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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000921015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092101
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-09
- Tag 1900-09-21
-
Monat
1900-09
-
Jahr
1900
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Auf der nächsten, viel schmälern Stufe liest man: „Handwerkerstand", auf dem folgenden Stein steht: „Handel", auf dem höheren und kleineren: „Gelehrte", sann kommt ein kleiner, welcher die Ritterschaft darstellt, darüber steht die Geistlichkeit, und das Ganze krönt der Stein des Königs. Diese früheren Anschauungen entsprechende Bedeutung der ein zelnen Stände für das Ganze hat sich doch im Laufe der Zeit verändert. Heute vereinigen sich die verschiedenen Berufe, um gemeinsam wirthschaftliche Zwecke zu verfolgen, indem sie sorgen, daß sie für ihre Einfuhr und Ausfuhr günstige Zollverträge er zielen, günstige Land- und Wasserfrachten und Straßen für ihre Transporte, weniger aber streben sie eine Anerkennung als be sonderer Stand, ein Sonderrecht an. Der Grundsatz, das; vor dem Gesetz Jedermann gleich ist, ist aller Welt in Fleisch und Blut übergegangen, und es fällt heutzutage nur noch Wenigen ein, ein besonderes Standesrecht anzustreben. Selbst die viel erwähnte Standes- oder Berufsehre ist nicht ein Vorrecht dieses oder jenes Standes, sondern jeder Stand hat seine eigene Ehre, die eben, wie die Verschiedenheit des Berufes, eine sachgemäß verschiedene Anwendung desselben Gedankens erforderlich macht. Unser Recht ist nicht mehr gegenüber den Personen verschieden, sondern gegenüber den Verhältnissen. Eine Folge dieser Entwickelung ist, daß auch das Sonder recht der Militärpersonen nach und nach einen immer geringeren Umfang einnimmt. Seine praktisch wichtigste Bedeutung ist die den Militärpersonen in den meisten deutschen Bundesstaaten eingeräumte Steuerfreiheit. Die Unterschiede im bürgerlichen Rechte sind größten Theiles beseitigt. Schon das Reichsmilitär gesetz vom 2. Mai 1.874 hob die Beschränkungen auf, welche die Landesgesehe für Vie Militärpersonen enthielten hinsichtlich der Erwerbung, Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Ebenso, wie jeder andere Bürger, kann heute ein Offficier, ein Unterofficier oder ein Gemeiner ohne Genehmigung seiner Vor gesetzten sich ein Haus kaufen oder es verkaufen. Gewisse Be schränkungen bestanden noch hinsichtlich der Darlehnsfähigkeit der Militärpersonen nach mehreren Landesrechten, insbesondere auch nach preußischem Landrecht. Diese sind durch das Bürger liche Gesetzbuch als aufgehoben anzusehen, da sie dort nicht wiederholt sind. Auch die Wechselfähigkeit der Personen des Soldatenstandes ist bekanntlich eine unbeschränkte. Einige noch bestehende Sondervorschriften treffen Militärpersonen und Beamte gemeinsam; dahin gehört das Recht, im Falle der Versetzung nach einem anderen Orte die Miethswohnung zu kündigen, welche die Militärpersonen für sich oder ihre Familie in der bis herigen Garnison oder in ihrem Wohnorte gemiethet haben, und zwar unter Einhaltung lediglich der gesetzlichen, d. i. vierteljähr lichen Kündigungsfrist, selbst wenn im Vertrage eine längere Kündigungsfrist vereinbart sein sollte. — Ebensowenig wie ein Beamter kann eine Militärperson ihr Gehalt bis 1500 jährlich einer andern Person a b t r e t e n. Das überfchießende Gehalt kann er nur zum 3. Theil abtreten. Auch zwangsweise rann ihm nicht mehr als dieses eine Drittel gepfändet werden. Zur Eheschließung bedürfen die Militärpersonen der Genehmigung