind." — Vorsicht beim Kalenderkauf ist namentlich in diesem Jahre geboten. Während sonst da durch Betrügereien verübt wurden, daß alte Kalender zum Verkaufe gestellt waren (natürlich von sogenannten fliegenden Händlern) liegt beim diesjährigen Betrug lediglich Versehen vor. Wie sich bereits ergeben hat, haben einige Kalende, fabrikanten übersehen, daß das Jahr 1904 ein Schaltjahr ist, der Februar also 29 Tage hat- Viele Serien Kalender 1904 weisen nun einen 28tägigen Febmar auf, so daß vom 1. März an die Kalender nicht stimmen. Dresden. Eine blutige Mordtat hat abermals die Bewohnerschaft der Vorstadt Plauen in Angst und Schrecken versetzt. Der amtliche Polizewcricht meldet über diesen Mord folgendes: Von ihrer aus der Stadt heim- kehrendcn Tochter ist Montag abend gegen r/,9 Uhr die Kaufmannswitwe Auguste Emilie Danneberg verwitwet gewesene Damm geborene Matterl in der gemeinsamen Wohnung in Dresden-Plauen, Bienert-Straße Nr. 29, er mordet aufgefunden worden. Die Tat ist durch Schläge mit einem vierkantigen Instrument, vermutlich einer Rüstklammer, einem Schiefer- dcckerhammer oder dergleichen, ausgeführt worden. Mit dem anscheinend gleichen Werk zeuge hat der Täter einen im Wohnzimmer stehenden - chreibiekretär an verschiedenen Stellen angehackt und zu öffnen versucht. Die im Be sitze der Verstorbenen gewesenen Wertpapiere und cur Spackassenduch hat er nicht gefunden, dagegen sind ihm mehrere in einem Kästchen aufbewahrte Schmuckstücke, als eine goldene Brosche in Hufeisenform, eine Moiaikbrosche, die Einlage eine Ruine darstellend, ein goldener Ohrring mit WachSperle, ein Paar goldene Ohrringe, runde Platte mit eingraviertem Stern, ein goldener Damenring mit einem eingelegten Rubin in die Hände gefallen, vielleicht auc eiw.es Kleingeld. Tie Tat ist vermutlich m den Nachmittagsstunden zwischen 3 und 5 Uhr begangen worden, während welcher Zeit die Ermordete allein in der Wohnung gewesen ist. Der Täter hat sich vermutlich stark mit Blut besudelt und sich hiervon anderswo gereinigt. Wahrnehmungen hierüber und über den Ver bleib der geraubten Schmuckgegenstände werden unverzüglich an tie Kriminalpolizei erbeten. Möglicherweise kommt als Täter ein bartloser unger Mann mitte der zwanziger Jahre in Frage, der Montag gegen 6 Uhr — also noch ehe der Mord bekannt war — am Neustädter Bahnhof eine Fahrkarte nach Breslau gelöst und mit vier blutbefleckten Einmarkstücken be zahlt hat. Auch bezüglich dieses jungen Mannes wird um geeignete Mitteilung gebeten. — Als Mörder der am 30. v. M. in Dresden-Plauen, Bienert-Straße Nr. 29, tot aufgefundenen Kaufmannswitwe Auguste Emilie Danneberg verwitwet gewesene Damm geborene Mattert war unter anderen ein in Berlin auf- Mlicher Sohn der Ermordeten in frage ge zogen worden. Die in Berlin sofort ange- 'tellten Recherchen haben ergeben, daß der erwähnte Sohn als Täter nicht in betracht kommt. In der Mordangelegenheit sind am vorgestrigen und gestrigen Tage verschiedene Sistierungen erfolgt, ohne daß bis jetzt ein icherer Erfolg zu verzeichnen wäre. — Zum Scheidungsprozeß des prinzlichen Paares Schönburg - Waldenburg schreibt der Mailänder „Korresp. d. Sera", es sei unzu treffend, daß