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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902021802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902021802
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-18
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
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Nr. 8S Dienstag den 18. Februar 1902. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer nnd Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrsörderuug 70.— Auuahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 98. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Znm Remontenscandal. Man schreibt uns aus London unter dem 17. Februar: Der Remontenscandal—anders spricht die englische Presse schon nickt mehr über die Frage derRemontenankäufe für den südafrika nischen Krieg — beschäftigt ebenso wie die Frage der Fleisch- contracte da- allgemeine Interesse in hohem Maße. Lord Rosebery war durchaus im Recht, wenn er der Negierung Nachlässigkeit in der Remontenfrage vorwarf und behauptete, Haß sie den wahren Charakter des südafrikanischen Krieges niemals ersaßt habe. Wenn bei Beginn desselben genügend berittene Truppen zur Hand gewesen wären, so würde derselbe wahrscheinlich schon längst vorüber sein. Zweifellos ist dieser ganze Remontenscandal und die Hinschleppung des Krieges eine Folge jener Politik, durch welche das Kriegsamt zu sparen beabsichtigte, und welche durch das Telegramm Lord LanS- downe's vom Herbst 1899 — Lord LanSdowne war damals noch Kriegsminister — charakterisirt wird. Er depeschirte an die Colonien „Keine berittenen Leute erwünscht". Daß das Remonte-Departement gänzlich veraltet ist, steht beute zweifellos fest. Jemand muß aber verantwortlich ge macht werden, und dieser Jemand wird Wohl General Fruman sein, der gegen sich Untersuchung beantragt hat. Dieselbe kann aber trotz Lord Rosebery's eifrigem Protest erst nach Beendigung deS Krieges begonnen werden, weil zu viele Officiere, welche im Augenblick wichtige Functionen haben, von denselben abberufen werden müßten, um ver nommen werden zu können. * London, 17. Februar. Eine Depesche Lord Kitchener's aus Pretoria meldet, daß in der letzten Woche nach den Berichten der einzelnen englischen Abtheilungen 17 Boeren gefallen, fünf verwundet und 107 gefangen genommen worden sind, während sich 138 ergeben haben. DaS mitt lere Gebiet der Capcolon ie ist Hom Feinde frei. (?) Piet Wessel'S Commando, nach Westen zurückgetriebeu, über- schritt die Hauptbahnlinie in der Nähe von Victoria-West in nordöstlicher Richtung. Die in kleine Abtheilungen auf- gelösten Boreucommandos sind schwer zu fassen. Oberst Rowlinson drängte die ihm gegenüberstehenden Boerenabthcilungen in östlicher Richtung von guickerboschsrand am 12. Februar mit anderen Boeren ab. Auch der Feldcornet Werthuizen ist bei einem Zusammenstoß mit berittener Infanterie gefallen. Spens nahm füdlich von Amsterdam 12 Boeren gefangen, 19 ergaben sich. * Kroonstad, 17. Februar, (Reuter's Bureau.) Tas Gesammt- ergebniß der vereinigten Operationen der englischen Truppen bei dem letzten Kesseltreiben ist folgendes: 300 Boeren wurde» gefangen, 25 verwundet und 15 getüdtet. Unter den Gefangenen befindet sich Commandanl BesterS, der inzwischen in Heilbron- road seinen Wunden erlegen ist. politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Februar. Ein sehr ernstes Wort hat gestern im Reichstag, wie wir dem heute vorliegenden ausführlichen Sitzungsberichte ent nehmen, der Kriegsminister v. Goß ler gesprochen. Bei der Specialberathung des Militär-Etats glaubte nämlich der Abg. Bebel die Armee einer gewissen Ueberhebung beschuldigen zu sollen, worauf Herr v. Goßler