ihres Vorgesetzten, also die Rekruten von dem Tage, an welchem ihre Verpflegung durch die Militärverwaltung beginnt, Einjährig-Freiwillige vom Zeitpunct ihrer definitiven Einstellung in einen Truppentheil, die Capitulanten vom Beginn der abgeschlossenen Eapitulation, die Officiere, Aerzte und Militärbeamten vom Tage ihrer Anstellung, sämmtlich bis zum Zeitpunct ihrer Entlassung aus dem Dienst. Auch die vorläufig in die Heimath beurlaubten Rekruten und Freiwilligen, nicht auch die übrigen Personen des Beurlaubtenstandes, bedürfen zur Verhcirathung der Genehmigung der Militärbehörde. Wer ohne die erforderliche dienstliche Genehmigung sich verheirathet, wird nach dem Militärstrafgesetzbuch mit Festungsstrafe bis zu drei Monaten bestraft und kann zugleich auf Dienstentlassung erkannt werden. Auf die Rechtsgiltigkeit der geschlossenen Ehen ist der Mangel der dienstlichen Genehmigung ohne Einfluß. Nach geschehener Mobilmachung ist die Heirath gleich falls noch zulässig. Halten sich die Verlobten noch innerhalb des deutschen Reiches auf, so hat die Eheschließung vor dem Standesbeamten nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen. Aber auch schon, wenn der Soldat sich jenseits der Grenze des deutschen Reiches befindet, bleibt ihm die Heirath möglich. Die Divisionskommandeure sind ermächtigt, einem oberen Miliiärbramten die Befugnisse eines stellvertretenden Standesbeamten zu übertragen. Diesem sind die Bescheinigungen über das erfolgte Aufgebot oder die geschehene Dispensation vom Aufgebot vorzulegen, worauf er in der üblichen Weise die Eheschließung entgegennimmt. Wird eine lebensgefährliche Krankheit, welche einen Aufschub der Eheschließung nicht gestattet, ärztlich bescheinigt, so kann der Militärbeamte, ebenso wie jeder Standesbeamte, auch ohne Aufgebot die Eheschließung vor nehmen. Dem zuständigen Standesbeamten ist unverzüglich Mittheilung durch Uebersendung einer Abschrift der Heiraths- urkunde zu machen. Ebenso ist von den nach der Mobilmachung innerhalb oder außerhalb des deutschen Reiches eintretenden Sterbefällen demjenigen Standesbeamten Anzeige zu machen, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz gehabt hat. Die wichtigsten Sonderbcstimmungen für Militärpersonen sind die Vorschriften über die Errichtung von Testamenten. Sie gelten „in Kriegszeiten oder während eines Belagerungs zustandes", sobald die Militärpersonen ihre Stammquartiere oder ihre bisherigen Wohnorte verlassen haben oder darin angegriffen oder belagert werden. Letztwillige Verfügungen der Militär personen können natürlich in derselben einfachen Weise errichtet werden, wie nach dem Bürgerlichen Gesehbuche Testamente von Jedermann, nämlich in einer eigenhändig geschriebenen und unter schriebenen Urkunde. Bei Soldaten-Testamenten ist es zulässig, das Testament von anderer Hand schreiben zu lassen, es aber eigenhändig zu unterschreiben und von zwei Zeugen oder einem Auditeur oder Officier mit unterschreiben zu lassen. Es ist auch ein mündliches Testament möglich, welches einem Auditeur oder Officier im Beisein eines zweiten Auditeurs oder Officiers, oder, statt dessen, zweier beliebiger Zeugen erklärt und von dem Auditeur oder Officier niedergeschrieben, vorgelesen und von den anwesenden Personen unterschrieben ist. Ist eine Militär person verwundet oder krank, so haben gleiche Befugnisse wie Auditeure und Officiere, die Militärärzte oder höheren Lazarcth- beamten und die Militärgeistlichen. Zu beachten ist hierbei je doch, daß diese privilegirten militärischen lehtwilligen Ver fügungen ihre Giltigkeit