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Wvchcnilich erscheinen drei Nummer». Pränumeration-, Preis 22j Sgr. (j Ldtr.) vierteiiäkrtich, Z Thir. für kaS gan;e Jahr, ohne Er- HSHung, in alten Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese- Literatur Blatt in Perlin in der Expedition der Allz. Pr. StaatS-Zerrung (FriedrichSstr. Nr. 72); ig der Provinz so wie im Ausland« bei den WohUSbl. Post-Aemtcr». Literntur des Auslandes. 156. Berlin, Mittwoch den 29. Dezember 1841. Frankreich. Episoden aus der Französischen Revolution. Ich kannte einen Huissier des Konvents, Roper mit Namen'), der mir ost freien Eintritt auf eine der besonderen Tribünen ver- schaffte; dinn dllsc demokratischen Gesetzgeber, welche ave Vorrechte aufhoben, hatten doch für ihre Freunde gewisse Zuhörer-Privilegien beidehallc». Ich meinerseits leistete dafür eem gefälligen Huiisicr alle die kleinen Dienste, die mir in meiner Stellung als Schreiber bei einem Notar möglich waren. Zo überbrachle ich ihm zum Bei spiel eines Tages, in der ersten Dekade des Ventose im Zähre I>, > eine Vollmacht, die er vergangenen Abend bei mir unterzeichnet hatte. Als ich nach ihm fragte, sagte man mir, er sep so eben in das Düreau der Saal-Inspektoren beschicden worden.'") Ich sand ihn auch dort, aber nicht allein, denn ein junger Mann von vier- bis fünfundzwanzig Zähren, von schöner Gestalt, sanftem Ausdruck, eleganter Haltung und seinem Anzüge saß an einem Tisch voller Papiere und blätterte in Akten, die er in der Hand hielt. Gan, in seine Arbeit verliest, achtete er nicht auf mich; Roper legte indessen, nach Art der Statue de- HarpokratcS, zwei Finger auf den Mund, um mir Schweigen und Vorsicht anzuempfehlen. Diese Aufforderung war jedoch unnütz, denn Zeit und Ort mahnten mich schon dringend genug an die größte Zurückhaltung im Sprechen. „Bürger Roper", sagte ich mit lauter Stimme, „hier ist die Vollmacht, die Ihr von mir verlangt habt." Als ich sie ihm überreichte, sprach der schöne junge Mann, ohne von den Papieren aufrublicken, welche seine Aus. merksamkeit fesselten: „Eine Vollmacht, Roper! Zhr habt also Ge schäfte, mein Theuerster?" — „Ja, Bürger, mir ist eine kleine Erb- schäft in Versailles zugesallen, und da ich nicht abkommen kann, um dieselbe anzutreten, so ...." — „So beauftragt Zhr einen Anderen damit; bas ist wohlgelhan." Nach einem kurzen Stillschweigen, als ich mich wieder sortbegcben wollte, fragte mich der Unbekannte, nachdem er mich vom Kops bis zu den Füßen gemustert hatte: „Ihr arbeitet also bei einem Notar?" — „Ja, Bürger." — „Schlimm genug für Euch. Die Pariser Notare sind ein Nudel Schufte, die alle die Guillotine verdienen und ihr auch anheimfallen werden." Dieser Eingang zur Unterhaltung verursachte mir ein heftiges Zittern, und ich blieb wie festgebannt auf meinem Platze stehen. Er blätterte wiederum in seinen Papieren, wendete sich aber nach Der- laus einer Minute zu mir mit den Worten: „Da man ihnen aber noch ihr Gekritzel gestattet und ich gerade Jemand wegen Einkassirung einer Schuld nach Nopon zu schicken habe, so fcrtigt'mir nach Eurer Rückkunft in Euer Bülkau eine Vollmacht aus." — „Mit Ver gnügen, Bürger; aber Ihr müßt mir die nöthigen Punkte angeben." — „DaS ist wahr; schreibt