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,/» Erscheintjeden Wochentag Abend« Y.7 Uhr für den .MO I ^/A.. andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2d Pf., zweimonaMch 1 M. 50 Pf. und eimnonatlich 7d Pf. 38. Jahrgang. Dienstag, Ven 2. Juni. reikMM^E md Tageblatt. Amtsblatt für die kümglicheu aod städtischen Behörden zu Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher RÄatteur: Julius Braun in Freiberg. Inserate werden bis BormiNag 1 l Uhr angenom- men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H XXLH oder deren Raum Id Ps. Nachbestellungen auf den Monat Juni werden zum Preise von 75 Pfennigen von allen kaiserlichen Postanstatten sowie von den be kannten Ausgabestellen und der unterzeichneten Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Der Kampf mit Zanzibar. Die Ereignisse am Kamerunflusse haben bereits gezeigt, baß das Deutsche Reich für seine Kolonialpolitik nöthiaen- salls Waffengewalt wird gebrauchen müssen, aber auch vast es keiner besonderen Entfaltung militärischer Massen bedarf, um den Schwarzen Respekt vor der deutschen Flagge bei- zubringcn. Man hat sich schon mit dem Gedanken ver traut gemacht, deutsche Kolonialtruppen einzurichten und will den Anfang damit machen, anstellige Neger durch deutsche Unteroffiziere militärisch ausbilden zu lassen. Zum Schutze der Küstenplätze genügt die deutsche Kriegsmarine vollauf, welche sich quantitativ wie qualitativ den Seewehren der ersten Großmächte würdig anreiht und durch praktische Verwendung nur gewinnen kann. An der westafrikanischen Küste hat das energische Eingreifen zweier deutscher Kriegs schiffe einen so tiefen Eindruck auf die von den englischen Ansiedlern verhetzten Kamerun-Neger gemacht, daß jetzt dort die vollständigste Ruhe herrscht. Jetzt fällt dem von dem Commodore Paschen befehligten deutschen Geschwader an der ostafrikanischen Küste eine ähnliche Aufgabe zu und auch dort wird man sich bald überzeugen, datz keine euro päische Macht es wagen darf, afrikanische Eingeborene offen gegen einen deutschen Angriff zu schützen. Diese Ueberzeugung kann den Afrikanern nicht rasch und nicht deutlich genug beigebracht werden. Es giebt immer noch Engländer, Franzosen und Italiener, welche den Deutschen die alte geduldige Gemüthlichkeit aus den Zeiten des selig entschlafenen Bundestages zutrauen und darauf hin sündigen. Dieselben müssen von Zeit zu Zeit szu ihrem Schaden be lehrt werden, daß die Zeiten der deutschen Geduldigkeit aus Nimmerwiedersehen verschwunden sind und fremde Ränke wie Glas vor den deutschen Geschossen zersplittern. Auch die Zeit ist vorüber, wo deutsche Truppen für fremde Interessen in's Feld zogen; allezeit kampfbereit, wo deutsches Gut und Blut gefährdet ist, wird die deutsche Kriegsmacht feit langer Zeit nicht mehr für Zwecke verwendet, die aus wärtige Diplomaten zu fördern suchen. Wenn ein fo wenig bedeutender afrikanischer Herrscher wie der Sultan von Zanzibar es wagte, die Besitzungen der ostafrikanischen Gesellschaft anzugreifen, trotzdem der deutsche Kaiser dieser Gesellschaft einen Schutzbrief verlieh, so dürfte dies auf Einflüsterungen englischer und italienischer Agenten zurückzusühren sein. Es liegen zwar noch keine direkten Nachrichten von dem deutschen Generalkonsu in Zanzibar, Gerhard Rohlfs, vor, auch hat sich bis jetzt die Nachricht von der Zurückberufung dieses deutschen Vertreters nicht bestätigt, doch scheint kein Zweifel darüber zulässig, daß die