mit dem Ablaufe eines Jahres von dein Tage ab verlieren, an welchem der Truppentheil, zu welchem der Testator gehört, wieder demobil gemacht ist, oder der Testator aufgehört hat, zu dem mobilen Truppentheil zu gehören oder als Kriegsgefangener oder Geißel aus der Gewalt des Feindes ent lassen ist. Wenn der Testator innnerhalb des Jahres vermißt und im gerichtlichen Verfahren festgestellt wird, daß er seit jener Zeit verschollen ist, so bleibt sein Testament giltig. Die Todeserklärung einer nach einem Kriege ver schollenen, während desselben nach vorheriger Theilnahme schon vermißten Militärperson kann nicht wie sonst die Todeserklärung, erst nach zehnjähriger Verschollenheit erfolgen, sondern schon, wenn seit dem Friedensschlüsse drei Jahre verstrichen sind. Sollte ein Friedensschluß nicht stattfinden, so beginnt der dreijährige Zeitraum mit dem Schlüsse des Jahres, in dem der Krieg be endigt worden ist. Die häufigste praktische Anwendung finden die Vorschriften über das Sbldatentestament, die geringste diejenige über die Todeserklärung, denn selten wird ein Soldat vermißt, und selten hinterläßt der Vermißte Vermögen, das die Mühen und Kosten eines gerichtlichen Aufgebotsverfahrens verlohnt. Die Wirren in China. —p. Es ist sehr erfreulich, schon jetzt einen vollen Erfolg der denlschcn Note constatiren zu können. Nach einem der Wiener „Pol. Corr." ans Paris zugehenden Berichte ist man in manchen Kreisen der Ansicht, daß das Schicksal der Kaiserin-Regentin von China nunmehr — möge die Neuordnung der Dinge welche Wendung immer nehmen — besiegelt zu sein scheine. In früheren Stadien der chinesischen Krise hatte das eventuelle Verbleiben der Kaiserin-Regentin in ihrer bis herigen Stellung einem beträchtlichen Theile der Diplomatie nicht als ausgeschlossen gegolten. Bei den Regierungen war bald die Erkenntniß ,um Durchbruche gelängt, daß der Versuch, den Chinesen eine Neugestaltung der obersten Staatsgewalt aufzn- zwingen, keineswegs ein geeignetes Mittel zur Sicherung eines Dauer verbeißenden Zustandes wäre, und es war vielfach als eine Folge dieses Grundsatzes betrachtet worden, daß man sich unter Umständen auch mit der Thatsache, daß die Kaiserin- Regentin die Zügel der Regierung weiter in Händen behalte, abfinden müsse. Ja, es wurde sogar Liese Eventualität als die wahrscheinlichere betrachtet. Dieser Standpunct, der an gewissen Stellen entschiedenem Widerspruche begegnet sein dürste, soll nun allgemein fallen gelassen worden sein. Insbesondere die Annahme, daß Tsu-Hsi in Rußland eine Art Protektor erblicken dürfe, sei nicht haltbar. Daß die Kaiserin-Regentin in dem blutigen chinesischen Drama eine verhängnißvolle Rolle, und zwar mit vollem Bewußtsein der Tragweite ihrer Handlungen gespielt hat, werde Wohl auch in Petersburg nicht bestritten und cs wird sich — wie man in diplomatischen Kreisen glaubt — die russische Regierung gewiß nicht zur unerschütterlichen Für sprecherin der Kaiserin-Regentin machen, falls etwa Deutsch land, dessen Anspruch auf eine besondere Genugthuung für die Ermordung seines Vertreters von Niemandem angefochten werden könne, die Beseitigung dieser leidenschaftlichen Fremden- hasserin als ein Stück der ihm zu bietenden Satisfaetion be zeichnen und für die Person der Kaiserin an der Spitze der Dynastie ein entsprechender Ersatz gefunden werden sollte. — Zu dem wird uns gemeldet: * Petersburg, 20. September. (Telegramm.) Die Circularnote der deutschen Regierung wird von dem Petersburger „Herold" und der „Birschewija Wjedomosti" in zu- stimmendem Sinne