Volltext Seite (XML)
Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand Sonntag, den 20. Juni 1875 140 eine Auffassung, die der selige Hinkeldey z. B- auch gegen die jetzige Berliner Volkszeitung, damals „Urwählerzeitung", hatte und weshalb er sie durch gewaltsame Polizeikonfis- kationen umbringen ließ. Rechtlich jedoch ist eine solche Auffassung unmöglich. Mag die Frankfurter Zeitung der preußischen Regierung noch so verhaßt sein und gefährlich erscheinen, sie kann doch nur Ungesetzliches in ihrem Inhalt einzeln verfolgen. Die Zuhilfenahme des Zeugnißzwanges ist allerdings nach preußischem Gesetz statthaft, aber seine Anwendung, wie sie hier erfolgt, vermögen wohl selbst Die jenigen nicht zu billigen, die der Frankfurter Zeitung durch aus nicht befreundet sind. Jeder Unparteiische und Ver- urtheilsfreie sieht ein, daß es sich hier über den Einzelfall hinaus um Wohl und Wehe, ja um die ganze rechtliche Stellung und Sicherheit der Presse im Allgemeinen handelt. Die Beachtung, welche man jetzt diesem Frankfurter Vor gang auch selbst in denjenigen Zeitungen schenkt, die sonst bei preußischen Fehltritten gern den Vogel Strauß spielen, beweisen dies. Was heute einem Mißliebigen passirt — Ta war doch Alles mein, wie auf den Höhen und sah die ich verachtete und deren mich gleichgiltig ließ. Da seine Ruhe, mein zerrissenes Glück dieses Bettlerdaseins! was ich besaß und ich ging hinter mir eine ganze Welt, Glanz und verderbter Inhalt fand mein gebrochener Geist Was eö ist diese Dich Herz seinen Friede». O, namenlos unglücklich hattest Du mich gemacht, treuloses Weib, und mit tausend Dolchstichen bohrst Du jetzt wieder in meine Brust, daß alle Schrecken und alles Leid mich in tausendfacher Wiederholung noch einmal zum Opfer erwählen. Es war ein Grab, in welches ich Jugend und Glück, Liebe und Hoffnung, Glauben und Streben eingesargt hatte in finsterer Nacht meiner Sinne, und auf diesem Grabe saß ich getröstet und pflückte die Blümchen, die da Gottes Hand spärlich hervorbrachte, bis Du nun gekommen bist, Du Mörderin all meines Glückes, um mir auch diesen letzten Grabesfrieden zu rauben. Er hielt ein. Violanta war von diesem unerwarteten Ausbruch wie bar ist, kann es unmöglich durch die Art ihrer Vollbringung werden. Vollbringung und Presse sind aber in diesem Falle dasselbe. Nun gar noch unter einem besonderen, jüngst erst nagelneu gemachten Preßgesetz durch einen anderweitig ein- geschachtelten Gesetzartikel den schmalen Boden, auf dem die Presse sich sicher wähnt, erschüttert zu sehen — was soll man davon halten? Entweder das Preßgesetz ist wahr — und dann kann man nicht die Vaterschaft inkriminirter Zeitungsartikel erzwingen wollen, noch weniger die amtliche Kenntniß eines Zeitungs-Geschäftsbetriebes, oder aber es ist unwahr. Die Freiheit der Presse mindestens im Rahmen des Preßgesetzes muß das deutsche Volk als ein ihm gehöriges Gut voll aller juristischen Deutelei respektirt wissen. Es ist jetzt wieder recht still geworden im liberalen Lager, als wenn gar nichts zu denken und zu thun wäre. Hüten wir uns vor Stagnation, sie erzeugt Fäulniß. Hier ist eine neue Aufraffung am Platze, will die liberale Partei etwas bedeuten: Preßfreiheit I üio Lbockus, die salm! Ausstellung jenes Artikels über den Zeugenzwang nicht an eine Auslegung desselben gedacht, wie sie jetzt von dem Frankfutter Gericht beliebt wird. Aber man belebt den Buchstaben des Gesetzes nun in einem Geiste, der wahrlich das Wort wieder rechtfertigt: »ummum jus, summa injuri» — das Recht im höchsten Maße wird zum höchsten Unrecht. Auf Grund dieses Paragraphen, welcher dem Gericht das Recht beilegt, einen Zeugen unter Bedrohung mit Geld bußen und bis zu mehrjähriger Haft zu Aussagen über eine Sache seines Wissens zu zwingen, hat man nun schon das gesammte Personal der „Frankfurter Zeitung" vorzitirt, um über die allergeheimsten Angelegenheiten einer Redaktion, über ihre Verbindungen, Mitarbeiter, über Honorare, Druck herstellung, Buchführung u. s. w. auszusagen. Diejenigen, welche eine solche Aussage verweigerten, sind mit Strafe belegt worden. So wird der Zeugnißzwang, der offenbar nur in besoilders wichtigen Fällen zum Zweck der Aufklärung einer kriminellen That aufgestellt wurde, zum Sturmbock gegen die Presse gemacht und trotz einem neuen Preßgesetz mit seinen Bestimmungen über die Verantwortlichkeit des Redakteurs für den Inhalt seiner Zeitung die Freiheit, ja die Existenz der Presse völlig in Frage gestellt. Fast will es scheinen, als wenn die Existenz der Frank furter Zeitung als ein großes liebel angesehen würde — vom Donner gerührt. Leichtsinnig und unstetig in all ihren Gefühlen, war sie doch jedem Eindrücke auf die selben schnell und widerstandslos unterworfen. Unter dieser erschütternden Klage, die eine Anklage gegen sie war, sühlte sie sich mit einem Male niedergebeugt und sie weinte, wei sein Schmerz sie rührte. Fortunato! rief sie bittend ans. Verscheuche gräßlichen Ideen! Es ist nicht wahr, daß ich unglücklich machen will. Ich liebe Dich noch immer. Entweihe nicht dies Wort! fuhr er wild empor. Du liebst, verräthst Du; was Du Liebe nennst, Betrug. Ich beschwöre Dich, halte ein. Ei« Kapitel;um Nachdenken. Mehr und mehr gewinnt das Vorgehen der preußischen Justiz gegen die „Frankfutter Zeitung" an peinlichem Aufsehen in ganz Deutschland und selbst darüber hinaus. Wir verwahren uns von vornherein gegen die Annahme, als ob die politische Haltung dieses Blattes uns zu irgend welcher Patteinahme für dasselbe veranlassen könnte ; im Gegentheil, die Tendenzen, welche dort ihre Vertretung finden, find nicht die unseren. Das kann uns aber nicht Indern, ein Urtheil über die Schritte der preußischen Ne gierung zu fällen, welches jedenfalls um so objektiver ist, je weniger wir der „Frankfutter Zeitung" und ihrer Rich tung befreundet sind. Leider liegt hier aber ein Fall vor, in welchem sich Preußen den sehr zweifelhaften Ruhm er wirbt, in Bezug auf Verfolgung der Presse ein Beispiel zu liefern, welches selbst seiner Zeit von Hinkeldey seligen An denkens nicht erreicht wurde. Der höchst beklagenswerthe GesetzeSattikel über den Zeugnißzwang wird gegen die „Franks. Ztg." in einer Weise angcwendet, wie ehedem Tagesschau. Freiberg, den 19. Juni. Die beiden Steuerprojekte, mit denen der Bundesrath zegenwärtig beschäftigt ist, erinnern an das Jahr 1869, wo sem damaligen norddeutschen Reichstage ein noch größeres Steuerbouquet überreicht wurde, in welchem die Börsen- steuer und die Braumalzsteuer nur als zwei bescheidene' Blumen sich befanden. Der Mann, welcher damals den neuen Steuerstrauß wand, war der Finanzminister v.d. Heydt. Er hatte in einer Denkschrift die Finanzverhältnisse des Bundes recht schauerlich dargestellt und auf diesen dunkeln' Hintergrund die Forderung an den Reichstag bafirt, nicht weniger als 13'/. Millionen Thaler zu gewähren. Wer der Reichstag zerriß das Bouquet Und Herr v. d. Heidt verlor über diese Niederlage seinen Poste». Die spätere Entwicklung hat gelehrt, daß der Reichstag völlig Recht hatte und daß er einen schweren Fehler begangen haben würde, , wenn er damals irgend eine neue Bundessteuer be willigt hätte, die nicht zugleich — wie dies bei der Wechsel stempelsteuer der Fall war — die Beseitigung oder Um wandlung einer Landessteuer in sich schloß. Worauf nun heute der Bundesrath die beiden in's Auge gefaßten Steuerprojekte begründen will, ist uns noch nicht recht klar. Die thüringischen Staaten sollen bei ihrem An-^ trage davon ausgegangen sein, daß die Matrikularbeiträge eine gewisse Gleichmäßigkeit behalten müßten und über ihren jetzigen Betrag nicht wesentlich hinausgehen dürsten. Gewiß findet die Behauptung, daß die Matrikularbeiträge ärmere Bundesländer hart drücken, in Deutschland ziemlich allgemeine Zustimmung; es würde nichts wünschenswerther sein, als wenn sie möglichst beseitigt und durch Reichs steuern ersetzt werden könnten. Aber das müßte doch so Sie sank vor ihm auf die Knie und hob flehend ihre thränenden Augen zu ihm empor. Dein Verrath, so fuhr er in dem entfesselten Aufruhr seines Innern fort, hat eine Welt in mir vernichtet, doch mein Auge war mit gesegneter Blindheit geschlagen worden, uni diese Trümmer meiner Jugend nicht mehr zu schauen. Warum kommst Du nun und öffnest mir den Blick, daß ich all den Jammer wieder empfinde? Fort, sott, Treu- ose, die ich nimmer hätte finden, der ich nimmer hätte vertrauen sollen. Fortunato! fiel sie ihm schluchzend ins Wort. O ver zeihe mir! Und wie er nun den rollenden Blick auf sie nieder- enkte, sah er ihre ganze Erscheinung wie von Schmerz und Demuth übergossen, ihr Haupt geneigt, ihr Antlitz wie von aufrichtiger Reue verklärt, ihre schwellenden Lippen bebend, als wenn sie Verzeihung sprächen. Er stutzte und betrachtete sie lange. Zorn und Schmerz legten sich, wie wenn eine Schale kalten Wassers in kochen des geschüttet wird. Es war ihm plötzlich, als hätte er sich vergessen, als habe er sich von einem Gefühl Hinreißen lassen, welches er zu unterdrücken sich fest vorgenommen hatte. Violanta! entfiel es ihm. Dann erschlaffte sichtlich seine ganze Natur; ein Lächeln wehmüthig und erzwungen, umzitterte seinen Mund; seine Augen nahmen ihren müden, abwesenden Ausdruck wieder an. Dacht ich doch, sprach er darauf, das junge kniende Weib nock immer betrachtend, ich sehe Canova's Magda lena. Erinnerst Du Dich wohl noch, wie wir in der Villa Cärlotta die Bildwerke bewunderten, die büßende Magda lena, Amor und Psyche? Ach, es war eine schöne Zeit! Feuilleton. Der Bettelmufikaut. Novell« von Schmidt-Weißensels. (Fortsetzung.) Aha, unterbrach sie Fortunato niit einem schlecht ver hehlten Anflug von Bitterkeit. Wenn ich dann nicht ant wortete, ward ich für verschollen erklärt. Du wurdest wieder frei und konntest wieder heirathen. An Freunden, an Bewerbern fehlte es Dir gewiß nicht. Wie wohl keinem jungen Weibe in meiner Lage, be stätigte sie ihm ohne Zögern. Ich gab damals noch Konzerte und mein Salon war sehr besucht. Aber Du sagtest mir vorher, daß Du Deine Stimme verloren hättest? Vor einem Jahre, ja, in Folge einer Erkältung, die ich mir auf der Reise in die Apenninen zuzog. Das war wohl ein schwerer Preis, den ich für dies Vergnügen be zahlen mußte. Aber, fügte Fortunato mit kalter Ruhe hinzu, man entschädigte Dich dafür, wie ich fehe. Es blieben Dir die Freunde dennoch treu und sorgten sür Dich. Violanta überhörte diese Worte. Nun habe ich Dir Alles erzählt, begann sie nach einer Weile wieder, das Gespräch in eine andere Richtung drängend. Aber Du, Fortunato, wie kamst Du in diese Mustkantengesellschaft? Wie konnte es möglich sein, daß Du, ein Künstler ersten Ranges, auf den Straßen, vor den Kaffeehäusern spieltest — ein Bettler, wahrlich, ein Bettler I Nun ja, ein Bettler, erwiderte er mit hohler Stimme. Er schwieg eine Weile uud blickte träumerisch vor sich hin; in einem ergreifenden Ton der Klage, und als ringe er wegsehen zu wollen, weil von den jetzigen Preßverfolgungen Parteien betroffen werden, welche bei den Liberalen wenig Sympathien haben. Wo bleibt dann das Prinzip? „Hirten knabe, Hirtenknabe!" Beklagenswerth genug, daß außerhalb des militärischen Gebiets in Preußen kein recht großstaatlicher Geist sich schöpsettsche Verdienste zu erwerben weiß, sondern die Zett des Friedens dort so vielfach zu amtlichen Neigungen und Maßnahmen hmfühtt, mit denen schließlich immer wieder moralisch in Deutschland verloren wird, was militärisch gewonnen wurde. Wenn unberechtigte Feindseligkeit schon genug an Preußen herumzerrt, so kann es nur be dauerlich genannt werden, wenn selbst Wohlgesinntere An laß finden, wieder an eine Zeit herber Enttäuschung des deutschen Volkes zurückzudenken. Und Maßregeln solcher Art, trotzdem sich die Regierung dabei auf das Gesetz berufen kann, sind wohl dazu geeignet. Es ist ja überhaupt schon ein bedauernswerther Mangel der modernen Gesetzgebung, daß man es noch für noth wendig hält, besondere Preßgesetze aufzustellen, die als Ausnahmegesetze dem Prinzip der Gleichheit in der Nechts- verwaltung widerstreiten und die Gewerbefreiheit unbillig beschränken. Besondere Vergehen und Verbrechen außer halb des Bereichs des allgemeinen Strafgesetzbuches soll es nicht geben; eine Handlung, die an und für fick nicht straf - sich nur zur eigenen Linderung all sein Weh von der Seele, fuhr er daun fort: O, warum riß mich Tein Anblick wieder aus dem «KeMMAMMW und Tageblatt. welche Zeitung ist sicher, nicht auch einmal mißliebig zu Graf zur Lippe das Gesetz gegen die Redefreiheit der Ab-1 werden? Es wäre unwürdig, stillschweigend darüber hin- - geordneten auszubeuten suchte. Offenbar hat man auch bei s