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Wochenblatt für ^ Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 244. Reichenbmnd, Siegmar, Neaji tadt, Ravenstein und Rottluff. S. Sonnabend, den 16. Januar IStlU. . . Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition lReichenbrand, Nevoigtstraße 11), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabcnstcin entgegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzeigen-Amtahme in der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags I» Uhr» bei den Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. Bekanntmachung. Am 15. Januar dieses Jahres war das Wassergeld und der Wasserzins auf den 4. Termin 1908 fällig. Die Beträge sind unter Vorlegung des Quittungsbuches bez. Steuerzettels spätestens bis zum 30. Januar 1909 bei Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Wasserwerkskassc zu bezahlen. Relchenbrand, am 16. Januar 1909. Der Gemciiidevorstand. Vogel. vom Vereine zur Bekämpfung der Schwindsucht in Chemnitz und Umgebung in Chemnitz, Theater- strahe 9 (Eingang von der Weberstrahe) errichtete Auskunfts- und Fürsorgestelle, wo jeden Dienstag und Donnerstag, abends von 6 bis i/»8 Uhr Beratungsstunden abgehalten werden, unentgeltlich benutzt werden kann. Rottluff, am 7. Januar 1909. Der Gemeiiidcvorstand. Die Sparkasse zu Neustadt verzinst Einlagen mit o/o. Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8 —12 Uhr und nachmittags von 2 — 6 Uhr, Sonnabends ununterbrochen von 8 — 3 Ahr. Auskunfts- und WrsorgesteUe siir LliligelilettenSe. Zur allgemeinen Kenntnis der hiesigen Einwohnerschaft wird hiermit gebracht, daß sich der prakt. Arzt vr. meci. Gebauer in Rabenstein in uneigennütziger Weise bereit erklärt hat, in der von ihm auf jeden Donnerstag, vormittags 10 Uhr festgesetzten Sprechstunde für die Auskunfts- und Für- forgestelle für Lungenkranke der Gemeinde Nabenstein auch lungenkranke Einwohner der Gemeinde Rottluff unentgeltlich zu untersuchen und Auskünfte zu erteilen. Bericht über die Sitzungen des Gemeindcrats zu Neustadt vom 27.. 28. und 30. Dezember 1908 und 12. Januar 1909. Vorsitzender: Herr Gemeindevorstand Geißler. Sitzung vom 27. Dezember. 1. In der heutigen Sitzung wird mit der Einschätzung zu den Gcmeindeanlagcn auf das Hahr 1909 begonnen. 2. Das Entlassungsgcsuch des SchreibersS ch indler für 16. Januar 1909 infolge seiner Anstellung bei dem Gcmeinderate zu Schönau wird genehmigt. Die Stelle wird zur Neubesetzung ausgeschrieben. Sitzung von» 28. Dezember. Mit der Einschätzung zu den Gemeindeanlagen wird fortgefahren. Sitzung vom 30. Dezember. 1. wird die Schätzung fortgesetzt und bis zum Schluß durchgeführt. 2. wiro einem tvesucy um Wasseranschluß bedingungsweise statt, gegebne. ^ ^ ^ i ^ ^ ^Sitzung vom 12. Januar 1909. Der Herr Vorsitzende eröffnet die heute als 1. im neuen Jahre stattfindende Sitzung unter besonderer Begrüßung der in den Gemeinde rat neu eingetretenen Herren Backhaus und Kcmpter und gibt hierbei dem Wunsche Ausdruck, daß die Beratungen auch in diesem Jahre zum Wohlc der Gemeinde gereichen mögen. ^ ältesten Gerber als (^meindewaisEat bez. als Stellvertreter, und e) von dem Jahresbericht der Genossenschaft für Müdchenfürsorge zu Harthau i. E., der Bericht soll ln Zirkulation gesetzt werden. 