besprochen. (Wiederholt.) * Berlin, 20. September. (Telegramm.) „W. T. V." berichtet aus New Park: Nach Berichten aus Washington wird heute eine Cabinetssitzung abgehalten, in der über die auf die deutsche Circularnote wegen Bestrafung der Rädels führer in China zu ertheilende Antwort Beschluß gefaßt werden wird. (Wiederholt.) Dem „Neuter'schen Bureau" wird ans Shanghai be richtet: Die Berliner Nachricht, vaß der Kaiser von dem Eintritt in die Verhandlungen die Auslieferung der Anstifter deS Verbrechens wünscht, ruft dort bohe Be friedigung hervor. Nachdem die Sicherheit ShangbaiS nunmehr gewährleistet ist, stellen die Consuln die regelmäßigen Verhandlungen ein. Einer längeren Ausführung der „Köln. Ztg.", welche die Auffassung unseres Auswärtigen Amtes wiverspiegelt, ent nehmen wir noch das Folgende: Die allgemeine Lage bat in den letzten Tagen insofern eine gewisse Trübung erfahren, al« man nicht mehr genau sah, woranf die Mächte hinauS- wollten und wie das Programm in seinen Einzelheiten aussehen würde, das den FriedenSverhandlungcn zu Grunde zu legen sei. Nicht ohne Geschick bat die chinesische Diplomatie eS verstanden, diese Unklarheit der Lage zu be nutzen, und ihr« Bevollmächtigten haben eine Haltung an genommen, als ob China wie ein in jeder Beziehung gleich berechtigter Factor mit ven Mächten über ein so zu sagen alltägliche« Abkommen zu verhandeln habe, während e« sich in Wirklichkeit um eine ZwangSerecution bandelt, welche vollstreckt wird, um schwere begangene Verbrechen zu bestrafen und ihre Begebung für die Zukunft unmöglich zu machen. Dieser Standpunct wird mit voller Klarheit und Bestimmtheit, aber auch mit großer Mäßigung vom deutschen Reiche vertreten, da« sich in diesem Falle zum Dolmetscher macht aller menschlichen Gefühle, die durch die chinesischen Gräuel auf das schwerste verletzt worden sind. Man siebt schon jetzt, wie die Chinesen die Sachlage zu verdunkeln suchen, und wie sie bestrebt sind, Vie Friedensverhandlungen auf einer Grundlage zu eröffnen, die der wirklichen Sachlage nicht entspricht. Demgemäß handelt r» sich jetzt darum, ! das Terrain frei zu machen für wirkliche ernste Verhand lungen, und von den Chinesen die Erfüllung einer Vor bedingung zu fordern, die einmal der Gerechtigkeit entspricht, sodann aber auch die sichere Aussicht eröffnet, daß die späteren endgiltigcn Verhandlungen glatt verlausen werden. Die in der deutschen Note ausgesprochene Forderung, daß vor Ein leitung von Friedensverhandlungen die wahren Schuldigen fest gestellt und den Mächten zur Bestrafung überliefert werden sollen, ist durchans geeignet, eine nützliche Grundlage für das Friedciiswerk zu bieten. Und insbesondere muß der deutsche Vorschlag, die wahren, d. h. die großen Schul digen rücksichtslos zu treffen, sich der Billigung aller derer erfreuen, die sich ein gerechtes und unparteiisches Urtheil bewahrt haben. Der deutsche Standpunct, daß man die großen Schuldigen treffen soll, entspricht nicht nur der Gerechtigkeit, sondern er ist auch der, der der Civilisation und Humanität Europas am würdigsten ist. Sehr richtig hat Gras Bülow bervorgehoben, daß die Opferung von Hekatomben dem Gefühl der civilisirten Well nicht entsprechen würde, und in der Thal würde eS nicht als eine Strafe, sondern als ein neues Verbrechen erscheinen, wenn man etwa diejenigen Regimenter nieder metzelte, die Len Befehlen ihrer Vorgesetzten gehorchend, die Gesandtschaften angriffen, diejenigen aber verschonte, die den Befehl zum Angriff ertheilt haben. Daß eine wahre und unverfälschte Gerechtigkeit von den Chinesen nicht zu erlangen sein wird, steht ohne weiteres fest, und die Forderung der Aburtheilung durch die verbündeten Mächte ist durchaus berechtigt, wenn man sich nicht auf den Standpunct stellen will, daß man die kleinen Diebe hängt, die großen aber in Amt und Würden beläßt. Ans den ersten Blick scheint es nicht leicht, diese wirklich Schuldigen herauszufinden, aber der deutsche Vorschlag begnügt sich nicht, eine theoretische Lösung anzu zeigen, sondern er ermöglicht auch die praktische Durchführung. In unseren Gesandten in Peking besitzen wir Sachverstän dige, in diesem Falle leider nur zu sachverständige Persönlich keiten, die sich ans Grund eigener Erfahrung und zuverlässigen Materials sehr wohl eine Meinung darüber bilden können, laichen chinesischen Großwürdenträgern die Schuld an der rmordunz deS Gesandten v. Ketteler, der Belagerung der -Gesandtschaften und der Niedermetzclung der Christen "zuzn- srdrcibcn ist. Sie werden ohne Werteres die Hauptschuldige» bezeichnen können, und eS wird dann die Ausgabe eines ernsten und würdigen, von den verbündeten Mächten bestellten Ge richtes sein müssen, über Schuld und Unschuld zu entscheiden und die gebührenden Strafen anzuordnen. Wenn in dieser Weise dem beleidigten Recht die entsprechende Sühne wird, so wird dadurch allein auch dieBürgschaft geboten werden, daß ähnliche Vorgänge in China sich nicht wieder ereignen. Wenn mau im Jahre 1860 in ähnlicher Weise vorgegangen wäre und die rücksichtslose Bestrafung der Großmandarinen durchgesührt hätte, die sich damals eines ähnlichen Frevels schuldig gemacht hatten, so würden die Großmandarinen von heute im Bewußtsein, daß sie um ihre eigenen Köpfe spielen, niemals gewagt haben, ihre Mörderbanden auf Vie Gesandten und die Christen zu Hetzen. Lt Hnng-Tschang. Aus Shanghai, l9. September, wird uns berichtet: Li- Hung-Tschang soll gestern Abend vor Taku eingetroffen sein. Die Forts von Wnsnng salutirten seine Flagge bei der Aus fahrt mit l9 Schuß. Die fremden Kriegsschiffe nahmen den Salut nicht auf. Der Telegraphendirector Scheng ist nicht mit Li-Hnng-Tschang abgereist, sondern befindet sick> noch hier. Neue Kämpfe. * London, 20. September. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Peking unter dem 12. September: Eine Colonne des Generalmajors v. Höpfner griff am 11. September früh die Stadt Lianghjiang an. Der Ort war voll Boxern und kaiserlich chinesischen Truppen und wurde zunächst von der Artillerie des Generals Höpfner beschossen. Die Thore wurden mit Drrnamit gesprengt und es entspann sich ein Straßenkampf. 500 Chinesen sind getödtet worden. (Wiederholt.) * Taktt, 20. September. (Telegramm.) Die Verbündeten griffen heute früh die Forts bei Peitang an. Die heftige Kanonade dauert an. Truppentransporte. * Berlin, 20. September. (Telegramm.) Das Kriegs ministerium thcilt über die Bewegungen der Truppentransportjchisfe mit: „Roland" ist am 19. September in Port Said und „Arcadia" ist am 19. September in Suez angckommcn. Ter Kreuzer „Bussard" ist am 19. September in Amoy, „Rhein" und „Aachen" sind am 13. September in Taku eingetroffen. (Wdhlt.) Sin Schuldiger. Die „Times" bringen einen Bericht ihres Special-Correspon- denten aus Tientsin, nach welchem das Tagebuch des Vicelönigs gefunden wurde. Die letzten Eintragungen darin sind fast ausschließlich Vermerke über Zahlungen an Boxer. Weiter zurück findet sich die Notiz, daß 100 TaelS als Belohnung für die Köpfe von zwei Fremden bezahlt wurden; es scheint sich dabei um zwei amerikanische Marine-Soldaten zu handeln, die bei dem Gefechte vor dem Ent sätze von