also." Ich nahm eine Feder, er diktirtc mir die Bemerkungen, und ich erfuhr daraus, daß er Saint-Just sep. Das Mcdusenhaupt hätte mir keine größere Erstarrung verursachen können. Nachdem ich meine Note eingesteckt hatte, sagte ich: „Ihr könnt Euch darauf verlassen, Bürger, noch diesen Abend...." — „Warum nicht schon eher?" — „In einer Stunde, wenn eS Euch beliebt." — „Gut, eS fep. Ich will dieses Geschäft nicht länger anstehen lassen. Mein Schuldner ist ein ei-äovant, einer von ehedem, der seinen Kopf nicht mehr lange zwischen den Schultern tragen wird, und er soll mir bezahlen, bevor er ihn verliert. Geht nur und kommt schnell zurück." — Noch vor Ablauf einer Stunde war ich mit meiner Vollmacht wieder zurück. Saint-Just unterzeichnete sie, bedankte sich für meinen Eifer, versicherte mir, daß er die schnellen Leute über AlleS schätze, und empfahl mir an, ihm dieselbe den folgenden Morgen unterzeichnet und cinregistrirt in seine Wohnung in der Rue-des-Moulins zu bringen. Den nächsten Tag um neun Uhr Morgens begab ich mich, schnell wie der Blitz, in die Wohnung des schrecklichen Volksvertreters. Er besaß eine sehr schöne Wohnung im ersten Stock. Sein Officieur'") ') Er war früher In der Hvsbäckeret von Madame anqegellt, galt nach her für einen ervrvbten „Patrioten" und stand del Et. Just in besonderer Gunst. In seiner letzten Lebenszeit war er Nettester der HuisßerL des Rech nungshofes. Die Eaal - Inspektoren versahen zur Zeit de» Konvents dieselbe» Function«» wie jetzt die Quästoren der Deputirten-Kammer. Der Domistikenstand war als unverträglich mit der Würde deS Men schen abgeschafft worden: man hatte daher die juristische Fiction aufgestctlt, daß jede» Individuum im Solde eines Anderen nicht als Dienstbote betrach tet würde, sondern ihm nur „gute Dienste" Gr Von« leiste: daher die Benennung »tilcieu». empfing mich im Speisesaal, in dessen Mitte auf einen» hübschen Büffet von Mahagoniholz Teller mit kalten Speisen, mit Früchten und Eingemachtem, kurz mit Allem standen, was nur zu einem guten Frühstück erforderlich war; denn ich muß bei dieser Gelegenheit er wähnen, daß Saint-Just, dieser strenge Republikaner, der auf der Nednerbühne des Konvents die Meinung aussprach, daß die Fran zosen nicht an die Schwelgereien von Persepolis denken, sondern sich zur Spartanischen Mäßigkeit bekehren sollten, doch keinesweges Ge brauch von der schwarzen Suppe machte, sondern die Zeit, welche er nicht im Konvent oder im Ausschuß zubrachte, regelmäßig mit den Freuden der Tafel ausfüllte. Zn dieser Beziehung glich er ganz dem Ehaumnte, dem Finanzier Eambon und anderen Republikanern derselben feinen Sorte, von welchen man mit Recht sagen konnte: »iui (Htt.-i ximulunc ec ünnntinuulia vivunt. Nachdem der Ofsi- cicup den Grund meines Besuchs erfahren, meldete er mich bei dem Repräsentanten, der mit seiner Morgen-Toilette beschäftigt war und bald in einem blendend weißen Dimitp-Schlafrock erschien. Seine Füße steckten in eleganten gelben Safian-Pantoffeln, als stamme er in gerader Linie von Muhammed ab. Er strich die wallenden Locken seines parsümirten HaupihaarcS wieberholentlich mit der Hand und ordnete dieselben auf dem Kragen mit derselben ängstlichen Sorgfalt wie der Redner HortensiuS die