Volltext Seite (XML)
Nr. L42 — LO. Jahrgang SWscheUolks Sonnabend den 24. Juni 1VL1 Erlcheint täglich «achm. mit NuSnahm« der So»n> und Festtage. Ausgabe 1 mit „Die Fett in Wort und Bild' vtcrteliLbrlich 8,1« In Dresden durch Boten 8,4« In ganz Deutschland frei Haus 8,88 in Oesterreich 4,4L X. AuSgab« B ohne illnltrierte Beilage vierteljiibrlich 1,8« In Dresden durch Boten 8,1« In ganz Deutschland frei Hau« 8,88 in Oesterreich 4,«7 X. - Linzel-Nr. I« 4 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die »gespaltene Petitzcile oder deren Raun, mit 18 g, Reklame» mit 8« ^ die ijeile derechnct, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Buchdrnikcrei, Redaktion u»d <»tschäf«sf<elle, Dresden, Pillnitzer Ltrahr 4!t. — Fernsprecher I!»«« FürRüikgab« unverlangt. Schriftftiiikr keine «erbindltchret« Redaktions,Sprechstunde: II bis 18 Uhr, ^rkrisckencl un6 labenä! Vreclo-Lis-Vnops V4 I?fun6 l5 pk. kerliox L koclrKrvIi, vregileii. I4is6srlagen in allen Stadtteilen. Filialen ln »ll«n rinnivn in 1 NN -77"s>eescien ^ ^cd-r-I aas »»"" SS32. 4820. 2LKS IUI7» 47X3 «a« Für das S. O^uartal li-LL abonniert man auf die „Sächsische Volks zeitung" mit der täglichen Romanbeilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1.80 Mk. (ohne Bestellgeld), durch den Boten ins Haus S.1« Mk. Der Bezugspreis auf die Ausgabe ^ mit der illustrierten Unter- Haltungsbeilage „Die Zeit in Wort und Bild" erhöht sich monatlich um 10 Pfennig. Spaltung im Hansabund. Die Leiter des freisinnig-nationalliberalen Hilfswahl- lomitees, das sich Hansabiind nennt, hatten die Sache schlau eingefädelt: an die Spitze einen nationalliberalen Bank- m ann , neben ihn den Vertreter der Industric und dazu einen Handwerker. Die Bank und Börse aber an der Spitze. So sollten alle gewerblichen Kreise gewonnen werden. Die Handwerker aber sahen sehr schnell ein, daß hier kein Platz für sie ist, und sie fielen nicht herein. Nnn aber schwenkt auch die Industrie ab und zwar sehr deutlich. Herr Landrat a. D. Rötger ist Vorsitzender des Zentralverbandes deutscher Industrieller und tritt als solcher für Zollschutz ein: er will auch mit der Rechten nicht brechen und hat dem Hansabnnde nie recht getraut: darum sammelte der Zentralverband auch einen eigenen Wahlfonds und ein leitender Mann im Zentralverbande erklärte, das; er 6 Millionen Mark ausgeben werde, wenn der Hansabund 4 Millionen Mark für die Wahlen aufwenden würde. Die Gegensätze spitzten sich immer mehr zu und der Hansatag brachte den Zwist znm Krach. In seinen Schlußbcmerkungen auf dem Hansatage hatte Geheimrat Nießer die Wahlpolitik des Bundes dahin zusammcngefaßt, daß dieser bei den Hanptwahlen selbstverständlich zur Unterstützung der von ihm empfohlenen Kandidaten auffordcre, für die Stich wahlen indessen, an denen sich Kandidaten des Hansabnndes nicht beteiligten, sei keine Parole ausgegeben, da dies Sache der politischen Parteien sei. Damit war die Sammlungs politik gegen die Sozialdemokraten abgelehnt, und Geheim rat Ricßer lies; keinen Zweifel daran, das; sein Schlachtruf: „Bürger heraus!" dazu beitragen solle, den Kampf gegen rechts, um dessen willen der Hansabund vor zwei Jahren gegründet wurde, erfolgreich fortzuführcn. Dagegen prote stiert nun Rötger in einem an Rießer gerichteten Briefe, der folgenden Wortlaut hat: „Meine in den an Sic ge richteten Schriftstücken vom 14. und 16. Juni enthaltenen deutlichen Hinweise darauf, daß ich nicht gewillt bin, die Verantwortung für Ihre von Ihnen als „persönliche Be merkungen" bezeichnetcn hochpolitischen Schlußdarlegungen auf dem ersten allgemeinen Hansatage niit zu übernehmen, haben zu meiner Ucberraschung nicht verhindert, daß ein wesentlicher Teil Ihrer Ausführungen ohne vorherige Be sprechung im Präsidium des Hansabundes in die Form eines Aufrufes zur Werbung neuer Mitglieder gekleidet worden ist. Dadurch sind Ihre Ausführungen unzweideutig ihres „persönlichen Charakters" entkleidet und als Ansicht des Hansabundes und damit seines Präsidiums hinausgesandt worden, trotzdem ich iir meinem zweiten Schreiben deutlich darauf hinwies, das; „über die Einpassung Ihrer Dar legungen in die satznngsgemäßen Ziele des Hansabundes die Ansichten auch innerhalb des Hansabnndes von einander ab weichen dürften". Ich gehe über die in diesem Vorgehen enthaltene Nichtachtung der Rechte des Präsidiums des Hansabundes hinweg: cs kann jetzt nur noch darauf an kommen, festznstcllen, das; der von Ihnen persönlich ohne Vorwissen Ihrer Kollegen im Präsidium geforderte poli tt s ch e K a m p f g e g c n r e ch t s als satzungsmäßiges Ziel des Hansabundes gemacht worden ist. Das widerspricht nach meiner pflichtmäßigen Ucberzeugung, wie ich wieder- holt zu erkennen gegeben habe, dem Geiste der Satzungen und den Richtlinien des Hansabundes und meiner Stellung als Vorsitzenden des Zcntralverbandes. in dem alle bürger- lichen politischen Parteien, sowohl links- wie rechtsstehende, vertreten sind, lieber die zwischen Ihnen und Ihrer Gefolg- schaft einerseits und mir und meinen Freunden anderseits in diesem ausschlaggebenden Punkte bestehenden Meinungs verschiedenheiten eine Verständigung, etwa eine Aussprache im Direktorium des HansabundeS, zu versuchen, erachte ich für zwecklos. Nach langer, reiflicher Ueberlegung finde ich für eine solche Verständigung keinen Weg. Unter diesen Umständen sehe ich mich genötigt, auf die Mitarbeit im Hansabnnde zu verzichten. Ich lege demgemäß und in Ucbereinstinimnng mit der Anschauung des heute ver- sammelten Direktoriums des Zentralverbandes mein Man dat als Mitglied des Direktoriums und Präsidiums im Hansabnnde nieder. Ich tue dies im Bewußtsein, alles darangesetzt zu haben, um an einer den Satzungen und Richtlinien des Hansabnndes entsprechenden Führung des selben auf der mittleren Linie mitzuarbeitcn. In vor züglicher Hochachtung Ihr crgebendstcr Rötger." Dieser Brief ist sehr deutlich und läßt keine Rückgängig machung des Schrittes mehr zu, zumal der Zentralverband deutscher Industrieller damit einverstanden ist: man darf damit rechnen, das; nun die gesamte Großindustrie ab schwenkt mit Ausnahme der sächsischen, die nur Katholiken- haß beim Hansabnnde hält. Aber auch in liberalen Kreisen ist man mit dem Hansabnnde nicht ganz zufrieden. Die nationalliberale „Magdeburger Zeitung" schreibt noch zu der Tagung der Hansabundes folgende Sätze, die wie eine nationalliberal? Absage an den Hansabund klingen: „Die entschlossene Rücksichtslosigkeit, die hier gepredigt wird: um den Kampf gegen rechts durchführen zu können, jede Hilfe von links bis znm extremsten Extrem anzunehmen, ist nur eine klangvollere Auflage des alten Wortes: den Teufel mit Beelzebub zu vertreiben. In einer solchen Kampfstellung ist freilich kein Platz für die nationalliberale Partei. Das muß mit aller Entschiedenheit und .Klarstellung ausgesprochen werden." Dazu kommt, daß der Generalsekretär des Hansabundes eine Ungeschicklichkeit nach der anderen begeht. In dem selben Moment, indem sie die „zündende" Wirkung der Schlußansprache ihres Präsidenten Dr. Nießer ans dem Hansatage abznschwächen sucht, versendet sie ein Rund schreiben, in dem sie unter Zugrundelegung der scharfen und zurückgewiesenen Redewendungen Nießers Mitglieder zu werben sucht. Ta wird beispielsweise der auf die Nechts- nationalliberalen gemünzte — sonst überhaupt unverständ liche — Sah von den nicht wenigen, die eine nervöse Angst vor der eigenen Courage haben, zitiert. Und dabei wird gar nicht in Betracht gezogen, daß der neueste Versuch Rießerscher Auslassungen.wieder „einzurenken", doch auch nur den Eindruck macht, als habe der Redner nachträglich Angst vor seiner eigenen Courage empfunden, nachdem er unter stürmischem Beifall des Hansabnndes die Sammlnng gegen die Sozialdemokratie verworfen, aber die Sammlung mit der Sozialdemokratie als eine Art nationaler Aufgabe hingestellt hatte. Wie soll man nun lesen? Sott man lesen rechts, oder soll man lesen links? Das (Mitglieder-)Samm- lnngsrnndschreiben des Hansabnndes schließt mit folgenden Worten: „Niemand vergesse, trotz aller Einlullungsversuche, das; in Jahrzehnten bis zu den letzten Tagen kaum je ein Gesetz gemacht wurde, in dem nicht Vorteile oder Ausnahmen zu gunsten solcher Kreise bedungen wurden, die dem Staate finanziell möglichst wenig leisten wollen, aber möglichst viel von ihm zu fordern bestrebt sind. Der Tag der Abrechnung für diese egoistische Politik wird und muß im Interesse end lichen und dauernden Friedens kommen, so lange er auch hinausgeschoben werden mag. Der Hansabund erwartet, daß an diesem Tage jeder seine Plficht tue, jeder von denen, an die heute der ernste Ruf ergeht: „Bürger, heraus!"" Wenn man diese Auslassung nicht schwarz auf weiß vor sich hätte, so würde man eine so kecke, der Wahrheit ins Ge sicht schlagende Leistung überhaupt nicht für möglich halten. Die.Hansabnndleitnng spricht gern und mit Abscheu von der „Ngrardcmagogie" (auch in dem vorliegenden Rundschreiben geschieht cs). Hat sic denn gar kein Empfinden dafür, daß sic selbst die allergrößte Demagogie treibt, die jemals ge trieben worden ist? Sogar das bekannte illustrierte Hansa- bundflngblatt fällt gegen diese neueste Leistung ab. Aber der Krug geht nicht mehr lange znm Brunnen: noch vor den Wahlen ist der Hansabnnd gesprengt und uneinig geworden. Er ist nach dem Austritt deS Zentralvcrbandes nur noch eine Wahltruppe für junglibcrale Fortschrittler und Sozial demokraten geworden: da die schwere Industrie sich von ihm lossagte, kann er den Genossen um so leichter zum Mandat verhelfen. Die englischen Krönungsfeierlichteiken. London, den 22. Juni 1911. Die Lebhaftigkeit des Londoner Straßen- bildes steigerte sich seit den letzten Tagen ganz gewaltig. Ueberall durchstreiften Schaulustige aus London, der Pro vinz und dem Auslände zu Fuß und zu Wagen den Bezirk, den die Feslsrraße durchzieht. Der Wagenverkehr nahm einen ungeheueren Umfang an, so daß an vielen Punkten der Hauptstraßen tagsüber beständig Stockungen von langer Dauer entstanden, die aber die Menge in fröhlicher Feier- tagslanne geduldig ertrug. Die Fußgänger kamen durch schnittlich schneller vorwärts als die Wagen, und die Unter grundbahnen allein gewährten eine schnellere Beförderung. Die Häuser sind mit Teppichen behängt und mit Fähnchen und Emblemen bunt und reich verziert. Unter den Farben überwiegen rot-blau-gold. Obwohl der Himmel bedeckt war, fiel kein Regen und noch zu später Stunde herrschte in der warmen Sommernacht fröhliches Gewimmel in den Straßen. Um 0 Uhr waren alle Geladenen in der Westminster- Abtei versammelt, um die Ankunft der Majestäten zu er warte». Auf Charing Croß war der Andrang der Menge so gewaltig, daß sie die Polizeikette durchbrach. Doch gelang es den Beamten, die Ordnung ohne Schwierigkeit aufrecht- znerhalten. Um 6 Uhr setzte ein leichter Regen ein. Gegen 6s/> Uhr verließ der glänzende Zug der fremden Fürsten und Vertreter den Buckinghampalast und begab sich auf den Weg nach der Westminster-Abter. Die Spitze des Zuges bildeten das Trompeterkorps und die Musik der Leibgarden in ihren roten, reich mit Gold ge stickten Uniformen und schwarzen Samtkappcn. Der Zug bestand aus 14 Staatswagen mit Vorreitern und Postillionen in scharlachroten Livreen. Die Eskorte wird durch Royal Horse-Guards in dunkelblauen Uniformen und silbernen Kürassen gebildet. Um IN Uhr verließ der Zug des Prin zen von Wales, der von Royal Horse-Guards eskortiert wurde, den Palast. Ter Prinz wurde von der Menge leb haft begrüßt. Ter deutsche Kronprinz und Prinz Heinrich von Preußen, sowie der Grotzherzog von Hessen hatten die Robe der Ritter des Hosenbandordens angelegt. Ihnen wurde eine sehr herzliche Begrüßung durch die Bevölkerung zuteil. Um 10>/,> Uhr kündigte die Artillerie im Hyde-Park durch 21 Kanonenschüsse an, das; der Zug der Maje stäten sich in Bewegung setze. An der Spitze marschierten in mittelalterlichen Kostümen die königlichen Schiffsknechte, hinter ihnen ritten die Adjutanten des Königs. Es folgten die Generale, darunter die Feldmarschälle Sir Jan Hamil ton und Sir John French, alle in großer Uniform, in roten Waffenröcken mit federgeschmückten Hüten und orden geschmückt. Die Hurrarufe begannen, als an der Spitze der königlichen Eskorte die Offiziere der indischen Kavallerie t orbeiritten, und sie wuchsen immer stärker an, sobald die große Staatskarosse der Majestäten mit ihren Vorrcitern und Postillionen in Sicht kam. Dieser Wagen, der ganz aus Gold und Glas besteht, wurde von acht isabelleufarbenen Pferden gezogen. Es folgte die Standarte, darauf Lord Kitchcner, begleitet von dem Herzog und Prinz Artur von Connaught, Prinz Ludwig von Battenberg, dem Herzog ton Teck, Prinz Christian von Schleswig-Holstein, und eine glänzende Kavalkade von Adjutanten und Leibgarden. Als die Majestäten die. Abtei betraten, folgten hinter den Geistlichen die großen Würdenträger des Hofes, denen Pagen die Peerskronen trugen, mit den Stan darten Englands, Schottlands, Irlands, des vereinigten .Königreichs und denen des größeren Britanniens, die von früheren Vizekönigen und Generalgouverneurcn getragen wurden. Nun erschien die Königin, die große, 18 Fuß lange Schleppe von sechs jungen Mädchen, den schönsten des englischen Adels, getragen, dann der König, dem Edelleutc mit den Regalien voranschritten. König Georg selbst im .Krönungsornat trug die Halskette des Hosenbandordens und das samtene Staatsbarett. Sein langer purpurner, mit Hermelin besetzter Krönungsniantel wurde von acht Pagen getragen. Zu den Seiten deS Königs gingen zwei Bischöfe und die königliche Leibwache. Die jugendlichen Stimmen der Schüler von Westminster begrüßten das .Königspaar mit den traditionellen Rufen: „Vivat Regina, Vivat Rex!" Ehe der König und die Königin die Thronsessel cin- nahmen, knieten sie zum Gebete nieder. Dann folgte der erste Akt der Krönung, die feierliche „Aner kenn u n g " des Königs. Der Erzbischof von Canterbury, begleitet von dem Lordkanzler, dem Lord Großkämincrer, dem Lord-High-Constable Herzog von Fife, dem Earl Mar schall und dem Wappcnkönig des Hosenbandordens, stellte den König dem versammelten Volke vor mit den Worten: „Hier zeige ich euch den König Georg, den unzweifelhaften König dieses Königreiches. Seid ihr also, die ihr hierher gekommen seid, um die Huldigung und eure Pflicht zu leisten, bereit, cs zu tun?" Eine Troinpctensanfare und Zurufe: „Gott schütze König Georg!" vollzog die Aner kennung. Dann begann der religiöse Teil der Zeremonie. Nach der Predigt trat der Erzbischof vor den König und fragte ihn. ob er den .Krönungseid leisten wolle. Der König erhob sich, kniete am Hochaltar« nieder und leistete mit ent blößtem Haupte den Eid auf die Bibel. Dann trat er vor den uralten Krönungsstuhl, über dem die Lords Rosebery, Cadogan, Crewe und Minto einen Baldachin hielten, und der Erzbischof vollzog die Salbung, der sich die Investitur mit den Insignien der königlichen Macht anschloß. Mit den Symbolen seiner Macht bekleidet, bestieg der König nun