Tientsin todt auf dem Schlachtfelde zurückgelassen wer den mußten. Der Pekinger Correspondent der „Times" tele- graphirte vor einiger Zeit, daß 50 Taels für den Kopf jedes er wachsenen männlichen Europäers gezahlt würden; die Eintragung im Tagebuche des Vicekönigs scheint diese Meldung zu bestätigen, und es ist von besonderer Wichtigkeit, daß diese Zahlung durch den Vicetönig selbst geleistet worden ist. Japanische AuSstrenungen. Aus London wird uns berichtet: Aus den Kreisen der hiesigen japanischen Gesandtschaft werden fortgesetzt Meldungen in die Londoner Presse gebracht, welche den Glauben erwecken sollen, als seien zwischen Rußland und Deutsch land doch geheime Abmachungen be treffs Besitzergreifung chinesischer Pro vinzen getroffen. Dabei wird stets versichert, Japans Ziel sei die unversehrte Erhaltung des chinesi schen Reiches, und gerade deshalb sei man in Tokio wegen der Absichten Deutschlands aufs Aeußerste beunruhigt. Rußland werde durch Deutschland bestärkt, die Mandschurei zu behalten, wofür Deutschland durch die ganze Provinz Schantung und durch Stücke des Jangtse Gebietes entschädigt werden solle. Diese Ausstreuungen verfolgen offenbar den Zweck, die öffentliche Meinung in England zu beunruhigen und die hiesige Regierung zu nöthigen, mit Japan einen Sondervertrag zu schließen, wozu man sich bisher im Foreign Office durchaus nicht verstehen wollte. Indessen nehmen diese Behauptungen schon mehr die Form von Drohungen an, nämlich, daß Japan, falls England seine ausweichende Haltung fortsetzen werde, ge- nöthigt jei, sich ebenfalls mit Rußland in beson derer Weise zu verstand igen. Natürlich ist die Ver sicherung, daß Japan auf keinen Fall ein Stück des chinesischen Festlandes begehre, am allerwenigsten erst zu nehmen. Dagegen dürften einige andere Auslassungen dec japanischen Gesandtschaft Beachtung verdienen. Japan werde sich, — so ver sichert man, jedem Anträge widersetzen, welcher eine persönliche Bestrafung (Absetzung oder Verbannung) der Kaiserin-Wittwe bezwecke. Selbst die Bestrafung des Prinzen Tuan sei unmöglich, da dieser der Vater des Thronerben sei; noch weniger könne die Zerstörung der Paläste und der öffentlichen" Bauten Pekings in Frage kommen. Die einzige Strafe Chinas dürfte sein: Die dauernde Besetzung Pekings durch hinreichend starke internationale Truppen, um die chinesische Regierung zu über wachen, wobei die Kosten dieser Besetzung von China selbst zu tragen seien. Sodann sei eine sehr hohe Geldentschädigung für alle begangenen Missethaten zu fordern. Da aber — so müßte hier noch hinzugefügt werden — die chinesische Centralregierung gar keine Geldmittel zur Verfügung hat, so sind bis auf Weiteres entsprechende Stücke des Reiches von den geschädigten Mächten als Pfand zu behalten. Zur Charaktcristik der Pckingcr VcsatzniiaStrnpPen sendet der sonst zuverlässige und wahrheitsliebende Special« correspondent der „Morning Post" in Peking Folgendes: „Der japanische Theil der Besatzung ist der rvnungsliebendste in der Stadt. Die Japaner zeigen sich entgegenkommend und erweisen sich als zuverlässig. Dann kommt die deutsche Abthe:- lung unter dem Befehle des Herrn Cord.s. Der britische Theil Ser Garnison kann nicht über die Japaner und Deutschen ge stellt werden, denn die Sepoys brennen vor Begierde, sich auf das Plündern zu legen und cs wird befürchtet, vaß sie jeden Augen blick ihrer Leidenschaft freien Lauf lassen. Die Amerikaner sind geachtet, aber das Plündern (ihrerseits) dauert an und die ame rikanischen Anordnungen und Maßnahmen sind ungenügend. Die Russen