galten seiner Toga. Kaum hatte ich ihn erblickt, so überreichte ich ihm ehrfurchtsvoll die auSgefertigtc Vollmacht; er lobte mich von neuem wegen meiner Pünktlichkeit und lud mich zum Frühstück ein. Ich stammelte einige Dankworte und nahm die Einladung an. Beim Frühstück sagte Saint-Just: „Ich habe gestern mit Royer über Euch gesprochen, und es hat mich gefreut, zu hören, daß Ihr ein guter Patriot seyd." — (Roper hatte mich ganz besonders her- nuSgestrichen.) — „Wie jeder Franzose es seyn soll." — „Gewiß, aber wie eS nicht jeder Franzose ist .... Apropos, was haltet Ihr von den Girondisten?" — „Ich?" — „Freilich, Ihr." — ,,O'. aber...." — „Nun, laßt hören, was Ihr von den Girondisten denkt." — Ein Lichtstrahl erhellte plötzlich mein Gehirn: „Ich denke, sie gleichen dem Nero, der sagte: ich umarme meinen Nebenbuhler, uin ihn zu ersticken; so haben auch sie die Republik in ihre Arnie geschloffen, nm sie z» zermalmen." — „Dazu werden wir ihnen nicht Zeit lassen, und die Republik wird sie dergestalt zufammcn- preffen, daß sic in diesen Umarmungen zu Grunde gehen." — Bei diesen Worten strahlten seine Augen von teuflischer Freude, er glich der Hyäne, die sich aus ihre Beute stürzt. Dann sprach er nach einer Pause: „Ich bin mit Eurer Antwort zufrieden, befucht mich wieder. Wenn ich allein bin und Zeit habe, wollen wir mit einander plaudern und sehe», was aus Euch zu machen ist." — Hierauf entließ er mich, um seine Stadt-Toilette zu befolgen, weil er sich in den Konvent begeben mußte; denn Saint-Just hegte, wie sein Idol RobeSpierre, den tiefsten Abscheu gegen die schmutzige Kleidung der SanScülottcn und erschien öffentlich stets in einem ge wählten Anzuge, der seine elegante Haltung und seine natürliche Anmuth vortheilhaft hervorhob. Man kann sich leicht denken, daß ich eine so wichtige Bekannt schaft nicht zu vernachlässigen gedachte, und daß ich mir vornahm, von dem Schutz eines solchen Blitzableiters Vortheil zu ziehen. Nach sechs oder sieben Tagen begab ich mich wieder zu Saint-Just, er hatte sich mit RobeSpierre eingcschlofsen; das nächste Mal arbeitete er mit Couthon; dann ertheilte er wieder VerhaltungSregeln an Maignct, der nach Bedouin abreiscn sollte, um cs niederzubrenncn und die Einwohner dieses OrteS gänzlich zu vernichten; als ich zuin vierten Male einen Besuch wagte, fertigte er gerade mit Fouquier Tinville die Liste der Verschwörer an, die er am nächsten Morgen auf das RevolutionS-Trihunal senden wollte; kurz, ich fand chH beständig mit der öffentlichen Wohlfahrt beschäftigt. Abgeschreckt von allen diesen vergeblichen Versuchen, wagte ich keinen neuen, be gegnete ihm aber beim Herausgehen aus einer Abend-Sitzung auf einem der Flure des KonventS; noch war ich zweifelhaft, ob ich ihn anreden solle, als er schon freundlich mir zurtef: „Da sepd Ihr ja; desto besser. Man schreibt mir aus Nopon, daß mein Bevoll mächtigter krank sep; wenn Ihr also nichts Besseres zu thun habt, so reiset hin, uin meine Schuld einzufordcrn." — „Mit dem größten Vergnügen; wann soll ich abreisen?" — „Morgen; be gleitet mich, ich will Euch einen Paß vom WohlfahriS-Ausschuß geben." Ain anderen Tage reiste ich nach Nopon, beendigte das Ge schäft in zwei Tagen und überbrachte an Saint-Just den Belauf