2. Die Rechnung über die Verwaltung der Heinrich Hüh l e-Stiftung auf das Jahr 1908/1909 wird nach erfolgter Prüfung richtig gesprochen. 3. Von dem Vorschläge des Sparkassen-Ausschusses bezüglich der Prüfung des Rechnungswerkes der Sparkasse durch einen fach- technischen Beamten wird genehmigend Kenntnis genommen. 4. erfolgt Aussprache wegen Besetzung der Schreiberstelle, die durch den Weggang des Schreibers Schindler frei wird. Die Ent schädigung wird festgesetzt und die Wahl der Person dem Herrn Vor- fitzenden und Herrn 1. Gcmeindeältesten Starke überlassen. 6. wird in die Wahl der Ausschüsse eingetreten. Es wird be schlossen. den Flnanzausschutz, bestehend aus den Herren 1. Gemeinde- ältester Starke. Fichtner und Lange, den Wasserwerksausschuh, bestehend aus den Herren 2. Gemeindeältester Gerber. Fichtner. Lohse und Römer und den Bauausschuh, bestehend aus den Herren 1..Gemeindeältester Starke, 2. Gemeindcältester Gerber und Fichtner in seiner jetzigen Zusammensetzung auch für das Jahr 1909 bestehen zu lassen. Dem letzteren Ausschuß wird, einem Anträge auf Ver stärkung entsprechend, Herr Melzer zugewählt. In den Schulvorstand wird Herr Fichtner wieder- und in den Armenausschuh die Herren Rößler und Kempter wieder- bez. neu gewäblt. 6. erfolgt Festsetzung des pro 1909 zu erhebenden Anlagensatzes. Nach genommener Kenntnis vom Schätzungsergebnisse wird beschlossen, den einfachen Steuersatz mit 35°/o Zuschlag zu erheben. Es bedeutet M/o. Auf die Grundsteuereinheit entfällt nach dem Bedarfs pro 1909 der Betrag von 12 Pfg. 7. Die Vorschläge des Sparkassen-Ausschusses auf Beleihung zweier Grundstücke werden zum Beschlüsse erhoben. 8. werden einem Gesuchsteller in Berücksichtigung seiner Der- hältnisse die rückständigen Gemeindeanlagen erlassen. v. erfolgt Nachtragsschätzung zu dm Gemeindeanlagen. Die Mosaikdecke. Original-Novelle von Hedwig Berger. (Fortsetzung.) Die Stimmen schienen einer älteren Frau und einem jungen Manne anzugehören. Zuerst interessierte mich das Gespräch nicht sonderlich, aber schon nach den ersten Sätzen änderte sich das. Ich beugte mich vor, meine Augen funkelten, meine Wangen glühten. Nun schämte ich mich des Härchens nicht länger, nein, nun wollte ich hören. „Du bist sonderbar, Mama! Ich dachte dir durch meine Verlobung eine Freude zu bereiten, statt besten nimmst du sie mit Trauer und Unmut auf, bemerkte der junge Mann. „Und kann ich anders, da du sie ohne Liebe, nur des Geldes wegen geschloffen?" klang es grollend zurück. „Darf ich in meinen Verhältnissen denn an eine andere denn an eine Verstandesheirat denken?" „Das hättest du früher wissen müssen, bevor du soweit mit Ella kamst. Was soll denn nun aus ihr werden?" „Sie wird sich trösten müssen, so wie — ich. Vielleicht bietet sich auch ihr bald eine anständige Partie, und dann wird sie es mir danken, daß ich nicht in einem Augenblick 0:lslerftrr ^rrroreiri/1.,.„ e UN geknüpft habe. Eine Ehe Angehen, wenn Heide Teile arm sind, ist Wahnsinn — heutzutage wenigstens. Zu deinen Zeiten, Mama, kann es ja anders gewesen sein, oder auch," fügte er so leise hinzu, daß ich es kaum verstand, cs waren damals die Menschen anders." „Ja, Ernst, die Menschen waren anders. Sie waren nicht feige und unmännlich, sie waren im Stande, ihrer Liebe, ihrer Ueberzeugung ein Opfer zu bringen." „Und konnten sie auch die Armut, die peinigende, furchtbar demütigende Armut schweigend für sie ertragen? Die tausend kleinen Entbehrungen, die so geringfügig erscheinen und doch so furchtbar schmerzen, die bösen Nadelstiche und höhnischen Fußtritte der Besscrsituierten? Sille Achtung vor diesen, Helden, aber ich hin aus anderem Holze geschnitzt — schilt mich nicht, Mama! Auch die heißeste Liebe wäre nicht im Stande, mich über die Qualen der Armut hinwegsehen zu lasten. Mit geballten Fäusten würde ich Zusehen, wie sich die anderen an vollen Tischen mästen, indessen ich darbenh fernstchen muß und fortwährend würdesder Vorwurf an mir nagen: „Auch du könntest zu ihnen gehören, wenn du dein Leben nicht einer sentimentalen Regung zum Opfer gebracht hättest!" Die alte Frau lachte bitter auf. „Einer sentimentalen Regung — fürwahr, das ist gut gesagt!" „O Mama, du weißt nicht, was ich in diesen Monaten des Kampfes gegen spießbürgerliche Vorurteile gelitten habe. Ich schmeichle mir, hen anderen Advokaten hier an juristischer Begabung und Gewandtheit in nichts nachzustehen, und doch sind ihre Wartezimmer mit Klienten überfüllt, das meine aber bleibt leer. Warum? Weil sie reich und deshalb ge achtet sind, ich aber bin arm. Das wird sich mit einem Schlage ändern, bin ich erst Sidonie Kann's Gatte. Sie bringt mir Reichtum und einflußreiche Verbindungen zu, und die guten Kleinbürger werden in Scharen herbciströmen, mir die Verteidigung- ihres Rechtes, ihrer Freiheit, ihres Vermögens anzuvertrauen und so Gelegenheit zu geben, zu dem Gelde meiner Fra» mein eigenes selbstverdientes zu legen. Eine schöne, erfreuende Berufstätigkeit wird meine Tage ausfüllen und das liebe Mama, ist doch ein Glück." „Aber nicht das wahre, dauernde," rief die alte Frau schmerzlich. „Es werden Stunden kommen, wo dir dein Beruf schal und leer dünkt, wo dich die Arbeit anekelt. Und was kann dich dann trösten, wenn nicht die Frau, die du liebst, und die auch dir in herzlicher Liebe zugetan ist, die angenehme Häuslichkeit, die sie dir schafft, die Kinder, die sie dir schenkt? Wehe dir, wenn dich solche Stimmungen überkommen und du dich vergebens nach Trost und Hilfe umsichst, denn die Frau, an die du für das Leben gefesselt bist, ist dir verhaßt, ihr Anblick zuwider; dein Heim dünkt dir eine Hölle und deine Kinder — wohl, du liebst sie, aber doch kannst du nicht vergessen, daß sie dir ein unge liebtes Weib geschenkt. Der junge Mann stöhnte auf. „Mama, quäle mich doch nicht so furchtbar. Gott weiß, mir graut so genug vor dieser Ehe. Schon wenn ich an die rothaarige Hopfenstange denke, schaudert es mich. Aber ich kann nicht anders, ich kann den Kampf mit dem Leben nicht anfnchmen." „Und wenn du cs doch versuchen wolltest, mein Sohn! Setze doch etwas mehr Vertrauen in deine Begabung, deine Tatkraft! So schwer kann der Kampf nicht mehr werdet:, den größten Teil des Berges hast du ja doch schon erstiegen. O Ernst, mein Sohn, laß dich warnen, höre auf deine Mutter, die es herzlich gut mit dir meint . . . ." „Stein, ich kann nicht zurück, ich will nicht zurück! Es wird nicht so schlimm weiden. Ich werde trachten, das Zusammensein mit meiner Frau auf so wenige Stunden als möglich zu beschränken — die Mittel sind ja da, daß jedes sich auf seine Art Zerstreuung suchen kann. Und ich werde reich und geehrt sein, Glanz und Behagen werden mich um stehen' — sollte denn das nicht im Stande sein, mich Uber ein zerstörtes Liebesglück zu trösten?" „Und deine Frau, die dich vielleicht wahrhaft liebt und das Gleiche auch von dir erwartet? Wird sie mit dem Leben, wie du es eben ausgemalt zufrieden sein? Begreifst du dein, nicht, daß du auch an ihr ein furchtbares Unrecht begehst?" „Mama, du bist heute wirklich unerträglich sentimental," rief der junge Mann ungeduldig aus. „Wenn du meine Braut erst gesehen haben wirst, wirst du auch begreifen, daß sie keine Hoffnung hat, eine andere denn eine Vernunftheiraft zu schließen. Und wenn sie vernünftig ist, wird sie sich dies- auch bald klar machet!. Sie kan» noch froh sein, einen Mann wie mich geangelt zu haben, sie hätte cs weit schlechter treffcm können. Ich werde sie stets höflich und rücksichtsvoll behandeln, ihr alle persönliche Freiheit lassen, man wird sie — ein großes Glück in den Augen der Kleinstädter — Frau Doktor titulieren und sie als solche in der Gesellschaft feiern — was will sie mehr? Und ich fordere dafür auch nichts weiter von ihr, als daß sie nicht sucht mir meine Flügel zu beschneiden. Stur keine Ehcstandszärtlichkeiten, das könnte ich nicht —" Das Weitere verhallte. Die beiden hatten sich während ihres Gespräches entfernt, leiser »nd leiser waren ihre Worte geworden, nun konnte ich sie gar nicht mehr verstehen. Aber ich hatte auch genug gehört, o, nur zu viel! Mit beiden Hände» faßte ich meinen Kopf. War es denn Wirklichkeit, daß ich dies alles gehört, hatte ich nicht geträumt? O meine Donie, mein armes Kind! Wie konnte ich sic retten vor dem Abgrund, in dem sie sich lachenden Auges zu stürzen im Begriffe stand? Da ließ mich ein Wehes Aechzcn und das Knacken brechender Zweige den Kopf wenden. Auf der anderen Seite des Rasen platzes, nur durch das Gebüsch von mir getrennt, stand eine weibliche Gestalt. Ihre zuckenden Hände griffen in die Dornen, sie war blaß bis in die Lippen hinein .... Mit Mühe unterdrückte ich einen Schreckensruf. Sidonie! Sie hatte das alles mit angehört? Sie halte die niederträchtige Be schimpfung ihrer Person gehört, die Seibstherabwürdignug hes Mannes, den sie als Ideal auf den Altar ihres reinen Herzens gestellt? Der Atem versagte mir. Später dankte ich Gott dafür, denn so war es mir unmöglich, einen Laut von mir zu geben, der ihr meine Anwesenheit verraten hätte. Langsam wandte sie sich und ging gesenkten Hauptes die Allee hinunter, dem Hause zu. O, der Ausdruck von Verzweiflung, der auf dem blaffen stillen Gesichte lag. Ich habe ihn nie zu vergessen vermocht Diesen Tag über bekam ich Sidonie nicht mehr zu Gesicht, sie hatte sich in ihr Zimmer eingcschloffe». Ich tat dasselbe, denn ich bedurfte der Sammlung so gut wie sie. Eine drückende Stille herrschte im Hause, aber das Gewitter, das sich in der Nacht entlud, erfrischte nur die Luft und nicht auch die Herzen. Mit einem scheuen Blick streifte ich meine Nichte, als sie am nächsten Morgen am Kaffeetisch erschien. Sie sah