ostafrikanische Station des Grafen Pfeil ernstlich gefährdet ist. Ueber den Nutzen dieser neuen, ver- hältnißmäßig isolirten ostafrikanischen deutschen Erwerbungen sind gleich anfangs von Afrikakennern ernste Zweifel ge äußert worden, weil die Grenzen der Küstenherrschaft des Sultans von Zanzibar nicht feststehen und die zur Herstellung der Verbindung mit dem Meer neuerdings von der deutschen Gesellschaft nachträglich gemachten Erwerbun gen leicht Konflikte mit den von den Italienern und Eng ländern beeinflußten Somali-Stämmen Hervorrufen können. Man hätte sich von Anfang an sagen müssen, daß im ganzen östlichen Theile Afrikas die arabische Bevölkerung, von den märchenhaften Siegesbotschaften des Mahdis ent flammt, die Furcht vor den Europäern verloren hat und jeden Moment bereit ist, über dieselben herzufallen. Aus diesem Grunde wäre es besser gewesen, von ostafrikanischen Kolonien zunächst ganz abzusehen und dafür den west afrikanischen Besitz möglichst zu arrondiren. Indessen weht einmal die deutsche Flagge in Ostafrika und muß vor jedem Angriff geschützt werden. Neuerdings ist aber in Brüssel der Gedanke aufgetaucht, daß die deutsche Macht sich vielleicht dazu hcrgeben werde, auch den internationalen Kongostaat gegen die an ¬ drängenden arabischen Räuberschaaren zu schützen, welche I sich mit dem Namen des Sultans von Zanzibar decken. Darin dürste man sich täuschen. Selbst wenn der Sultan Bargasch ben Said wirklich seine Hand bei der Beunruhi- qung der Grenzen des Kongostaates durch den Häuptling -vipou Taib haben sollte, wird sich das Deutsche Reich nicht verpflichtet fühlen, den Schutz des unter der Oberhoheit des Königs der Belgier stehenden Kongostaates direkt zu ibernehmen. Wenn Belgien nicht stark genug ist, das Riesengebiet wirksam zu beschützen, kann für dasselbe nur ein internationaler Schutz beansprucht werden. Höchst eigen- thümlich erscheint es, daß neuerdings von verschiedenen Seiten der Angriff der Araber gegen die Kongostationen an den Stanleysällen gänzlich in Abrede gestellt wird. Der „Manchester Guardian" bestreitet dies entschieden und chreibt: „Was auf Wahrheit beruht, ist, daß Araberbanden Verwüstungen in etlichen Dörfern des oberen Kongos, außerhalb des Protektorates der Stationen, angerichtet haben. Weit davon entfernt, feindliche Gesinnungen gegen die Assoziation zu bekunden, hat ihr Häuptling, Tipou Taib, einem der Agenten der Assoziation, M. Van Gele, einen Besuch abgestattet und in Folge der energischen Vorstellun gen des Letzteren wegen des Verhaltens der Araber, sich bemüht, dasselbe zu entschuldigen. Der Häuptling schützte vor, daß seine Offiziere nur zum Aeußersten geschritten seien, weil die Eingeborenen sich weigerten, sie mit Proviant zu versehen. Tipou sagte dem Agenten der Assoziation, daß er, um die Fortdauer solcher Unordnungen zu verhin dern, seinen Offizieren befehlen würde, sich zurückzuziehen, und das hat er thatsächlich gethan." Man würde diese englische Darstellung für falsch halten können, wenn nicht auch der „Kreuzzeitung" aus Brüssel geschrieben würde, daß der Angriff in der Nähe des Tanganyka-Lees nur von Sklavenjägern aus Zanzibar ausgcgangen und nicht den Europäern, sondern den Negern gegolten habe. Diese Menschenjäger erscheinen übrigens nicht zum ersten Male am oberen Kongo in der Nähe des Aruvimi. Als Stanley im November 1883 in jene Gegend kam, war er Zeuge der von solchen arabischen Räuberschaaren angcrichteten Verwüstungen und Mordbrennereien