und Franzosen sind roh, gesetzlos und nachlässig. Die gemeinsame Action aller Generale ist nur schwer erreichbar, da den Befehlen nicht gehorcht wird." Das Bild ist vom Standpunkte Der civilisaiorischen Mission der Alliirten ein betrübendes und bestätigt nur wieder, wie noth- wenDig den internationalen Truppen ein Oberbefehls haber ist. Der Krieg in Südafrika. Krüger. Der Londoner Correspondent des „Schwab. Mercur" hatte mit einem hervorragenden englischen Juristen eine Unterredung über die völkerrechtliche Stellung des Präsidenten Krüger, aus dec er das Folgende mittheilt: „Die Frage, was aus dem Präsi denten Krüger werden wird, wenn der letzte Funke des Wider standes erloschen ist, beschäftigt natürlich Diejenigen sehr ernstlich, die für die zukünftige Verwaltung dec beiden neuen C lonien verantwortlich sind. Fiele er uns (so äußerte der Ju rist) in die Hände, so würde uns nach meiner Ansicht daraus eine große Verlegenheit erwachsen, denn die Maßnahmen, die wir z» treffen hätten, nm ihn unschädlich zu halten, würden ihn in den Augen seiner Landsleute nur zum Märtyrer machen und würden die Stimmung in den vormaligen Republiken auf lange Zeit hin verbittern helfen. Im Grunde genommen, können wir daher nur wünschen, daß er sich ganz unserem Bereich entzieht. Im Augenblick ist er sicher unter dem Schutze einer neutralen Macht, und Portugal hat durchaus das Recht, ihm Schutz zu gewähren, so lange er seinen Aufenthalt auf portugiesischem Ge biet nicht dazu benutzt, um die Operationen von dort aus weiter gegen uns zu dirigircn. Da er den Versuch dazu machte, so be findet er sich gegenwärtig auf Antrag des dortigen britischen Generalconsuls unter der unmittelbaren Aufsicht des portugie sischen Gouverneurs. Sollte es ihm gelingen, sich nach Europa einzuschiffen, so könnten allerdings internationale Dif ferenzen entstehen, wenn unsere Regierung versuchen sollte, ihn zu kapern. Wenn er als d i p l o m a t i s ch e r Abgesandter des gegenwärtigen Präsidenten Schalk Burger reiste, so würde seine Person unverletzlich sein. Wird aber diese Bedingung nicht erfüllt, so liegt die Sache anders. Ein neutrales Schiff wird straffällig, wenn es Personen an Bord hat, die im Dienste einer der kriegführenden Parteien stehen, oder die von solcher Wich tigkeit sind, daß angenommen werden muß, der Eigenthümer des Schiffes wolle durch die Beförderung derselben der betreffenden kriegführenden Partei Hilfe leisten. Es kann nicht geleugnet werden, daß Krüger zu dieser letzteren Kategorie von Personen gehört, gerade wie das in Bezug auf Napoleon I. der Fall ge wesen wäre, wenn man ihn nach seiner Flucht von der Insel Elba hätte abfangen können. Ob unsere Regierung wohl thun würde, sich an den Buchstaben des Gesetzes zu halten, darüber gehen die Ansichten auseinander." * Lonrenvo Marqnc», 19. September. Di« Portugiesen haben ein Coinitö eingesetzt, da« die aus Transvaal an kommenden Flüchtlinge empfangen »nd mit Nahrungsmitteln versehen soll. Ten fremden Consuln ist mitgetheilt worden, daß man erwarte, sie würden sich ihrer aus Transvaal ankommenden Landsleute annehmcn. (Wiederholt.) Folacn des Transvaalkriegc» für Australien. Der Melbourner Berichterstatter der „Welt-Corresp." schreibt: Fast mit jedem Dampfer von Capstadt treffen invalid geworbene australische Truppen ein; die Leute sind ausnahms los ernüchtert und die Berichte über ihre Erlebnisse durchaus nicht angethan, das im Publicum lau gewordene Interesse an den kriegerischen Vorgängen im Transvaal wieder auf den
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