Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000911021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900091102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900091102
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-09
- Tag 1900-09-11
-
Monat
1900-09
-
Jahr
1900
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BrzrrgS.PrekS der Hanptexpedition oder den km GkM» »ezirk und den Bororten errichteten Au-« wbestrllen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, oer zweimaliger täglicher Zustellung in» Laus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. DIrecte tägliche Ittcuzbandiendung in» Au-land: monatlich 7.50. Die Morgen.AuSgabe erscheint um '/,? Utzr, die Abend-Ausgabe Wochentags am 5 Uhr. Nedaction und Expedition: IobanniSgaffr 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen »«öffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. V. Klemm'» Lorttm. Un'yeriitätsstrabe 3 (Paulinum„ voni» Lösche. Snthnriueustr. Sn, Part, uab KönigSplatz D Abend-Ausgabe. ttpügcrTligä>laI! Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AnzeigenPrei- die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reelamrn unter dem RedactionSstrich (4gs» spalten) 50/ij, vor den Familiennachrichbe« (L gespalten) 40 >4- Grotzere Schriften laut unserem PretS- verzrichniß. Tabellarischer und Zissernsotz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrförderung 60.—, mit Pvstbeförderung ^tl 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morges- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen j» ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Er-e-itio» zu richten. Druck and Verlag von L. P olz in Leipzig. 463. Dienstag den 11. September 1900. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. In einem englischen Blatte wird eine angeblich aus Peters burg stammende Meldung veröffentlicht, Kaiser Wilhelm sei trotz der Opposition der deutschen Presse mit Rußland dahin übereingekommen, die russische» Vorschläge im Princip anzunehmen, und für Peking eine aus 2000 Mann bestehende internationale Besatzung zu normiren. Wie der „Berl. Loc.-Anz." hört, ist die Meldung jeder Begründung ent behrend, und es kann nicht oft genug betont werden, daß von deutscher Seite überhaupt keine Gegenvorschläge gemacht worden sind. Ucber die augenblickliche diplomatische Lage läßt sich nur sagen, daß Deutschland, Italien und Oesterreich den russischen Vorschlag bereits beantwortet haben, und zwar in dem von uns bereits mitgetheUten ablehnenden Sinne, während die definitiven Antworten Englands, Frankreichs, Japans und der Vereinigten Staaten noch ausstehen. Erst nach Empfang dieser Antworten dürfte man sich in Petersburg über weitere Schritte schlüssig machen, deren Natur natürlich von dem Gang der militärischen Ereignisse mit abhängig sein wird. Der Gedanke, Peking sich selbst zu überlasten, ohne jeden militärischen Schutz, dürfte wohl nirgends, auch nicht in Rußland, Anhänger finden. Officiös schreibt die Berliner „Post": Gegenüber den zur Zeit in der Presse auftauchenden sensationellen Meldungen, als ob der Entschluß Rußlands, seine Truppen aus Peking zurück- zuziehen, bereits das Concert der Mächte gesprengt habe oder doch seinen Zerfall in Aussicht stelle, muß daran festgehalten werden, daß auf Seiten aller Mächte der lebhafteste Wunsch besteht, an der gemeinsamen Action in China festzuhalten. Jeder Vorschlag, der von einer Negierung in der Absicht gemacht wird, die Erreichung der von