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md Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwottlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. 'M/» 4» FH Erscheint jedm Wochentag Abends '/,7 Uhr sür den li Inserate werden bis Bormittag 11 Uhr angenom- ö u kü mV andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Ps., > M-UVE men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile ! D «/I- W» zweimonatlich 1 M. bO Ps. und einmonatlich 7b Ps. oder deren Raum 1b Pf.j Tagesschau. Freiberg, den 23. März. Umringt von den meisten Mitgliedern der zahlreichen preußischen Königssamilie hat der greise deutsche Kaiser gestern seinen 88. Geburtstag gefeiert und dabei diesmal die Freude gehabt, seine hohe Gemahlin, die deutsche Kaiserin, von langer Krankheit wieder genesen zu sehen. Unter den fürstlichen Gästen, welche ihre Glückwünsche persönlich über brachten, besanden sich König Albert und Prinz Georg von Sachsen. Wegen einer leichten Erkältung empfing der Kaiser nur die Gratulationen der königlichen Familie und der fremden Fürstlichkeiten, sowie später auch des Fürsten Bismarck, dem die in den Straßen versammelte Volksmenge bei der Fahrt zum Palais stürmische Ovationen darbrachte. Die Generalität, die Minister, die Botschaster, die Bundesrathsbcvollmächtigten und die Präsidien des Reichstags und des Landtags fuhren vor dem Palais vor und trugen ihre Namen in ein aufliegendcs Buch ein. Das Familiendiner, woran alle Fürstlichkeiten theil nahmen, fand im kronprinzlichen Palais statt und Abends eine Soiree im Weißen Saale des königlichen Schlosses, wozu 900 Personen geladen waren. Die Reichshauptstadt war reich mit Flaggen, Blumengewinden und Büsten des Kaisers ge schmückt, den ganzen Tag von festlich bewegten Volksmassen durchwogt und Abends glänzend illuminirt. — Unser Kaiser wurde leider am Vorabend seines Geburtstages durch den Tod einer nahverwandten Fürstin begrübt In Darmstadt verstarb die Wittwe des 1877 gestorbenen Prinzen Karl von Hessen, welche am 18. Juni 1815 als Tochter des Prinzen Wilhelm von Preußen geboren und die Mutter des regierenden Großhcrzogs Ludwig IV. war. Die bisher von den verschiedenen Lokalkomitees eingesandten Zusammenstellungen der Beiträge für die dem Reichskanzler Fürsten Bismarck am 1. April darzubringende Ehrengabe sind jetzt summirt worden. Die Summe ergiebt nahe an 1^, Millionen Marl. Aus Stendal wird jetzt offiziell der Ver kauf des Bismarck'schen Stammgutes seitens des jetzigen Eigen thümers mit dem Rücktrittsrechte des Käufers bis zum 26. April gemeldet, während besonders von Süddeutschland aus eine nationale Verwendung der eingegangenen Gelder verlangt wird. Die „Köln. Ztg." läßt sich darüber wie folgt aus: „Wir hoffen, daß man sich dahin einigen werde, die gesammlen Gelder dem Reichskanzler zu überreichen, der darüber befinden möge. Ein Ausscheiden eines beliebigen Theils derselben zu einem anderen Zweck, etwa zum Ankauf des Gutes Schön hausen für den Fürsten, muß unstatthaft erscheinen, da die Gabe als eine einheitliche gedacht und von der überwiegender Mehrzahl der Aufbringer gemeint war. Nur wird es Pflicht des Komitös bleiben, aus dieser nationalen Spende diejenigen Beiträge auszuscheiden, welche etwa ausdrücklich zum Zwecke eines Gutskaufes gespendet worden waren; über alle übrigen jedoch hat ausschließlich der Reichskanzler selber zu bestimmen. Das ist etwas so Selbstverständliches, daß wir nicht begreifen, wie Meinungsverschiedenheiten oder Unklarheiten m dieser Sache haben auskommen können." Der deutsche Reichstag genehmigte am Sonnabend zunächst die Berichte der Rechnungskommission und Reichs schuldenkommission und ging dann zur zweiten Berathung der Rechnung über den Reichshaushalt von 1880/81 