entgegnete: „Wir halten es für unseren größten Ruhm, daß wir bescheiden sind, und wenn der Vorredner uns an Jena erinnert, so sind wir uns be wußt, daß wir wahrscheinlich in der Zukunft schweren Zeiten entgegengeben, und wir sind ent schlossen, unsere Pflicht in jeder Richtung zu thun." Den be absichtigten Eindruck brachten aber diese Worte nicht hervor; am wenigsten auf den Polen Cbrzanowski, der die üblichen polnischen Klagen in der schroffsten Form vorbrachte, sich Aus drücke wie „preußische Pest" gestattete und vom „Vaterlande" in einer Weise sprach, als ob für ihn und seine Landsleute ein deutsches Reich gar nicht bestände. Oder sollte dieser Redner gerade aus dem Hinweise auf die drobenden schweren Zeiten die ermuthigende Hoffnung geschöpft haben, daß diese Zeiten den Polen die Erfüllung ihrer Sehn sucht bringen würden? Undenkbar, ja unwahrscheinlich wäre das nicht; um so berechtigter war daber der Kriegs minister, Herrn Chrzanowösi zu entgegnen, für die Soldaten der deutschen Armee gebe es - kein anderes Vaterland als Deutschland und er würde auch keinem rathen. ein anderes Vaterland an dessen Stelle setzen zu wollen. Den Leser des Sitzungsberichtes berührt es aber seltsam, daß es dem Minister allein überlassen blieb, die Nothwendigkeit einer energischen Polenpolitik mit dem Hinweise auf eine dunkle Zukunft zu begründen. Hoffentlich wird heute das Versäumte nachgeholt und dann überhaupt die ganze Debatte auf den ersten Ton gestimmt, den der Kriegs minister bei den citirten Worten anschlug. Gewiß ist eS gerade dann, wenn ernste Zeiten drohen, die besondere Pflicht der Volksvertretung, alle wirklichen oder vermeintlichen Uebelstände zur Sprache zu bringen, welche die Schlagfertig keit der Armee vermindern könnten. Aber ebenso gewiß sollte unter solchen Umständen kleinliches Nörgeln vermieden werden, das in der Armee nur Unlust erzeugen und dazu beitragen kann, einen Gegensatz zwischen Volk und Heer groß zu zi-bcn, der gerade in Tagen ernster Prüfung verderblich werden müßte. Die Socialdemokratie scheint das freilich ebenso wenig einzusehen, wie Herr Cbrzanowski. Sie darf sich aber auch nicht wundern, wenn man auf das VaterlandSgefühl ihrer Redner ähnliche Schlüsse wie auf das der Polen zieht. Infolge deS Rücktritts des Vorsitzenden der Tarif commission v. Kardorff und der von Mitgliedern der Commission gemachten, über die Sätze der Vorlage hinaus gehenden „Compromißvorschläge" ist vielfach in der Presse von einer „Zolltarifkrisis" die Rede. Auch die „Nat.- Lib. Corr." bat sich diese Bezeichnung angeeignet und die Ansicht ausgesprochen, man werde auS dieser Krisis nur herauskonimen, wenn cö „tbunlichst" bis zur nächsten Sitzung der Commission gelänge, zu einem Compromiß zu kommen, „daS in allen wesentlichen Stücken die Sätze der Vorlage der verbündeten Regierungen als intangibel bezeichnet". In I Nachstehendem geben wir einer Berliner Zuschrift Raum, die I den Stand der Dinge weniger pessimistisch auffaßt: „In der« Tarifangelegenbeit laufen jetzt zwei Fragen parallel, die nichts mit einander zu schaffen haben: Die Vorsitzenden-Krisis und die Compromiß - Bestrebungen. Die Präsidial - Vacanz braucht nicht tragisch genommen zu werden. Sie ist, wie selbst extrem agrarische Blätter einräumen, zum Theil eine Folge von Fehlern, die dem hochbetagten Herrn v. Kar dorff untergelaufen sind. WaS aber die Compromißverhand- lungen angeht, so ist das eine Sache, von der „Niemand nichts weiß". Nichts Bestimmtes wenigstens. Ihr Tele gramm in der SonntagS-Nummer ist zutreffend. Es baben thatsächlich Führer von Mehrheitsparteien ein Com promiß auf der angegebenen Grundlage angebahnt. Aber ganz genau ist vielleicht nicht einmal die Grundlage für die Anbahnung umschrieben. Wenigstens hört man, daß für Gerste ein Mindestzoll von 4 nnd nicht von 5'/2 wie es hieß, in Aussicht genommen sei. Wie dem sein mag, es handelt sich jedenfalls nur um die Basis von Verhandlungen Wohlmeinender, nicht um daS Ergebniß von Verhandlungen Autorisirter. Die „Germania" spricht auch zutreffend von einem „Entwurf", dessen unbefugte Ver öffentlichung das Blatt aus moralischen und praktischen Gründen beklagt. Letztere eignen wir uns nicht an, es ist gut, wenn die extremen Agrarier erkennen, wie ein starkes Hinauftreiben der Regierungsvorlage — und ein solches stellen die mitgetbeilten Sätze vor — auf Widerstand stößt, und es ist nicht minder nützlich, wann die Gegner jeder Zollerhebung erkennen, daß der Gedanke einer Erweiterung des Tarifs an sich keineswegs die erwartete Empörung im Lande her- vorrust. Es ist nicht andern, daß die Vorlage mit ver bundenen Augen geschluckt werden müßte, und selbst die „Nationallib. Corr." sagt nicht mehr, als daß nur ei» Com promiß aussichtsvoll sei, „das in allen wesentlichen Stücken die Sätze der Vorlage als intangibel bezeichnet". Wenn die genannte Correspondenz zu meinen scheint, daß Alles verloren sein werde, wenn nicht bis zur nächsten Sitzung der Commission eine derartige Grundlage sür die Verhandlungen vorbereitet sei, so glauben wir, daß so geschwind die Preußen nicht schießen müssen noch werden. Die Bayern auch nicht. Die Cenlrumsfraction beginnt erst am Dienstag die Beratbung der Vorschläge und wird sie kaum in einer Sitzung zu Ende führen. Das Centrum ist aber oder Centrumsleute sind die Träger dieser Compromißgedanken. Das geht auS einer Reihe von An zeichen unverkennbar hervor. Wir rechnen dazu nicht den Umstand, daß der colportirte Antrag als ersten Namen den des Centrumsmitgliedes Herold trägt. Aber die Be ibringung dieses Herrn schon im ersten Stadium der Vereinbarungsvcrbandlungen ist von Bedeutung. Herr Herold wurde nämlick bisher zu den 7>/r-Mark - Leuten gerechnet. Wir wissen nicht, ob andere Fraktionen mit ihren Berathungen und Entschließungen warten werden, bis daS Centrum zu sagen im Stande ist, wie ein Compromiß nach seiner Auf fassung beschaffen sein müsse und wie viele der eigenen Leute eS als unbedingte Vertreter „seines" Compromisses stellen könne. Richtig wäre ein solches Zuwarlen Wohl. Denn das Centruin muß nun einmal daS Rückgrat einer leistungsfähigen Reichstagsmehrheit bilden und es sind, selbst auf Grundlage der genannten Sätze, obwohl diese in ihrer Gesammtheit der Regierung nicht annehmbar erscheinen werden, in seinem Schooße große Schwierigkeiten zu überwinden, ehe es gelingen kann, ein für eine Mehrheit ausreichendes Contin- gent zu stellen. Wie es bei den Con servativen zugeben wird, tiegt im Dunkeln. Aber ein übles Vorzeichen ist es nicht, daß der Antrags-Entwurf die Zustimmung der Grasen Kan itz und Schwerin-Löwitz gefunden hat, denn vom Stand punkt dieser Agrarpolitiker sind die angebotenen Zollsätze nicht hoch zu nennen. DaS muß selbst Der anerkennen, der sie nicht allesammt oder keinen einzigen davon acceptiren möchte. Es ist gleich beim ersten praktischen Schritt oder, wenn man will, Gehversuch viel Wasser in den hochschutzzöllnerischen Wein ge gossen worden, weitere Mengen werden Nachfolgen. Frbr. v. Wangenheim hält sich vorläufig abseits. Vielleicht hofft er, das große Mehr, das schon die Regierungsvorlage der Landwirthschaft bietet, werde auck ohne und gegen seinen Widerspruch zu erlangen sein — zum größeren Vortheil des „unentwegten" Bundes der Landwirthe. ES fragt sich nur, wie viele Conservative ihm in der Opposition folgen würden. Darauf, daß die „Kreuzzeitung" eben wieder flau macht, ist nicht viel zu geben, aber die Grafen Kanitz und Schwerin werden allen ihren Einfluß aufbieten müssen, soll eine beträchtliche Anzahl ibrer FractionSzenossen auf den Boden dieser Compromißanträge treten. Auf den Boden, denn — und das ist nicht geeignet, die Schwierigkeiten der conservativen und der klerikalen Fraktion zu mindern,— die Vorschläge in ihrer Gesammtheit, mag nun für Gerste was immer in Aussicht genommen sein, dürfen nicht auf die Zustimmung der Re gierung hoffen. Was angeregt, aber, wie gesagt, noch nicht einmal für die Einbringung in die Commission präparirt ist, das ist ein aäclituZ aä xaccm, ein Zugang zum Frieden, noch nicht aber der Friede selbst. Die über die Vorlage hinausgehenden Forderungen müssen theils entfernt, theils erheblich niedriger gebangt werden, soll die Regierung sich überhaupt in den Stand gesetzt sehen, einen Fuß auf die Leiter zu setzen. Eine grundsätzliche Ab neigung, über Kleinigkeiten zu verhandeln, wird man aber bei den Regierungen nicht voraussetzen müssen. Sie wäre handelspolitisch und politisch nicht recht verständlich und widerspräche geradezu einer Interpretation der Regiernngsausfassung, die der bayerische Minister Frei herr v. Riedel bei der ersten Lesung im Reichstage ge geben hat." Uebcr einen angeblichen Entschnldigungsbries des Prinzen Heinrich an den Admiral Dewey weist eine Washingtoner Depesche -es „New Zjork Herald" zu be richten. Darnach sott Prinz Heinrich den Brief aus Ber lin nach Palm Beach, Florida, gesandt haben, wo Admiral Dewey sich gegenwärtig aufhält. Der Brief drücke die freundlichste persönliche Achtung aus und sei eine Ent schuldigung Deutschlands gegenüber dem Admiral. Prinz Heinrich gebe zu, datz die Deutschen während der Blockade Manilas Kehler gemacht hätten und datz Admiral Dewey recht gehandelt habe. Dieser Brief, fügt der Eorrcspondent hinzu, habe Dewey große Befriedigung gewährt, denn er höbe hohe Achtung vor dem Prinzen, und die unangeneh men Staatsbeziehungen hätten die Lage etwas schwierig gemacht zu einer Zeit, als das amerikanische Volk von ihm erwartete, -atz er cs vertrete und als er seine persön lichen Gefühle öffentlich auszudrücken wünschte. Admiral Dewey glanbe, der Brief fei ebenso wohl für ihn selbst, wie für das amerikanische Volk bestimmt. Der Admiral wolle einen Vertreter nach New Uork senden, um an seiner Stelle den Prinzen zu empfangen, da der ernste Zustand seiner Gemahlin ihn verhindere, persönlich dort zu er scheinen. — Hierzu bemerken die „Berl. N. R." offenbar auf Ginmd authentischer Erkundigungen: Es ist bekannt, daß Prinz Heinrich während seines Aufenthaltes in Ost- Feuilleton. Kittmeister Lckhoff. Roman von A. von Tryftedt. Nachdruck verboten. Stephanie wandte sich wieder dem Fenster zu nnd sank dort nieder. Oben am Firmament erglänzten auch hell die Sterne, aber Wolken zogen darüber hin, ab und zu sogar den Mond verdüsternd, der sein klares Licht über die braune, nach Frühlingsgrün verlangende Erde ausgoß. Ein namenloses Weh erfüllte sie ganz. Sie lag dort und betete, aber nicht für sich nnd daS eigene Glück, sondern für das der beiden lieben Menschen, welche ihrem Herzen thener waren. Eine dumpfe Angst ließ sie Alles wie durch düstere Trauerschleter sehen. Endlich erhob sic sich, sie hatte geweint und die Hände gerungen, fast ohne cs zu wissen. Nun trocknete sie die Augen und trat an daS Bett der holden Schläferin. Sic lächelte im Traum, die Lippen flüsterten leise einen Namen. So sand Martba ihre Tochter. Zwei traurige Augenpaare sahen sich an. Dann hielten sich die Beiden umfaßt, schmcrzbewegt, tief erschüttert. Stephanie zog die fassungslose, schluchzende Mutter in das Nebenzimmer zurück. „Es ist eigentlich gar kein Anlaß mehr zu Gram nnd Trauer, liebste Mama. Alles geht nach Wunsch. Wir sollten uns nicht so ganz unnöthiger Weise kümmern!" „Evas wegen nahm ich damals die Rente an, dieses blaffen, kränklichen Kindes wegen überwand ich Scham und Stolz — und nun, nach all den Jahren soll sie vielleicht das Opfer werden — der Schlag würde mich töbtlich treffen, Stephanie —" „Beruhige Dich, liebes, liebes Mütterchen — Gott wird uns beistehen —" „ES war ein Frevel, so auf den Tod eines Menschen zu warten!" „Ach — Mama — verzeihe mir doch — ich war so ver blendet —" „Kind, ich klage Keinen an — wer kann verantwortlich gemacht werden für feinen Charakter —" Sie schwiegen Beide und senkten den Blick. — Beide dachten an Julius, nicht vcrurtheilcnd, sondern mit jenem Leid, das einer verlorenen Sache gehört. Er hatte es verstanden, in Stephanie jedes echte, warme Gefühl zu ersticken, und statt dessen den Dämon der Hab gier in ihr zil wecken. Er hatte sie dem Einflüsse der Mutter mehr und mehr entzogen, Eitelkeit und Hochmuth in ihr genährt. Fast wäre sic das Opfer geworden Und an Martha zogen all die langen Jahre vorüber, wo sie der Kinder wegen fast Ucbermenschlichcö in der Selbstbeherrschung geleistet hatte! Er hielt sie für blind, sie aber hatte viel, vielleicht Alles gesehen! Oft genug war sie, von Ekel gepackt, vom Jammer übermannt in einen Winkel geflüchtet, alle Oiialcn in heimlichen Thrünen erstickend. Der Glanz ihrer Augen war dahin, die Farben ihres Antlitzes verwischt, aber nie hatte eines -er Kinder sie hadernd, ungeduldig, oder gar verzweifelt gesehen! Zur rechten Zeit fand sic stets ein Lächeln, ein flüchtiges Scherz wort! Ein Martyrium war ihr Dasein an der Seite dieses Mannes gewesen, des unvollkommensten, fehlerhaftesten, eingebildetsten Menschen — des Vaters ihrer Kinder —! „Das war der Punct, den sie anerkennen mußte, heute, immerdar! Und möchte das Acrgste geschehen! In seiner Weise hatte er es ja herzlich gut gemeint! Nur etwas, das an Aufopferung erinnerte, durfte man von ihm nicht erwarten," sie seufzte beklommen auf, „und — er wußte sich über Alles zu trösten, über Alles so leicht hinweg zu setzen, sobald es sein Behagen nicht störte. Martha lächelte trotz all ihrer Trauer. Auch die Fehler Nahestehender können einem sanften Frauengcmüth lieb und vertraut werden. Es hatte ihr doch stets eine besondere Befriedigung ge währt, seinen ganz unvermittelten Einfällen Rechnung tragen, seinem verwöhnten Geschmack bezüglich der leib lichen Genüsse absolut genügen zu können! Go waren sie recht gut mit einander ausgekommen. Sie besaß eben einen nie versiegenden Quell echt frauen hafter Güte und Großmuth in ihrer Brust. Immer war sie bereit gewesen, zu entschuldigen, zu ver stehen wenn die Gefahr vorüberzvg, wenn Alles gut wurde, dann vermochte Martha auch dieses Letzte, Unver antwortliche zu vergeben. Im anderen Falle — „Wat zu tragen ist, wollen wir Alle mit einander tragen, liebe, beste Mama. Und nun gute Nacht, versuche zu schlafen!" Stephanie küßte die Mutter, sah ihr er- muthigend in die Augen und geleitete sie liebevoll bis an die Thür.... Julius liebte cs nicht, zeitig schlafen zu gehen. Wie Acrger hatte cs ihn angewandclt über diese „senti mentalen, thränenreichcn Frauen!" „Was jetzt wohl noch zu beweinen war!" Döring's Himmel hing bereits wieder voller Geigen! Verschiedene Male lachte er heimlich in sich hinein. Er nahm seine so beliebten Wanderungen durch das Zimmer wieder auf, nnd bald ertappte er sich beim Bau -er herr lichsten Luftschlösser! „Weshalb sollte er sich nicht mit ungtheiltenr Behagen der überraschenden Wcndnng freuen, die nun die fatale Angelegenheit genommen hatte?! Er besaß die seltene Kraft, sich das Zukünftige minutiös eingehend mit großer Klarheit ausznrmtlen, und später das in Wirklichkeit Ge botene dann doch mit nngcschwächter Freude zu genießen! Diese krankhaft erregten Träume, denen er mit offenen Angen nachhing, waren seine Lieblingsbeschäftigung, in der er sich ungern stören ließ. Deshalb war er im Grunde auch froh, als er bemerkte, daß Gattin und Töchter sich zur Ruhe begeben hatten. Freilich, wenn sic bereit gewesen wären, mit ihm zu sammen noch einigen Flaschen Scct „die Hälse zu brechen", so hätte er sie nicht fortgelasscn, unbedingt nicht, denn ihre Gesellschaft war ihm doch immer die liebste, weil er hier am meisten Nachsicht und bisher auch Bewunderung für sein rednerisches Talent erwarten durfte! Armesünder mienen aber waren ihm verhaßt und deshalb nun anch besser, er blieb allein. Der Appetit auf Scct war jedoch angeregt, und ließ sich nicht wieder abwcisen. „Wozu auch solche Kasteiung! Pflücket die Rosen, eh' sie verblühn — ein Thor, wer die Stunden ungenützt verrinnen läßt!" Erst die elende Ungewißheit, dann der Umschwung, die Beichte — es that ihm übrigens bitter leid, daß er sich zn einer solchen „Unklugheit" hatte htnreißen lasten — danach die endlosen Wanderungen durch das Zimmer, zuletzt bekam man natürlich Hunger! Julius ließ sich in angemessener Ermattung in einen Sessel gleiten und be gann allen Ernstes, sich ein Menü zum Souper zusammen zn stellen! Dann schlüpfte er fast geräuschlos hinaus, um die nöthigcn Anordnungen zu treffen und auch dem Kellner etnzuschärfcn. sich leise zu bewegen. Ein höchst einladendes Tischlein-deck-dich war denn anch bald in aller Lautlosigkeit vor ihn hingczaubert. Aber das Verhalten der Familie, die ungewöhnliche Eß- und Trinklust des Oberhauptes waren doch ausgefallen — zudem glaubte man unterdrücktes Schluchzen gehört, ver störte Mienen gesehen zu haben, kurzum, man war miß trauisch geworden und der Kellner präsentirte noch jetzt am Abend die Rechnung, wenn auch mit vielen Bücklingen und Entschuldigungen. Julius dachte gar nicht daran, diese Vorsicht übel zu deuten. Er zahlte und fügte auch ein splendides Trinkgeld hinzu, was zur Folge hatte, daß der Kellner in Ergeben heit fast zerschmolz und später sümmtliche Bedienstete laut los wie die Fledermäuse an -en von der Familie Döring bewohnten Zimmern vvrüberhuschten. Julius lieb es sich wohl sein, und wenn er auch manch mal das fatale Gefühl hatte, als sei dieses solenne Mahl eine Art Henkersmahlzeit, so wußte er mit jeglichen Ruhe störern, die ihm die gute Laune verderben wollten, bald fertig zu werden. Die Stunden zogen vorüber — der Morgen dämmerte herein. Wie mahnende Geisterhände klopften draußen dürre Ranken gegen die Scheiben. Ein kalter Märzwind umbraustc das Haus, rüttelte an den Fenstern, daß sie leise klirrten, und trieb ein tolles Spiel mit den blattlosen Aesten. Döring sah und hörte nichts. Mit fieberisch glänzendem Blicke malte er Zukunfts bilder — sein Schwiegersohn ein adliger Officier — wenn auch nicht mehr im activen Dienst stehend — dazu die Millionen, die Alles ermöglichten. Alle»! Die Pfennig- fuchseret hörte auf, ein für alle Mal! Da waren vor allen Dingen die so beliebten Casino- abcnde! Er brauchte nicht wieder zu zögern, eine ver- gnügte Tafelrunde um sich zu versammeln, wie er eS so gern that — auf seine Kosten natürlich! Er würde Ehren ämter bekleiden, vielleicht sogar zu den Stadtverordneten gehören! Täglich eine Flasche Wein, vielleicht auch zwei, die konnten der Gesundheit keinen Schaden thun — seine LiebltngSgerichte mußten täglich auf den Tisch kommen, daS war selbstverständlich! Er bedachte gar nicht, daß -aß Gelb Nicht ihm, sonbrni
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