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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000214021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900021402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900021402
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Paginierfehler auf der letzten Seite: S. 1208 statt 1280
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-14
-
Monat
1900-02
-
Jahr
1900
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Die Zeiten sind eben glücklicherweise vorüber, in denen die Gegner unserer Colonialpolitik jeden Zwischenfall in den Colonien gegen diese Politik selbst mit Erfolg ausnützen zu können glaubten. So wurden denn auch gestern einige kleinere angebliche oder wirklicheFälle von Bcamtenwillkür von den Beschwerdeführein zwar etwas aufgebauscht, aber voch nicht zu Angriffen gegen ein ganzes System verwerthet. Und als der Colonialbirector v. Bnchka die betreffenden Beschwerden auf bas richtige Maß zurüctgeführt und über die bereits bewirkte oder wenigstens inAngriffgcnommeneAbstellung Auskunft gegeben hatte, waren auch die Beschwerdeführer be trieb igt. Es blieb also nur der „Fall Arenberg" für eine pein lichere Untersuchung übrig. Leider war der Colonialdirector nicht in der Lage, bas Bild, das in verschiedenen Blättern von der Unthat deS Leutnants Prinzen ProSper Arenberg entworfen worden ist, zu corrigiren; auch die Erklärung, die der Centrumsabgeorbnete Gröber im Namen seiner Partei, der auch ter auf dem Referentenstuhle sitzende Vetter LeS Prinzen angebörl und die also jedenfalls ziemlich genau über den Thalbestand unterrichtet ist, abgab, war nicht ge eignet, ein milderes Licht auf den Thäter zu werfen. Da aber der Colonialdirector auf das Bestimmteste versichern konnte, daß ohne Ansehen der Person bisher verfahren worden ist und weiter verfahren werden wird, so hätte sich wohl eine weitere Debatte über den Fall erübrigt, wenn nicht der Um stand, daß der Prinz nach Teutschostafrika geschickt worden ist, obgleich er schon früher einer Burschen-Mißbandlung schuldig befunden worden war, zu Ausstellungen herauS- gefordert hätte. Zwar erklärte der Colonialdirector, daß ihm der Prinz mit dem FührungSattest „gut" für den Colonialdicnst empfohlen worden sei, daß er selbst von jenem Vergehen erst später Kenntniß erhallen, daß cS die Entfernung aus der Armee nicht begründet und auch die Nnckversetzung in die Armee nicht gerechtfertigt hätte, sowie, daß er, der Colonialdirector, den Prinzen mit der Warnung entlassen habe, eS werde gegen ihn unnacksichtlich vorgegangen werden, wenn er sich auch nur das Geringste zu jchulden kommen ließe; — aber immerhin wurde dadurch nicht erwiesen, daß bei der Auswahl des Prinzen für den Colonialdienst jene Sorgfalt obgewaltet hat, die bei der Natur dieses Dienstes geboten ist und bei deren Beobachtung daö frühere Vergehen des Prinzen dem Colonialbirector Wohl nicht erst bekannt geworden wäre, als es schon zu spät war. Bei diesem Puncte einzu setzen und sorgfältigere, rechtzeitige Prüfung für die Zukunft anzuempfehlen, war sür die wahren Freunde unserer Colonial politik eine Pflicht, der sich die Abgeordneten Prof. vr. Hasse und v. Kardorff unterzogen. Die Empfindlichkeit, die Herr v. Bnchka bei dieser Gelegenheit zeigte, war um so weniger am Platze, je mehr die Beherzigung der Mahnung zur Vorsicht geeignet ist, den Colonialgegnern ihre stumpf gewordenen Waffen vollends zu entziehen. — Für heute steht außer der Weiterberalhung des Colonial-Etats der Etat der Reichöeisenbahnverwaltung auf der Tagesordnung; da aber gestern auf Anregung deS I Abg. Richter die sämmtlichen auf Eisenbabnbanten in > Deutsch - Ostafrika und Deutsch - Südwestafrika bezüglichen j Etatspositionen aus der Debatte auSgesckieben wurden und erst heute zur Sprache kommen sollen, so wird voraussichtlich keine Zeit übrig bleiben, noch den Reichseisenbahnelat „an zuschneiden". Unter der Ueberschrift „Tie Conservativen und die Klottenvorlagc" veröffentlicht die „Kreuzztg." einen Artikel, dessen wichtigste Sätze folgendermaßen lauten: „Um weiteren LegenLenbildungen vorzubeugen, wollen wir hier- mit ausdrücklich feststellen, daß die conservative Partei und in erster Linie die „Kreuz-Zeitung" von Anfang an unzweideutig und mit allem Nachdruck für die Flottenvermehrung ein getreten ist. Spricht man nun davon, daß Dinge geschehen seien, welche geeignet seien, die Durchdringung der Flottenvorlage zu er schweren, so haben jedenfalls die Conservative» dabei keinen Finger gerührt. Conservativerseits ist im Gegentheil stets ans die nationale Bedeutung der Marinesrage hingewiesen und die volle Bereitwilligkeit, auch diesmal thalkrästig zum Gelingen mitzuwirken, betont worden. Es kann doch wohl von keiner Seite geleugnet werden, daß die Conservative» bei allen Forderungen zur Verstärkung der nationalen Wehrkraft sich zuverlässig und opferwillig erwiesen haben. Sie haben diesen Beweis selbst einer ihnen so unsympathischen Vorlage gegenüber, wie bei der Heeres- vorlage des Grafen Caprivi, durch welche die Einführung der zwei- jährigen Dienstzeit ausgesprochen wurde» geliefert, obwohl es bei dem damaligen Wahlkampfe gar manchem alten Conservative» schwer ankam, seinen Wählern gegenüber die Abänderung der Dienstzeit zu vertreten." An einer anderen Stelle des Artikels erklärt daö Blatt, die conservative Partei lehne jede Verantwortung für das inner- und außerparlamentarische Verhalten des Abgeordneten Or. Hahn ab, der niemals in bindenden Beziehungen zu dieser Partei gestanden habe und übrigens seine durch Herrn Szmula bekannt gewordene Aeußerung wohl nur „scherzhaft" (!) gemeint habe. Mit der berechtigten Abschüttelung deS Herrn Oe. Hahn ist aber noch derAbg.Frhr.v. Wange n heim unv sind noch nicht die anderen conservativcn Abgeordneten abgeschüttelt, die nach dem Zeugniß desHerrn v. Levetzowder Flottenvorlage wenigstens bisher nicht sympathisch gegenüber gestanden haben. Sollten sie nunmehr bekehrt oder vor die Wahl gestellt worden sein, „unzweideutig und mit allem Nachdruck für die Flotten vermehrung einzulreten" oder sich der „Fraction Hahn" an zuschließen'? Darauf wird die „Kreuzztg." erst noch antworten müssen, bevor man der Stellungnahme der ganzen deulsch- conservativen Reichstagsfraction sicher sein kann. Ist sie trotz der Versicherung der „Kreuzztg." noch nicht einig, so sei ihr zur Beachtung der Artikel empfohlen, den die „Germania" zur Begrüßung des Prinzen Heinrich veröffentlicht. Es heißt in ihm: „Zwar hat der erlauchte Sproß des Hohcnzollernstammes im äußersten Orient keine Gelegenheit gesunden, den Feinden des deutschen Reiches die Kraft und Machlsülle unserer Flotte im Ernst, falle zu zeigen, und es wäre nichts verfehlter, ihn wie einen heim kehrenden Helden und siegreichen Feldherrn zu feiern. Nichts würde auch dem schlichten Sinne Les Prinzen verhaßter sein. Allein Prinz Heinrich hat durch sein treues Nusharren auf dem ihm ! von seinem kaiserlichen Bruder angewiesenen Posten ein so glänzendes Beispiel von echter Pflichterfüllung gegeben, daß er schon deshalb ein herzliches: „Willkommen in der deutschen Heimath" redlich verdient hat. Von nicht zu unterschätzender Be- deutung halten wir eS auch, daß der Prinz während seiner langen Abwesenheit im Auslande werthvolle persönliche Erfahrungen gesammelt hat, welche dem Vaterlande, wie wir hoffen, zu dauerndem Nutzen gereichen werden. In den Aus drücken höchster Anerkennung hat Prinz Heinrich, wie wir wissen, das stille Wirken der katholischen Missionen in China gelobt und dabei besonders auch jener Männer gedacht, die bis zum heutigen Tage noch immer von den Grenzen des deutschen Vaterlandes ferngehalten werden." Was diese Auslassung bezweckt, wird den Mitgliedern der conservative» Reichstagsfracnon ebenso klar sein wie uns. Sie sollten also auch darüber nicht im Zweifel sein, daß, wenn die verbündeten Regierungen gezwungen sein sollten, dem Centrum große Concessionen für sein Eintreten für die Flottenvorlage zu macken, die Hauptschuld auf die agrarconservativen Gegner der Flottenver- stärkung fiele. Das englische Kriegöamt ist in der letzten Zeit so oft in der Oeffentlichkeit genannt worden, daß eine kurze Beant wortung der Frage, welcke Personen von Fleisch und Blut sich eigentlich hinter dieser vielgeschmäbten juristischen Person verbergen, von allgemeinem Interesse sein dürfte. Der gegenwärtige Staatssekretär für den Krieg ist Marquis von Lansdowne. Er steht an der Spitze der Armeeverwaltung und ist, da er niemals dem Militärstande angehört hat, in allen militärischen Fragen auf den Rath deS Generalcommandanten Lord Wolseley angewiesen. Marquis von Lansdowne wurde im Jahre 1845 geboren. Er bezieht ein JahreS- gchalt von 5000 Lstrl. Der parlamentarische Unterstaats sekretär für den Krieg ist Mr. G. Wyndham. Er ist Abgeordneter für Dover unv diente 1885 als Leutnant im Sudan. Er wurde 1863 geboren. Sein Jahres gehalt beträgt 1500 Lstrl. Der Finanzsekretär des Kriegsamtes ist der 60jährige Mr. Powell Williams, Abgeordneter sür Birmingham. Er bezieht 1500 Pfund Sterling jährlich. Der 64jährige Sir Ralph Knox ist ständiger Unlerstaatssekretär deS Krieges. Er bezieht als solcher ein Gehalt von 2000 Pfund Sterling jährlich. Der 67jährige Lord Wolseley ist Generalcommandant. Von ihm geben die Armeeverordnungen und Ernennungen im Heere aus. Er hat ein Jahreseinkommen von 4500 Pfund Sterling. Generalmajor Sir I. C. Ardagh, der im 60. Lebens jahre siebt, ist Gcneraldirector deS Militärfonds. Er bezieht 1500 Lstrl. jährlich. General Sir. H. Harrison ist Generalinspector der mililartechnischen Abtheilung des Ministeriums. Ihm untersteben 10 Oberste. General Sir H. Brack en bury (geboren 1837; Gehalt 2100 Lstrl.) steht an der Spitze des MilitärdepotS. Die Körperschaft, die unter dem Namen Armeeverwaltung (Army Board) bekannt ist, besteht auS dem Generalcommandanten und den Häuptern der einzelnen Departements und hat sich mit militärischen Fragen zu beschäftigen, die ihr vom Staatssekretär zur Be rathung zugewiesen werden. Der berathcnden Körperschaft des Kriegsministeriums gehören außer dem Staatssekretär Lansdowne der Unterstaatssekretär, der Finanzsekretär und die Chefs der einzelnen Departements an. Diese Körperschaft wird übrigens nur bei besonderen Anlässen einberufen. Dem LandeSvertheidigungScomite, das nur in KriegSzeiten Zu sammentritt und aus Mitgliedern deS Ministerium» zusammen gesetzt ist, gehören Lord Salisbury, Mr. Balfour, der Herzog von Devonfhire, Lord Lansdowne und Mr. Goschen an. Der Krieg in Südafrika. —9 Das Hauptinteresse wendet sich jetzt, nach der Kalt stellung Buller'S in Natal wieder dem westlichen und südlichen Kriegsschauplätze zu. Bet SolcSberg hat sich die Lage für die Engländer — nach neueren Meldungen soll dort jetzt General Clements commandiren, während French mit seiner Cavallerie nach dem Modder- River beordert wäre — ganz erheblich verschlechtert. Wie wir gleich vermutheten, ist es dort zu einem be deutenden Zusammenstoß gekommen, worüber uns folgende Nachrichten vorliegen: * London, 13. Februar. Das „Reuter'jche Bureau" meldet aus Rensburg von heute: Die Zurückziehung der eng- li scheu Truppen auS ihren Stellungen einschließlich des Coleskop nach westlich gelegenen Positionen wurde nöthig, da sich herausstellte, daß auf dem Bastardsnek, der das ganze Gelände in der Runde beherrscht, eine starke Boerenstreit- macht mit einem schweren Geschütz stand. * London, 13. Februar. Rach einem Telegramm »er „Daily Mail" ans Rensburg ist der englische Rückt«, aus einen schwereren Kamps zurirckjuführen, al» man geglaubt hatte. Die Verluste seien ans betden Seiten grotz. Es sei zweifelhaft, ob die Engländer Rensbnrg halte» können. DaS liest sich gerade wie das verblümte Zuaeständniß einer neuen Niederlage! Bis in die Nähe von Achtertang, also ziemlich bis an den Oranjefluß- überzang bei Norwalspont waren die Engländer vor gedrungen und jetzt kommt das überraschende Ein- geständniß, daß sie jedenfalls RenSburg nicht mehr werden halten können. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, daß sie bereits das etwas nördlich von RenSburg gelegene ColeSberg geräumt haben. Das wäre in der Tbal ein Rückzug, dem ein schwerer Kampf, mit anderen Worten eine Niederlage der Engländer voraufgegauAen sein müßte. Vermag aber General Elements Rensburg nicht zu hallen, so sieht er sich genöthigt, auf Nauwport, wo in westlicher Richtung die Bahnlinie nach de Aar abzweigt, zurückzugehen, um wenigstens diesen wichtigen Punct zu ballen. Voraussetzung ist dabei freilich, daß ihm die Boeren dorthin nicht schon den Weg abgeschnitten haben. DaS Verhängniß der Engländer war auch hier wieder die Un- kenntniß deS Terrains und der absolute Mangel an Aufklärung der feindlichen Stellungen. Monate lang stehen sie dort und jetzt erst kommen sie dahinter, daß der „das ganze Gelände in der Runde beherrschende BastarvSnek" von den Boeren besetzt ist! Hier und bei Kimberley sind also die eisernen Würfel ins Nollen gekommen, und man darf auf die Nachrichten von diesem Tdeil des Kriegs- I Panoramas in den nächsten Tagen sehr gespannt sein. Lord I Roberts hat das Lager der Hochländer - Brigade am I Modderflusse besucht und an jedes Bataillon eine kurze An- Fourlletsn. Hans Eickstedt. Roman in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt). Siaa>c,u(k Ein Pferdebahnwagen, der nach der Potsdamerstraße einbog, l-atte inzwischen Halt gemacht, Passagiere gewechselt und seinen Weg fortgesetzt. Ein zweiter hielt soeben. Als Gertrud jetzt Miene machte, einznsteigen, fragte Eickstedt: „Haben Sie so große Eile, nach .Hause zu kommen? Hätten Sie nicht Lust, nach- zusehen, ob es im Thiergarten schon grüne Büsche giebt?" Gertrud hatte Lust — und so gingen die Beiden die Bellevue straße hinunter, blieben ein Paar Mal stehen, um die frisch- erblühte bunte Pracht der Hyacinthen- und Tulpenbeete in den Gärtchen der vornehmen Billenhäuser zu bewundern, schlenderten ans dem Trottoir der Thiergartenstraße weiter, sahen den vor übereilenden gutbespannten Karossen nach, in denen elegante Damen sich mit großen Fächern gegen die Sonnenstrahlen schützten, und blieben vor einem hohen Gitter von Schmiedeeisen stehen, hinter dem auf fast kahlen Sträuchern die dunkelrosa -Knospen der Magnolia wie Opferflämmchen emporstrebten. „Lieben Sie wirklich die Blumen?" fragt« Gertrud etwas zweifelhaft ihren Begleiter, der gutwillig an jeder neuen Früh lingsüberraschung seinen Antheil nahm. „Warum nicht?" entgegnete er. „Ich müßte nicht der Sohn meiner Mutter sein, wenn ich nicht etwas von ihrer Blumen schwärmerei geerbt hätte." „Sie hat selber etwas Blumenhaftes — Ihre Mutter — nicht wahr?" „Das möchte ich doch nicht sagen — Sie kennen meine Mutter?" „Nur aus einer Photographie in Tante Wally's Mbum." „Die taugt nichts — muß auch uralt sein. Ich habe hier ein« bessere — die Ihnen wenigstens eine Vorstellung von ihr geben kann; ihre Bilder mißlingen immer." Das Bildchen befand sich in einer goldenen Kapsel, die Eick stedt an seiner Uhrkette trug. Indem er sie hervorzog und auf springen ließ, bemerkte Gertrud, daß Vera'S Veilchensträußch«n verschwunden war. Dem zarten, liebenswürdigen Frauenbild gegenüber befand sich ein interessanter, bärtiger Männerkopf. „Wie Sie Ihrem Baker gleichen!" sagte Gertrud, in auf merksame Betrachtung versunken. „Sie haben ihn früh ver loren?" „Vor zwei Jahren erst —" Eickstedt steckte seine Kapsel wieder ein. Sie überschritten den Fahrweg, verfolgten eine der breiten Alleen bis zu dem rührend schlichten Marmorstandbild Friedrich Wilhelm'» 111. von Drake und tauchten dann in die Schatten der dichteren Baumpartien unter. Das goldgrüne Moos an den Stämmen schimmerte aus dem Dickicht wie täuschendes Frühlingsgrün. Die Spireen und andere Sträucher am Wegrande entfalteten schon ihr« kleinen grünen Blättchen. Die Sonne begann sich zu neigen und ver goldete den feuchten Duft, der aus dem Waloboden aufstieg. Hier und da schrak ein Liebespärchen auf einer verschütteten Bank aus traulicher Stellung auf. Ab und zu zwitscherte noch ein Vogel. Ab und zu eilte ein Spaziergänger den breiten Haupt alleen zu. „Ihnen will ich's gestehen, Fräulein Gertrud", sagte Hans, „ich bin ein schlechter Sohn gewesen. Aber Niemand hat das Recht, mich deshalb zur Verantwortung zu ziehen, Niemand als meine Mutter selbst —" Gertrud blickte ihn betrübt an. .^Könnte ich nur reden!" rief er erregt, „ihr Alles er klären, sie würde mich.schon verstehen. Sie würde mir für Alles Absolution ertheilen. Aber sie lebt nicht allein. Sie ist nicht ihr eigener Herr. Ich bin nicht einmal sicher, daß meine Briefe nicht — von Anderen gelesen werden. Alles Halbfertige, Anfechtbare, womit man sie quälen und ängstigen würde, bleibt von der Mit- theilung ausgeschlossen. Nun kommen Nachbarn und Bekannte und fragen und muthmaßen und schütteln die Köpfe und er zählen ihre Schauergeschichten, bis sie nicht mehr aus noch ein weiß, und sich an diese Hennings wendet nm Auskunft über mich." „Haben Sie ihr seitdem geschrieben?" fragte Gertrud. Er schüttelte den Kopf. Sie fragte weiter. Sie fühlte, daß sein lange behauptetes Schweigen ihn erdrückte, sein Selbstvertrauen erschüttert war. Er begann, von seiner Jugend, seinen Eltern zu sprechen. Sein Vater war ein genialer Mensch gewesen, von ungewöhnlichen, vielseitigen Talenten. Er hätte Künstler, Gelehrter, Staats mann w«rden können. Es hatte nur an dem äußeren Zwange gefehlt, sich nach einer bestimmten Richtung hin zu conrentriren — vielleicht auch an dem festen Rückgrat des Willens. Als Sohn eines reichen Mannes konnte er seinen Eingebungen, seinen wechselnden Neigungen ziemlich unbeschränkt folgen und zer- svlitterte seine schönen Kräfte in unfruchtbarem Dilettantismus. Er hatte ein paar Jahre studirt und dann eins der beiden Güter seines Vaters übernommen. DaS andere war noch jetzt in den Händen seines älteren Bruders. „—Bei dem meine Mutter daS AnaLenbrod ißt —", knirschte Eickstedt, und trat hart auf einen dürren Zweig, der in seinem Weg« lag und krachend zerbarst. ,-Alles, was mein Vater angriff, erfaßte er mit Feuereifer. Damals glaubte man noch, die Landwirthschaft wie ein chemisches Experiment betreiben zu können, wo die Elemente sich nach Be lieben trennen und verbinden lassen und ein unfehlbares Resultat liefern. Aber der goldgcdüngte Boden wollte keine goldenen Früchte tragen. Die verführerische und kostspielige Liebhaberei für Rassenpferde verschlang enorme Summen, und schließlich ver fiel mein armer Vater noch auf die verhängnißvolle Leidenschaft des Landwirtbs: für das Bauwesen. Als der ganze Gutshof mit Mrthschckftsgebäuden und Arbeiterwohnungen auf das Statt lichste aufgerichtet war — gehörte kein Dachziegel mehr uns. Be vor es zur Subhasiation kam, erlag mein Vater einer Lungen entzündung, die er sich durch ein kaltes Bad nach starker Er hitzung auf der Jagd — schwerlich aus Unbedacht — zugezogen hatte." „O, wie schrecklich!" rief Gertrud. „Und Sie?" „Ich wurde nach Hause berufen — aus Königsberg, wo ich damals arbeitete — was man fo arbeiten nennt — und mein Leben flott genoß, ohne mir von der bevorstehenden Katastrophe etwas träumen zu lassen. Es hatte sich Alles zu schnell, zu un- evwartet entschieden. Mein Baier hatte freilich darauf ge drungen, daß ich die juristische Laufbahn «inschlug — vielleicht in der Vorahnung, daß er wir kein Erbgut hinterlassen würde. Ich hatte weder auf der Schule, noch ans der Universität viel Zeit verloren — nicht infolge besonderen Fleißes, sondern weil ich nirgends große Schwierigkeiten für mich vorfand. Jetzt stand ich vor dem Examen — aller Existengmittel bar. Für Mich war mir übrigens keineswegs bange — aber meine Mutter!" „O Gott ja — Ihre Mutter!" wiederholte Gertrud. ,-Si« können denken, daß zwischen ihr und mir, dem einzigen Sohn, von jeher ein sehr inniges Derhältniß «bestand. Sie war noch jugendlich, von heiterer, zärtlicher Genrüthsart, empfänglich für Alles, was ich ihr aus meinem stets sehr bewegten Innen leben oder von außen her zutrug, die Vertraute all' meiner Knabenstreiche, all' meiner Jugendtollheiten. Zwischen meinem Vater und >mir spielte sogar immer etwas Eifersüchtelei wegen der Mutter. Er hatte sie sehr geliebt und verwöhnt, daS Leben sie noch nie rauh angefaßt. Nun war sie Wittwe, stand plötzlich vor dem Ruin, sollte Noth und Entbehrung kennen lernen Ich darf sagen, daß diese Tage nach dem Begräbniß, als unsere Zukunft sich in ihrer ganzen nackten Härte vor uns auf rollte, mich zum Manne reiften. Ich hatte meinen Plan fertig — zur Ausführung ist er bis jetzt nicht gekommen. Hätte meine Mutter den Muth gehabt, sich meiner Thatkraft anzuvertrauen — so würde sie sich nicht in mir getäuscht hab«». Aber wir standen nicht allein — zum Glück oder zum Unglück —, wie man's nehmen will. Der ältere Bruder meines Vaters war da, ein hochehrenwerther Mann, der sich von jeher berufen glaubte, als Haupt der Familie bei wichtigen Ge legenheiten das entscheidende Wort zu sprechen. Und da er sein Vermögen nicht verschleudert, sondern vermehrt 'hat, so ist er in der Lage, seiner Meinung den gehörigen Nachdruck zu geben. Er bestand darauf, daß meine Mutter in sein Haus übersiedelte — sie ließ sich bestimmen — und ich hatte zu schweigen. Ich sollte meine Studien vollenden, verlangte mein Onkel — meine Mutter beschwor mich mit Thränrn, ihm zu gehorchen. 'Ich ging also hierher — im Stillen entschlossen, nach eigenem Ermessen zu handeln und sie nicht einen Augenblick länger in dieser oemülhigen Lage zu lassen, als unumgänglich ist." ,/Fühlt sie sich unglücklich?" fragte Gertrud mit inniger Thcilnahme. „Wie ist denn das anders möglich!" rief Hans. „Sie ver sichert mir natürlich in jedem Brief, eS geh« ihr vorzüglich — aber Di« können sich das ja denken — wäre sie in die Holle ver bannt, so würde sie nicht anders schreiben." „Sie müssen doch herausfühleu, was Wahrheit und was frommer Betrug ist. Haben Sie Ihre Mutter seitdem nicht wieder gesehen?" „Nein. Tas wird mir natürlich sehr verdacht. Ich habe alle Einlädunoen a'bgelehnt, weil ich — nun weil ich erst zu ge wissen Resultaten gekommen sein tckill. — lind sic kommt dort nicht los —" „Sie hat also Sine bestimmte Thätizkeit?" „Oh, daran fehlt es nicht. Sie Hal daS Hauswesen zu be aufsichtigen — mein Onkel ist Wittwer, meine beiden Cousinen sind verlobt und sollen bald heirathen. Meine Mutter ist ein fach unentbehrlich. Sie opfert sich und Wird natürlich keinen Dank ernten." „Aber sie hat einen schönen, ehrenvollen Wirkungskreis —" „Schön! Ehrenvoll!" rief Hans stehen bleibend. „Den Launen Anderer in fremdem Hauke stillhalten müssen! Würden Sie kür sich das erträglich finden?" „Ach — ich! —" Gertrud hemmte ebenfalls den Schritt, zog ihre Uhr heraus und erschrak, als sie sah, wie spät es war. „Wo sind wir eigentlich?" „Wo wir sind? — Irgendwo zwischen Berlin und Charlotten- bürg" antwortete Eickstedt zerstreut. (Fortsetzung folgt.H
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