über. Hier zu lag folgender Antrag der Abgg. Richter und Meyer (Halle)vor: „derReichstag möge sich dahin aussprechen, daß einige Zahlungen der Militärverwaltung ohne Vorhandensein der Verbindlichkeit geleistet wurden. Der Kriegsministcr Bronsart von Schellendorff bestritt jedoch entschieden, daß die be treffenden, auf Grund königlicher Ordre geleisteten Zahlungen der nachträglichen Genehmigung des Reichstags bedürften. Abg. Hänel hob darauf hervor, daß der Antrag nur die Konsequenz des Monitums der Oberrechenkammer und die Militärverwaltung nicht anders dastehe, wie andere Verwal tungen. Der Antrag der Abgg. Meyer und Richter wurde schließlich angenommen und zu den allgemeinen Rechnungen pro 1879/80 Decharge ertheilt. Die Novelle des Reichs beamtengesetzes fand in der Kommissionsfassung, der Gesetz entwurf über die Führung der Flagge seilens der Secfahrzeuge in erster und zweiter Berathung ohne jede Debatte Annahme. Am Montag erfolgt im Reichstage die dritte Lesung der Dampfer-Subventions-Vorlage und Dienstag findet die letzte Sitzung vor den Osterferien statt, welche bis zum 14. April dauern sollen. — Im preußischen Abgeordnetenhause dürften dieselben Ferien-Dispositionen getroffen werden. Nach Erledigung mehrerer anderer Vorlagen wurde am Sonnabend in dem Abgcordnetenhause das Gesetz über die Versorgung der Hinterbliebenen des ermordeten Polizeiraths Rumpff be- rathen. In seiner warmen Befürwortung der Vorlage sagte der Minister von Puttkamcr, der Rumpff'sche Fall sei die> Ausgeburt eines höllischen Feuers, das den Staat verzehren müsse, wenn nicht rechtzeitig Vorkehrung getroffen werde. Er verspreche sich keine Vortheile von der von dem Abg. Dirichlet gewünschten kommissarischen Vorberathung, denn er würde nicht in der Lage sein, der Kommission aus den Akten nähere Mittheilungcn zu machen, weil er das sür ein unberechtigtes Eingreifen in das gerichtliche Ver fahren halten müßte. Er bitte darum, dem Gesetze möglichst einstimmig und ohne Kommissionsberathung zuzustimmen, schon weil dadurch die Energie der Beamten den Anarchisten gegen über angespornt würde. Abg. Windt Horst verwandle sich ebenfalls sür die sofortige Annahme, meinte aber trotzdem, )aß die Sache bis nach Fällung des Urtheils hätte aufge- choben werden und der Dispositionsfonds des Ministers bis )ahin hätte cingreisen können, wie er überhaupt hoffe, daß das letztere bereits geschehen sei. Aus die vage öffentliche Meinung dürfe der Gesetzgeber nichts geben. Die Ermordung des Gendarmen in Bochum sei genau derselbe Fall, wenn sich da auch die öffentliche Meinung nicht so deutlich ausgesprochen jabc. Das Motiv könne ein anderes fein, die That sei die- elbe. Er erwarte daher sür den Gendarm ohne Verzug dieselbe Vorlage ohne Rücksicht aus die finanzielle Lage. Die Vorlage wurde darauf einstimmig angenommen und der Rest der Tagesordnung glatt erledigt. — Bei der am Sonnabend im preußischen Herrenhause stattgehablen Berathung deS Gesetzes über die Be scherung von Trennstücken beantragte 0r. Bescler die Streichung des tz 1, durch welchen ein Ein griff in den Privatbesitz ausgeübt werde. Die Regierungs kommissare Hertz und v. Bernuth bekämpften den Antrag, welcher trotzdem nach Befürwortung seitens der Grafen Dorn burg und Brühl Annahme sand. Der Rechenschaftsbericht über den Hinterlegungssond wurde durch Kenntnißnahme er ledigt, sodann die Wegepolizeiordnung sür Schleswig-Holstein der Agrarkommission überwiesen. Nach der elektrischen Spannung zu schließen, die im österreichischen Abgeordnetenhause während der Budget debatte herrschte, wird auch die nm Sonnabend begonnene Berathung der meistunlstritlenen und zum Gegenstände der leidenschaftlichsten Agitation gemachten Nordbahn-Fragen öslcr als gut ist in „schlagenden