Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001228013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900122801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900122801
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-28
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'PreiS b> der Hauptexpedition oder de» 1« Gk-db- bezirk und de» Vororten errichtete» Aus gabestelle« 'bgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: Vierteljahr!. ü. Man avmnurt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schwede» und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egnpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch dir. Expedition dieses Blatte- möglich. Die Morgen-AuSgabe erscheint um Uhr, die Lbeud-Äu-gabe Wochentag- um 5 Uhr. Ue-artion und LrpeLitiou: Jvhanni-gaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'- Sortim. Umversitätsstraße 3 (Paulinum), Lvui- Lösche, Katharinenstr. 14, part. und LüoigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. MMer TagMalt Anzeiger. ÄmtsölE des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mattzes nnd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Atuerapn-Prei- - dle «MMeM «Petitzeilc > Reklamen unter dem Nedaction-strich (4 gespalten) 75 vor den Familiennuch- richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Zifferiisatz entspreche»!) höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne PostbesSrderung ^l SO.—, mit Postbesördrrung ^l 70.—. Annahmeschlnß fiir Anreizen: Ab end-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- i» Leipzig. 6Z8. Freitag den 28. December 1900. 94. - " - — Die deutsche Marine im Jahre 19VV. D. Ein bedeutsames und ereignißreiches Jahr war daS seinem Ende nahe für unsere Marine. Bedeutsam war es insofern, als durch das Flottengesetz vom 14. Juni eine erhebliche Ver mehrung und der planmäßige Ausbau der deutschen Seestreit- träfte gesichert wurde. Besonderes Gewicht ist auf die Schaf fung einer großen Anzahl Linienschiffe gelegt worden, weil diese die höchste Gefechtskraft in sich vereinigen und sie den Kern einer militärischen Macht zur See bilden. Nach dem in diesem Jahre geschaffenen F l o t t e n g e s e tz e soll die deutsche Flotte auf 38 Linienschiffe, 14 große Kreuzer, 38 kleine Kreuzer und 96 Torpedoboote gebracht werden. Die volle Kraft des Flotten baues wird zwar erst nach einer ganzen Reihe von Jahren er reicht sein und ebenso wird der geplante Personalbestand von rund 2000 Seeofficieren und 50 000 Mann nur allmählich er reicht werden, aber wir haben die Gewißheit, daß die Kraft und Leistungsfähigkeit unserer Flotte von Jahr zu Jahr sich ver mehrt und sie den wachsenden Anforderungen, welche die Zukunft stellt, nachzukommen vermag. Die mit der Annahme des Flottengesetzes von 1898 be gonnene Reorganisation wurde in diesem Jahre fort geführt. Die Einrichtung einer besonderen, der Inspektion des Bildungswesens unierstehenden Direktion der Marineakademie wurde durch die wachsende Bedeutung der Akademie nothwendig. Ilm den aus Süddcutschland stammenden jungen Leuten den Eintritt als Seccadett zu erleichtern, wurden fiir die Schüler bayerischer, württembergischer, bavenser unv elsaß-lothringischer Lehranstalten leichtere Eintrittsbedingungen geschaffen. Die Neuorganisation des Ingenieur- und Maschinen-Personals trennt die Jngcniciirlaufbahn von der Laufbahn der Maschi nisten und hebt die Kategorie der Feuermeister auf. Die Ein- fübrung der neuen Militärgerichtsbarkeit beseitigte die Marine auditeure und setzte Marinekriegsgerichtsräthe und Marine- oberkriegsgerichtsräthe an ihre Stelle. Auch die Ernennung be sonders befähigter und geeigneter Schiffsjungen zu Leicht matrosen ist ein Fortschritt in der Beschaffung eines guten Aus bildungspersonals. Vom Stapel gelaufen sind sieben Schiffe, nämlich die Linienschiffe „Kaiser Barbarossa" und „Wittelsbach", der große Kreuzer „Prinz Heinrich", sowie die kleinen Kreuzer „Thetis", „Ariadne", „Amazone" und „Medusa". In den Namen der kleinen Kreuzer leben die Namen von Schiffen der alten preußischen und norddeutschen Marine wieder auf. Der Kriegsschiffbau ist Dank dem Zustandekommen des Flottengesetzrs so rege, wie nie zuvor. Auf den Halligen der Reich'- und Privatwerften befinden sich 6 Schiffe im Bau, und zwar 4 Linienschiffe, 1 großer Kreuzer und 1 Kanonenboot. Von den Reichswerften baut die Wilhelmshavener besonders Linienschiffe, die Kieler große Kreuzer und die Danziger kleine Kreuzer und Kanonenboote. Außerdem sind 4 Privatwerften, Schichau-Danzig, Vulcan-Stettin, Germania-Kiel und Blohm und Voß-Hamburg zum Linienschiffsbau herangezogcn worden, während die Weserwerft-Bremen mehrere kleine Kreuzer baute. Das I. Geschwader machte unter dem Befehl des Vlce- admirals Hoffmann im April eine Uebungsfahrt nach dem östlichen Theile der Ostsee und im Mai eine dreiwöchige Uebungs fahrt nach der Nordsee. Auf dieser Reise wurden Lerwick auf den Schetlandsinseln und Bergen berührt. Anfang Juli erhielt die „Brandenburg"-Division Befehl, unverzüglich nach China abzugehen. Sie schied deshalb aus dem Geschwaderverbande aus, so daß die heimische Schlachtflottc erheblich vermindert wurde und eigentlich nur aus einer Division bestand. Die Flottenübungen verloren in Folge des Ausscheidens der Hauptkraft denn auch an Bedeutung; sie wurden von Mitte August bis Mitte September abgehalten. Am 29. September übernahm der aus Ostasien zurückgekehrte Prinz Heinrich das Commando des I. Geschwaders. Unter seiner Führung fand im December dieses Jahres eine Winterreise nach Laurwick in Norwegen statt. Die Panzerkanonenboots-Re- servedivision in Danzig wurde aufgelöst und an ihre Stelle trat die Küstenpanzer-Reservedivision. Auch die Rheinfahrt einer unter dem Befehl des Capitän« leutnants Funke stehenden Torpedobootsdivision mag erwähnt werden. Sie hat sicherlich dazu beigetragen, das Interesse für die Marine m den von der Division berührten Orten zu beleben. Im auswärtigen Dienste hat die Marine große Auf gaben zu erfüllen gehabt und sie glänzend gelöst. Im Februar übernahm Viceadmiral Bcndemann den Befehl über das Kreuzer geschwader in Ostasien und reichlich drei Monate später brachen unerwartet die Wirren in China aus, welche große An forderungen an die Marine stellten. Die folgenschweren Er eignisse sind noch in Aller Erinnerung, so daß ein näheres Ein gehen darauf nicht erforderlich ist. Der fehlgcschlagenc Ent- sahzug des Admirals Seymour, die Feuertaufe des Kanonen bootes „Iltis", die Niederkämpfung der Takuforts, der Entsatz Scymour's, die heldenmüthig- Vertheidigung der deutschen Ge sandtschaft und der Entsatz Pekings werden allezeit unvergessen bleiben und die Namen der Capitäne zur See v. Usedom und Pohl, des Corvettencapitäns Lans und des Oberleutnants Graf v. Soden, von denen die letzten Beiden mit dem Orden porir le merite ausgezeichnet wurden, werden mit hohen Ehren immerdar genannt werden. 46 Officiere und Mannschaften starben im Kampfe mit den Boxern und chinesischen Truppen und 98 wurden schwer verwundet. Auf die ersten Nachrichten von den Kämpfen in China begann auch die Entsendung von Verstärkungen. Di« beiden Seebataillone wurden mobil gemacht und in voller Kriegsstärke nach China gesandt. Der Panzer kreuzer „Fürst BiSmarck", die Kanonenboote „Tiger" und „Luchs", der Kreuzer „Bussard", die „Brandenburg"-D!vision unter Contreadmiral Geißler und drei große Torpedoboote wurden von der Heimath auS nach China gesandt. Kreuzer „Geier" wurde von Amerika, „Schwalbe" von Ostafrika und „Seeadler" von Australien nach China beordert, so daß in kurzer Zeit 22 deutsche Kriegsschiffe in Ostasien versammelt waren. Den Kriegsschiffen folgte auf 18 größeren Transport dampfern eine auS rund 20000 Mann bestehende Landstreit, kraft, welche jetzt mit Erfolg in China operirt, während die Marine ihre Mannschaften an Bord der Schiffe zurückgezogen bat. Die Marineverwaltung kann die Zahl der in Ostasien be findlichen Kriegsschiffe erst dann reduciren, wenn die Zustände in China sich gebessert haben, insbesondere wird «in« Heim berufung der „Vrandenburg"-Division gewünscht. In Wrstafrkka find die Kanonenboote „Wolf" und „Habicht" stationirt, in Ostafrika kreuzt der „Condor", der Anfang Januar die Heimreise antreten soll. Auf der a u st r a- lischen Station sind der Kreuzer „Cormoran", welcher am 1. März in Samoa die deutsche Flagge Hißte, und das Ver messungsschiff „Möwe", und. an der Ostkllste Mittel amerikas kreuzt die neue „Vineta", während die „Loreley" nach wie vor in Konstantinopel liegt. Ein schweres Unglück traf unsere Marine durch ven Untergang des Schulschiffes „Gneisenau", welches am 16. December in der Bucht von Malaga strandete, total verloren ging und 41 braven Seeleuten, darunter dem'Kommandanten, dem ersten Officier und dem leitenden Ingenieur ein nasses Grab be reitete. In treuer Pflichterfüllung fauven sie ihren Tov. Die Opfer, welche unsere Marine gerade in diesem Jahre an Menschenleben hat bringen müsse», sind besonders groß. Viele starben im Kampfe unter der Kriegsflagge, Viele erlagen fern der Heimath in Feindesland Seuchen und Krankheiten und nicht minder Viele sind im Sturme dem Meere zum Opfer gefallen. Aber durch die Art, wie deutsche Matrosen zu kämpfen, zu siegen und auch zu sterben wissen, haben sie die Anerkennung der ganzen Welt gefunden. Möge es unserer Flotte niemals an dem Geiste und der Thatkraft fehlen, welche sie besonders in diesem Jahre aus gezeichnet haben. Die Wirren in China. Nachrichtcn-brpcvition des Tentsckcii Flottcn-BercinS. Winter - Vorbereitungen. Die Verhältnisse in Peking. * Peking, 2. November. Zur Zeit ist hier eine allgemeine Ruhe eingetreten. Die Truppen, welche den Winter über hier nicht bleiben sollten, sind abmarschirt, die anderen richten sich so gut wie möglich in den Quartieren für den Winter ein, wobei in erster Linie der Ofen eine Hauptrolle spielt. Die Chinesen haben in ihren Papierhäuschen zwar auch Oefen, doch sind dies nur ofenartige Kohlenbecken, die dann die Gase in das Zimmer lassen, was einmal unangenehm und dann auch höchst ungesund ist, doch woran gewöhnt man sich hier nicht, wie der Russe „Nitschewo" sagt, sagt man hier „Maski", d. h. „Es macht nichts". So baut denn Alles Ocfen, wenn nämlich eine cwmpagnim so glücklich ist, einen Töpfer oder «inen ähnlichen Mann zu haben, der weiß, wie ein Ofen gebaut werden soll, auch manche Officiere entwickeln plötzlich ungeahnte Talente im Bau von Oefen und steinernen Wänden, und wenn ersterer rauchen sollte, sagt man sich wieder „Maski". Da die meisten der chinesischen Häuser drei Wände aus Holz mit Papierverkleivung haben, so hat man sich nach Möglichkeit bemüht, diese durch Stcinwänve zu ersehen, so daß die Herren Maurer unter den Soldaten ein wenig flinker als zu Hause arbeiten müssen, um Allen gerecht zu werden. Der einzige hier vorhandene Ofen-Laden von Kierulf hat natürlich alle seine Oefen zu hohen Preisen abgesetzt, eine La dung, die von Shanghai aus unterwegs ist, ist auch schon im Voraus zumeist vergriffen, obwohl rin einfacher eiserner Ofen nicht unter 50 Dollar zu haben ist. (!!) DaS erste Bataillon des ersten Ostasiatischen Infanterie-Regiments, das zum Theil bis jetzt in Shanghai gelegen hatte, wird hier erwartet und hat das Glück, wieder in gutes Quartier, d. h. in den Kaiser-Palast, zu kommen. Da dies aber nur die Sommerresidenz ist, wo auch der Marschall wohnt, so fürchten wir Alle, daß es dort trotz theilweiser unterirdischer Heizung bei der freien Lage sehr kalt werden wird. Heute Nacht war es schon so kalt bei allerdings klarem Himmel, daß das Wasser gefroren war; der Chinese hilft sich dadurch, daß er sich bei jedem Kältegrad einen Rock mehr überzieht, so daß er eine unförmige Masse bildet. Das können aber doch die Truppen nicht nachmachen. Anfang der Woche kam auch der österreichisch-ungarische Ge sandte von Tientsin hier an. Da seine Gesandtschaft völlig niedergebrannt ist, so hat er vorläufig in der deutschen Gesandt schaft Unterkunft gefunden. Der international« Club, dessen Bil dung neulich beschlossen wurde, hat bei seiner ersten Berathung über seinen Zweck leider keine völlige Einigkeit gefunden, wenig stens haben sich die Herren Diplomaten der Sache gegenüber ab lehnend verhalten, so daß fürs erste die Officiere allein die Sache in die Hand nehmen werden. Neulich Morgen wurden wir durch einen Knall erweckt, daß wir glaubten, die Chinesen hätten irgend eine Mine angezündet. Die Sache stellte sich aber nachher als ziemlich harmlos heraus, indem im kleinen Arsenal, in welchem deutsche Truppen einquartiert sind, ein braver Soldat ein Streichholz nichtsahnend in einen Prohkasten geworfen hatte, in dem sich noch Pulvrr be fand. Dieses verstand keinen Spaß und ging in die Luft und mit ihm noch einige benachbarte Kästen und Geschosse, ohne jedoch Schaden anzurichten, außer dem Attentäter die Haare zu ver sengen. Der neue Präfect, Herr Auditeur Gelbke, zuletzt Richter in Hamburg, ist auch hier in Peking eingetroffen. Er ist lange Zeit in Tsingtau gewesen, spricht aber leider nicht chinesisch, und da er vorläufig noch keinen Dolmetscher hat, die jetzt sehr schwer zu erhalten sind, so ist er in einer schwierigen Lage. Von der Per sönlichkeit des Präfecten hängt sehr viel ab, denn zu groß- Strenge den Chinesen gegenüber ist zur Zeit hier in der Stadt nicht angebracht, während zu große Milde wieder für uns die schlimmsten Folgen haben kann. Augenblicklich geht Niemand ohne Revolver auS, obwohl es sehr selten vorkommt, daß ein Chinese «inen Europäer angreift. Ist man Nachts gezwungen, irgendwie auszugehen, so ist dir Mauserpistole der unvermeidliche Begleiter, auch geht man nie allein, ein Kuli mit der Laterne und mindestens ein bewaffneter Mann begleitet «inen. Ist man Gast einer Messe, so erhält man dort stets eine Patrouille mit. Alle Augenblicke ertönt ein Schuß durch die stille Nacht, wer weiß, ob auf einen halb verhungerten Hund, der sich einen fetten Bissen erstehlen wollt«, oder auf einen Chinesen, der sich auf ver botenem Wege befand. Man selbst muß sich vor Allem vor dem europäischen Posten in Acht nehmen. Kommt man bei einem solchen vorbei und steht nicht bei Anruf sofort Rede und Ant wort, so kommt gleich «in blauer Böhnchen geflogen. Auf der Etappenstraß« von Tientsin nach Peking wurde dieser Tag- wieder ein japanischer Officier mit zerschnittenem Hakfe todt aufgefunden. Wahrscheinlich war er allein geritten, war gestürzt, konnte nicht weiter und war dann von den stet- im Kauljang — der die Straße einzäunt — sich aufhaltenden Boxern ermordet worden. Die Etappen liegen noch zu weit auseinander, 25—30 Kilometer, so daß cs für einen Einzelnen stets gewagt bleibt, die Tour zu machen. Die Etappen sollen für den Winter stärker besetzt werven, auch müßten Cavallerie-Patrouillen die Straße ständig absuchen. Ans der Westseite der Stadt war heute schon im französischen Viertel großer Markt, wo man viele der geplünderten und wieder verkauften Sachen erstehen kann, insbesondere Pelze. Allerdings sieht man di« Sikhs nicht mehr, die noch bis vor Kurzem in Mengen durch vic Straßen zogen und geplünderte Sachen, vor Allem seidene Sachen feilboten. Auch die Auktionen darin haben jetzt aufgehört, da jegliches Wegnehmen nunmehr streng verboten ist und selbst das Requiriren nicht mehr erlaubt wird. Die schönen klaren Tage des Herbstes werden jetzt dazu benutzt, um noch den Ausflug nach dem berühm ten Sommerpalast des Kaisers zu machen, der ca. 14 Kilometer nordwestlich der Stadt an den Bergen liegt, die in stolzer Kette im Westen der Hauptstadt 'sich entlang ziehen. Heute machte das Officiercorps des 2. Seebataillons einen Ritt dorthin, dem ich mich anschloß. Der Palast, der mit seinen Kamen, seinen Tem peln und Pagoden etagenweise am Berge aufgebaut ist, davor ein großer See, gewährt einen Anblick, wie man ihn sich schöner und auch «igenartiger nicht denken kann. Der See, ein in China bis jetzt ungewohnter Anblick, wenigstens mit Wasser, trägt das berühmte Marmorboot, d. h. eine mächtige, nach Art der Haus boote eingerichtete marmorne Dschunke, die an einer festen Brücke liegt, so daß man wirklich glauben kann, auf einem Boote zu sein. Dasselbe ist ca. 30 Meter lang, 8 Meter breit und hat zwei aus Holz aufgebaute Stockwerke. Am andern Ende des Sees befinden sich mehrere wirkliche Boote, darunter auch ver schiedene Dampfyachten, theils mit Rad-, theils mit Schrauben betrieb, cs war nur Schade, daß sie keinen Dampf auf hatten, wie gerne wären wir spaziren gefahren. Das Befinden des Marschalls ist ein sehr gutes, er hat sich nun eine eigene Messe eingerichtet, so lange hatte er mit allen Herren seines Stabes zu sammen gegessen. Jetzt ladet er immer einige Herren desselben zu sich ein. Heute Abend hat der Marschall alle zur Zeit hier anwesenden Bayern zu einem bayerischen Abend eingeladen, was die bayerischen Herren, die hier sehr Zusammenhalten, mit Stolz rnd Frer de -«füllt. * Berlin, 27. December. („Wolff'S Telegr. Bureau".) Feldmarschall Graf Waldersee meldet aus Peking: Bei Nangtientsien wurde am 15. December Oberleutnant Cremer durch einen Säbelhieb über die Hand verwundet. Durch schwere Brandwunden sind Major Heine und HauptmannSchäffer verletzt worden. Alle gehören dem 3. Regiment an. (Wiederholt.) Der Krieg in Südafrika. Tie Lage in der Capeolonic läßt sich leider noch nickt objektiv beurtbeilen, da die Berichte der letzten Tage sich widersprechen. Nach der einen Version gilt die Sacke der Dorren für verloren, nach der anderen steht sie vorzüglich. So wird uns berichtet: * Kapstadt, 27. December. („Neuter's Bureau".) Eine kleine Boerenabtbeilung bat am 24. December BurgberS- dorp angegriffen, ist jedoch nach einem heftigen Gefeckt zurück- gescklagen worden. Der Feind entfallet eine große Tbätig» leit; Scharmützel werden auS verschiedenen Plätzen berichtet. Capstädter Privatmelcungen dagegen besagen: Die Boeren dringen siegreich in der Eapcoloiiie vor und halten da« gesammte Babnnetz östlich bis Stormberg, nördlich bi- Cradock und westlich bi- Victoriawest beseht. Sie scklugen und trieben die angreifenden Engländer bei BurgberSdorp zurück und nakmen eine Schwadron Aeomanry bei Britistown gefangen, griffen auch De Aar an. Der englische General Element- wurde wiederum geschlagen. Der Boeren- general Delarey hält sämmtliche Hauplstellungcn beim Maga- liesberge besetzt. Kitchener kehrt eiligst nach dem Norden zurück, weil die Lage der Engländer in Bloemfontein und Pretoria wieder bedroht und die Verbindungen zwischen Bloemfontein und Johannesburg dauernd unterbrochen sind. * JohanncSbnrg, 25. December. („Neuter'S Bureau".) Lord Kitchener hat eine Proklamation erlassen, nach der allen Burghers, die sich freiwillig ergeben, gestattet wird, mit ihren Familien indenLagerplätzender Regierung zu leben, bis die Kriegslage eine solche geworden sei, daß sie zu ihren Heimstätten zurückkehren können. Alles Eigenthum soll geschont und, wenn cs requirirt wird, bezahlt werden. (Wiederholt.) «ute Zuversicht der Boeren. Von einem deutschen Mitkämpfer wird dem Frank furter „Generalanzeiger" geschrieben: Krieg kostet Gelv, Gelv und nochmals Geld und „jeder Brunnen schöpft sich aus", denkt man in Europa und bedauert die Boeren, die aus diesem Grunde doch bald aushören müßten. Bewahre! Der Boer, dessen Farm verbrannt, dessen Vieh ge raubt und dessen Frau vertrieben, todt oder geschändet ist, hat „seine Sach' auf nichts gestellt", für ihn ist Geld zur Krieg führung nicht nöthig. Was er braucht, holt er sich zum Ueber- fluß von den Engländern. Nimmt's ihm dieser heule wieder ab, holt er sich's morgen wo anders wieder. Bei seiner unglaublichen Bedürfnißlosigkeil genügt ihm getrocknetes Fleisch und Maismehl, das ihm bereitwillig jeder Kaffer bringt, völlig zum Lebensunter halt. Aus dem Mehl bäckt er sich Fettkuchen. Eine Feldbäckerci braucht er dazu nicht, denn überall finden sich natürliche Back ofen in Afrika: die Termitenhügel. In einem solchen harten Ameisenbau wird unten in den Gängen Feuer gemacht, oben darauf legt man einen flachen Stein, auf den das Mehl mit etwas Hammelfett kommt, und bald ist daS Mittagessen fertig. Dazu lassen wir unt dann meistens die schönen englischen Kon serven schmecken. Mitunter giebt e» ganze Wagenladungen von Spargel und süßem Eingemachten. Aber auch ohne daS, was den Briten abgenommen wird, hat noch kein Boerencommando jemals zu hungern brauchen. An Munition fehlt es niemals. Unsere schönen Mausergewehr« sind, für die Briten unauffind bar, «in ge graben. Die ganze Armee der Boeren ist jetzt mit den Briten abgenommenen Mar tini-Henry- und 'Lee -Metford- Gewehren ausgerüstet, für die jeder Ut verfall einer englischen Feldwache reichlichen Munitions ersatz schafft. Wenn der Engländer zu laufen ansängt, wirft er immer seine ganze Munition weg. Der Boer aber ist damit sehr sparsam. Mit hundert Patronen kommt er sehr lange aus, denn er schießt nur dann, wenn et sicher ist, daß die Kugel auch 'sitzen wird, nicht so ins Blaue hinein, wie Tommy Atkins. Daß das humane Mausergewchr jetzt außer Dienst gestellt ist, spüren die Briten zu ihrem lebhaften Mißvergnügen, denn die Lee-Metfords reißen gründliche Löcher. Sie tragen ja nicht so weit, aber über 1000 Meter hinaus schießt der Boer doch sowieso nie. Die Pferde endlich werden ebenfalls aus den eng lischen Beständen ergänzt. Es ist merkwürdig, wie die abge' triebensten englischen Pferde bei den Boeren bald speckfrtt werden. Das kommt daher, weil vie Engländer kein Herz für ihre Thicre haben, oder auch ihre Behandlung nicht verstehen, da sie ihre In fanterie beritten machen, die gar keinen Pferdeverstand hak. Diese berittenen Infanteristen trotten stundenlang mit ihren Gäulen umher, ohne ihnen Gelegenheit zum Stehenbleiben auch nur auf zwei Minuten zu geben, wodurch sie natürlich bald ruinirt werden. Deutsches Reich * Berlin, 27. December. Die Toleranz der bayerischen Eentrumspartei wird in einem den „Derl. N. N." aus Bayern zugegangenen Briefe in belles Lickt gerückt. Der Bries lautet: DaS große Schaustück im Reichs tage, genannt „Toleranzantrag", wurde unter besonders zahl reicher Mitwirkung der Abgeordneten aus Bayern ausgesübrt. Vielleicht sollte damit dem protestantischen Norden bewiesen werden, daß gerade in Bayern, wo die Bevölkerung ver- bältnißmäßig stark consessionell gemischt ist, dtr Katbo- liciSmuS zu den Grundsätzen wahrer Toleranz durch gedrungen sei. In Bayern selbst läßt sich durch dis Friedensschalmeien wobl Niemand täuschen. Die katho lische Kirche ist hier so unduldsam wie irgendwo, und wenn es wegen gemischter Eben, wegen kirchlicher Begräbnisse »c. nicht täglich Conflicte giebt, so ist dies nicht dem toleranten Sinne der Geistlichkeit, sondern dem gutmüthigen Sinne ded Bevölkerung und dem Umstande gut zu schreiben, daß die äußeren Verhältnisse der Kirchen zu einander nnd zum Staate in der bayerischen Verfassungineiner grobe Intoleranzexcesie aus schließenden Weise geordnet sind. Wie in, einzelnen Fall die Toleranz von Seite des Centrums gehandhabt wird, dafür geben neuerdings wieder die Aeußerungen der Parteipresse über die Besetzung des Posten- eine- Vorstände- des Gehrim- cabinetS des Prinzregenten einen Beleg. In diese Stellung, welche seit der Regentschaft des Prinzen Luitpold stets durch die Generaladjutanteik des Regenten versehen wird, wurde nach dem Tode des Generalleutnant v. Zoller ein langjähriger Flügeladjutant und persönlicher Vertrauter de- Rezenten, General v. Wiedenmann, berufen, v. Wiedenmann gilt als politisch vollkommen neutral. Aber er ist Protestant, während seine Vorgänger Katholiken waren, und dieser Um stand fällt den Klerikalen schwer auf die Nerven. „Der jüngste Wechsel im Geheimcablnet", schreibt z. B. die „Pfälzer Zeitung", „wirft «in scharfe- Schlaglicht auf eine Mit- theilung, welche jüngst durch die Blätter ging, aus die Mittheilung nämlich, das Ministerium hab» durch Sondirungen erfahren, daß keine der beiden großen Parteien de- Landtag» geneigt sei, zur bevorstehenden 80. Geburt-feier de» Regenten eine besandek« finan zielle Ehrung zu bewilligen. Die Nachricht ging unwidersprochen durch die Zeitungen und dürste wohl wahr sein. That- sächlich entspricht sie auch einem im Lande weitverbreiteten Gefühle. Der jüngste Wechsel i» der Geheimkanzlei ist nur geeignet, diese Volksstimmung zu befestigen. Der König hat da» Recht, seine Minister frei zu wählen. Dasselbe Recht steht dem Regenten zu . . . Ebenso Hot der Regent da- »olle Recht, sich seine Um gebung und seine näheren Rathgeber nach eigenem Geschmack frei zu wählen. Es läßt sich aber nicht verhindern, daß die Volksstimmung sich über den Charakter dieser Dahl ein Urtheil bildet." Die „Pfälzer Ztg." erinnert dann an die vorwiegend protestantische Umgebung Max II. und daran, daß in Bayern in der näheren Umgebung des Regenten sich keine Persön lichkeit befinde, durch welche die Wünsche, Ansichten und Auffassungen der katholischen VokkSmebrbeit an da- Ohr der Allerhöchsten Person kommen könnten. Für normal werde man diesen Hustand nirgend- halten. Auch die Gesinnung des größten Theile- der vrotestantischen Bevölkerung habe keine Vertretung in der Umgebung de- Regenten. Die betreffenden Persönlichkeiten repräsentirten vielmehr durchweg den gewöhnlichen Beamten- und Officier-» LiberaliSmus, vielleicht mit einer schwachen WenxuNg in da« Freiconservative. „Berücksichtigt man d«ese Verhält nisse", so schließt da« Blatt feine Ausführungen, „so ergiebt sich deutlich, daß zwischen der Umgebung de» Regenten und der Stimmung der übergroßen Mehrheit de« bayerischen Volke- eine tiefe Kluft besteht und daß sich dieses Volk von einer Vertretung im engeren Rathe der Krone aus geschlossen sieht. Vielleicht hängt e- damit zufammen, daß da- Ministerium bei seinen oben erwähnten Sondirungen wenig Entgegenkommen gefunden hak. Die alte Bayerutrene und di« allgemeine Verehrung gegen Se. K. Hoheit den Prinzregenten werden dadurch keinen Schaden leide», aber die Volksstimmung läßt sich auch nicht künstlich heeinstaffen." Entkleidet man diese Auslassungen der „Pfälzer Ztg.", die al« eine gemäßigt klerikale gilt, de- diplomatischen Beiwerk«, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß eine „finanzielle" Ehrung de« Priazrrgentea, d. b. wohl ei» Beitrag au- Lande-mitteln zu der Iubiläum-stiftung, in- Wasser gefallen sei, weil der Regent e« gewagt, rineu Protestanten zn seinem Generalabiutanten zu wählen. Da- klerikale Manöver scheint um so kecker, al- memal- eine Einberufung de« Land tag» zum Zweck einer „fiuanziellen Ehrung" geplant war.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite