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BeMWyeig^ md Tageblatt J-143. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Bermüwortlicher Redaktem: Julius Braun in Freiberg. 38. Jahrgang. Mittwoch, »e« 24. Juni. Erscheint jeden Wochentag Abends'/,? Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und eimnonatlich 75 Pf. Inserate werden bis Bormittag 11 Uhr angenom- LH TBL men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile D oder deren Raum 15 Pf. w» Vergißmeinnicht. Von Hermann Barth. Keine Alume unter allen Kat mir immer so gefalle«, Als Akümtei« Vergißmeinnicht; Wunderbare Kerzenssprache Won der Lieke Lust und Klage, Pie aus seinen Aevgkei« spricht! Hin Wergißmeinnicht gekrochen Kast dv, als d« dich versprochen Peiner Lieke Vis iu's HraS; Mater allen Weihgeschenkea War's dein schönstes Angedenken, Pas dir deine Lieke gav. Zieht hinaus mit Kurem Leide, Vssückt das Alümlei« auf der Kaide An dem klare«, stillen Mach, Mlümleia mit den Stauen Sternen, Hr«ß der Lieke an die Kernen, Kente ist Johannistag! Aller Mosen Matsamdüfte Wicht so ehren ste die Kräfte, Als ein schlicht Vergißmeinnicht, Pas, allein mit seinen Schmerzen, Stvmme Kraner in dem Kerze«, Kreuer Lieke Sehnen vricht. Ist ein Kugel so verarmet, Paß sich Niemand sei« ervarmet Zlnd ihm aach ei« Krävzleia sticht, I« der reichste« Kügelreihe Kragt er die Ioha««isweihe, Mtüht ihm eia Vergißmeinnicht. So will ich's im Hottessegen Auf die theure« Hräver lege«, Parin meine Lieven rahn; Ihrer werd' ich nie vergesse«, Mis aach mir das Ziel gemesse«, Meine Ange« z«z«1h««! Zum Zohannisfest. Friede wohnt im heil'gen Schooße Der Natur und segensreich Grüßt uns heut ihr Kind, die Rose: „Brüder, Friede sei mit Euch!" Dieser Johannisfriedensgruß geht durch die Welt an dem Tage, wo die Sonne am höchsten stehend auf ihrer scheinbaren Wanderung am Wendekreise des Krebses ange langt ist, wo die Zeit anbricht, an welcher das strahlende Tagesgestirn zeitiger und zeitiger zur Rüste geht. Der Johannistag ist unverkennbar ein Wendepunkt in der Natur, die in ihrer höchsten Pracht auf dem Punkte angelangt ist, wo es wieder abwärts gehen muß. Der vollaufgeblühten Rose bleibt nur das Verwelken übrig; die Blüthen der meisten Bäume sind gefallen und an ihrer Stelle neigt sich bereits die schwellende Frucht herab; die in üppiger Fülle stehenden Felder harren des Schnitters. Dumpfgrollende Gewitter wechseln mit tiefer Windstille; nur noch selten er klingt Vogelsang durch den Wald. Der höchste Glanzpunkt der Natur ist genau so wie derjenige des Menschenlebens der Beginn langsamen Absterbens, weil nichts Irdischem Vollendung gegönnt ist. Aehnliche Empfindungen waren es wohl, welche die alle Vorgänge in der Natur mit sinnigem Auge betrachtenden germanischen Vorfahren veranlaßten, den Tag der sommerlichen Sonnenwende festlich zu begehen und durch allerhand symbolische Gebräuche gleichzeitig Thor und Froh, den wilden Donner- und den milden Erntegott zu ehren. Aehnliche Empfindungen waren es wohl, die später dazu Veranlassung gaben, diesen Tag dem ernsten Wüstenprediger zu weihen, der den Abschluß einer ganzen Kulturperiode bezeichnete und bei dem Abnehmen des alten Lichtes auf die künftige im Werden begriffene Leuchte der Welt verwies. So haftet diesem längsten Tage im Jahre so mancher ernste Gedanke an, so fühlt sich mitten im wunderbarsten Prangen der Natur das Menschenherz von dem Gedanken bedrückt, den das Volkslied mit den einfachen Worten ausdrückt: „Scheint die Sonne noch so schön; einmal muß sie untergeh'n." Dieser Gedanke an die Vergänglichkeit alles irdischen Glückes kann uns aber nicht dauernd verstimmen, wenn wir uns an der Hoffnung aufrichten, daß die himmlische Liebe einer von zahllosen Blättern gefüllten Rose gleicht, die nie verblüht, daß uns nach dem Untergang der irdischen Sonne ein himmlisches Licht im ewigen Osten erwartet. Diese Hoffnung zu kräftigen, die Mißstimmung über die Vergänglichkeit alles Irdisch-Schönen in sanfte Wehmuth aufzulösen, treten wir am Johannistage an die Gräber unserer Lieben und schmücken sie mit den schönsten Blumen des nun so bald scheidenden Sommers, mit Rosen. Die Tausende, welche an diesem Tage zu den Friedhöfen wallen, um ihren theuren Entschlafenen ein Liebeszeichen zu bringen, sie sind durchdrungen von dem Gedanken, daß auch die Menschen verwelken wie die Blumen, daß aber aus dem von dem Säemann in die Erde gesäeten Samen über ein Kleines wieder eine Blume heraufkeimt. Ihr geistiges Auge schaut voil dem niedem Grabeshügel weiter hinaus wie von der höchsten Alpenhöhe, denn sie sehen, vom echten Johannislicht erleuchtet, in eine ferne Ewigkeit, wo es keine Trennung, keinen Sckimerz, keine Noth mehr gicbt. Freilich mahnt das fülle Grab auch Manchen an sein eigenes Ende, Manchen, daß er hätte blücklicher sein und glücklicher machen können, Manchen an eme noch ungesühnte Schuld. Alle aber umweht doch auf dem stillen Gottesacker ein Hauch des Friedens, der ihr Gemüth umrauscht wie die Fluthen des Jordans, als der Weg des Herrn gerichtet werden sollte. Ehrgeiz, Habsucht, Neid und alle die kleinen und großen schlimmen Leidenschaften, welche der Strom des Lebens in der Menschenbrust entfacht, sie schwinden in solchem Augenblick vor der tiefen Sehnsucht nach Frieden mit Gott und den Menschen. Edle Entschlüsse keimen in vielen Kampfesmttden, denen am Johannistage ein wahres, echtes Friedensglück erwächst, Wenn die Schläfer unter Rosen Mahnen aus dem Geisterreich, Unberührt vom Kampfestosen: „Brüder, Friede sei mit Euch!" Tagesschau. Freiberg, den 23. Juni. Bei der Sonntag Abend erfolgten Abreise des deutschen Kaisers nach Bad Ems hatten sich in Berlin trotz des Regenwetters vor dem Palais, auf den Wegen und am Bahn hofe dichtgedrängte Menschenmassen aufgestellt, welche den Kaiser mit stürmischen Hochrufen begrüßten. In Eins traf der greise Monarch bekanntlich gestern im besten Wohlsein unter dem endlosen Jubel einer ungeheuren Menschenmenge ein. Auf dem Bahn hofe waren zum Empfange anwesend: Prinz Nikolaus von Nassau, Prinzessin Schönburg-Waldenburg, Herzog Georg von Oldenburg, der Regierungspräsident von Wurmb, der Badekommissar Kammerherr von Lepel-Gnitz, die Geistlichkeit und der Bürgermeister von Ems. Krieger-, Turnvereine, sowie Schüler bildeten Spalier. Der Kaiser fuhr, von der zahl reichen Menschenmenge enthusiastisch begrüßt, im offenen Wagen langsam durch die festlich geschmückten Straßen nach dem Kurhause. An die zur Leichenfeier des Feldmarschalls von Manteuffel reisenden Deputationen aus Elsaß-Lothringen, welche sich in Berlin dem deutschen Kronprinzen vorstellten, richtete der letztere eine Ansprache folgenden Inhalts: E- lege Werth darauf, die Herren aus dem Reichslande zn empfangen und im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers sein Beileid über den schmerzlichen Verlust auszusprechen, welchen die Reichslande durch den Tod des Statthalters erlitten hätten. Derselbe habe sein Möglichstes gethan, um dem Lande den für die jetzige Generation schwierigen Uebergang in neuere Verhältnisse zu er leichtern. Er hoffe zuversichtlich, daß die von dem Statthalter aus gestreute Saat gedeihen werde zum Nutzen des Landes, und dazu müßten Alle mitwirken. DiesenWunsch möchten dieHerren alsGruß an die Reichslande heimbringen. Bei der Begräbnißfcier in Topper war der Sarg des Feldmarschalls von Manteuffel über und über bedeckt von kostbaren Bkimenspenden von dem Kaiser und der Kaiserin, dem Kaiser von Oesterreich, dem König von Sachsen, von der Stadt Straßburg und mehreren Vereinen der Reichslande, von dem 15. Armeekorps und zahlreichen einzelnen Truppentheilen des letzteren sowie des Gardekorps. Das russische Dragonerregiment Nr. 10, dessen Chef Feld marschall von Manteuffel gewesen, halte durch seinen Kom mandeur einen silbernen Lorbeerkranz, mit den Bändern des Georgsordens reich geziert, niederlegen lasten. Nach dem Er scheinen des Prinzen Albrecht von Preußen begann die Trauer feier mit einem Gesang der Gemeinde; diesem folgte die An sprache des Ortsgeistlichen und dann wurde der Sarg unter Glockengeläute und unter den Klängen eines von den Trompetern des 3. Ulanen-Regiments geblasenen Chorals von Haus- und Forstbeamten auf den Schultern zur Kirche getragen. Bor dem Altar sprach der Oberhofprediger Kögel aus Berlin herzbewegende Worte, die Berufstreue des verstorbenen Feld« marfchalls schildernd, dem Königsdienst Gottesdienst gewesen und als dessen hervorragender Charakterzug Wohlwollen zu betrachten sei; daher die Klage aus Elsaß-Lothringen, daß der Mann geschieden, der nicht Wunden habe schlagen, sondern heilen wollen. Nach Einsegnung der Leiche wurde der Sarg auf den Gottesacker hinausgetragen, wo zur Seite der dem Verewigten im Tode voraufgegangenen Gemahlin im Schatten uralter Eichen die letzte Ruhestätte bereitet war. Nach der Einsenkung und einem Gebet des Dorfgeistlichen streute Prinz Albrecht, sichtlich tief ergriffen, drei Hände voll Erde auf den Sarg, küßte dann der Tochter des Verstorbenen die Hand und umarmte und küßte beide Söhne dreimal. Nachdem die Feier beendet, wurden im Schlosse den Trauergästen Er frischungen hargeboten, alsdann führte ein Extrazug dieselben nach Frankfurt zurück. Der polnische Knecht Grigolatis, welcher am 5. und 6. vor. Monats Steine nach den Fenstern des kaiserlichen Palais in Berlin warf, wurde gestern von der ersten Strafkammer des Landgerichts I wegen wiederholter Majestätsbeleidigung und wiederholter vorsätzlicher Sachbeschädigung zu 1*/, Jahren Gefängniß verurtheilt. — Anläßlich des Maurerstreiks beschloß der Bund der Baumeister und Zimmermeister zu Berlin: 1) den von den Maurergesellen gestellten Antrag, mit der Gesellen-Kom- mission über die Lohnsrage in Unterhandlung zu treten, abzulehnen ; 2) um Ausschreitungen der Streikenden gegenüber den arbeitenden Maurergesellen möglichst zu vermeiden, das Arbeiten auf den einzelnen Arbeitsplätzen thunlichst einzuschränken, bez. ganz einzustellen; 3) den bei Wiederaufnahme der Arbeit zu zahlenden Lohn in jedem einzelnen Falle mit den zu beschäftigenden Ge sellen zu vereinbaren. — In der Prozeßsache des Hofprediger Stöcker gegen den Redakteur der „Freien Zeitung" H. Bäcker legte Rechtsanwalt Sachs Namens des Angeklagten Revision ein, weil der letztere auch wegen Verbreitung eines Flugblattes, das einen der inkriminirten Artikel enthielt, bestraft wurde, während er vergeblich den Einwand erhob, von der Verbrei tung dieses Flugblattes gar nichts gewußt zu haben. Am Sonntag sanden in Wien mehrere Versammlungen liberaler Mitglieder des österreichischen Reichsrathes statt,