Wettern", wie der Abg. Lienbacher zu sagen pflegt, explodiren. Schon die einleitenden Worte des Berichterstatters Bilinski begegneten großer Gereiztheit und vielfachen Unterbrechungen; wie erst dann, wenn an der eigent lichen Frage, ob Verstaatlichung oder Uebcreinkommen, die Gemüther sich erhitzen werden? Für die Erstere trat bereits der Abg. Herbst in längerer Rede entschieden ein. — Im Zollausschusse erklärte der Handelsminister, es sei nothwcndig, daß die Zollnovelle noch in dieser Session, eventuell nach Ostern, zu Stande komme. Der Ausschluß beschloß, deshalb sofort m die Spezialdebatte einzutreten. — Das österreichische Kronprinzcnpaar traf am Freitag in Cattaro ein und reiste am Sonnabend in Begleitung des Erzherzogs Johann, des Statthalters von Dalmatien und des österreichischen Minister residenten Milinkovich nach Cettinje. Der Fürst von Montene gro hatte Equipagen zur Verfügung gestellt und überreichte nach herzlicher Begrüßung der Kronprinzessin Stephanie ein aus den Alpenblumen der Schwarzen Berge zusammengestelltes Bouquet. Bald darauf erfolgte die Abreise nach Njegus, wo aus den, fürstlichen Palais neben der montenegrinischen die österreichische Flagge wehte. — Auf dem Pvstamte inTrans- var explodirten am Sonnabend 6 von Mannheim cingegangenc Säckchen; ein Postbeamter wurde schwer verletzt und in den Posträumlichkeiren nicht unerheblicher Schaden eingerichtet. Der Anlaß zu den in den letzten Tagen in verschiedenen italienischen Universitätsstädten stattgefundenen Ruhe störungen ist darin zu suchen, daß die Studenten von Padua in der Universitäts-Aula einen Gedenkstein zu Ehren einiger im Jahre 1848 gefallenen Kommilitonen anbringen wollten, welcher ewige die österreichische Armee beleidigende Ausdrücke enthielt. Begreiflicher Weise wollte die italienische Regierung, Angesichts der herzlichen zwischen beiden Ländern und den Re gierungen bestehenden Beziehungen, eine derartige Demonstration nicht zugeben. Darauf fanden m Padua inner- und außer halb der Universität Ruhestörungen statt, welche die Behörden nöthigten, gegen dieselben einzuschreiten und bei dieser Gelegen heit auch einen Universitätsprofessor verhaften zu lassen, welcher sich wiederholt in sehr auffallend erregter Weise be nommen hatte. Die Bewegung pflanzte sich sodann auf die übrigen Universitäten fort, wo die Studenten sür ihre Kommi litonen in Padua Partei nahmen. Die römischen Musensohne 'haben bei ihrer Demonstration sogar die Sturmglocke geläutet, worauf die römische Universität geschlossen wurde. — Nachdem am Sonnabend der Minister Depretis in der Kammer erklärt hatte, daß er einer Erhöhung der Getreidezölle nicht zustimme, beantragte Cairoli eine gegen das Kabinet gerichtete Tages ordnung, die jedoch mit 236 gegen 134 Stimmen abgelehnt wurde. Im weiteren Verlause der Sitzung wurden von mehreren Abgeordneten Anfragen in Betreff der Agitation bei den Universitäten angemeldet. Der Ministerpräsident Depretis bat, mit Rücksicht auf die bezügliche noch schwebende Unter suchung alle einschlägigen Interpellationen zurückzuziehen. Dieser Antrag wurde mit 216 gegen 121 Stimmen angenommen, worauf sich die Deputirtenkammer bis zum 27. April vertagte. — Der Papst hat der russischen Regierung wegen der Ver bannung des Erzbischofs von Wilna einen Protest übersandt. Wiederum Hai der französische Minister Ferry im Se nate einen glänzenden Sieg errungen. Er erklärte am Sonn abend, daß er die Aufrechterhaltung des Konkordats wünsche, es aber der Kammer nicht verbieten könne, auf Ersparnisse im Kultusbudgct bedacht zu sein. Uebrigens sei die Kammer weder der katholischen Gottesverehrung, noch der Verfassung und der Rechten des Senats zu nahe getreten; es handle sich auch um keine Prinzipiensrage, sondern