Don Karlos seine Tochter Alice für „tot" erklärt hat. Vater und Tochter stehen vielmehr in ständigem Briefwechsel zu sammen, und Don Karlos soll auch der erste gewesen sein, der seiner Tochter zur Ehescheid ung riet. Angeblich soll die Prinzessin für ihren Galten mehr als 40000 Fr. Schulden bezahlt haben. Im Gegensatz zu anderen An gaben wird den „DreSd. Nachr." jetzt mit geteilt, daß der Prinz von Schönburg die Ehescheidungsklage einreichte. — Die Klage im Scheidungsprozeß des prinzlichen Paares Schönburg-Waldenburg stützt sich auf Körperverletzung und Freiheitsberaub ung der Prinzessin Alice, die, wie der „Magde- burgischen Zeitung" geschrieben wird, die Lieblingstochter ihres Vaters Don Karlos war und sich in Venedig, wo sie bis zu ihrer Ver heiratung lebte, in den aristokratischen Kreisen lebhafter Sympathien erfreute. Sie war sehr schön, schlank, mit bleicher Gesichtsfarbe und großen, schwarzen Augen. Durch ihr leiden schaftliches, aufbrausendes Wesen machte sie schon in ihrer venezianischen Zeit von sich reden- Vor ihrer Hochzeit mit dem deutschen Prinzen scheint sie harmlose Beziehungen zu einem venezianischen Nobile unterhalten zu haben, der sich später weigerte, der Prinzessin einige Briefe zurückzugeben, die sie ihm geschrieben hatte. Aus diesem Anlässe hat sie einmal auf dem Lido ihre beiden großen Hunde auf den er schreckten Nobile gehetzt, der sich dann beeilte, die Briefe zurückzuschicken. Als Prinzessin Alice den Prinzen Friedrich Ernst von Schön burg-Waldenburg kennen lernte, zählte sie etwa 20 Jahre. Der Prinz unterlag völlig dem Zauber der hochgebildeten, temperamentvollen Venezianerin, brach um ihretwillen mit seiner Familie, trat zum Katholizismus über und ließ sich am 26- April 1897 in Venedig trauen. Patriarch Sarto, der heutige Papst Pius X-, vollzog selbst die Traung. Kotzschenbroda. Bereits seit einiger Zeit bildet in sämtlichen Gemeinden der Löß nitz, von der Grenze von Dresden mit Rudebeu beginnend und mit Zitzschewig endend, die Frage der Errichtung eines gemeinschaftlichen Amts gerichtes den Gegenstand eifriger Erörterungen seitens der Gemeindebehörden, Vereine sowie eines großen Teiles der Bevölkerung dieser Ortschaften. Radeburg. Bei der am Montag statt gefundenen Stadtverordneten - Ergänzungswah erhielten giltige Stimmen: von den ansässigen Bürgern: Herr Fabrikbesitzer Max Mitscher ling 154, Herr Getreidehändler Arthur Lehmann 106, Herr Lohgerbermeister August Schneider 97, Herr Kürschnermeister Richard Klotzsche 91 (Ersatzmann). Von den unansässigen Bürgern: Herr Schuhmachermeister Ernst Trepte 115, Herr Pastor Krahmer 69 (Ersatzmann), Herr Zahnkünstler Göttlich 27 (Ersatzmann). Ab gegeben wurden 175 Stimmen, gegen 195 im Vorjahr von 272 stimmberechtigten Bürgern. Meißen. Den Töpfern in sämtlichen deutschen, dem Fabrikantmverbande ange- chlossenen Ofenfabriken war, wie schon mit- zeteilt, für den 1. Dezember gekündigt worden, venn sie nicht bis dahin aus der Organisation ausgetreten seien oder der Velten-Fürstenwalder Streik beendet sei. Wie dem hiesigen „Tage blatt" mitgeteilt wird, ist die erstgenannte Forderung der Fabrikanten erfüllt worden: die siesigen Fabriktöpfer sind sämtlich aus der Organisation ausgetreten, und zwar, wie es heißt, auf Geheiß der Zentralstelle ihrer Organisation. Das läßt vermuten, daß die Erfüllung der Forderung nicht ohne Hinter gedanken erfolgt ist, und eine Beilegung der Angelegenheit ist somit noch nicht sicher. Vor läufig wird jedoch weiter gearbeitet. Rhäsa bei Nossen. Ein frecher Einbruchs diebstahl wurde hier in der Nacht zum Sonntag ausgeführt. Dortselbst wurde dem Getreide händler Müller ein Pferd (schwarzbrauner Wallach mit weißem Stern) im Werte von zirka 1000 Mark, gestohlen. Der Dieb ist, nachdem er ein Fenster eingedrückt hatte, von hinten aus in den Pferdestall eingestiegen, hat dann die Türe geöffnet und das Pferd hinaus geführt. Döbeln. Die gestrige Stadtverordneten wahl ergab zum erstenmale die Wahl eines Sozialdemokraten, des Materialwarenhändlers Vieweg. Leipzig. Der 28 Jahre alte Metall polierer Köppe aus Zscherben hatte am 13. Juli aus Eifersucht die Frau Braune, mit der er ein intimes Verhältnis unterhielt, durch Messerstiche in den Hals und in die eine Hand schwer verletzt. Wegen Mordversuchs vor die Geschworenen gestellt, wurde er nach den Er gebnissen der Beweisaufnahme nur der gefähr lichen Körververletzung schuldig befunden und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Chemnitz. Ein Raubanfall beschäftigte am Freitag das hiesige Schwurgericht. Auf der Anklagebank befand sich der 1887 geborene, bisher noch unbestrafte Schuhmacher Bruno Alfred Schilde aus Zschopau, ein kleines, blasses Bürschchen. Er war beschuldigt, am Abend des 23. August auf dem Wege zwischen Krumhermersdorf uod den sogenannten „Gans häusern" den Strumpfwirker Löschner aus Krumhermersdorf, der ihm den Weg nach Zschopau zeigen sollte, von hinten überfallen, zu Boden geworfen und mit einem stumpfen Gegenstand wiederholt auf den Kopf geschlagen, sowie, um ihn am Schreien zu verhindern, Erde in den Mund gestopft und ihm aus dem Portemonnaie etwa 2 Mark Geld gestohlen zu haben. Der 35 Jahre alte L. hat darnach stundenlang besinnungslos auf der Landstraße gelegen. Der Ueberfallene, der an jenem Abend in einem Restaurant in Krumhermers dorf mit Schilde Schnaps getrunken hatte und infolgedessen stark betrunken war, wurde infolge des Üeberfalles und der Mißhandlungen mehrere Tage krank, während der Räuber nach Zschopau zurückging und mit dem erbeuteten Gelde — Skat spielte. Als er zwei Tage später ver haftet wurde, fand man an seinem Jackett noc frische Blutspuren. Der Angeklagte leugnete die Tat hartnäckig, wurde aber durch die Zeugen stark belastet. Ec wurde zu drei Jahren Gefängnis und vier Jahren Ehren verlust verurteilt. Zittau. Im benachbarten Friedersdor leistete einem Langholzfuhrwerk der Gutsbesitzer Hertelt Vorspann, während Lohnfuhrwerksbe- rtzer Gedlich den Hinteren Teil des Fuhrwerks an einer Kette lenkte. Auf der schlüpfrigen Straße geriet der Wagen ins Rutschen und die ganze Ladung schlug um. Ein 16jähriger Enkel des Gutsbesitzers Hertelt wurde erschlagen und war sofort eine Leiche. Dem Lohnfuhr werksbesitzer Gedlich wurden beide Beine zer quetscht. Zschopau. Eine gleislose elektrische Bahn zwischen Chemnitz und Zschopau beabsichtigt eine Dresdner Gesellschaft anzulegen. Die Kosten sind auf 250000 Mark reranschlagt. Buchholz. Die in Sachen des großen Brandunglücks fortgesetzt stattgefundenen Ver nehmungen haben ergeben, daß das Feuer, durch welches am Totenfestsonntag 75 Personen obdachlos geworden sind, durch Fahrlässigkeit verursacht worden ist. Der Urheber des Brandes ist ein Bäckerlehrling aus Werdau. Meerane. Der polizeilichen Auflösung verfiel eine am Montag abend im Saale des „Kuchengartens" abgehaltene öffentliche Textil arbeiter-Versammlung, die sich mit dem Crim mitschauer Streik beschäftigte. Als ein Redner ach schwerer Beleidigungen gegen die Crimmit- chauer Fabrikanten schuldig machte, wurde ihm vom überwachenden Stadtrat, Herrn Dr. Külz, das Wort entzogen. Da trotzdem der Redner noch einige Bemerkungen fallen ließ, erfolgte unmittelbar darauf die Auflösung der Versamm- ung, bevor noch eine eingebrachte Resolution zur Annahme gelangen konnte. Crimmitschau. Nach in den Kontrol- 'tationen der ausgesperrten Textilarbeiter ge machten Angaben sind von den etwa 8000 Ausständigen bis jetzt 515 Arbeiter wieder zu den alten Bedingungen in die Fabriken zurück gekehrt. Annaberg. Seit dem 19. November wird der am 5. Februar 1856 in Waldheim geborene Bürgerschullehrer Theodor Oswald Kindt vermißt. Der schon seit längerer Zeit an erheblicher nervöser Erregung leidende Ver mißte hat gegen 3 Uhr nachmittags seine Familie und Wohnung unter Umständen ver lassen, die befürchten lassen, daß ihm ein Unglück zugestoßen ist oder er sich ein Leid angetan hat. Möglicherweise irrt er in seinem unzurechnungsfähigen Zustande umher. Er ist etwa 1 in 70 cm groß, von mittelkrästigec Gestalt, hat bleiches Gesicht, meliertes Haar, ergrauenden blonden Vollbart. Seine Kleidung bestand aus rehbraunfarbigem Winterüberzieher, hellgrauem Schößenrock, dunkelgrauer Hose, dunkelbraunem Plüschhut, Schnallenstiefeletten, Gummischuhen u. s. w. Der Vermißte trägt goldene Brille und Trauring mit der Gravierung ,M. L. V. 28. 8ep>r. 1886", sowie eins wertvolle, goldene Taschenuhr, Anker-Remontoir- uhr, aus dem Glashütter Werk „Union" mit der Gehäusenummer 46523. Für Ermittelung beziehentlich Auffindung des Vermißten, dessen Photographie bei den Polizeibehörden eingesehen werden kann, ist eine Belohnung von 100 Mk. ausgesetzt worden. Aus dem Vogtlande. Seit Sonntag erschwert ein dichtes Schneewehen den Verkehr. Infolge Verwehungen mußten bereits Kom munikationswege für den Fährverkehr behördlich gesperrt werden. Im oberen Vogtlande liegt der Schnee ebenfalls beträchtlich hoch. Plauen i. V. Wenige Stunden vor Be gehung der silbernen Hochzeit erlag die Gattin des Stickmaschinenbesitzers Müller hier einem Schlaganfall. Die Feier war auf das beste vorbereitet. Der Jubilar halte noch einen Weg zu besorgen, als er heimgekehrt war fand er seine Gattin als Leiche vor. — Unter den Wählern des 23. sächsischen Landtagswahlkreises herrscht Entrüstung gegen den Abgeordneten Günther, weil er die Adresse der Zweiten Kammer für König Georg zu unterschreiben sich geweigert hat. Die Wähler fordern in dem Amtsblatt den Abgeordneten Günther auf, sein Landtagsmandat recht bald in die Hände der Wähler zurückzugeben,