und sah schließlich 1300 Neger als Sklaven fortschaffen. Stanley mußte die Armen ihrem Schicksal überlassen, schrieb aber damals an die Assoziation, er halte die Errichtung einer starken Kette von Stationen für das sicherste Mittel, die Menschenjäger abzuwehren und die Orte, welche durch ihre grauenhaften Menschenjagden zu Stätten des Schreckens geworden seien, in friedliche und glückliche Gegenden umzu wandeln. Man sieht hieraus, von welchem Nutzen die Gründung des Kongo-Staates werden kann. Wenn aber in den letzten Tagen behauptet worden ist, daß die arabischen Menschenjäger für die europäischen Stationen keine Gefahr bilden, so scheint daS eine sehr fragwürdige Vertrauensseligkeit, durch welche der gesündeste, fruchtbarste und gleichzeitig für den Handel ergiebigste Theil des Kongostaates ebenso an Tipou-Taib verloren gehen kann, wie der Sudan an den Mahdi verloren ging, der auch ursprünglich nur Sklavenhändler war. In den belgischen Regierungskreisen ist man durchaus nicht ohne Besorgniß, seitdem schon vor vier Wochen der Konsul Strauß in seinem Berichte über die Kolonialpolitik einen Einfall arabischer Schaaren ankündigte. Es wird in Brüssel ganz ernstlich die Befestigung und Ausrüstung der strategisch wichtigen Punkte am Kongo, wie die Erbauung einer kleinen Kriegsflotte für diesen Strom erwogen. Dre Thatsache, daß der Sultan Bargasch ben Said von der Küste von Zanzibar aus einen systematischen Handel mit modernen Feuerwaffen nach dem Jnnem treibt und dadurch dem Kongostaate empfindlich schadet, entgeht der belgischen Regierung keineswegs und wird auch bei allen Mächten Beachtung finden müssen, deren Handelsinteressen am Kongostrowe engagirt sind. Diese Staaten müssen sich deshalb glücklich schätzen, wenn dem gekrönten Handelsmann in Ostafrika von deutscher Seite das Gewerbe gelegt wird. Donnern auch demnächst die Schiffskanonen, der Fregatten „Stosch", „Prinz Adalbert" und „Elisabeth" an der Küste von Zanzibar nur für die in Ostafrika cngagirten deutschen Interessen, so wird doch ihr Widerhall auch von den Euro päern freudig begrüßt werden, die sich an den östlichsten Kongostationen im Vertrauen auf internationalen Schutz niederließen und sich trotzdem von dem bedenklichsten arabi schen Gesindel umschwärmt sahen. Tagesschau. Freiberg, den 1. Juni. Wie man sich in Berlin erzählt, war der deutsche Kaiser nur schwer zur Unterzeichnung des preußischen Antrages bezüglich der braunschweigischen Erbfrage zn bewegen und soll der greise Monarch dabei zu dem Reichskanzler gesagt haben: „Ich bete alle Tage zu Gott, daß er mich erleuchten möge in dem Konflikte, welcher mein Innerstes in der brannschweiger Frage erfüllt. Auf der einen Seite die Pflicht, das legitime Recht nicht zu verletzen, aus der andern die Sorge um das Wohl des Vaterlandes." Hierauf habe Fürst Bismarck er- wiedert: „Majestät verzeihen, aber die Pflicht kennt nur daS letztere." Der greise Monarch hätte nach diesem Ausspruche den Kanzler einen Moment lang stumm angesehen und dann ohne Zögern den Antrag unterzeichnet. Wenn auch in dieser Erzählung etwas Legendenhaftes steckt, kennzeichnet dieselbe doch die volksthümliche Vorstellung von dem Verhältniß zwischen dem deutschen Kaiser und seinem Kanzler. Daß übrigens Zeitungsnachrichten über Unterredungen, welche ohne Zeugen stattfanden, ihr Mißliches haben, geht aus dem Spott hervor, mit welchem die „Nordd. Allg. Ztg." die angeblichen Ent hüllungen des Pariser „Times"-Korrespondenten über die Mission des Lord Roseberry bei dem Fürsten Bismarck behandelt. — Ueber die serbische Kanonenfrage bemerkt dasselbe Blatt an leitender Stelle, die serbische Regierung habe Krupp, Bange und Armstrong eingeladcn, je ein Geschütz nach Belgrad zu senden. Bei den Schießversuchen sei das Krupp'sche das vorzüglichste gewesen. Wenn trotzdem Bange die Lieferung erhalten habe, so sei der Sieg nicht auf die Vorzüglichkeit seines Produktes, sondern darauf zurückzuführen, daß er die Mache bester verstanden und daß in Serbien das franzö- ische Element eine einflußreichere gesellschaftliche Stellung einnehme. In dem preußischen Ministerium des Innern werden bereits alle sür die im Herbst dieses Jahres stattfindenden Neuwahlen zum Abgeordnetenhause erforderlichen Arbeiten vorbereitet. Die hierauf bezüglichen Erlasse an die Provinzial behörden gelangen schon im nächsten Monat zur Versendung. — Zu Mainz ist durch den Großherzog von Hessen Sonn abend Vormittag 11 Uhr die Schlußsteinlegung und Eröffnung der festen Rheinbrücke zwischen Mainz und Kastel in feierlicher Weise vollzogen worden. In den polnischen Kreisen der österreichischen Monarchie erregt es die freudigste Sensation, daß der Kaiser Franz Josef für die im vorigen Jahre von den Ueberschwemmungen in Galizien Betroffenen abermals 150 000 Gulden als Geschenk und 300000 Gulden als unverzinslichen Vorschuß aus Staats mitteln bewilligte. Die kaiserliche Verordnung wird unter Verantwortlichkeit des Gesammt-Ministeriums erst später ver öffentlicht. — Die Reichsrathswahlen gehen ununterbrochen weiter. Am Freitag wurden in den Landgemeinden der Buko wina drei, in denen von Görz und Istrien je zwei Abgeordnete, sowie im städtischen Wahlbezirk von Triest einer gewählt. Die Dentschliberalen verloren dabei einen Sitz; Professor Tomaszczuk wurde im Czernowitzer Landbezirke nicht wiedergewählt, der Sitz ging an den Rumänen Johann von Lugul verloren. Es ist jedoch Aussicht vorhanden, Tomaszczuk dem Parlament zu erhalten, da er wahrscheinlich den Stadtbezirk Suczawa er obern wird. Zu den am Freitag Gewählten gehört auch der österreichische Handelsminister Baron Pino. Im Stadtwahl bezirk Bozen-Meran ist am Sonnabend der liberale Kandidat vr. Angerer gegen den bisherigen klerikalen Abgeordneten Baron Giovanelli mit riesiger Majorität gewählt worden. Innsbruck wählte den bisherigen liberalen Abgeordneten Wildauer gegen eine starke Minorität. Brixen wählte, wie immer, klerikal. — Der Bischof Zwerger von Seckau hat in seiner Diözese den deutschen Kirchengesang bei dem liturgischen Gottesdienste verboten. Für die italienische Regierung handelt es sich darum, mit Ehren aus dem sudanesischen Handel herauszukommen und den Vorwand für die weit populärere Expedition nach Tripolis zu finden. Das Letztere ist bereits gelungen. Der bekannte deutsche Afrika-Reisende Schweinfurth richtete an den Kapitän Camperio ein Schreiben, worin er auf die Beschlagnahme eines Schiffes, welches nächst Alexandrien Schießpulver mit der Be stimmung nach dem Sudan an's Land schmuggeln wollte und auf die Nothwendigkcit hinweist, nicht nur die Küste des Rothen Meeres, sondern auch das Gestade von Tripolis zu überwachen, um dem mächtigen Stamme der Senusfi, welcher den Mahdi mit Kriegsmitteln versieht, das Handwerk zu legen. Auf Grund dieses Briefes verlangt nun der italienische Kapi tän Camperio in der „Rastegna", Italien solle Tripolis, Ben gasi, Dernah und Mirsa-Tobruk besetzen. Der Brief