mehr um eine Frage des poli tischen Verhaltens; deshalb ersuche er den Senat dringend einen Konflikt zu vermeiden. In Folge der meisterhaften Rede Ferry's wurden die Vorschläge der Kommission, sowie alle Amendements der Rechten verworfen und die Ziffern des Budgets, wie sie die Kammern beschlossen hatte, mit großer Majorität ange nommen. Während der Debatte griff der Senator Gavardie < Rechte) die Majorität nnd den Minister heftigst an und wurde dreimal zur Ordnung gerufen. Der Konflikt zwischen dem Senate und der Kammer ist aber nun wieder durch Ferry's Talent glücklich beschwichtigt. — Wie nachträglich verlautet, wurde bei dem Feste der Kommunisten im Saale Rivoli eine große Anzahl von Adressen französischer und fremder sozia listischer Gruppen vorgetragcn. Als man auch eine von dem Reichstagsmitglied v. Vollmar unterzeichnete Adresse der deutschen Sozialisten vortrug, wurde vielfach gemurrt, aber der Vor sitzende erklärte, daß er jeden Widerspruch streng unterdrücken werde, und sein Beisitzer rief: „Keine Zweideutigkeit; wir haben Etsaß-Lothringen verloren, aber wir haben den deutschen Sozialismus erobert!" Bekanntlich gehören die englischen Prinzen regelmäßig dem Freimaurcrbunde an. Unmittelbar vor seiner Abreise nach Deutschland hat am 17. d. M. der Prinz von Wales als Großmeister der Vereinigten Großloge von England seine« ältesten Sohn, den Prinzen Albert Viktor, der jüngst nach vollendetem 21. Lebensjahre großjährig erklärt worden ist, per- önlich in den Bund eingeführt. — Im englischen Unterhaus« verlas der Kriegsminisler Hartington ein Telegramm des Ge nerals Graham, in welchem es heißt, das Resultat seiner vo« Suakim aus unternommenen Operationen sei die Errichtung einer starken Stellung. Durch dieselbe wird das Hasheenthal beherrscht und die englische rechte Flanke, sowie die Verbindungs linie bei den bevorstehenden Operationen gegen Tamai geschützt. — Wie man aus Portsmouth meldet, haben dort die Schiffe der ersten Flottenreserve Befehl erhalten, Kohlen einzunehmen. Ein englisches Militärblalt behauptet, alle Vorbereitungen seien vollendet, um in wenigen Tagen nach Ausbruch eines KriegeS mit Rußland eine Flotte nach dem Baltischen Meere zu senden. In der Antwort, welche der König von Dänemarck aus die Adressen der beiden Kammern ertheilt hat, heißt es: „Wir sehen es als ein Unglück an, ivenn der Reichstag keine Einigung hinsichtlich des Budgets erzielt, erblicken aber in unserem Ministerium kein Hinderniß solcher Einigung. Wir können unser verfassungsmäßiges Recht nicht aufgeben, indem wir auf dieselbe verzichten, um die Annahme des Budgets zu erreichen, ersuchen ernsthaft und dringend beide Kammern, die verbleibende Zeit zu benutzen, um eine Einigung herzu stellen. Wir versichern, daß unsere Liebe und Treue zum Grundgesetze nicht geringer, als die des Folkethings ist und daß es unser fester Wille ist, die grundgesetzmäßige Freiheit der Machtvertheilung zu wahren." Das Ministerium Estrup werden demnach die dänischen Kammern zunächst nicht los. Die Regierung der Nordsmertkanischen Union scheint entschlossen, sich den Wirren in Zentralamerika gegenüber zunächst abwartend zu verhalten, trotzdem dieselben ihre Handclsinteressen stark berühren. Eine Einmischung wäre schon deshalb bedenklich, weil schon der mexikanische Freistaat sich zu einer solchen rüstet und weil es sich eigentlich um drei Ausstände handelt, um eine klerikale Bewegung in Panama, ferner um den bekannten Zentralisationsvecsuch des Präsidenten von Guatemala und eine besondere Rebellion in Honduras, deren Ziele noch gänzlich unbekannt sind. Das französische Geschwader im Sollen Ozcan erhielt Befehl, sich zum Schutze der französischen Staatsangehörigen nach Aspinwall (Panama) zu begeben.