dem Concert auf gestellten gemeinsamen Ziele zu erleichtern, wird daher von jedem Cabinet mit Wohlwollen und ohne Voreingenommenheit auf seine Ausführbarkeit und Opportunität hin geprüft werden. Daß man auch auf russischer Seite keineswegs geneigt ist, auf der Zurückziehung der Truppen aus Peking unter allen"Um ständen zu bestehen, sondern sich vielmehr der Einsicht nicht ver schließt, daß diese Frage in erster Linie nach militärischen Ge sichtspunkten entschieden werden muß, kann man u. A. auch daraus entnehmen, daß neuerdings weitere rus sische Truppen von Tientsin nach Peking vor gerückt sind. Daß es unter diesen Umständen völlig verfehlt ist, von einer Cooperation Englands mit Deutschland zu reden — wie dies ein Berliner Blatt thut —, liegt auf der Hand, denn zur Zeit bestehen die besten Aussichten, daß auch fürderhin die Action der Mächte in China, wie sie gemeinsame Ziele verfolgt, so auch auf gemeinsamen Bahnen sie zu erreichen suchen wird. FricdcnSvcrhnndlnngcn. Der Washingtoner Berichterstatter der „Morning Post" meldet, er habe von hochgestellter Seite erfahren, daß mindestens zwei der betheiligten europäischen Mächte Salisbury den Vor schlag gemacht hätten, Sir Robert Hart zum inter nationalen Bevollmächtigten zu ernennen, um für sämmtliche Mächte die Friedensunterhandlungen zu führen und für sie bei dem Wiederaufbau der chinesischen Regierung zu handeln. Die Regierung der Vereinigten Staaten werde ihre förmliche Zustimmung geben, falls der einschlägige Wunsch all gemein werden sollte. Peking. * Wie die römischen Blätter melden, hat Admiral Candiani telegraphirt, daß die i t a l i e n s ch e E x p e d i t i o n am 5. Sep tember in Tientsin eingetroffen und am 6. September nach Peking weitergegangen ist. Man glaubt, daß sie heute in Peking eingetroffen ist. Candiani theilt ferner mit, daß die Ex pedition von den Europäern und den Truppen der Verbündeten mit Sympathiekundgebungen empfangen und mit Liebesgaben und Thee beschenkt wurde. Tientsin. * Ein Telegramm des britischen Generals Gaselee vom 2. dieses Monats lautet: „Wir haben den Eisenbahnknotenpunct Fungtai, sowie die Eiscnbahnbrücke bei Linkochav besetzt und beherrschen damit die Linie nach Paotingfu " Mdwest lich von Tientsin). Südprovinzcn. * Aus Hongkong, 10. September, meldet „Reuter's Bureau": Bei den R u h e st ö r u n g e n, die hier und inCanton in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag vorgekommen sind, sind vier Personen getödtet und zehn verwundet worden. * Paris, 10. September. Der Marineminister Lenessan erhielt ein Telegramm des Admirals Courrejolles, in welchem dieser meldet, daß in den Pulverkammern des „Vauban" am Abend vor seiner Ankunft in Nagasaki durch Explosion einer Kartouche 5 Mann verletzt wurden. Ueber die Ausreise der (N. D. Lloyd.) (N. D. Lloyd.) 3l. Aug. in Chefoo. 5. Sept, von Moji „Wittekind" „Dresden" „Halle" „Batavia" „Gera" „Sardinia" „Straßburg" „Aachen" „Rhein" „Adria" „H. H. Meier „Phöuicia" „Darmstadt" „Palatia" „Andalusia" „Hannover" „Arcadia" „Crc-feld" „Roland" „Valdivia" von Hongkong, von Hongkong, von Shanghai, in Colombo, von Singapore. von Singapore. in Hongkong, in Shanghai, von Singapore. in Hongkong, von Singapore. Gibraltar passirt. Gibraltar passirt. Gibraltar passirt. Gibraltar passirt. Grisnez passirt. Quessant passirt. Quessant passirt. Quessant passirt. nach San Francisco. 7. Sept, in Moji. 2. 2. 6. 6. 3. 10. 6. 9. 6. 9. 7. Truppen -Transportvampfer nach China liegen folgende letzte Meldungen vor: „Köln" „Frankfurt' 6. 10. 6. 0. 0. 9. (N. D. Lloyd.) (N. D. Lloyd.) (N. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) (N. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) (R. D. Lloyd.) (N. D. Lloyd.) (N. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) (N. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) (R. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) (Hamb. A. L.) (N. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) (R. D. Lloyd.) (N. D. Lloyd.) (Hamb. A. L.) Der Krieg in Südafrika. -p. Die Kämpfe östlich von dem von den Engländern besetzten Lydenburg sind bis jetzt für Buller insofern günstig ausgefallen, als er nicht bloö den Mauchberg überschritten hat, sondern nun auch die Vorhöben des Spitzkop nehmen konnte. Heute liegt uns über die letztere Operation folgende Meldung vor: * London, 10. September. General Hamilton berichtet, Buller habe gestern früh eine feindliche Stellung auf einer steilen, 1500 Fuß hohen Hügelkette, an deren entferntester Stelle der Spitzkop liegt, angegriffen. Der Weg für eine Umgehung war sehr schmierig. Tie Infanterie nahm daher, von Artillerie feuer gedeckt, die Stellung im Sturm. Der Feind zog sich auf einem schmalen Wege zurück, wobei er viele Leute verlor. Seine Verluste würden noch erheblicher sein, hätte nicht dicker Nebel geherrscht. Unsere Verluste sind 13 Todte und 25 Verwundete. Wie weit das Zurückgehen der Boeren auf taktischen Erwägungen beruht, läßt sich im Augenblick nickt sagen, doch ist so viel sicher, daß mit jedem Schritt, den sie anscheinend weichen, das Gelände für sie günstiger wird. Der Spitzkop konnte für Buller leicht zu einem zweiten Spionskop werden, wenn die Louis Botba zur Verfügung stehende Truppenmacht eben, was man befürchten muß, eine nicht gar zu geringe ist. Die Operationen südlich von Lvdenburg lassen sich nach den verschiedenen Berichten Roberts' folgender maßen ergänzen. Am 5. September gelang es zwei Bataillonen Infanterie von Buller'S Truppen, einen steilen Berg an der linken Flanke der Boeren zu erklettern und eine Batterie Felbartillerie heraufzuziehen, die alsbald ein heftiges Feuer gegen die Boeren eröffnete. Am 6. begann Botha seinen Rückzug aus der Stellung, die Buller den Vor marsch versperrte, denn inzwischen war Jan Hamilton auf der an seiner rechten Flanke vorbeiführenden Straße Dull- stroom-Lydenburg soweit vorgerückt, daß eine Umgehung be fürchtet werden mußte. Aus dem Gelingen der Operationen Hamiltons geht hervor, daß Botha nicht stark genug war, oder nicht beabsichtigte, auch jene Straße zu sperren. Am 6. nahmen dann die Cavalleriebrigaden Dunoonald und Brocklehurst, nachdem der Weg auf Lydenburg zu, der hinter Dulistroom alsbald im Tbale ohne Hinder nisse dahinsührt, freigelegt war, Lydenburg ein, während Buller und Hamilton gemeinschaftlich zur Verfolgung Botba's übergingen. Diese beiden näherten sich Lydenburg am 6. bis auf 8 km. Am 7. erreichte denn auch Buller Lydenburg und meldete von dort aus, daß die Boeren sich gelheilt hätten und der eine Theil von ihnen nördlich auf Krügers Post, der andere östlich gegen den Spitzkop zu zurück ginge. Die meisten Geschütze, Vorräthe und MunitionS- wagen seien nach Krügers Post, etwa 30 Icm nördlich von Lydenburg, gesandt worden. Davon, daß die Boeren hastig zurückzegangen seien und einen Theil ihrer Geschütze im Stiche gelassen hätten, weiß weder Roberts noch Buller etwas zu melden; die entsprechende Nachricht der „Central News" aus Nietfontein bedarf also der Bestätigung. Ueber die weiteren Operationen Buller's meldet Reuter's Bureau auS Capstadt vom 9., Buller habe am Sonnabend (8.) früh den Mauchberg (etwa 16 üw östlich von Lydenburg) überschritten und sei weiterhin auf den Feind gestoßen. Seine Geschütze würden bis nach Lydenburg ge hört. Danach müßten die Boeren nicht im Stande oder nicht Willens gewesen sein, die gewaltigen Berge im Osten von Lydenburg, den Moodiesberg von 2100 und den Mauch berg von 2600 m Höhe, für den weiteren Widerstand ein zurichten. Hieran schließt sich nun das oben mitgetheilte Vorgehen Buller'S in der Richtung auf den Spitzberg. Ein weiterer Theil der britischen Operationen ist gegen Barberton, südlich der Delagoabahn, gerichtet. Hierüber meldet Roberts aus Belsast vom 9. d. Mts.: General Freuch verließ Carolina heute früh. Er stieß auf seinem Marsche auf erheblichen Widerstand, trieb aber den Feind nach und nach aus drei Stellungen, von welchen die eine mit großer Tapferkeit erstürmt wurde. Unsere Verluste sollen un bedeutend sein, der Feind ließ einige Todte auf dem Gesichts felde. General French setzt seinen Marsch auf Barberton morgen fort. Krüger und Steijn. „Daily Telegraph" berichtet aus Pretoria vom 4. Sep tember, eine Anzahl angesehener Bürger hätten Vorstellungen a» Krüger gerichtet, worin sie ihn dringend ersuchten, den Widerstand aufzugeben und den Krieg zu beenden. — Nach einem Johannesburger Telegramm der gestrigen Londoner Abendblätter sollen Krüger und Steijn nach der Delagoa- Bai geflohen sein — eine Nachricht, die, an sich unglaub würdig, noch der Bestätigung bedarf. Portngal und die Telagoabncht. Der Lissaboner „Commercio" schreibt: Die Verstärkung der portugiesischen Besatzung von Lourentzo Marques um tausend Mann war seit Monaten beschlossen. Es ist also nickt die Folge der letzten bedrohlichen Artikel englischer Blätter, welche erklärten, daß nach der Niederwerfung der Boeren „auch die Delagoabucht - Frage einer Revision unterworfen werden müsse." Derartige Drohungen können unS nickt aufregen, so lange die britische Regierung die uns gelobte Freundschaft aufrecht erhält. Die abgehenden portu giesischen Verstärkungen sind vielmehr notbwendig, da vor aussichtlich in wenigen Wochen die letzten enlscheidungsvollen Kämpfe zwischen den Boeren und Engländern hart an der Grenze des portugiesischen Gebiets ausgekämpft werden. In diesem Falle liegt eS im dringenden Interesse unserer Colonie, daß eine genügende portugiesische Truppenmacht zur Fern haltung unabsichtlicher oder absichtlicher Grenzverletzungen vorhanden ist. * London, 11. September. (Telegramm.) „Daily Tele graph" berichtet aus Lonrenyo Marques unter dem 9. d. M., am 10. September werde noch eine Nbtheilung portugiesischer Truppen an die Grenze von Transvaal abgehen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. September. Die „Verl. Polit. Nachr." widersprechen heute der Meldung einiger Blätter, daß der Termin für die Ein berufung des Reichstags auf den 15. oder 16. October an gesetzt fei. Ein Beschluß sei in dieser Hinsicht noch nicht gefaßt, man werde aber in der Annahme nicht fehlgehen, „daß aus überwiegend praktischen Erwägungen die Ein berufung des Reichstags nickt erheblich früher erfolgen wird, als sie auch, abgesehen von den chinesischen Wirren, ohnehin in Aussicht zu nehmen sein würde." Nicht ganz so bestimmt lauten die Auslassungen eines Correspondenlen der „Post": „Wir hatten Mitte August die Auffassung vertreten, daß eine Einberufung des Reichstages damals als ausgeschlossen gelten müsse, schon weil eine Etatisirung der Chinasorderungen ebensowenig, wie im Anfang Juli, sich herbeisühren lasse. Es war zugleich betont worden, daß Staatssekretär Graf Bülow Anfang Juli durchaus nicht abgeneigt gewesen wäre, dem Reichs tage gegenüber zu treten und sich über die Chinawirren zu äußern. Die maßgebenden Persönlichkeiten des ReichSdienstes waren in dieser Zeit zusammengetreten, hätten es aber als unmög lich bezeichnet, die Forderungen etatsmäßig zu fixiren und zu for- muliren. Seit Mitte August hat sich in der Feststellung der Feuilleton. Ls Ein Opfer. Novelle von A. Bartels. Nachdruck verbeten. Bei dem Beginn der Gerichtsferien reiste Assessor Ziegler mit seiner jungen Gattin und deren Mutter nach Ems. Mit ver doppelter Sorgfalt hütete inzwischen die Großmutter den ihr anvertrauten Enkel. Im Geiste sah sie schon Ludwig's Augen voll freudigen Staunens aufleuchten, wenn sie ihm nach der Rück kehr seinen Knaben bringen würde, der unter ihrer treuen Pflege seine ursprüngliche Schwachheit von Tage zu Tage mehr über wand und sich körperlich und geistig gleich kräftig entwickelte. Solche frohen Hoffnungen im Herzen trat sie an einem Spät nachmittage, von dem gewohnten Ausgange heimkehrend, mit dem Kinde auf dem Arme in ihr Wohnzimmer, um erschrocken zu sammenzufahren, als ihr Sohn ihr entgegenkam. Er war unge wöhnlich bleich, und ein Ausdruck Yon Bitterkeit, wie sie ihn nie zuvor bei ihm gesehen hatte, lag auf seinen Zügen und verschärfte sich noch, als der Kleine vor dem ihm fremd gewordenen Gesicht sich schüchtern abwandte und daS Köpfchen an der Brust der Großmutter verbarg. „Ludwig, was ist geschehen? Weshalb bist Du so unerwartet zurückgekommen? Wo ist Lilli?" fragte die Mutter angstvoll, nachdem sie das Kind der Amme übergeben hatte und mit ihm allein war. „Lilli ist mit ihrer Mutter nach Baden-Baden gereist. DI« Cur in Ems hat nichts genützt. Möglich, daß ihr Baden besser hilft. Ganz sicher aber bietet eS ihr neue Menschen und hoffent lich auch mehr Vergnügen als das ihr langweilig geworden« EmS." Kurz, wie widerwillig, kamen die Worte hervor, und er sah dabei an der Mutter vorüber ins Leere. „Sie dorthin zu be gleiten, so nahe vor dem Ende meiner Ferien konnte ich mich nicht entschließen. So bin ich zurückgekommen, um zu sehen, daß meinem armen Kinde, welche» seine Mutter gar nicht kennt, auch der Vater fremd geworden ist. — Laß, Mutter, ich weiß, daß er sich rasch wieder an mich gewöhnen wird, aber " Er brach ab und stützte die Stirn in die Hand. „O, Mutter, Mutter", stieß er plötzlich leidenschaftlich hervor, „wie ist es nur möglich, daß in einer so lieblichen Gestalt sich rin so völliger Mangel an jedem wärmeren Gefühl verbergen kann!" „Verdamme sie nicht, Ludwig! Hab« Gtduld mit ihr", bat die Mutter und umschloß mit beiden Händen seine Rechte. „Sie ist noch jung, und was in ihrer Seele an Keimen des Guten schlummert, kann noch erwachen." „Wollte Gott, Du sprächest wahr! Wie gern würde ich in Geduld warten, wenn ich hoffen dürfte, daß doch noch ein mal " Wieder verstummte er. — „Wir sind im Groll ge ¬ schieden", fing er nach einer Weile dumpf wieder an. „Vielleicht hatte ich Unrecht, hart und unbeugsam zu bleiben — vielleicht hätte ein liebevolles Wort mehr erreicht, als mein ungezügelter Zornesausbruch. Und doch — zu lange schon kochte es in mir, ich konnte und wollte mich nicht mehr beherrschen. Ja, wärest Du da gewesen, Dein milder, vermittelnder Einfluß —, aber so ach, Mutter, Lilli ist in keinen guten Händen; das ist's, was mich am meisten bedrückt." Sie wußte es selbst, und ihr Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken, was aus Lilli, was aus dem Lebensglück Ludwig's werden sollte, wenn sein junges Weib wieder völlig dem Einfluß einer mütterlichen Affenliebe preisgegeben war. Doch sie durfte dem Entmuthigten keine Muthlosigkeit zeigen und sagte in warmem, hoffnungsvollem Tone: „Verzage nicht! Laß uns hoffen, daß Lilli, fern von Dir, erkennt, was Du ihr bist, und daß diese Erkenntniß im Vereine mit dem Trennungsschmerz die wahre Liebe in ihrem Hrrzen zur Entfaltung bringen werde." Er drückte ihr mit trübem, zweifelndem Lächeln die Hand und schwieg, und In den langen Wochen und Monaten, die sie mitein ander der Rückkehr der jungen Frau harrten, erwähnte kein» von ihnen wieder der schweren Sorgen jener ersten Stunde. „Lieber, böser Brummbär! Hoffentlich hast Du die Trennungszeit benutzt, um Dir eine umgänglichere Laune anzuschaffen und unfern kleinen Han» so zu erziehen, daß er die Nerven seiner armen Mama nicht mehr so schrecklich malträtirt. Dann möchte diese es wohl wagen, zum Weihnachtsfeste nach Haus« zu kommen, denn sie hat doch ein klein wenig Sehnsucht nach ihrem zorn- müthigen Manne. Nur ein ganz klein wenig, aber sie denkt doch, daß besagter Mann, gerührt darvb, nun kommen wird, sie sich wiederzuholrn. Wird er? Lilli." In Ludwig's Augen schimmerte eS feucht, als er diese Zeilen la». Mso endlich hegte sie doch den Wunsch, ihn wiederzusehen, ihn und das Kind! Er fühlte in seinem Herzen warm die alte Liebe emporsteigen, die er schon so oft begraben gewähnt hatte. O, daß sie käme, um «in neues, schönere» Leben zu beginnen! An ihm sollte es nicht liegen, wenn ihnen nicht doch noch ein Glück erblühte, wie er e» sich erträumt hatte. So reist« er denn, froher Hoffnung voll, nach Berlin, sein junges Weib zu holen, indeß die Mutter daheim Alles zur Bescheerung bereitete. Mit schwerem Herzen und mit Thränen in den Augen! Denn sie vermochte nicht Ludwig's sanguinische Hoffnungen zu theilen; in ihrer Brust war die Liebe erstorben, welche sie einst der Schwiegertochter entgegengebracht hatte, und mehr als einmal schon hatte sie eine Aufwallung des Hasses bekämpft, wenn sie sehen mußte, wie sehr ihr Sohn litt, um dieses Weibes willen. Ach, und sie wußte auch, daß Lilli's Rückkehr ihr selbst neue, schwere Opfer auferlegen würde. Nicht nur den Sohn, auch das zarte Kind, welches ihr fest ans Herz gewachsen war, sollte sie ihr überlassen, die doch keiner rechten Liebe für Beide fähig war, und sollte wieder einsam und entsagend bei Seite stehen. Fast unmöglich dünkte sie, was von ihr gefordert ward, und immer von Neuem lehnte sie sich innerlich dagegen auf; aber es mußte sein, um Ludwig's willen, und ihm zu Liebe gewann sie es über sich, die Heimkehrende freundlich willkommen zu heißen, das zuckende Herz zur Ruhe zu zwingen und einzustimmen in den Festjubel der Anderen. In ausgelassener Lustigkeit tollte Lilli um den Weihnachts baum, ließ den jauchzenden Kleinen tanzen, neckte Ludwig, lieb koste die Mutter, trieb tausend übermüthige Possen und freute sich wie ein Kind über die reichen Geschenke. Ludwig's Augen strahlten vor Glück und Freude, und immer wieder zog er die Neugewonnene an sein Herz. „Weißt Du, Lutz, daß ich doch etwas unter Deinen Gaben vermisse?" sagte sie auf einmal, vor ihm stehen bleibend, und al» er sie verwundert ansah, fügte sie erklärend hinzu: „Das Manuskript Deines neuesten Werkes! Wann und wo wird es denn aufgeführt?" Ein Schatten legte sich auf ihres Gatten Antlitz, und seiner Mutter Herzschlag stockte bei dieser Frage, die ihm und ihr alle kaum vergessenen bitteren Stunden der Vergangenheit auf» Neue in das Gedächtniß rief. „Erst muß e» geschrieben sein,'liebe Lilli", lautete seine ruhig« Antwort, der nur die Mutter den Zwang anhörte. „Geschrieben? — Aber, Ludwig, Du willst mich doch wohl nur zum Besten haben?" „Nun, sagen wir also vollendet." Sie schlug ganz fassungslos die Hände zusammen. „Und ich habe in Berlin allen Leuten erzählt, es würde in der nächsten Zeit aufgefiihrt! O, Lutz, ich hatte mich so grenzenlos dazu ge freut. WaS hast Du denn nur in der ganzen langen Zeit an gefangen?" „Strohwittwer gespielt", sagte er trocken, doch in seinem Blick lag etwas, daß sie verwirrt die Lider senkte und nicht wußte, was sie erwidern sollte. Erst nach einer Weile verlegenen Schweigens fragte sie schmeichelnd: „Aber, nicht wahr, mir zu Liebe machst Du nun rasch, daß Du fertig wirst?" „Gewiß, mein Liebling, wenn ich kann." „Wenn ich kann! Bah, Du kannst Alles, was Du willst. Nun weiß ich doch, daß wir noch in dieser Saison nach Berlin reisen und dort neue Lorbeeren ernten werden", jubelte sie und hatte den flüchtigen Mißklang schon vergessen. In dem Herzen ihrer Schwiegermutter hallte er länger nach, und für sie hatte Ludwig's Wort: Wenn ich kann! schwerwiegende Bedeutung. Sie wußte, er würde es nicht können. Die nimmer zu befriedigende Genußsucht feiner Frau würde ihn niemals zu der Ruhe und Vertiefung gelangen lassen, deren er bedurfte, nicht allein, um die Lorbeeren zu erringen, welche ihr eitler Sinn be gehrte, sondern vielmehr noch, um sich selbst genug zu thun in seinem Schaffen; und mit neuerwachter Sorge hafteten ihre Augen an dem geliebten Sohne. Doch sein Blick wich dem ihren au». Der Winter verging, aber Lilli's Hoffnungen erfüllten sich nicht, und je müder und abgespannter der Ausdruck in ihres Gatten Zügen ward, je ungeduldiger er ihr Drängen auf Voll endung seiner Tragödie zurückwies, um so höher stieg ihre Ent rüstung. Wohl war sie anfangs noch wie früher zu ihrer Schwie germutter gekommen, um ihrem Verdruss« Worte zu leihen und über Ludwig zu klagen, der ihr so bittere Enttäuschungen bereitete; aber als sie nicht immer mehr Trost und Mitgefühl faisd, sondern auch mildem Tadel und ernsten Ermahnungen begegnete, wurden ihre Besuche seltener und seltener, und eine zunehmende Entfrem dung griff zwischen den beiden Frauen Platz. Um so mehr hielt sich nun Lilli, die nicht zu den wenigen Frauen gehörte, welche vermeintliches oder wirkliches Unrecht schweigend zu dulden vermögen, für berechtigt, Ludwig mit Vor würfen zu überschütten, und da seine Geduld längst erschöpft war, kam es immer häufiger zu heftigen Scenen zwischen den Gatten. Mehr al» einmal schon war Frau Oberstleutnant Ziegler Zeuge derselben gewesen. Dennoch erschrak sie, als sie eines Tage», das Haus ihrer Kinder betretend, Ludwig'» Stimme in einer Leidenschaftlichkeit vernahm, wie noch nie zuvor. Unschlüssig blieb sie stehen und hörte ihre Schwiegertochter trotzig rufen: „Nun gut, so nimm keinen Urlaub, bleib' zu Hause und schreib' Deine berühmte Tragödie, die ja doch niemal» fertig wird! Ich aber fahre mit, Du magst sagen, wa» Du willst!" In demselben Augenblick riß sie die Thür von Ludwig'» Ar»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite