Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188506184
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18850618
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18850618
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1885
-
Monat
1885-06
- Tag 1885-06-18
-
Monat
1885-06
-
Jahr
1885
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1885
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh SV,Uhr. Nk-artion und Lkpkditio» Iohanue-gasse 8. Sprrchstundkll -er Kedacliou: Vormittag- 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. liui t>« S!»ckg-d! nn,N<uidier Manulcrwt, t» «r»»cti»» »>cht «erNuitUch. rimMr Annahme »er für »ie «tzchfts«I>en»e Nnminer bestimmten Inserate an Wochentage» bis L Uhr Nachmittag», >,» S o»n-uuv Festtagen früh bi»'/,S Uhr. In den Filialen für Ins.-Anaahme: Ott« Klemm, Uaiversität-strabe 1. LoiilS Lösche, Katharinenstr. 23, p. nur bis '/,L Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage IN,L«V. .^vonnrmrntspreis vierlelj. 4'/, Kllr inrl. Brinaenohn ö Mk.. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Stummer 80 P> Belegexemplar 10 Pf. Sebüdren für Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Vostbejörderung 39 Mk. mit Postbesvrderung 48 Mk. Inserate 6gespaltene Petitzeile 20 Ps. »rühere Schriften laut uns. Prei-verzeichnlst. Tabellarischer u. Zissernwp nach höherm Tarif. tlrrlamen uMer dem RedaciionSstrlch die4gespalt. Zeile 50 Ps., vor den Familiennachrichten die Sgespaltene Zeile 40 Ps. Inserate sind stets an die Expebition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praoauwerauiio oder durch Post. Nachnahme. 169. Donnerstag een 18. Juni 1885. 79. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Bei dm bi- zu ihrer jetzigen Höhe fortgeschrittenen Ban arbeiten am Thurine der neuen PeterSkirche ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, vag bei der Arbeit verwendete Gegenstände, welche zufällig hcrabsallen und irgendwo an- prallcn, seitwärts abgetrieben werden und aus die Strotze sollen. Daher ist eS zur Bermeidung von UnglückSsällen erforderlich, bis ans Weitere« dir am Thurme entlang laufende Strecke der AlbertstraHe für de« Ver kehr dergestalt zu sperren, dast der Fährverkehr gänzlich unterbrochen wird, der Fustverkehr aber nur unter einer von der Bauverwaltung herzu- stcUenden Ueberdachuug deS TrottoirS stattzu- sindeu hat. Leipzig, am 15. Juni 1885. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Henuig. Nichtamtlicher Thetl. vie englische Labinetskrifis. Die Bemühungen Salisbury'«, ein conservalive-5 Mini sterium zu bilden, begegnen Schwierigkeiten; junge Mitglieder der Partei gehen in ihren Ansprüchen so weit, daß ihnen die älteren, besonneneren Männer nicht folgen können. Die „St. IameS Gazette", welche diese Andeutungen macht, nennt zwar keine Namen, aber e« ist auch ohne nähere Bezeichnung der Personm bekannt, daß Lord Churchill es ist, welcher das Zustandekommen de- neuen Ministeriums bisher verhindert hat. Die Unzufriedenheit deS jugendlichen Heißsporn« mit der durch Gladstone verschuldeten Lage täuscht ihn über die Grenzen des augenblicklich Erreichbaren. Ein neue« Pro gramm mit weil gesteckten Zielen ist zwar schnell entworfen, aber nicht so leicht verwirklicht. Wenn e« nach Churchill ginge, dann würden die Verhandlungen mit Rußland über die afghanische Grenzregulirung abgebrochen, und vie Eng länder träfen Anstalten, um die Russen zum Rückzug nach Merw uud womöglich darüber hinaus zu zwingen; der Feldzug gegen den Mahdi würde wieder ausgenommen, Egypten unter englisches Protectorat gestellt, und die Vor schläge der Suczcanalcommission würden im Ganzen verworfen. Eine solche Politik würde aber gänzlich undurchführbar sein, weil die Mebrheil de« englischen Parlaments dazu ihre Zustim mung verweigern würde. Mit Gladstone war die Mehrheit nur deshalb unzufrieden, weil er die Ziele nicht erreichte, welche er anstrebte; die Mittel, welche er anwendete, waren ganz nach ihrem Geschmack, weil sie nur geringe Kosten ver ursachten Wäre cs Gordon gelungen, den Mahdi zu schlagen oder doch Khartum so lange zu halten, bis ihm Wolseley zu Hilfe kam, wäre daS Abkommen »ul Rußland wegen der afghanischen Grenze zum endgiltigen Abschluß ge langt. dann wäre Gladstone von den Engländern in den Himmel erhoben worden' da ihm aber der Erfolg fehlte» so haben sie ihn mit Widerstreben fallen lasten, nicht etwa, um nun plötzlich eine der seinigcn ganz entgegengesetzte Politik zu unterstützen, sondern nur. um unter leidlichen Bedingungen aus einer unhaltbaren Lage herauszukommen. ES wäre eine vollständige Verkennung der Thatsachen, wollte man glauben, daß England sich plötzlich ermannt hätte, um die Schmack von sich abzuschüttetn, welche die kraft- und ziellose Politik Gladstone'S während dreier Jahre ausgehäust hat. Für die praktischen, Handel treibenden Engländer ist nur der Gesichts punkt maßgebend, mit möglichst geringen Kosten dahin zu ge langen, datz der gegenwärtige Besitzstand unangetastet bleibt, und daß kem Bund der europäischen Großmächte zu Stande kommt, welcher die Weltherrschaft England- bedroht. Zu diesem Zweck aber eine große kostspielige Unternehmung ms Werk zu setzen, davon sind die Engländer weit entfernt. Die Parteigegcnsätze sind in England überhaupt ganz anderer Art alü bei unS. TorieS und Whigs stehen sich keineswegs so schroff gegenüber wie die Conservativen und die Fortschrittspartei oder die sogenannte dentschsreisinnige bei unS. Die englischen Parteien sind sämmtlich Vertreter der besitzenden Classc», die misorn plobs contrikuens, die große steuerzahlenve Menge war bisher in Len beiden Häusern des Parlaments so gut wie nickt vertreten. Alles, wa- in jener vcrhäiignißvollen Nacht vom 8. zum 9. Juni über Spiritus- und Bier-, über Wein- und Theesteuer gesagt worden ist, war lediglich Machtsrage, nickt ein Ergebniß des Gegensatzes zwischen Besitzenden und Besitzlosen. Auch in Deutschland ist ja der Kampf zwischen Conservativen und Dcukschfreisiiinigen ein Kampf um die Macht, daS Interesse deS armen Manne- ist nur Vorwand, aber bei unS reicht der Kamps uni den Besitz in daS Parlament hinein, die Be sitzlosen baden 25 Sitze im Reichstage inne, und dadurch üben sie auch Einfluß auf die ihnen zunächst stehenden Deulschsrei- sinnigen. In England giebt eS eine derartige im Parlament vertretene Partei nicht. Die Homeruler vertreten die Jn- Icrcssen einer aus LoSreißung Irlands von England bedachten Partei; die Dynamitmänner stehen außerhalb des Parlaments und werden sich auch durch die Ausdehnung de« Wahlrecht- kaum Sitz und Stimme im Parlament erkämpfen. Conservative und Liberale haben in beiden Häusern de- englischen Parlament- sebr nahe Beziehungen und so viele BerübrungSpuncte. daß die Grenzlinie zwischen beiden Par teien säst ebenso schwer zu ziehen ist. wie die afghanische, sie haben beide dieselben Ziele, nur die Form, in welcher sie verfolgt werden, ist verschieden. Der GcsichtSpunct. im Heere eine hervorragende Stellung einzunchmen, welcher bei den Mächten deS Festlandes in Europa eine große Nolle spielt, koinmt für England gänzlich in Wegfall. Der Militairdienst wird in England nicht al» eine Ehre, sondern al- ein« Last betrachtet, die man möglichst auf Vie Schultern der Besitzlosen abwälzt. Die Einjührunq der allgemeinen Wehrpflicht würde nnter den bestehenden Verhältnissen als eine völlige Numög- lickkeit von vornhereinDauSsichtSloS sein, und deshalb macht auch keine Regierung einen dahin zielenden Versuch. Eng land ist keine Monarchie im deutschen Sinne, sondern eine Aristokratie uud Plutokratie: eine Macht, welche durch die Kraft de» gesammten Volkes aufgerichtet und erhalten wird ist den englischen Anschauungen fremd und unverständlich, die Engländer wollen die Well beherrschen, weil sie zur Sec die Herren sind, oder vielmehr gewesen sind. Große Heere zu unterhalten, betrachten sie als das Ergebniß einer unklugen und kurzsichtigen Politik der Landratten. Sie haben ja bisher Recht behalten mit dieser Auffassung; denn an Erfolgen in den Feinden Welttheilen kann sich keine Macht der Erde mit England messe». Aber die Verhältnisse haben sich im letzten Mcnschen- atier sehr wesentlich geändert, die Herrschaft zur See ist den Engländer» von Frankreich streitig gemacht worden, und all- inälig ist auch Deutschland in den Kreis der Seemächte ein- gelreten. Ein neues Ministerium bat mit den seit einem halbe» Jahrhundert in der Entwickelung begriffenen Verhältiilffen zu rechnen. Seitdem Englands Coloniatbesiy die ungeheure Ausdehnung von heute erreicht hat, ist e» in die Reihe der Landmächte nach europäischem Muster eingetreten. Weder die afrikanischen, noch die asiatischen Besitzungen Englands lassen sich aus die Dauer durch die Flotte verthcidige», das haben die Erfahrungen der beiden letzten Jahre »nt über raschender Klarheit bewiesen. Das neue Ministerium hat vor allen Dingen die Ausgabe, diese Dbatsache ven Engländern zum Bewußtsein zu bringen. Mit biininelstürinciiden Plänen ür die Zukunst, wie sie sich im Kopse eine- Eburchill ge staltet haben mögen, ist es nicht gethan, cs kommt vielmehr dar aus an, die englischen Verhältnisse allmälig den Anforderungen der Gegenwart entsprechend umzugestallen. DaS, was Gladstone lliiternomincn und bis heute sortzeführt hat, läßt sich nicht ungeschehen machen. eS gilt vielmehr auf möglichst geschickte Weise einen Strich unter die Gladstone'sche Rechnung zu eben. Salisbury und Northcote hatten diese Absicht, aber Zyurchill durchkreuzte sic durch seine zu weit gehenden An- orderungen; der Verlaus der UnlerhauSsitzung vom 15. Juni cheint ihn darüber belehrt zu haben, unter welch.n Be dingungen ein conservatldes Ministerium Aussicht aus Lebcns- sähigkcit hat. Die englischen Verhältnisse sind nicht wie die ranzösischen; in Frankrxich tritt ein Ministerium i»S Leben und verschwindet nach vier Wochen wieder von der Bildstäche, die englischen Verhältnisse tragen einen durch und durch konservativen Ckarakter, und wenn eine Regierung die Zügel ergreift, so geschieht das stet- unter Verhältnissen, welche vie Bürgschaft der Dauer gewähren. Salisbury hat den Austrag übernommen, ein konservative- Ministerium zu bilden, aber er hat es nur unter der Voraussetzung gethan. daß di- Liberalen ihn unterstützen. Demgemäß hat er sei» Programm einzurichten. Fromme Wünsche genügen für solchen Zweck nicht, ebenso wenig wie rücksichtsloses Anstürmen gegen bestebende Einrichtungen und Vorurlheile. - Lord Churchill wird schon lni Laufe der Zeit Gelegenheit erhalle», seinen Herzens wünschen Ausdruck zu geben, vorläufig bat er sich den Nm- tänden anzubequcmcn. Da er diesen Entschluß gefaßt zu baben scheint, wird daS neue Ministerium voraussichtlich zu Stande kommen. * Leipzig, 18. Juni 1885. * Der Kaiser ist, wie uns aus Berlin gemeldet wird, durch den Todesfall VeS Prinzen Friedrich Karl aus daS Schmerzlichste berührt, trägt indeß auch diesen Trauersall. eingedenk seiner hohen Regenlenpflickt, mit jener männlichen Fassung, welche man bei srüberen Anlässen an ihm zu be wundern Gelegenheit hatte. Se. Majestät hat Montag und DicnStag wiederholt den Oberceremonienmeifter Grafen Eulen burg, sowie den Hosmarschall Grasen Perponcher empsangen und die Trauerseierlichkcitcn für seinen Neffen bis aus die geringsten Einzelheiten selbst bestimmt. Auch die Kaiserin ist durch den Todesfall tief erschüttert. Wohlthucnb berührt die Theilnahme. welche sich in der Presse des Auslandes kund giebt; selbst in Frankreich zeigen diesmal die Journale mebr Tact al» in dem ganzen letzten Jahrzehnt, und die militairischc Größe und Begabung de» verstorbenen Prinzen wird auch in den sranzösischen Blättern, wie man von Paris telegraphirt. rückhaltlos anerkannt. — Daß der König von Sachsen zu den Tranerseierlichkciten nach Berlin kommt, entspricht durchaus den innigen Beziehungen, in welchen besonders der Berliner zu dem Dresdner Hose steht. Im klebrigen werden nur die nächsten Verwandten, besonder» die Schwiegersöhne von Prinz Friedrich Karl erwartet, während die anderen Souveraine Specialvcrtreter entsenden werden. — Der Kaiser hat aus Anlaß deS Ablebens Sr. königl. Hoheit folgenden Armee befehl erlassen: „Mein HauS, Meine Armee und Unser ganzes Vaterland haben durch den heute erfolgten, Mich tief erschütternden Tod Meines Nessen, de- Prinzen Friedrich Karl von Preußen königliche Hoheit, Beneralseldmarschall, einen sehr schweren Verlust erlitten. ES werden viele Herzen mit Mir trauern, die eine warme Empfindung für unsere Wafsenehre haben, und die dessen eingedenk sind, daß der verstorbene Prinz von frühester Jugend an der Armee mit allem seinem Denken und Streben angehorte, der ganz jung schon sein Blut für die Waffenehre vergoß, uud die er dann in drei Kriegen fortgesetzt zum Ruhm und zum Siege geführt hat. Hohe Ehre fei seinem Angedenken, welche» für alle Zeiten in der Beschichte die eine- preußischen Prinzen würdige Stelle finden wird. Der Armee aber wird eS ein tie> empfundene- Bedürfniß sein, auch die äußeren Trauerzcichen für den in derselben so hochverehrten Prinzen anlcgcn zu dürfen und bestimme Ich dazu Nachstehende-: 1) Sämmtlichc Osficiere der Armee und Marine legen vom Tage de- Eingang» dieser Ordre ab 3 Wochen hindurch den Trauerflor um den linken Unterarm an. 2) Bei dem 8. Brandenburgischen Jnfanterie-Regiment Nr. 64 (Prinz Friedrich Karl von Preußen), sowie bei dem Leib-Husaren- Regiment Nr. 1 und dem Brandenburgischen Husaren-Regimeut (Zietea-Husareu) Nr. 3 währt diese Trauer 4 Wochen. gcz. Wilhelm." * Zum Tbema der Bekämpfung der Trunksucht wird unS aus Berlin geschrieben: „In der Schweiz ist soeben die sog. Alkoholvorlage endgiltia angenommen worden. Danach werden die Bestimmungen über die Fabrikatioa und den Verkauf von Alkohol der Competenz der Bundesgesetz gebung unterstellt, die volle Gewerbefreiheit in Bezug auf die Schankstätten hört aus. die Einnahmen au« der Besteuerung de« Branntwein- kommen den Cantonen zu Gute, die aber die Verpflichtung haben, mindesten- lO Procent davon zur Be kämpfung der Trunksucht zu verwenden. Die» letztere kenn zeichnet daS in Rede stehende gesetzgeberische Vorgeben sebr deutlich al- unmittelbar gegen da» Umsichgreisen de- AlkoholiS- mu« gerichtet, wie denn die Schweiz die Behandlung Vieser so wichtigen Frngeseit mehreren Jahren von Amt» wegen sehr ener gisch i» Angriff genommen hat. ES dünkt unS am Platze, daran zu erinnern, daß auch bei unS während der letzten RcichSlagsscssio» durch eine Reche von Petitionen ein Anstoß aus diesem Gebiete gegeben worden ist. Die PetitionScommission hat darüber durch den Abg. Struckmann einen vortrefflichen Bericht erstatten taffen, der aber inmitten der Alle« über wuchernden Zolldcbatten im Plenum nicht mebr zur Ver handlung gekommen ist. Da« Tbema wird darum sicherlich nicht von der Tagesordnung verschwinden. Die Thatsache einer unverhältnißmäßigen Zunahme deS Branntweinconsum«, die seit Jahrzehnten in last allen europäischen Staaten beobachtet worden ist, trifft auch für Deutschland zu. Und baö Unheil, welches aus diese Weise in den untere» Bevölkcrungöschichten verursacht wird, ist von so großer ocialcr Bedeutung, daß der Staat wahrlich Veran lassung hat, ein wachsame» Auge daraus zu haben. Wie bei den meisten derartigen KrankhcitScrschcinungcn kommt eS vor Allem daraus an, baß der Volks körper bas Uebel auS sich selbst heraus vermöge einer sieg reichen Reaction seiner gesunden Kräfte überwinde. Das cheint sich >denn auck in Deutschland immer erfreulicher zu entwickeln. Außer einer Anzahl anderer dazu berufener Körperschaften hat namentlich der Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke sich der Ausgabe bemächtigt, und man bars von seiner Thätigkeit um so bessere Früchte erhoffen, als er nickt, wie d>cS bei den Mäßigkeit-- oder Enthaltsamkeits- Vereinen früherer Zeiten nur zu sehr der Fall war, gewisse pietistische Nebenzwecke verfolgt und dabei den Branntwein chlechlweg und unter allen Umständen als TeusetSwerk ver dammt, sondern rein sachlich und praktisch direct auf'S Ziel loSgeht und sich lediglich gegen den unnatürlichen, unmäßigen Genuß jene- Getränkes wendet. Indeß die Erfahrungen anderer Lander, in welchen diese Bestrebungen zu bedeuten der Entfaltung gediehen sind, haben gezeigt, daß der Staat, die Gesetzgebung mit ihnen Hand in Hand gehen muß. Nur ist dabei mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen, denn der Staat muß eS in seiner Gesetzgebung ebenso sehr vermeiden, berechtigte Interessen zu verletze», wie Befehle zu gebe», die aus dem Papiere stehen bleiben und nicht erfüllt werden. Im deutschen Reiche ist 1879 eine Novelle zur Gewerbe ordnung erlassen worden, welche für die Erlaubniß zur Errichtung von BrauntweinschLlike» die Bebürsnißsragc wieder einsüyrt, für die Errichtung von Gastwirlhschasten die Stellung dieser Bedingung wenigstens ermöglicht. Da gegen ist eine 1880 gemachte Vorlage wegen Bekämpfung der Trunksucht nickt zur Erledigung gekommen und nachher, obgleich sie in der Commission de- Reichstag» — sogar noch verschärft — angenommen war, von der Regierung nicht wiederholt worden. E» standcn ihr mannichfache praktische Bedenken entgegen; Einzelnes aber war jedenfalls brauchbar. Den praklischsien Weg scheint unS die Schweiz eiiizuschlagen, indem sie «ine Beschränkung des Schänkenwesens mit einer erhöhten Besteuerung des Alkohols verbindet. Wie weit bei unS ii» Pniicte der Beschränkung jene Novelle von 1879 von Erfolg gewesen, darüber fehlen genaue Erhebungen; dagegen ist allgemein bekannt, daß die Besteuerung deS Branntwein» im deutschen Reiche so ziemlich die niedrigste der ganzen civilisirten Wett ist. Man bat in Preußen oen Anlauf zu einer Gemeinde abgabe von den Branntwemwirlkschaslen gemacht; der Versuch gab aber der Kritik so handgreifliche Blößen, daß man ihn noch nicht wieder ausgenommen hat. Es wird nickt- Helsen,wir müssen »ns endlich zu einer starken Steuerbelastung des Branntweins selbst entschließen. Dabei würde dann auch der Gedanke, ob nicht auS dein Ertrage derselben eine Summe zur Unter stützung der Bestrebungen gegen den Mißbrauch deS Brannt weins zu verwenden wäre, eine ernstliche Erwägung verdienen." * In einer der letzten Sitzungen de» belgischen Senats wurde gelegentlich des Eiscnbahnvoranschlages die zunehmende Einfuhr deutscher Kohlen in Belgien zur Sprache gebracht. D'Andriiliont hielt dem Eisenbahnminisier Bandeiipeerebooin vor, daß ein Ausschuß von Beamten und Fachmännern nach mehrmonatlichemTagen nock keinen greifbaren Vorschlag gemacht babe, um die angeblich ungerecktsertigte Stellung der deutschen Kohlen ini Wettbewerb gegen die einbeimische» zu beseitigen. Dazu müßten nach d'Andriniont die Frachtsätze für die Be förderung belgischer Kohlen aus den Staatsbahnen von de» Gruben nach denjenigen Abladestelle», wo sie den an Schärfe zuiiekulenbei» Kamps gegen den ausländischen Brennstoff zu bestehen haben, erniedrigt werben, so daß die Zusubr über die Bahnstrecken der Granbe-Centratc-Gesellschast von Deutschland her abnehmen müßte. Der Redner schob eS dieser Gesellschaft in die Schuhe, daß bislang die Berathungen jenes Ausschusses zu keinem Ergcbn'ß geführt, gab aber dock zu. daß die größten Mengen deutscher Kohlen nicht über kiese Privalbahn, sondern über die holländischen Canäle nach Belgien verfrachtet werde». Der Minister Vandenpeercboom erwiderte, baß der Ausschuß vor Allem statistische Erhebungen anstellcn mußte; daher sei bis jetzt noch kein weiteres Ergebniß zu Tage gekommen. Ob sich ein solches bcrausstellen werde, sei fraglich; er werbe aber die Angelegenheit sorgfältig untersuchen, nnd zwar werde er von einem für das einheimische Kohlcngewerbe wohlwollenden Standpunct aus urthcilcn. Daß. wie d'Anvriinont zu glauben scheint, ein Ankauf der Grande-Centrale durch den belgischen Staat Aussichten hätte, ist bei der gegenwärtigen Gestaltung der politischen und wirthschastlichcn Verhältnisse in Belgien durchaus nicht anzunehmen. * Die durch Nencrnennung deS türkischen Gouverneurs verwickelte Sachlage auf der Insel Kreta hat, wie auS Konstantinopel berichtet wird, ihren acuten Charakter verloren Die widerstrebenden Elemente, welche von keiner Seite unter stützt werde», seien zu der Einsicht gekommen, daß an eine Action momentan um so weniger zu denken sei, als der Militairkommanvant Edhcm Pascha gemäß der ihm zu gekommenen Instructionen zum eventuellen energischen Ei» schreiten verhalten wurde. Ein Theil der Bevölkerung be ginne sich sogar mit SawaS Pascha zu befreunden. nachdem derselbe wiederholt erklärt habe, daß er von der Piorlc be auftragt sei, allen gerechten Beschwerden der Bevölkerung Rechnung zu tragen. * Der Streik der Eisen- und Kohlenarbeiter in den penn sylvanischen Gruben dauert fort. Derselbe umfaßt die Distrikte westlich der Alleghany Mountains bis nach Chicago und St. Louis. Die Arbeiter von Cincinnati. Chicago und Cleveland haben sämmtlich die Arbeit niedergelegt. Die Werkmeister glauben aber, daß der Streik nur von kurzer Dauer sein wird, da sie Nicht-Union-Arbeiter heranziehen zu können hoffen. Elf Grubenbesitzer sollen die von den Arbeitern ausgestellten Lohntarise angenommen baben, doch beträgt die Zahl der Streikenden noch über 78.000 Mann während nur 4300 Mann beschäftigt sind. Tie au« der Streik-Casse gezahlten Unterstützung-gelber betragen täglich 160,000 Dollar». * In Mexiko ist eS zwischen dem Präsidenten Diaz und dem Ex-Präsidenlen Gonzalez zum offenen Bruche gekommen. Der Congreß hat angeorvnel, daß zwei Finanrminister unter Cvnzale;' Administration, sowie mehrere ihrer Untergebenen in Anklagezustand, und zwar wegen Mißbrauch« der Amtsgewalt, versetzt werden sollen. Man glaubt allgemein, Gonzalez werde versuchen, sich zu rechtfertigen, aber seine Freunde agen, er werde eher eine Revolution erregen al» sich untcr- wersen. Es scheint» als ob die Diaz-Partei den Schlag schon lange vorbereitet hat, die Gonzalez-Partei aber, wenn die Sache bis zum Aeußersten getrieben wird, zu activem Wider- laud entschlossen ist. Generalfeldmarschall Freiherr von Manteuffel * Wie unS ein Privaltelegramm aus Karlsbad meldet, i daselbst am Mittwoch früh 9 Uhr Karl RochuS Edwin sreiherr von Manteusfel, Generalseldmarschall der preußischen Armee und kaiserlicher Statthalter von Elsaß- Lothringen. nach nur dreitägiger Krankheit an einem Lungen- chlagc gestorben. Der Verewigte war geboren am 24. Februar 1809 zu Dresden als einziger Sohn des 1844 verstorbenen Wirk lichen Geheimen Raths und ObcrlandesgerichtS - Ehespräsi- dentcn HanS Karl Freiherr von Manteuffel in Magdeburg, trat 1827 in daS preußische Gardedragonerregiment ein, be suchte die Allgemeine Kriegsschule, wurde 1838 Adjutant beim Gouvernement von Berlin, that dann Dienst bei Prinz Albrecht von Preußen und wurde 1843 als Rittmeister Adjutant desselben, lg. Mär; 1843 Flügeladjutant des Königs Friedrich Wilhelm IV., 1853 Commandcur deS 5. Ulanen- regimenls, 1854 Oberst und Ende 1856 Commandeur der 3. Cavalleriebrigade. Im Februar 1857 wurde er unter Nlassung al» Ftügeladjutant Chef der Abthcilung für per- önliche Angelegenheiten und Mai 1858 Generalmafvr und General L I» nuitv de« König-, Manteuffel hatte in den letzlvorhergchenden Jahren mcbrmals diplomatische Missionen, namentlich i» Oesterreich und Rußland, übertragen erhalten und sich derselben mit großem Geschick entledigt. In der Stellung als Chef der ÄblHeilung sür persönliche Angelegen heiten wirkte Manteuffel wesentlich zu der Reorganisation deS preußischen Heere» mit. Hierbei fiel ihm die mißliche Ausgabe zu. daS OsfiziercorpS, namentlich die höheren Führer- tellen, durch Ausscheidung verbrauchter Kräfte zu verjüngen. Obschon Manteuffel mit Umsicht und Geschick diese Ausgabe löste, konnte es Loch nicht fehlen. daß er vielfach persönliche Interessen verletzte und sich zahlreiche Gegner schuf. Eine Broschüre Twestcn's: „Was uns noch retten kann" (Berlin 1861), griff seine Lhätigkeit nach dieser Richtung heftig an und veranlaßte Manteuffel, den Verfasser zu fordern. Das Duell endete mit der Verwundung Twcsten'S, wofür Man teuffel einen kurzen Festungsarrest in Magdeburg zu Ver büßen hatte. Manteuffel wurde 1861 zum Generaladjutanten und 18. Oclober desselben JahreS zum Generaliieulcnant ernannt, 1. Februar 1864 zur Armee nach Schleswig-Holstein gesendet, wo er am Gefecht bei Missunde und dem Schtei-Uebergang theilnabm, und 29. Juni 1865 niit dem Oberbefehl über die preußischen Truppen in den Elbherzogthnmern, 15. September jedoch mit der Verwaltung de» Hcrzogthums Schleswig als Gouverneur betraut wurde. Manteuffel reorganisirte die ge- samnite Verwaltung nnv befestigte das Vertrauen der deutschen Bevölkerung zur preußischen Herrschaft, während er gleich zeitig den Bestrebungen der sogenannten Landespartei erfolg reich entgegentrat. Als 1866 die österreichische Regierung, entgegen den Abmachungen von Gastein, die schleSwig - hol steinische Frage dem Deutschen Bunde überwies, verhinderte Manteuffel die Eröffnung der Versammlung der bereits in Itzehoe zusammengetrelenen Stände ohne alles Aussehen und drängte den österreichischen General von Gablonz mit der österreichischen BesatzungSbrigade auS Holstein, ohne daß es zu Blutvergießen kam. Manteuffel besetzte daS nördliche Hannover und trat nunmehr unter Beseht deS Generals Vogel von Falckenstein, übernahm jedoch, nachdem dieser nach Bövmen abberufen, 20. Juli den Oberbefehl Uber die preußische Mainarmee und schlug die süddeutschen RcichS- lruppen bei Hansen, Helmstädt, Uettingen, Roßbrunn und Würzburg. Am 20. September 1866 wurde Manteuffel zum General der Cavallerie und 30. Oclober zum commandiren- den General deS 9. ArmeecorpS ernannt, von dieser Stellung jedoch 19. Januar 1867 entbunden und 8. August 1868 ccm- mandirender General deS 1. ArmeecorpS zu Königsberg i. Pr. Diese« CorpS führte Manteuffel mit Auszeichnung während de» Deutsch-Französischen Kriegs von 1870 und 1871, schlug die Schlachten von Eolombey-Nouilly 14. August und Noissc- ville 31. August und 1. September, leitete die Einschließung von Metz auf dem rechten Moseluser und übernahm, nachdem diese Festung gefallen war, 27. Oktober 1870 den Oberbefehl über die Erste Armee, mit welcher er die im Norden Frank reich« neugebildeten Heere in den Schlachten bei Amiens und an der Hallue schlug, Rouen besetzte, mehrere kleine Festungen eroberte und vis an den Canal siegreich vordrang. Am 9. Januar 1871 wurde Manteuffel zum OberbcseblShabcr der Süvarmee ernannt und eilte den vor Bclfort slehenven deutschen Truppen zu Hilfe, lieferte die Gefechte von Sam- bacourt, Chasfoi», FreSne und Pontarlier und zwang die bis her von Bourbaki befehligte französische Ostarmee unter General Clinchant 1. Februar zuin Üebertritt aus das neu trale Gebiet der Schweiz. Manteuffel übernahm 5. April 1871 den Oberbefehl über die Zweite Armee und 20. Juni den über das in Frankreich belassene Besatznngsheer. In dieser schwierigen Stellung wußte Manteuffel neben voller Wahrung der deutschen Interessen auch da» Vertrauen der französischen Bevölkerung und Regierung zu erwerben und trug zur Ueberleitung der durch den Krieg gestörten Beziehungen in friedliche erheblich bei. Sein Hauptquartier befand sich in Nancy. Am 1. Sep tember 1873 verlieb der Kaiser dem Fort St. Julien bei Metz den Namen Fort Manteuffel und ernannte 19. Sep tember 1873 Manteuffel zum Generalseldmarschall. Später, namentlich 1876 bei AuSbruch der Verwickelungen zwischen Rußland und der Türkei, wurde Manteuffel mit einer diplo matischen Mission nach Warschau betraut, ebenso im August 1879, wo er in Warschau mit Zar Alexander II. Uber die Beilegung deS deutsch-russische» Zeitungskrieges verhandelte. An, 23. Juli 1879 beries der Kaiser Manteuffel zum Statt halter deS Reichslandes Elsaß-Lothringen, und 1. Oktober
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite